Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2019, Az. II ZB 20/18

2. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 5172

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Gegenstand

Statusverfahren: Ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsorgans einer durch formwechselnde Umwandlung gegründeten Europäischen Gesellschaft


Leitsatz

Wenn vor der Eintragung einer durch formwechselnde Umwandlung gegründeten, dualistisch aufgebauten Europäischen Gesellschaft (SE) in das Handelsregister ein Statusverfahren eingeleitet worden ist, richtet sich die in diesem Verfahren festzulegende Zusammensetzung des Aufsichtsorgans der SE bei Anwendbarkeit der Auffangregelung über die Mitbestimmung kraft Gesetzes (§§ 34 ff. SEBG) danach, wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften richtigerweise zusammenzusetzen war.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 21. Zivilsenats des [X.] vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach deren Umwandlung in eine Societas Europaea ([X.]).

2

Die Antragsgegnerin bestand ursprünglich in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft [X.] Rechts. Ihre formwechselnde Umwandlung in eine [X.] wurde am 2. Juni 2017 von der Hauptversammlung beschlossen und am 31. Juli 2017 im Handelsregister eingetragen. Eine Vereinbarung über die Arbeitnehmerbeteiligung gemäß § 21 des Gesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer [X.] ([X.]BG) wurde nicht geschlossen. Das bei der Antragsgegnerin bestehende Aufsichtsorgan setzt sich, ebenso wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung, ausschließlich aus Vertretern der Anteilseigner zusammen.

3

Die Antragsgegnerin beschäftigte vor der Umwandlung 205 Arbeitnehmer. Unter Einbeziehung weiterer zu dem Konzern der Antragsgegnerin gehörender [X.]en betrug die Gesamtzahl der Beschäftigten 1.046. Ein [X.] bestand nur mit höchstens zwei dieser [X.]en. Außerdem hielt die Antragsgegnerin eine Beteiligung von 49 % an der K.           Seniorenwohn- und Pflegeanlage Betriebs-GmbH, die etwa 1.300 Arbeitnehmer beschäftigte. Die konzernrechtliche Zurechnung dieser [X.] ist streitig.

4

Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. Mit am 27. Juli 2017 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz hat er eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin gemäß § 98 Abs. 1 [X.] beantragt. Er ist der Ansicht, dass der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nicht nach den hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften zusammengesetzt sei und richtigerweise zur Hälfte oder jedenfalls zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern bestehen müsse. Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen.

5

Das [X.] hat den Antrag zurückgewiesen ([X.], [X.], 932). Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Rechtsbeschwerdegegnerin zu 2, einer [X.], hat das Beschwerdegericht den Beschluss des [X.]s aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

6

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

7

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 99 Abs. 1 [X.], § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Antragsgegnerin beschwerdebefugt.

8

Ob und unter welchen Voraussetzungen in einem Statusverfahren nach § 98 f. [X.] die betroffene Aktiengesellschaft beschwerdebefugt ist, ist dem Gesetz nicht eindeutig zu entnehmen und in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Einerseits wird die [X.] in der Aufzählung der Antragsberechtigten (§ 98 Abs. 2 [X.]), die nach § 99 Abs. 4 Satz 3 [X.] zugleich beschwerdeberechtigt sind, nicht ausdrücklich genannt. Andererseits enthält § 99 Abs. 4 Satz 4 [X.] eine Regelung zum Beginn der für die [X.] geltenden Beschwerdefrist, was dafür spricht, dass das Gesetz von einer Beschwerdeberechtigung der [X.] ausgeht.

9

Die mittlerweile überwiegende Meinung bejaht eine Beschwerdeberechtigung der [X.] jedenfalls dann, wenn der Antrag in der vorherigen Instanz Erfolg hatte, wobei teilweise auf die allgemeine Regelung der Beschwerdebefugnis in § 59 Abs. 1 FamFG abgestellt wird, die neben der besonderen Regelung in § 99 Abs. 4 Satz 3 [X.] anwendbar bleibe (KG, [X.], 369 f.; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 99 Rn. 19; [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 5. Aufl., § 99 Rn. 29; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 99 Rn. 8; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 99 Rn. 13; [X.]/[X.], [X.], § 99 Rn. 9; [X.], [X.]srecht, 4. Aufl., § 99 [X.] Rn. 5). Die Gegenansicht hält die besondere Regelung der Beschwerdebefugnis in § 99 Abs. 4 Satz 3 [X.] hingegen für abschließend und meint, danach sei zwar unter anderem der Vorstand im eigenen Namen (§ 98 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 99 Abs. 4 Satz 3 [X.]), nicht aber die [X.] beschwerdebefugt ([X.] in [X.]/Stilz, [X.], 4. Aufl., § 99 Rn. 11; [X.] in Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl., § 99 Rn. 5).

Zuzustimmen ist im Ergebnis der Auffassung, die die Beschwerdebefugnis der [X.] bejaht. Ihre Beschwerdeberechtigung folgt daraus, dass die Antrags- und Beschwerdeberechtigung des Vorstands (§ 98 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 99 Abs. 4 Satz 3 [X.]) diesem nicht oder jedenfalls nicht allein als einem aus eigenem Recht selbständig Beteiligten zusteht, sondern ihm - zumindest auch - als dem Vertretungsorgan der [X.] eingeräumt ist ([X.]/[X.] in KK-[X.], 3. Aufl., §§ 97-99 Rn. 23; a.A. [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 5. Aufl., § 98 Rn. 30). Mithin kann der Vorstand aufgrund der ihm zugewiesenen Organkompetenz für die [X.] Beschwerde einlegen. Da es sich in diesem Fall um eine Beschwerde der [X.] handelt, fügt sich auch die Regelung zu dem Beginn der für die [X.] geltenden Beschwerdefrist (§ 99 Abs. 4 Satz 4 [X.]) widerspruchsfrei in den normativen Gesamtzusammenhang ein.

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.

a) Das Beschwerdegericht ([X.], [X.], 1874) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Die Beschwerden seien zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der beteiligten [X.] ergebe sich daraus, dass ihr bei Anwendung der Mitbestimmungsregeln ein Vorschlagsrecht nach § 16 Abs. 2 [X.] zustünde (§ 99 Abs. 4 Satz 3, § 98 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 [X.]). Hierfür genüge, dass die beteiligte [X.] bei einem Unternehmen im Konzern der Antragsgegnerin vertreten sei. Die Erfüllung dieser Voraussetzung habe die Beteiligte durch Vorlage einer öffentlichen Urkunde nachgewiesen, aus der sich ergebe, dass ein Mitglied der [X.] bei der [X.], einer zum Konzern der Antragsgegnerin gehörenden [X.], beschäftigt sei.

Die Beschwerden seien auch begründet. Entgegen der Auffassung des [X.]s richte sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin gemäß § 35 Abs. 1 [X.]BG nicht nach der vor Eintragung der [X.] in das Handelsregister tatsächlich praktizierten Mitbestimmung ([X.]), sondern nach der rechtlich gebotenen Mitbestimmung (Soll-Zustand). Das aus § 96 Abs. 4 [X.] folgende [X.] stehe dem nicht entgegen. Ihm werde hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass auch in der [X.] die geänderte Zusammensetzung des Aufsichtsrats erst mit dem Abschluss eines Statusverfahrens zum Tragen komme. Ein vor der Umwandlung bestehendes, noch nicht durchgesetztes Recht darauf, die rechtswidrige Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Wege eines Statusverfahrens dem rechtmäßigen Zustand anzugleichen, dürfe den Arbeitnehmern durch die Umwandlung nicht genommen werden. Andernfalls könnten sich zudem schwierige Abgrenzungsprobleme im Hinblick auf vor der Umwandlung eingeleitete aber noch nicht rechtskräftig beendete und umgesetzte Statusverfahren ergeben. Der Abschluss eines nach Bekanntgabe der Umwandlungsabsicht sogleich eingeleiteten Statusverfahrens noch vor Eintragung der [X.], könne vom Zufall abhängen oder sogar durch eine bewusste Verzögerung des Statusverfahrens vereitelt werden.

Entscheidend sei danach, ob die Antragsgegnerin vor der Umwandlung nach dem Mitbestimmungsgesetz oder dem Drittelbeteiligungsgesetz mitbestimmungspflichtig gewesen sei. Da das [X.] keine Feststellungen zur Frage einer etwaigen konzernrechtlichen Zuordnung der K.              Seniorenwohn- und Pflegeanlage Betriebs-GmbH zur Antragsgegnerin und damit der für die Beurteilung der anzuwendenden Mitbestimmungsregeln maßgeblichen Verhältnisse getroffen habe, sei die Sache an das [X.] zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

b) Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde jedenfalls im Ergebnis stand.

aa) Ohne Erfolg rügt die Antragsgegnerin, das Beschwerdegericht habe die Beschwerdebefugnis der beteiligten [X.] zu Unrecht angenommen, da die vorgelegte Urkunde eine Beschäftigung des nicht namentlich genannten [X.]smitglieds bei der [X.] erst ab April 2018 belege, nicht aber für die [X.]punkte der Umwandlung und des Ablaufs der Beschwerdefrist.

Das Beschwerdegericht ist ersichtlich davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis des [X.]smitglieds bei der [X.] in dem für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis rechtlich maßgebenden [X.]raum vorlag, der nach vorherrschender Auffassung in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit dem Erlass der angefochtenen Entscheidung beginnt (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Januar 1989 - [X.], NJW 1989, 1858; [X.] 1999, 259 f.; [X.] in Bork/[X.]/[X.], FamFG, 3. Aufl., § 59 Rn. 13; [X.]/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 59 FamFG Rn. 6; a.[X.] in [X.], FamFG, 4. Aufl., § 59 Rn. 10).

Die Rechtsbeschwerde weist zwar zutreffend darauf hin, dass die zu den Akten gereichte Urkunde die Vorlage einer Gehaltsbescheinigung lediglich für April 2018 bestätigt. Das Beschwerdegericht war aber nicht gehindert, hieraus den Schluss zu ziehen, dass das Arbeitsverhältnis schon in der [X.] davor bestanden habe, zumal die Antragsgegnerin nach Vorlage der Urkunde im Beschwerdeverfahren nicht mehr auf ihren Einwand zurückgekommen ist, dass die [X.] schon nicht beschwerdebefugt sei. Der Senat teilt diese Einschätzung des Beschwerdegerichts.

Im Übrigen hätte selbst eine fehlende Beschwerdebefugnis der [X.] für das vom Antragsteller eingeleitete Statusverfahren keine weitergehenden Auswirkungen. Die Endentscheidung wirkt für und gegen alle (§ 99 Abs. 5 Satz 2 [X.]). Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens sind von der [X.] zu tragen, soweit sie nicht dem Antragsteller auferlegt werden; im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt (§ 23 Nr. 10 GNotKG, § 99 Abs. 6 [X.]). Ferner war die [X.] unabhängig von der Zulässigkeit ihrer Beschwerde jedenfalls ab April 2018 berechtigt, sich an dem vom Antragsteller betriebenen Verfahren zu beteiligen.

[X.]) Die angefochtene Entscheidung hält auch in der Sache rechtlicher Nachprüfung stand. Das Beschwerdegericht hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend angenommen, dass der Antrag auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht zurückgewiesen werden kann und es einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts im Hinblick auf die vor der Eintragung der [X.] anzuwendenden Mitbestimmungsregelungen bedarf.

(1) Die Zulässigkeit des Antrags hat das Beschwerdegericht zu Recht bejaht. Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde auch nichts.

(2) Die im Statusverfahren festzulegende Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin bestimmt sich aufgrund der Umstände des Streitfalls danach, wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften zusammenzusetzen war.

(a) Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Organen einer [X.] richtet sich gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 [X.]BG allein nach diesem Gesetz. Durch das [X.]BG ist die zeitgleich mit der Verordnung ([X.]) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der [X.] ([X.]) ([X.]-VO) erlassene Richtlinie 2001/86/[X.] des Rates zur Ergänzung des Statuts der [X.] hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer ([X.]-Ergänzungsrichtlinie) in [X.] Recht umgesetzt worden. Nach Art. 13 Abs. 2 der [X.]-Ergänzungsrichtlinie finden einzelstaatliche Rechtsvorschriften in Bezug auf die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den [X.]sorganen, die nicht zur Umsetzung der Richtlinie dienen, keine Anwendung auf [X.]en in der Rechtsform der [X.]. Die Bestimmungen des Mitbestimmungs- und des [X.] sind auf die [X.] zudem deshalb nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nicht zu den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] und § 1 [X.] abschließend aufgelisteten [X.]sformen zählt.

Nach dem [X.]BG besteht eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer durch eine Beteiligung in Organen der [X.] nur dann, wenn zwischen den Leitungen der [X.] und dem gemäß § 5 [X.]BG zusammengesetzten besonderen [X.] eine Vereinbarung getroffen wurde, die die Mitbestimmung vorsieht (§ 21 Abs. 3 bis 6 [X.]BG), oder wenn die Voraussetzungen der Mitbestimmung kraft Gesetzes gemäß §§ 34 ff. [X.]BG vorliegen.

(b) Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen zu Recht angenommen, dass im Streitfall die Anwendung der [X.] nach §§ 34 ff. [X.]BG in Betracht kommt. Eine Vereinbarung nach § 21 [X.]BG ist nicht getroffen worden. Die Anwendung der §§ 34 ff. [X.]BG schiede zwar auch dann aus, wenn das besondere [X.] gemäß § 16 [X.]BG wirksam beschlossen hätte, keine Verhandlungen aufzunehmen oder bereits aufgenommene Verhandlungen abzubrechen (§ 34 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Nr. 2 [X.]BG). Einen solchen Beschluss hat das [X.] aber nicht festgestellt und das Beschwerdegericht ist auf dieser Grundlage im Rahmen der ihm obliegenden Rechtsprüfung (§ 99 Abs. 3 Satz 3 [X.]) rechts- und verfahrensfehlerfrei davon ausgegangen, dass eine Beschlussfassung nach § 16 [X.]BG unterblieben ist.

Die erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgebrachte Behauptung der Antragsgegnerin, das besondere [X.] habe beschlossen, keine Verhandlungen aufzunehmen, wie sich aus der Kürze der bis zur Eintragung der [X.] im Handelsregister verstrichenen [X.] ergebe, ist nicht mehr zu berücksichtigen (§ 99 Abs. 1 [X.], § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 Abs. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit schon deshalb keine durchgreifende Verfahrensrüge, weil ihr Vorbringen nicht erkennen lässt, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für eine wirksame Beschlussfassung nach § 16 [X.]BG erfüllt gewesen seien. Eine auf äußere Abläufe gestützte Vermutung genügt nicht. Das Beschwerdegericht war zudem - auch in Anbetracht des [X.]ablaufs bis zur Eintragung der [X.] - nicht gehalten, von Amts wegen der Frage nachzugehen, ob ein Beschluss nach § 16 [X.]BG gefasst worden ist. Es durfte vielmehr davon ausgehen, dass die im Beschwerdeverfahren anwaltlich vertretene Antragsgegnerin für sie vorteilhafte Umstände, die von dem Sachverhalt, den das [X.] zugrunde gelegt hatte, in einem wesentlichen Punkt abweichen, von sich aus geltend machen und ihre Nichtberücksichtigung gegebenenfalls rügen werde (vgl. [X.], [X.], 1966 f.; [X.], [X.], 546, 547).

(c) In dem hier gegebenen Fall einer durch formwechselnde Umwandlung gegründeten [X.] finden die §§ 35 bis 38 [X.]BG nur Anwendung, wenn in der [X.] vor der Umwandlung Bestimmungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan galten (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 [X.]BG). Ist diese Voraussetzung erfüllt, bleibt die Regelung zur Mitbestimmung erhalten, die in der [X.] vor der Umwandlung bestanden hat (§ 35 Abs. 1 [X.]BG).

Die Auslegung dieser Vorschriften ist insbesondere hinsichtlich der Frage umstritten, worauf für die Beurteilung des vor der Umwandlung gegebenen Anknüpfungstatbestandes abzustellen ist. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass es für das [X.] der [X.] auf die in der Gründungsgesellschaft tatsächlich praktizierte Mitbestimmung, mithin den "[X.]", ankomme ([X.], [X.], 1546, 1548; [X.], Beschluss vom 21. Dezember 2017 - 3-[X.], juris Rn. 17 f.; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar, 2. Aufl., § 34 [X.]BG Rn. 15; MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl., § 34 [X.]BG Rn. 5 und § 35 [X.]BG Rn. 2; Hohenstatt/[X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl., § 34 [X.]BG Rn. 6 und § 35 [X.]BG Rn. 2; [X.], [X.], 823, 828 f.; [X.], [X.], 1057, 1064; [X.], [X.] 2018, 2868 ff.; [X.], EWiR 2018, 615 f.).

Andere wollen auf die in der Gründungsgesellschaft gesetzlich gebotene Mitbestimmung, den "Soll-Zustand", abstellen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Gesamtes Arbeitsrecht, § 34 [X.]BG Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], § 34 [X.]BG Rn. 6; Forst in Gaul/[X.],Europäisches Mitbestimmungsrecht, § 2 Rn. 464; [X.], Das Verhandlungsverfahren zur Regelung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei Gründung einer Societas Europaea und bei Durchführung einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, 2014, [X.] f.; [X.], [X.] 2012, 902; [X.], [X.] 2018, 2487 f.; [X.]/Gey, [X.] 2009, 1750, 1756), wobei einige annehmen, dass das tatsächlich praktizierte [X.] zwar zunächst fortgelte, aber im Wege des Statusverfahrens auch nach Gründung der [X.] noch an den vor Gründung geltenden Sollzustand angepasst werden könne ([X.] in [X.]/[X.], Vereinbarte Mitbestimmung in der [X.], 2008, § 3 Rn. 128 ff., Rn. 140; [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl., [X.] ([X.]) pp. Rn. 14; [X.], EWiR 2018, 333, 334; [X.]/[X.], [X.] 2019, 244, 246; [X.]/[X.], [X.] 2018, 1716, 1717).

(d) Welcher dieser Meinungen zu folgen ist, bedarf in der vorliegenden Sache keiner abschließenden Entscheidung; insbesondere kann offenbleiben, ob grundsätzlich auf den "[X.]" oder den "Soll-Zustand" abzustellen ist.

(aa) Allerdings bedarf die mögliche Anknüpfung an einen in der Gründungsgesellschaft noch nicht praktizierten "Soll-Zustand" stets eines geregelten Verfahrens, um rechtlich wirksam zu werden. Sofern vor der Umwandlung keine Vereinbarung über die Mitbestimmung geschlossen wurde, erfordert eine Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsorgans zur Umsetzung der vor der Umwandlung rechtlich gebotenen Mitbestimmung die Durchführung eines Statusverfahrens nach den §§ 97 ff. [X.]. Das Statusverfahren ist, wie sich aus § 17 Abs. 4 Satz 1 [X.]AG erschließt, auch auf die [X.] anwendbar ([X.] in [X.]/[X.], Mitbestimmungsrecht, 4. Aufl., § 34 [X.]BG Rn. 30; [X.]/[X.] in Großkomm. [X.], 5. Aufl., § 98 Rn. 5; [X.], [X.], 1057, 1064). Damit gilt das in § 96 Abs. 4 [X.] normierte [X.] auch für die [X.]. Hieraus hat das Beschwerdegericht zu Recht gefolgert, dass auch in einer [X.] die Änderung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats erst mit dem Abschluss des Statusverfahrens wirksam wird und der gewählte Aufsichtsrat bis dahin in seiner konkreten Zusammensetzung rechtmäßig bestehen bleibt.

Hiermit ist indes nicht die Frage beantwortet, ob es für die gesetzlich gebotene, gegebenenfalls im Wege eines Statusverfahrens durchsetzbare, Zusammensetzung des Aufsichtsrats auf den vor der Umwandlung bestehenden "[X.]" oder den "Soll-Zustand" ankommt.

([X.]) Im Streitfall kann diese Frage jedoch offenbleiben, weil das hier anhängige Statusverfahren bereits vor der Eintragung der [X.] in das Handelsregister und damit vor dem für den Vollzug der formwechselnden Umwandlung maßgebenden [X.]punkt (§ 202 [X.]) eingeleitet worden ist. Infolge dieses Umstandes käme es auch unter der Prämisse, dass grundsätzlich auf den "[X.]" abzustellen sei, entscheidend darauf an, wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung nach den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften richtigerweise zusammenzusetzen war.

Ist ein Statusverfahren vor der Eintragung der [X.] in das Handelsregister eingeleitet worden, prägt dieser tatsächliche Umstand den vor der Umwandlung bestehenden "[X.]" mit. Das anhängige Statusverfahren nimmt der bis dahin praktizierten Regelung ihre Verbindlichkeit für den Mitbestimmungsstatus der [X.] und öffnet die bisherige Handhabung für eine Korrektur nach Maßgabe der einschlägigen Mitbestimmungsregeln (vgl. [X.], [X.], 823, 829; a.A. wohl [X.], [X.] 2018, 2868, 2871).

Dafür, dass diese Korrekturmöglichkeit mit der Eintragung der [X.] in das Handelsregister nicht entfällt, sondern auch im Hinblick auf das Aufsichtsorgan der [X.] erhalten bleibt, sprechen entscheidend Ziel und Zweck des [X.]BG und der ihm zugrunde liegenden Ergänzungsrichtlinie.

Fundamentaler Grundsatz und erklärtes Ziel der Richtlinie ist gemäß Erwägungsgrund 18 die Sicherung erworbener Rechte der Arbeitnehmer über ihre Beteiligung an Unternehmensentscheidungen. Die vor der Gründung einer [X.] bestehenden Rechte der Arbeitnehmer sollten deshalb Ausgangspunkt auch für die Gestaltung ihrer Beteiligungsrechte in der [X.] sein ([X.]). § 1 [X.]BG greift diese Zielvorgabe auf und sieht in Abs. 3 vor, die Vorschriften des [X.]BG so auszulegen, dass die Ziele der [X.], die Beteiligung der Arbeitnehmer in der [X.] sicherzustellen, gefördert werden. Für den Fall der [X.]-Gründung durch formwechselnde Umwandlung gilt das [X.] besonders streng (vgl. § 15 Abs. 5, § 21 Abs. 6 [X.]BG). Der Gesetzgeber hat in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht die Gefahr, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer beeinträchtigt wird, bei der [X.]-Gründung durch formwechselnde Umwandlung als besonders hoch eingeschätzt. Eine „Flucht aus der Mitbestimmung“ durch Umwandlung in eine [X.] sollte nach Möglichkeit unterbunden werden.

Einer solchen "Flucht aus der Mitbestimmung" könnte aber, wie das Beschwerdegericht zutreffend aufgezeigt hat, Vorschub geleistet werden, wenn ein [X.] dauerhaft festgeschrieben würde, obwohl dessen Übereinstimmung mit den anwendbaren Mitbestimmungsvorschriften durch die Einleitung eines Statusverfahrens bereits auf den Prüfstand gestellt wurde. Da die Einleitung eines Statusverfahrens die Gründung der [X.] durch Eintragung in das Handelsregister nicht hindert ([X.], [X.], 823, 828 mwN), könnte mit der Eintragung der [X.] einem bis dahin noch nicht rechtskräftig beendeten Statusverfahren der Prüfungsgegenstand entzogen und die weitere gerichtliche Überprüfung vereitelt werden. In diesem Zusammenhang hat das Beschwerdegericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Dauer eines Statusverfahrens von Umständen außerhalb der Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsteller abhängen und gegebenenfalls durch ein auf Verfahrensverzögerung ausgerichtetes Prozessverhalten der Antragsgegnerseite beeinflusst werden kann.

3. [X.] hat die Antragsgegnerin kraft Gesetzes zu tragen (§ 23 Nr. 10 GNotKG). Es besteht kein Anlass, die Kosten ganz oder teilweise dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 99 Abs. 6 Satz 1 [X.]). Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet (§ 99 Abs. 6 Satz 2 [X.]).

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Sunder

      

[X.]     

      

von Selle     

      

Meta

II ZB 20/18

23.07.2019

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 27. August 2018, Az: 21 W 29/18, Beschluss

§ 98 Abs 1 AktG, § 34 Abs 1 Nr 1 SEBG, §§ 34ff SEBG, § 35 Abs 1 SEBG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.07.2019, Az. II ZB 20/18 (REWIS RS 2019, 5172)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1265-1266 WM2019,1745 REWIS RS 2019, 5172

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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31 Wx 280/18

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