Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2014, Az. X ARZ 172/14

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6065

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ARZ 172/14
vom
29. April 2014
in der Zwangsvollstreckungssache

-
2
-
Der X. Zivilsenat des [X.]s hat am 29. April 2014
durch [X.], die Richter [X.], [X.] und
Dr. [X.] sowie die Richtern Dr. Kober-Dehm
beschlossen:

Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht
Tempelhof-Kreuzberg.

Gründe:
I.
Die Gläubigerin hat beim [X.] die
Festsetzung der Kosten für die anwaltliche Ankündigung der Zwangsvollstre-ckung aus einem Beschluss des [X.] vom 13.
Mai
2013 (S
57
AL
3811/12)
über die Festsetzung der der Gläubigerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten beantragt.
Das [X.] hat die Verfahrensbeteiligten auf
seine
Unzuständigkeit als
Vollstreckungsgericht
hingewiesen
und
-
entspre-chend der daraufhin ausgesprochenen Bitte der Gläubigerin um Weiterleitung an das zuständige Prozessgericht -
den Kostenfestsetzungsantrag zur
weiteren
Veranlassung an das [X.] abgegeben.
Das [X.] hat, nachdem es den Verfahrensbeteiligten zu-vor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte,
den Rechtsweg zu den [X.] für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit durch unangefochten gebliebenen Beschluss an das [X.] verwiesen. Dieses hat sich mit Beschluss vom 14.
März
2014 für sachlich unzuständig er-klärt und das Verfahren nach §
36 ZPO dem [X.] zur Bestim-1
2
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3
-
mung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Amtsgericht
ist weiterhin der Auffassung, dass es für die Festsetzung der Kosten der Zwangsvollstreckung im Streitfall nicht zuständig
sei, weil
§
788 Abs.
2 Satz
1 ZPO
die Zuständigkeit des
Vollstreckungsgerichts
für die Festsetzung von Kosten der
Zwangsvollstre-ckung nur für den Fall
vorsehe, dass
eine Vollstreckungshandlung entweder noch anhängig sei oder bereits stattgefunden habe.
Im Streitfall gehe es dage-gen ausschließlich um die Kosten für die anwaltliche Ankündigung einer

am Ende nicht vorgenommenen

Zwangsvollstreckung, für deren Festsetzung im Umkehrschluss das Prozessgericht zuständig sei. Das [X.] hat die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Ge-richts
vorgelegt.
II.
Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO zu bestimmen.
1.
Bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiede-ner Gerichtszweige ist §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO entsprechend anwendbar. [X.] ein nach §
17a [X.] ergangener und unanfechtbar gewordener [X.], mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig er-klärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem [X.] keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine -
regelmäßig deklaratori-sche
-
Zuständigkeitsbestimmung entsprechend §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO im Inte-resse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann gebo-ten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessord-nungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß §
17b Abs.
1 [X.] vor ihm anhängig ist ([X.], Beschluss vom 14.
Mai 2013 -
X
ARZ
167/13, [X.], 1242 Rn.
4 mwN).
4
5
-
4
-
So liegt der Fall hier. Sowohl das Sozialgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
2.
Der [X.] ist für die
Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Ge-richtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird ([X.],
aaO Rn.
7 mwN).
3.
Zuständiges Gericht ist das [X.]. [X.] Zuständigkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung des Beschlusses des So-zialgerichts nach §
17a Abs.
2 Satz
3 [X.].
a)
Ein nach §
17a [X.] ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Über-prüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt
worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurück-genommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs gemäß §
17a Abs.
2 Satz
3 [X.] bindend ([X.], aaO
Rn.
9).
b)
Auf die Erwägungen des Amtsgerichts
dazu, warum die
Systematik der gesetzlichen Regelung eine Zuständigkeit des [X.] und daher
die Ausführungen des [X.] in seinem [X.] nicht geeignet seien, im Streitfall aus §
764 ZPO entgegen
dem Wort-laut des §
788 Abs.
2
ZPO eine Zuständigkeit des Amtsgerichts als Vollstre-ckungsgericht abzuleiten, kommt es nicht an.
Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als
der Entschei-dung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel 6
7
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9
10
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-
5
-
zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen [X.] ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den [X.]. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die [X.] nicht nur bindend (§
281 Abs.
2 Satz
4 ZPO), sondern auch der Über-prüfung
im Rechtsmittelzug entzogen (§
281 Abs.
2 Satz
2 ZPO). [X.] kann die Frage des Rechtswegs im Rechtsmittelzug -
uneingeschränkt -
überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht [X.] an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegeh-rens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, son-dern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs-bereich des §
281 Abs.
1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entschei-dungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die Parteien sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen ge-schützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und damit
dem gesetzlichen Richter (Art.
101 Abs.
1 Satz
2 GG) entzogen wird. Steht den [X.] aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen
([X.], aaO
Rn.
12).
c)
Der [X.] hat bislang offenlassen können, ob gleich-wohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungs-wirkung, wie es das [X.]verwaltungsgericht formuliert hat (BVerwG, [X.] vom
8.
November 1994 -
9
AV
1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei 12
13
-
6
-
"extremen Verstößen"
gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung re-gelnden materiell-
und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht ([X.], Beschlüsse vom 13.
November 2001

X
ARZ
266/01, NJW-RR
2002, 713; vom 8.
Juli 2003

X
ARZ
138/03, NJW
2003, 2990, 2991; vom 9.
Dezember 2010

ARZ
283/10, MDR
2011, 253 Rn.
16; vom 18.
Mai 2011

X
ARZ
95/11, NJWRR
2011, 1497 Rn.
9; vom 14.
Mai 2013, aaO Rn.
13; s. auch [X.], [X.] vom 12.
Juli 2006

5
AS
7/06,
NJW
2006, 2798 Rn.
5: nur bei "krassen

-
7
-

Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr hin-nehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall ersichtlich [X.] Rede sein, zumal auch
das Amtsgericht, das
zwar dargelegt
hat, weshalb es sich für unzuständig hält, nichts
aufgezeigt
hat, woraus sich zwingend eine
Zu-ständigkeit des [X.] ergeben soll.

Meier-Beck
Grabinski
Hoffmann

[X.]
Kober-Dehm

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 25.03.2014 -
18 [X.] -

Meta

X ARZ 172/14

29.04.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.04.2014, Az. X ARZ 172/14 (REWIS RS 2014, 6065)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6065

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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