Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2023, Az. 2 StR 371/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 3541

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Gegenstand

Strafbarkeit der Erbringung von Zahlungsdiensten ohne Erlaubnis


Leitsatz

Einen erlaubnispflichtigen Zahlungsdienst im Sinne der § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (ZAG) erbringt auch derjenige, der gegenüber den Zahlungsdienstnutzern nur zum Schein als Zahlungsdienstleister auftritt.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Juni 2022 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Auf Grundlage der getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte als alleiniger Geschäftsführer der [X.] vorsätzlich im Inland Zahlungsdienste ohne Erlaubnis gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] erbracht. Dem steht nicht entgegen, dass er von vornherein beabsichtigte, die auf den Geschäftskonten der [X.] eingegangenen Geldbeträge der geschädigten Kunden von verschiedenen [X.] zweckwidrig zu verwenden. Denn einen erlaubnispflichtigen Zahlungsdienst im Sinne der § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] erbringt auch derjenige, der gegenüber den Zahlungsdienstnutzern nur zum Schein als Zahlungsdienstleister auftritt.

Nach § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] wird bestraft, wer ohne Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] Zahlungsdienste erbringt. Diese für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes zur Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten ([X.]) in der zur Tatzeit (Februar bis Ende November 2018) jeweils geltenden Fassung, gültig ab 13. Januar 2018 ([X.] I 2017, [X.]), sind von den nachfolgenden Änderungen dieses Gesetzes nicht betroffen.

Bei den von der [X.] entfalteten Tätigkeiten handelt es sich um erlaubnispflichtige Zahlungsdienste im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] (dazu unter 1.), die sie ohne Erlaubnis erbracht hat (dazu unter 2.).

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] benötigt derjenige, der im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Zahlungsdienste – im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 [X.] – erbringen will, eine schriftliche Erlaubnis. Anderes gilt nur, wenn es sich um einen Zahlungsdienstleister im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 [X.] handelt.

a) Dadurch, dass die [X.], bei der es sich ersichtlich nicht um einen – beaufsichtigten – Zahlungsdienstleister im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 [X.] handelt, Geldbeträge der Kunden von [X.] entgegennahm und anschließend weiterleitete, hat sie Zahlungsdienste in Form eines [X.] nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] vorgenommen.

aa) Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] liegt ein Finanztransfergeschäft bei (Zahlungs-)Diensten vor, bei denen ohne Einrichtung eines Zahlungskontos auf den Namen eines Zahlers oder eines Zahlungsempfängers ein Geldbetrag des Zahlers nur zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger oder an einen anderen, im Namen des Zahlungsempfängers handelnden Zahlungsdienstleister entgegengenommen wird oder bei dem der Geldbetrag im Namen des Zahlungsempfängers entgegengenommen und diesem verfügbar gemacht wird. Erfasst werden danach Zahlungsvorgänge, bei denen zwischen dem Zahlungsdienstleister und dem Zahlungsdienstnutzer, d.h. dem Zahler nach § 1 Abs. 15 [X.] oder dem Zahlungsempfänger nach § 1 Abs. 16 [X.] keine kontenmäßige Beziehung besteht (vgl. BT-Drucks. 18/11495, [X.] f.; 16/11613, [X.]). An einer solchen fehlt es, wenn der Zahlungsdienstleister kein Zahlungskonto im Sinne des § 1 Abs. 17 [X.] für den Zahler oder den Empfänger führt [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 129 ff.; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 113).

bb) Davon ausgehend nahm der Angeklagte über die [X.], die ihren Sitz in [X.]  hatte, Geldbeträge von [X.] ausschließlich zum Zwecke der Übermittlung eines entsprechenden Betrags an den Zahlungsempfänger entgegen, ohne ein Konto auf den Namen eines Zahlers oder eines Zahlungsempfängers einzurichten.

(1) Der Angeklagte eröffnete im Tatzeitraum bei verschiedenen Finanzinstituten mehrere Konten für die [X.] als Kontoinhaberin und damit weder auf den Namen eines der Kunden der [X.] als Zahler noch auf den Namen eines der Betreiber der verschiedenen [X.] oder sonstigen [X.] als Zahlungsempfänger.

(2) Er nahm die von den Kunden der [X.] auf die Geschäftskonten der [X.] jeweils überwiesenen Beträge entgegen, sammelte sie dort und leitete sie anschließend zweckwidrig auf Geheiß der gesondert verfolgten Hintermänner an verschiedene, ihm von diesen mitgeteilten Unternehmen im Ausland weiter.

(3) Dass der Angeklagte den jeweils zu transferierenden Geldbetrag in Form von Giralgeld im Wege einer Überweisung des jeweiligen Zahlers entgegennahm, hindert nicht die Einordnung seiner Tätigkeit als Finanztransfergeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.]. Nach Art. 4 Nr. 25 der Richtlinie ([X.]) 2015/2366 des [X.] und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (Payment Service Directive – [X.]), die als unionsrechtliche Grundlage bei der Begriffsbestimmung heranzuziehen ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.]. Rn. 46 [X.]), ist es unerheblich, in welcher Form der Geldbetrag eingebracht und in Empfang genommen wird; dies kann etwa in bar, per Scheck durch Einzugsermächtigung sowie durch Aufrechnung oder auch – wie hier – durch Überweisung erfolgen [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 127 ff.; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 118).

(4) Einer Entgegennahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] steht auch nicht entgegen, dass der Angeklagte durch die [X.] die Geldbeträge jeweils nur zum Schein zur zahlungsauftragsentsprechenden Weiterleitung in Empfang nahm. Daraus, dass der zu transferierende Geldbetrag nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] „nur zur Übermittlung entgegengenommen“ werden muss, folgt nicht, dass eine „Entgegennahme“ nur dann anzunehmen ist, wenn der Finanzintermediär die Gelder tatsächlich zweckentsprechend weiterleitet ([X.], Beschluss vom 9. August 2021 – 4 Ws 60/21).

(a) Ungeachtet der für die Beurteilung einer Tätigkeit als Finanztransfergeschäft vorzunehmenden aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Beurteilung (vgl. [X.], Das Finanztransfergeschäft als Zahlungsdienst, [X.] ff.), handelt es sich bei der „Entgegennahme“ um einen Realakt, dessen Vorliegen als isoliertes Tatbestandsmerkmal des [X.] im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] unabhängig von der mit dem Übermittlungsgeschäft verfolgten Zwecksetzung zu beurteilen ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 119; [X.], Das Finanztransfergeschäft als Zahlungsdienst, [X.] ff.; [X.], [X.], 12, 14).

(b) Soweit nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] die Entgegennahme „zur Übermittlung eines entsprechenden Betrags“ zu erfolgen hat, folgt bereits aus dem Wortlaut, dass damit nur das Erfordernis einer Zwecksetzung aus Sicht des Zahlers beschrieben wird [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 137 [X.]). Zudem wird der Bezug zu diesem Erfordernis dadurch verdeutlicht, dass ein „entsprechender“ Betrag zu übermitteln ist, denn das Merkmal „entsprechend“ bezieht sich auf „den Geldbetrag des Zahlers“ (vgl. [X.], Das Finanztransfergeschäft als Zahlungsdienst, [X.]97).

(c) Mit der Formulierung „nur“ zur Übermittlung sollen nach überwiegender Ansicht in der Literatur solche Fälle ausgeklammert werden, in denen die Entgegennahme des Geldbetrages nicht allein dessen Übermittlung bezweckt (vgl. zum Meinungsstand [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 1 Rn. 142 ff. [X.]). Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann hier dahinstehen, denn auch unter Zugrundelegung der abweichend vertretenen Auffassung, wonach das Merkmal „nur“ zur Übermittlung als bloßer Hinweis auf den Auffangcharakter des [X.] zu verstehen sei und ihm daher keinerlei tatbestandsbeschränkende Funktion zukomme (vgl. BT-Drucks. 18/11495 [X.]07; [X.] Merkblatt [X.] idF vom 14. Februar 2023 sub [X.]), ist vorliegend von einer Entgegennahme im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.] auszugehen.

b) Die von dem Angeklagten über die [X.] getätigten Finanztransfergeschäfte wurden gewerbsmäßig betrieben. Insoweit hat das [X.] zutreffend darauf abgestellt, dass der Begriff der Gewerbsmäßigkeit in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] aufsichtsrechtlich zu bestimmen ist. Danach ist es ausreichend, wenn – wie vorliegend – die Tätigkeit auf Dauer angelegt und auf Gewinnerzielung gerichtet ist [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 63 Rn. 46; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], §§ 10, 11 Rn. 53 ff.; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10 Rn. 15). Eine gewerbsmäßige Begehung im strafrechtlichen Sinn wird demgegenüber nicht vorausgesetzt [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 63 Rn. 46).

2. Die danach erlaubnispflichtigen Zahlungsdienste hat die [X.] im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] „ohne Erlaubnis erbracht“, indem sie im Februar 2018 ihren Geschäftsbetrieb aufnahm, in der Folge Einzahlungen von Kunden verschiedener [X.] in Höhe von rund 3.300.000 € auf ihren Konten entgegennahm und anschließend durch den Angeklagten – abgesehen von den sichergestellten Geldbeträgen in Höhe von rund 1.900.000 € – weiterleitete, ohne Trägerin einer Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 [X.] zu sein.

Dass die Weiterleitung der eingegangenen Geldbeträge – wie von vornherein beabsichtigt – zweckwidrig, d.h. nicht an die von den Geschädigten intendierten Empfänger erfolgte, steht dem nicht entgegen [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 63 Rn. 43; [X.], [X.], 12). Soweit vertreten wird, Fälle, in denen – wie hier – der Finanzintermediär von Anfang an beabsichtigt, die vereinnahmten Gelder pflichtwidrig anderweitig zu verwenden, seien aus dem Anwendungsbereich des § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] ausgenommen, weil es sich um vorgespiegelte [X.] und nicht um wirklich betriebene, grundsätzlich erlaubnisfähige Finanztransfergeschäfte handele (so KG, Beschluss vom 9. August 2021 – 4 Ws 60/21), folgt der Senat dem nicht. Die mit dieser Auffassung einhergehende Annahme, „Erbringen“ im Sinne des § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] erfordere in subjektiver Hinsicht den Willen, erlaubnisfähige Zahlungsdienste in Form von Finanztransfergeschäften zu betreiben, legt weder der Wortlaut der Norm nahe, noch lässt sich ein derartiges Erfordernis mit dem Ergebnis der weiteren Auslegung der Vorschrift in Einklang bringen.

a) Dem Wortlaut des § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.], wonach bestraft wird, wer ohne Erlaubnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] Zahlungsdienste erbringt, kann die Notwendigkeit eines Willenselementes nicht entnommen werden. Auch der Tatbestandsbeschreibung der – § 63 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 [X.] als „unechte“ Blankettnorm (vgl. zum Begriff [X.], Beschluss vom 9. März 1954 – 3 StR 12/54, [X.]St 6, 30; MüKoStGB/[X.], 4. Aufl., [X.] § 95 Rn. 6 ff.) ausfüllenden – Verweisungsnorm des § 10 Abs. 1 [X.], wonach die Erlaubnispflicht daran geknüpft ist, dass der Antragsteller Zahlungsdienste „erbringen will“, lässt sich ein voluntatives Erfordernis nicht entnehmen. Vielmehr deutet der der Vorschrift zugrundeliegende Art. 11 Abs. 1 [X.] darauf hin, dass der Wortlaut des § 10 Abs. 1 [X.] eher als Hinweis auf die notwendige zeitliche Abfolge zwischen der Zulassung als Zahlungsinstitut und der anschließenden (objektiven) Erbringung von Zahlungsdiensten zu verstehen ist, mithin die Erlaubnis vor dem Marktzutritt vorliegen muss. Denn danach haben die Mitgliedstaaten vorzuschreiben, dass bestimmte Unternehmen, „die Zahlungsdienste zu erbringen beabsichtigen, vor dem Beginn der Erbringung von Zahlungsdiensten die Zulassung als Zahlungsinstitut erlangen müssen.”

b) Maßgeblich dafür, dass in dem Wortlaut allein die zeitliche Komponente zum Ausdruck gebracht werden soll, sprechen der in der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck, die gesetzgeberische Konzeption sowie die Notwendigkeit, den dem Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdienstleistern immanenten Individualschutz für Nutzer und Verbraucher durch die [X.] zu gewährleisten.

aa) (1) § 10 [X.] wurde in dieser Gestalt im [X.] vom 17. Juli 2017, das der Umsetzung der [X.] diente, und die die seit dem 25. Juni 2009 geltende Fassung des [X.] ersetzt hat, neu gefasst (vgl. BT-Drucks. 18/11495, [X.]; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 1 Rn. 105 f.). Diese Zweite Zahlungsdiensterichtlinie ([X.]) soll den mit der [X.] (Richtlinie 2007/64/[X.] des [X.] und des Rates vom 13. November 2007 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der [X.], 2002/65/[X.], 2005/60/[X.] und 2006/48/[X.] sowie zur Aufhebung der Richtlinie 97/5/[X.], ABl[X.] vom 5.12.2007, L 319, 1 – [X.]) geschaffenen harmonisierten Rechtsrahmen für unbare Zahlungen im [X.] fortentwickeln und an technische Entwicklungen anpassen (vgl. Erwägungsgründe 1 ff. der [X.]; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., [X.]eitung, Rn. 1 ff.).

Wie bereits die [X.] (vgl. Erwägungsgrund 49 der [X.]) zielt die [X.] darüber hinaus auf die gemeinschaftsweite Bekämpfung des Betruges im Zahlungsverkehr ab. So wird in Erwägungsgrund 7 [X.] ausdrücklich die Erhöhung der Sicherheitsrisiken für elektronische Zahlungen festgestellt und die Notwendigkeit des Vorhandenseins zuverlässiger und sicherer Zahlungsdienste sowie des angemessenen Schutzes der „Nutzer von Zahlungsdiensten“ festgeschrieben. In Erwägungsgrund 33 [X.] findet erneut die „Notwendigkeit, die Sicherheit von Zahlungsvorgängen und den Schutz der Verbraucher vor nachweislichen Betrugsrisiken zu gewährleisten (…)“ Erwähnung. Art. 30 [X.] verdeutlicht schließlich, dass der mit der [X.] intendierte Schutzzweck nicht nur auf den Schutz der Zahlungsdienstnutzer vor dem Missbrauch von Zahlungsinstrumenten und -verfahren durch Dritte gerichtet ist, sondern sich auch auf betrügerische Handlungen von Zahlungsdienstleistern erstrecken soll. Nach dieser – in [X.] durch § 39 Abs. 6 [X.] umgesetzten (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 39 [X.], Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Forstmann, [X.], § 39 Rn. 52) – [X.] ist den Aufsichtsbehörden des Aufnahmemitgliedstaats in Fällen grenzüberschreitender Tätigkeiten ein sogenanntes Eintrittsrecht für solche Notfallsituationen zu eröffnen, in denen mit Blick auf einen prinzipiell in seinem Herkunftsmitgliedstaat beaufsichtigten Zahlungsdienstleister „Sofortmaßnahmen erforderlich sind, um eine ernste Bedrohung der kollektiven Interessen der Zahlungsdienstnutzer im Aufnahmemitgliedstaat abzuwenden“ (vgl. § 39 Abs. 6 Satz 2 [X.]).

(2) In Umsetzung dieser aufsichtsrechtlichen Vorgaben der [X.] (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. § 10 Rn. 2) statuiert das [X.] in § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen eine Erlaubnispflicht für das Erbringen von Zahlungsdiensten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 [X.]. Dieses – aufsichtsrechtliche – präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], §§ 10, 11, Rn. 24; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10, Rn. 4; [X.]/Drefke/[X.]/[X.], [X.], 1. Aufl. 2018, Rn. 237 ff.) soll den auch bezweckten Individualschutz für Nutzer und Verbraucher gewährleisten, der etwa neben der Qualifikation als Marktverhaltensnorm im Sinne des § 3a UWG (vgl. [X.], [X.] 2023, 218) u.a. auch in der Identifikation des § 10 [X.] als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB seinen Niederschlag findet (vgl. [X.], NJW 2021, 1963, Rn. 25 ff.; [X.]/BGB/[X.], Stand 1.11.2022, § 823 Rn. 294 [X.]; [X.], [X.], 185, 186 ff.; [X.], [X.], 54; [X.], RdZ 2021, 43, 47). Erst dadurch, dass die Erlaubnis vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit vorliegen muss, können die bestehenden Sicherheits- oder Kontrollbedürfnisse gewährleistet werden, um auf diese Weise zu verhindern, dass ungeeignete Personen oder unzulänglich fundierte Unternehmen tätig werden.

Danach ist es für die Erlaubnisbedürftigkeit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] ohne Belang, ob der Betroffene zugleich die Absicht verfolgt, die anzubietenden Zahlungsdienste auch ordnungsgemäß zu erfüllen. Vielmehr ist allein entscheidend, ob er künftig beabsichtigt, Zahlungsdienste am Markt anzubieten, mithin ob er derartige Dienste „erbringen will“, so dass diese Formulierung Ausdruck der notwendigen zeitlichen Abfolge von erforderlicher Erlaubnis und anschließender Tätigkeit ist. Weitergehend verdeutlicht sie auch, dass nicht erst die tatsächliche Erbringung des Zahlungsdienstes die Erlaubnispflicht auslöst, sondern bereits der Wille hierzu genügt, so dass auch Vorbereitungshandlungen erfasst sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 10, Rn. 14; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], §§ 10, 11, Rn. 34 [X.]).

bb) Nach der gesetzlichen Konzeption der §§ 10, 11 [X.] erstreckt sich der [X.] Geltungsbereich des [X.] im Übrigen nicht nur auf juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften, die grundsätzlich eine Erlaubnis erlangen können ([X.], Beschluss vom 9. August 2021 – 4 Ws 60/21). Denn das Erfordernis der schriftlichen Erlaubnis, das durch die Aufsichtsbehörde gegebenenfalls mit den Mitteln der §§ 7, 8 [X.] durchgesetzt werden kann, ist von der Fähigkeit einer Person, die erforderliche Erlaubnis zu erlangen, zu unterscheiden. An einer solchen fehlt es etwa beim Vorliegen des [X.] des § 12 Nr. 1 [X.], wonach die Erlaubnis zu versagen ist, wenn der Antragsteller keine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft ist. Damit wird klargestellt, dass der Erlaubnisvorbehalt sowohl für natürliche als auch für juristische Personen und Personenvereinigungen begründet wird, auch wenn eine natürliche Person keine Erlaubnis erlangen kann.

cc) Schließlich führte die Ausklammerung von in betrügerischer Absicht handelnden Personen oder Unternehmen aus dem Schutzbereich des § 10 Abs. 1 [X.] zu Wertungswidersprüchen, die weder mit dem auch auf den Individualschutz für Nutzer und Verbraucher ausgerichteten Zweck des [X.] noch mit einer effektiven Gefahrenabwehr in Einklang zu bringen wären. Denn dann bestünden Eingriffsbefugnisse der [X.] aus § 7 [X.], der eine spezielle gewerbepolizeiliche Vorschrift darstellt, die der Gefahrenabwehr im Finanzsektor dient (vgl. [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 7 Rn. 1 ff.), allein gegenüber solchen Unternehmen, die objektiv Zahlungsdienste anbieten und diese auch subjektiv ordnungsgemäß abzuwickeln beabsichtigen, aber (noch) nicht über die gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] erforderliche Erlaubnis verfügen. Demgegenüber wäre ein aufsichtsbehördliches Eingreifen gegenüber solchen Unternehmen, die mit dem Angebot ihres Zahlungsdienstes erklärtermaßen lediglich die Vermögensschädigung ihrer Kunden bezwecken, nicht möglich. Dass die [X.] nur im ersteren Fall Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreifen kann, in dem letztgenannten Geschäftsmodell dagegen nicht, obwohl bei diesem eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Nutzer durch den Dienstleister um ihre Zahlungsbeträge betrogen werden, lässt sich nicht sinnvoll begründen (vgl. [X.], [X.], 12).

Franke     

  

Appl     

  

Meyberg

  

Grube     

  

Schmidt     

  

Meta

2 StR 371/22

28.02.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 21. Juni 2022, Az: 106 KLs 1/21

§ 10 Abs 1 S 1 ZAG vom 17.07.2017, § 63 Abs 1 Nr 4 Alt 1 ZAG vom 17.07.2017

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2023, Az. 2 StR 371/22 (REWIS RS 2023, 3541)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3541

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