Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZR 222/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2396

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 222/10
vom
13. Oktober 2011
in dem Rechtsstreit

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Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 13.
Oktober 2011
durch den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
[X.], den [X.] [X.], die [X.]in [X.], den [X.] Dr.
Eick und den [X.] Prof.
Leupertz

beschlossen:

Der Beschwerde der Klägerin
gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.
Das Schlussurteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 16.
Dezember 2010
wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des [X.] zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 74.125

Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn aus
abgetretenem Recht der [X.], die ihr als Subunternehmerin die Ausführung der Gewerke Sanitär, Heizung und Lüftung für ein Bauvorhaben des [X.] übertragen hatte. Sie macht geltend, der [X.] und seine Ehefrau (im Folgenden: der [X.]) 1

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habe die [X.]
als Generalunternehmerin
mit der Errichtung des Zweifamilienhauses beauftragt, wohingegen der [X.] behauptet, den Vertrag nicht mit der [X.], sondern mit deren Geschäftsführer [X.] persönlich geschlossen zu haben.
Das [X.] hat der Klage hinsichtlich der aus abgetretenem Recht geltend gemachten Forderung (74.125

in Höhe von 42.186,67

Zug-um-Zug gegen Nachbesserung, stattgegeben und die Klage in diesem Punkt im Übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide [X.]en Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat durch Schlussurteil vom 25.
September 2009 der Berufung des [X.] unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin stattgegeben und die auf Forderungen aus abgetretenem Recht gestützte Klage wegen Verjährung abgewiesen. Dieses
Urteil
hat der Senat nach Zulassung der Revision gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das hat daraufhin
durch Schlussurteil vom 16.
Dezember 2010 der Berufung des [X.]
erneut stattgegeben und das Rechtsmittel der Klägerin abermals zurückgewiesen. Die Revision hat es wiederum nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt.

II.
Die Beschwerde der Klägerin
gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art.
103 Abs.
1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, §
544 Abs.
7 ZPO.
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1. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stünden Forderungen der [X.] gegen den [X.] aus abgetretenem Recht nicht zu. Vertragspartner des [X.]
und damit Inhaber der zedierten Forderungen sei nicht die GmbH, sondern sei deren Geschäftsführer [X.]
persönlich gewesen. Die Abtretung dieser Forderungen durch die [X.] an die Klägerin sei deshalb ins Leere gegangen. Seine Auffassung stützt das Berufungsgericht darauf, dass [X.] in der [X.] vor dem Abschluss des Vertrages mit dem [X.] bei fünf anderen Bauvorhaben persönlich Bauverträge mit den jeweiligen Bauherren geschlossen habe und die [X.] mit einer Ausnahme erst danach als Vertragspartner aufgetreten sei. Dass im schriftlichen Vertrag mit dem [X.] von der "Firma [X.]"
die Rede sei, ändere nichts daran, dass der [X.] angesichts der anderen zeitnah
geschlossenen
Verträge das Auftreten des [X.] ihm gegenüber nicht als solches im Namen der GmbH verstehen musste. Es komme, wie dem Berufungsgericht aus "unzähligen Fällen von Klag-
und Berufungsschriften"
bekannt sei, oft vor, dass gewerblich tätige Einzelpersonen sich als "Firma"
bezeichneten, obwohl sie keine Kaufleute im Rechtssinne seien und deshalb keine Firma führen könnten. Soweit die Klägerin
erstmals mit Schriftsatz vom 7.
Mai 2008 Ansprüche aus abgetretenem Recht des [X.]
geltend gemacht und sich insoweit auf eine Abtretungsvereinbarung vom 6.
Mai 2008 bezogen habe, sei die Klageforderung verjährt.
2. Diese
Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Zustandekommen eines Vertrages zwischen der [X.] und dem [X.] verneint hat, beruhen auf einer Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht durch Auslegung des schriftlichen Vertrages zu ermitteln versucht, ob der [X.] 4
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die dort niedergelegten rechtsgeschäftlichen Erklärungen des [X.] dahin verstehen musste, dass dieser die von ihm repräsentierte GmbH verpflichten wollte

164 Abs.
1 Satz
2 BGB). Dabei hat es allerdings unter Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs auslegungsrelevanten Tatsachenvortrag der Klägerin übergangen, den diese durch entsprechende Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen auch im Berufungsverfahren gehalten hat.
aa) Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der [X.] ihrer schon in der Klageschrift aufgestellten Behauptung, er habe den Vertrag mit der [X.] geschlossen, zunächst nicht entgegengetreten sei. Im Schriftsatz vom 15.
Oktober 2003 habe er zur Verteidigung gegen die Inanspruchnahme für Forderungen aus abgetretenem Recht der [X.] vielmehr selbst darauf hingewiesen, dass die [X.] im letzten Quartal 2002 nicht mehr
in der Lage gewesen sei, ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem [X.] zu erfüllen. Im Schriftsatz vom 10.
Januar 2005 habe er diese Sichtweise bestätigt, indem er geltend gemacht habe, der Vertrag sei zwischen einem Verbraucher und einer Kapitalgesellschaft
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womit nur die [X.] habe gemeint gewesen sein können
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geschlossen worden. In ähnlicher Weise belegten die mit Schriftsatz vom 3.
Mai 2007 vorgelegten Schreiben des [X.] vom 15.
Januar 2003 und 6.
Januar 2003 sowie das ebenfalls zur Akte gereichte Schreiben des damaligen Anwalts der [X.] vom 4.
Februar 2003, dass der [X.] stets die [X.] als seinen Vertragspartner angesehen habe. Erstmals
vier Jahre nach Prozessbeginn habe er mit Schriftsatz vom 9.
Januar 2007 geltend gemacht,
den Vertrag doch mit [X.] persönlich geschlossen zu haben.
bb) Diesen
Sachvortrag
hätte das Berufungsgericht nicht außer Betracht lassen dürfen.
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Nach der Rechtsprechung des [X.]
sind zwar bei der Auslegung einer Willenserklärung nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, kann grundsätzlich nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum [X.]punkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste. Nur um solche Umstände geht es hier. Allerdings kann (und muss) nach dieser Rechtsprechung bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten der [X.] in dem Sinne berücksichtigt werden, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können ([X.], Urteil vom 7.
Dezember 2006 -
VII
ZR 166/05, [X.], 574, 575
= NZBau 2007, 241 = [X.] 2007, 330; Urteil vom 20.
Juni 1985 -
IX
ZR 173/84, [X.]Z 95, 88, 93
f.; Urteil vom 28.
Juni 1971 -
III
ZR 103/68, [X.], 1513, 1515).
Die von der Klägerin angeführten Tatsachen betreffen solche Vorgänge, weil sie ein Verhalten des [X.] offenbaren, welches sich jedenfalls auf erste Sicht vernünftig nur damit erklären lässt, dass er die [X.] als seine Vertragspartnerin angesehen und die auf den Abschluss jenes Vertrages gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärungen des [X.] in
eben diesem Sinne verstanden hat.
Das Berufungsgericht hat sie in seine Erwägungen zur Auslegung des Vertrages nicht erkennbar einbezogen.
Der darin liegende Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des bisher übergangenen Tatsachenvorbringens der Klägerin zum nachträglichen Verhalten des [X.] zu einer Auslegung des Vertrages gelangt, wonach die [X.] Vertragspartnerin des [X.] ist. Dabei wird es nach obigen Grundsätzen und entgegen seiner bisherigen Auffassung auch zu berücksichtigen haben, 9
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dass der [X.] von der [X.] gestellte Rechnungen bezahlt hat. Denn es liegt nahe, dass der Besteller nur Rechnungen seines Vertragspartners bezahlt. Bei einem dementsprechenden Auslegungsergebnis wäre die [X.] Inhaberin der zedierten Forderungen gewesen, welche die Klägerin wirksam von ihr erworben und in unverjährter [X.] geltend gemacht hätte.

III.
Der Senat hat von der durch §
563 Abs.
1 Satz
2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen.
[X.] [X.]

[X.]

Eick Leupertz
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.07.2007 -
4 [X.]/03 -

OLG [X.], Entscheidung vom 16.12.2010 -
6 [X.] -

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Meta

VII ZR 222/10

13.10.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZR 222/10 (REWIS RS 2011, 2396)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2396

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

VII ZR 77/15

Zitiert

VII ZR 222/10

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