Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2020, Az. 4 StR 136/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1852

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Gegenstand

Tateinheit bei Verletzung mehrerer Betäubungsmitteldelikte: Ermittlung des Gesetzes mit der schwersten Strafandrohung


Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] ([X.]) vom 25. November 2019 in den Aussprüchen über die in Fall II. 2. der Urteilsgründe verhängte [X.], die Gesamtstrafe und den [X.] aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Besitz eines Elektroimpulsgerätes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und einen [X.] von sechs Monaten angeordnet. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

2

1. Trotz des umfassenden Aufhebungsantrags zum Rechtsfolgenausspruch ist die Revision der Staatsanwaltschaft nach ihrer Begründung wirksam auf den Einzelstrafausspruch in [X.] der Urteilsgründe beschränkt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet insoweit lediglich die Annahme eines minder schweren Falls nach § 30a Abs. 3 BtMG. Das Rechtsmittel erfasst damit auch den [X.] und die Dauer des [X.]s.

3

2. Der Einzelstrafausspruch in [X.] der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.

4

a) Das [X.] hat seiner Strafzumessung den [X.] des § 30a Abs. 3 BtMG (sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) zugrunde gelegt, ist jedoch von einer Mindeststrafe von einem Jahr ausgegangen, weil es eine Sperrwirkung des konkurrenzrechtlich verdrängten Tatbestands des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 BtMG bejaht und das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 29a Abs. 2 BtMG verneint hat. Die Erwägungen des [X.]s sind insoweit für sich genommen rechtsfehlerfrei. Die allein hiergegen gerichteten Ausführungen der Staatsanwaltschaft erschöpfen sich, worauf der [X.] in seinem Terminsantrag bereits zutreffend hingewiesen hat, letztlich in der Beanstandung der formalen Darstellungsweise der Strafzumessung im Urteil und in einer eigenen Bewertung der vom [X.] bei der [X.] und der konkreten Strafzumessung vollständig in den Blick genommenen Strafzumessungserwägungen.

5

b) Der Strafausspruch hat dennoch keinen Bestand. Die [X.] hat, was die beschwerdeführende Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung ebenfalls nicht erkannt hat, bei Bestimmung des Strafrahmens übersehen, dass sich bei Annahme eines minder schweren Falls des § 30a Abs. 3 BtMG die Strafe gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB nach dem tateinheitlich verwirklichten Delikt des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bestimmen kann, das für den Regelfall des § 29a Abs. 1 BtMG eine höhere Strafrahmenobergrenze vorsieht.

6

aa) Sind bei Tateinheit mehrere Strafgesetze verletzt, wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB). Für die Ermittlung der maßgeblichen Strafdrohung gilt nach dieser Vorschrift nicht die abstrakte Betrachtungsweise in dem Sinne, dass die Regelrahmen der in Betracht kommenden Straftatbestände darüber entscheiden, welches Gesetz die höhere Strafe androht. Maßgeblich ist vielmehr ein Vergleich der konkret in Betracht kommenden Strafrahmen unter Berücksichtigung von [X.], etwa dem Vorliegen eines minder schweren oder eines besonders schweren Falls bei dem jeweiligen Delikt (vgl. [X.], Urteil vom 8. September 1993 - 3 [X.], [X.]R StGB § 52 Abs. 2 Androhen 1 mwN; Beschluss vom 8. Mai 2003 - 3 [X.], [X.], 109; [X.]/[X.], 4. Aufl., § 52 Rn. 70; [X.], StGB, 67. Aufl., § 52 Rn. 3).

7

bb) Diese Grundsätze hat die [X.] nicht beachtet. Sie hat im [X.] der Urteilsgründe die Strafrahmenobergrenze dem § 30a Abs. 3 BtMG entnommen, der eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren vorsieht. [X.] geblieben ist, ob das [X.] bei dem tateinheitlich verwirklichten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge den Regelstrafrahmen mit einer Strafrahmenobergrenze von 15 Jahren (§ 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. § 38 Abs. 2 StGB) oder etwa auch den [X.] des § 29a Abs. 2 BtMG zur Anwendung gebracht hätte. Der [X.] kann daher nicht gänzlich ausschließen, dass die [X.] bei richtigem Vorgehen den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG mit einer höheren Strafdrohung als § 30a Abs. 3 BtMG der Strafzumessung zugrunde gelegt hätte und zu einer höheren Strafe gelangt wäre.

8

3. Die Aufhebung der Einzelstrafe in [X.] der Urteilsgründe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

9

4. [X.] [X.] kann ebenfalls nicht bestehen bleiben.

Bereits die Aufhebung der Gesamtstrafe hat die Aufhebung des [X.]s zur Folge (vgl. [X.], Beschluss vom 6. August 2019 - 1 [X.]/19).

Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass die nach § 301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils insoweit auch einen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler aufweist. Die [X.] hat die Dauer des [X.]s rechtsfehlerhaft bemessen. Nach § 67 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 StPO sind bei der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und der vom [X.] für erforderlich erachteten Therapiedauer von zwei Jahren nur drei Monate der Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen. Der [X.] wäre allerdings durch die ausweislich der Urteilsgründe seit dem 5. April 2019 ununterbrochen erlittene Untersuchungshaft wegen der Anrechnung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe bereits im Urteilszeitpunkt erledigt gewesen.

5. Der aufgezeigte Rechtsfehler bei der Strafrahmenbestimmung betrifft nicht die Feststellungen. Diese können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Hoch   

        

Sturm     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 136/20

02.07.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankenthal, 25. November 2019, Az: 5127 Js 13319/19 - 2 KLs

§ 29a Abs 1 BtMG, § 29a Abs 2 BtMG, § 30a Abs 3 BtMG, § 38 Abs 2 StGB, § 52 Abs 2 S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.07.2020, Az. 4 StR 136/20 (REWIS RS 2020, 1852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1852

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 381/20

4 StR 298/22

5 StR 432/22

4 StR 136/20

4 StR 175/22

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