Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. X ARZ 167/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5957

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X [X.] 167/13
vom
14. Mai 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 17a Abs. 2
Die Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs ist hin-sichtlich des Rechtswegs für das Gericht, an
das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend und kann nur auf das Rechtsmittel einer [X.] überprüft werden. Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwen-dungsbereich des § 281 Abs.1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Ent-scheidungen anerkannt ist, ist jedenfalls grundsätzlich kein Raum.
[X.], Beschluss vom 14. Mai 2013 -
X [X.] 167/13 -
AG [X.]

[X.]

-
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-
Der X. Zivilsenat des [X.] hat am 14. Mai 2013 durch [X.], die Richterin [X.], [X.] und [X.] und die Richterin Schuster
beschlossen:
Zuständiges Gericht ist das [X.].
Gründe:
I.
Der klagende Sozialhilfeträger gewährte einer Hilfeempfängerin Leis-tungen der
Hilfe zur Pflege. Hierzu zahlte er direkt an die Beklagte, die ein [X.] betreibt, in dem die Hilfeempfängerin lebte. Nachdem diese ver-storben war, forderte der Kläger von der Beklagten anteilige Rückzahlung der geleisteten Beträge. Dem kam die Beklagte nur zum Teil nach. Der Kläger hat wegen eines nach seiner Auffassung offenen Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 185

e-fochten gebliebenem Beschluss vom 23.
Oktober 2012 die Unzulässigkeit des [X.] ausgesprochen und den Rechtsstreit an das [X.] verwiesen.
Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 3.
April 2013 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt, da der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten unzulässig sei, und die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es meint, der Verweisungsbeschluss sei nicht bindend, da er sich bei der Auslegung und Verwendung der Zuständigkeitsnor-men so weit von dem diese beherrschenden verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entferne, dass er nicht mehr zu rechtfertigen sei.
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II.
Das zuständige Gericht ist in entsprechender Anwendung des §
36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
1.
Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] ist §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Ge-richten verschiedener Gerichtszweige entsprechend anwendbar ([X.], [X.] vom 26.
Juli 2001 -
X [X.] 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; vom 30.
Juli 2009 -
Xa [X.] 167/09, NJW-RR 2010, 209 Rn. 6; vom 9.
Dezember 2010

Xa
[X.] 283/10, [X.], 253 Rn. 7; vom 18.
Mai 2011 -
X [X.] 95/11, NJW-RR 2011, 1497 Rn. 4; [X.], Beschluss vom 19. März 2003 -
5 [X.], [X.]E 105, 305; BFH, Beschluss vom 26. Februar 2004 -
VII B 341/03, [X.], 413, 416; [X.], Beschluss vom 15. April 2008 -
9 AV 1/08, [X.], 917).
Obwohl ein nach §
17a [X.] ergangener und unanfechtbar gewordener
Beschluss, mit dem ein Gericht den bestrittenen Rechtsweg für unzulässig er-klärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, nach dem [X.] keiner weiteren Überprüfung unterliegt, ist eine -
regelmäßig deklaratori-sche -
Zuständigkeitsbestimmung entsprechend §
36 Abs.
1 Nr.
6 ZPO im Inte-resse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit dann gebo-ten, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung der Verweisung kommt und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessord-nungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß §
17b Abs. 1 [X.] vor ihm anhängig ist ([X.], Beschlüsse vom 26.
Juli 2001, aaO, 3632; vom 13.
November 2001 -
X
[X.] 266/01, NJW-RR 2002, 713, 714; vom 30.
Juli 2009, aaO
Rn.
9 und vom 9.
Dezember 2010, aaO Rn.
10; [X.],
aaO).
So liegt der Fall hier. Sowohl das
Sozialgericht als auch das Amtsgericht haben eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt.
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2.
Der [X.] ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte unterschiedlicher Rechtswege ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Ge-richtshof des [X.], der zuerst darum angegangen wird ([X.], [X.] und [X.],
aaO).
3.
Zuständiges Gericht ist das [X.]. Seine Zustän-digkeit ergibt sich aus der Bindungswirkung
des Beschlusses des [X.] nach §
17a Abs. 2 Satz 3 [X.].
a)
Ein nach §
17a [X.] ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Gericht eines anderen Rechtswegs verwiesen hat, ist einer weiteren Über-prüfung entzogen, sobald er unanfechtbar geworden ist. Ist das zulässige Rechtsmittel nicht eingelegt worden oder ist es erfolglos geblieben oder zurück-genommen worden, ist die Verweisung für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtswegs bindend (§
17a Abs.
2 Satz
3 [X.]). So verhält es sich hier, denn eine Beschwerde an das [X.] nach § 172 Abs. 1 SGG ist innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht ein-gelegt worden.
b)
Auf
die ausführlichen Erwägungen des Amtsgerichts dazu, warum die Begründung des [X.], der Sozialhilfeträger trete der Schuld des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer in Höhe der durch [X.] dem Hilfeempfänger gewährten Leistung bei, wodurch der [X.] einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung gegen den Sozialhilfeträger erwerbe, der wie der Anspruch zwischen Leistungserbringer und Hilfeempfän-ger privatrechtlicher Natur sei, es nicht rechtfertige, den mit der Klage geltend gemachten Rückforderungsanspruch als zivilrechtlichen Anspruch zu qualifizie-ren, kommt es nicht an.
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Das Gesetz misst zwar der Entscheidung des Rechtsstreits durch das Gericht des zulässigen Rechtswegs größere Bedeutung zu als der Entschei-dung durch das örtlich oder sachlich zuständige Gericht. Das gesetzliche Mittel zur Sicherung einer Entscheidung durch das Gericht des zulässigen [X.] ist aber allein die Eröffnung des Rechtsmittels gegen den [X.]. Ist die örtliche oder sachliche Zuständigkeit zweifelhaft, ist die [X.] nicht nur bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO), sondern auch der Über-prüfung im Rechtsmittelzug entzogen (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO). [X.] kann die Frage des Rechtsweges im Rechtsmittelzug -
uneingeschränkt -
überprüft werden, und insoweit muss gegebenenfalls das Interesse der nicht rechtsmittelführenden [X.] an einer zügigen Sachprüfung des Klagebegeh-rens zurücktreten. Damit hat es jedoch auch sein Bewenden: Nicht das Gericht des von dem verweisenden Gericht für zulässig erachteten Rechtswegs, son-dern allein das Rechtsmittelgericht ist zu dieser Überprüfung berufen.
Für eine Durchbrechung der Bindungswirkung, wie sie im Anwendungs-bereich des § 281 Abs. 1 ZPO insbesondere für objektiv willkürliche Entschei-dungen anerkannt ist, ist deshalb jedenfalls grundsätzlich kein Raum. Nicht das Gericht, an das verwiesen wird, sondern die [X.]en sollen vor willkürlichen oder sonst jeder gesetzlichen Grundlage entbehrenden Entscheidungen ge-schützt werden, mit der ihr Streitfall dem zuständigen Gericht und [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) entzogen wird. Steht den [X.] aber ein Rechtsmittel zu Gebote und wird dieses nicht genutzt, besteht kein Anlass, dem Gericht des für zulässig erklärten Rechtswegs die Befugnis zuzubilligen, sich an die Stelle des Rechtsmittelgerichts zu setzen. Ebenso we-nig kann eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, die von der be-troffenen [X.] nicht mit dem zulässigen Rechtsmittel geltend gemacht worden ist, es rechtfertigen, die Bindungswirkung außer [X.] zu lassen ([X.], [X.] vom 8.
Juli 2003 -
X [X.] 138/03, [X.], 2990).
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c)
Der [X.] hat bislang offenlassen können, ob gleich-wohl noch Ausnahmefälle denkbar sind, in denen die bindende Wirkung einer rechtskräftigen Verweisung verneint werden kann, und diese Frage kann auch im Streitfall offenbleiben. Jedenfalls kommt eine Durchbrechung der Bindungs-wirkung, wie es das [X.]verwaltungsgericht formuliert hat ([X.], [X.] vom 8. November 1994 -
9 AV 1/94, NVwZ 1995, 372) allenfalls bei "extremen Verstößen" gegen die den Rechtsweg und seine Bestimmung re-gelnden materiell-
und verfahrensrechtlichen Vorschriften in Betracht ([X.], Beschlüsse vom 13.
November 2001, aaO; vom 8.
Juli 2003, aaO,
2991;
vom 9.
Dezember 2010, aaO
Rn. 16; vom 18.
Mai 2011, aaO
Rn.
9; s. auch [X.], Beschluss vom 12. Juli 2006 -
5 [X.], [X.], 2798 Rn. 5: nur bei "kras-sen Rechtsverletzungen"). Von einer solchen schwerwiegenden, nicht mehr

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hinnehmbaren Verletzung der Rechtswegordnung kann im Streitfall angesichts der komplexen, teils dem Sozialrecht, teils dem bürgerlichen Recht angehören-den Rechtsbeziehungen des [X.] zwischen den [X.]en und der verstorbenen Hilfeempfängerin ersichtlich keine Rede sein.

Meier-Beck

[X.]

[X.]

Bacher

Schuster
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 02.04.2012 -
S 184 SO 1409/12 -

AG [X.], Entscheidung vom 03.04.2013 -
6 C 31/13 -

Meta

X ARZ 167/13

14.05.2013

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2013, Az. X ARZ 167/13 (REWIS RS 2013, 5957)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5957

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X ARZ 167/13

X ARZ 95/11

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