Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2010, Az. IX ZR 177/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2778

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 177/07 Verkündet am: 30. September 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2010 durch [X.] Ganter, die Rich-ter Prof. Dr. Gehrlein und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das [X.]eil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 7. September 2007 und das [X.]eil des [X.] vom 22. März 2007 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.336,70 • nebst Zin-sen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Juni 2006 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. August 2005 eröffneten [X.] über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Diese unterhielt bei der [X.](fortan: [X.]) und der [X.](fortan: Sparkasse) jeweils ein Girokonto. Im Zeitraum vom 1. April bis 1. Juni 2005 wurde das Konto der Schuldnerin bei 1 - 3 - der [X.] u.a mit Lastschriften in Höhe von fünfmal 177,34 • und sechsmal 177,48 •, insgesamt 1.951,58 •, und das bei der Sparkasse mit zweimal 192,56 •, insgesamt 385,12 •, belastet. Am 10. Juni 2005 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des [X.] über ihr Vermögen. Am selben Tage wurde der Kläger zum vor-läufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Die Sparkasse kündigte die Geschäftsverbindung mit der Schuldnerin mit Schreiben vom 13. Juni 2005 und die [X.] mit Schreiben vom 15. Juni 2005, wobei jeweils ein Rechnungsabschluss erteilt wurde. 2 Der Kläger verlangt Zahlung des sich aus den Lastschriften ergebenden Betrages von 2.336,70 •. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. 3 Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Kläger habe in Höhe von 1.774,24 • seinen Anspruch nicht schlüssig vorgetragen, weil aus den vorgeleg-ten [X.] mit Ausnahme einer Lastschrift über 177,34 • nicht [X.] - 4 - bar sei, dass die Beklagte die Belastungen des Kontos der Schuldnerin bei der [X.] veranlasst habe. Auch wegen des Restbetrages von 562,46 • (177,34 • und zweimal 192,56 •) scheide ein Anspruch aus §§ 143, 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aus. Es liege zwar eine anfechtbare Rechtshandlung vor, weil die Lastschriften während der vorläufigen Insolvenzverwaltung genehmigt worden seien; der Kläger müsse die Genehmigungsfiktion nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-[X.]en gegen sich gelten lassen. Die Beklagte habe aber zum Zeitpunkt der Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 [X.]) keine Kenntnis von der Zahlungsunfähig-keit oder dem Insolvenzantrag gehabt, weil es hierfür auf den Zeitpunkt der Kontobelastung ankomme. Die Genehmigung wirke gemäß § 184 BGB auf den Zeitpunkt der Lastschriftbuchung zurück. I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 6 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Klage insgesamt schlüssig. Der Kläger hat die streitgegenständlichen Kontobelastungen nach Betrag und Datum dargelegt und behauptet, sie seien von der [X.] veran-lasst worden. Dieser Vortrag reichte zunächst aus, unabhängig davon, ob sich der Empfänger der Zahlungen aus den vorgelegten [X.] ergab oder nicht. 7 2. [X.] Rechtshandlung ist die Genehmigung der Lastschriften durch den vorläufigen Insolvenzverwalter. 8 - 5 - a) Der vorläufige Insolvenzverwalter hat die streitgegenständlichen Be-lastungen vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens genehmigt. Wie der [X.] mit [X.]eil vom heutigen Tag in der Sache [X.] ZR 178/09 entschieden hat, gilt die Genehmigungsfiktion gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-[X.]en (Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen) auch im Verhältnis zu einem vorläufigen Insolvenzverwalter, der mit einem Zustimmungsvorbehalt ausgestattet ist. An seiner entgegenstehen-den Rechtsprechung ([X.], 84, 92 ff Rn. 21 ff) hält der [X.] nicht mehr fest. 9 b) Die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch die Genehmigung der [X.] stellt eine Rechtshandlung im Sinne von § 129 Abs. 1 [X.] dar, die dann, wenn die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes der §§ 130 ff [X.] erfüllt sind, der Anfechtung durch den Insolvenzverwalter [X.]. [X.] ist der begünstigte Gläubiger ([X.]Z 161, 49, 56 f; [X.], [X.]. v. 29. Mai 2008 - [X.] ZR 42/07, [X.], 482, 483 Rn. 11; vgl. auch [X.]. v. 2. April 2009 - [X.] ZR 171/07, [X.], 378 Rn. 9). Rechtshandlungen des späteren Insolvenzschuldners, denen der vorläufige Insolvenzverwalter zu-gestimmt hat, oder des vorläufigen Insolvenzverwalters, der namens und in Vollmacht des späteren Insolvenzschuldners gehandelt hat, können dann, wenn kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet war, nach den Vorschriften der §§ 129 ff [X.] angefochten werden ([X.]Z 154, 190, 194; HK-[X.]/[X.], 5. Aufl. § 129 Rn. 31; Graf-Schlicker/[X.], [X.] 2. Aufl. § 129 Rn. 14; vgl. auch [X.], [X.]. v. 29. November 2007 - [X.] ZR 165/05, [X.], 372, 374 Rn. 30). 10 3. Maßgeblicher Zeitpunkt, in dem die Anfechtungsvoraussetzungen er-füllt sein müssen, ist derjenige der Vornahme der Rechtshandlung (§ 140 Abs. 1 [X.]). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dies hier der 11 - 6 - Zeitpunkt der Genehmigung der Belastungsbuchungen, nicht derjenige der Bu-chungen selbst, denn die Belastungen des Kontos blieben bis zu ihrer Geneh-migung ohne materielle Wirkung (vgl. bereits [X.]Z 161, 49, 57; [X.], [X.]. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 16). Eine Rückwirkung der Genehmigung entsprechend § 184 BGB ist in § 140 [X.] gerade nicht vorgesehen. Die [X.]srechtspre-chung zu den Voraussetzungen einer Bardeckung (§ 142 [X.]) bei der [X.] eines [X.] ([X.], [X.]. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 11 ff; v. 2. April 2009, aaO Rn. 10 f) betrifft den zeitlichen Zusammenhang von Leis-tung und Gegenleistung, nicht jedoch die Frage des Zeitpunkts der Vornahme der Rechtshandlung. Bei genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäften kann überhaupt erst mit der Genehmigung von einer anfechtbaren Rechtshandlung gesprochen werden. Erst mit der Genehmigung werden etwaige Anfechtungs-fristen in Lauf gesetzt ([X.], [X.]. v. 29. Mai 2008, aaO Rn. 16). II[X.] Das angefochtene [X.]eil kann daher keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung des [X.]eils nur wegen Rechts-verletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] eine eigene Sachentscheidung zu treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage hat in vollem Umfang Erfolg. 12 1. Die Beklagte hat am 1. April 2005, am 2. Mai 2005 und am 1. Juni 2005 insgesamt 2.336,70 • von Konten der Schuldnerin abgebucht. Sie hat den entsprechenden Vortrag des [X.] zwar mit Nichtwissen bestritten. Dieses Bestreiten war jedoch prozessual unzulässig und damit unbeachtlich. Eine [X.] - 7 - klärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der [X.] noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind (§ 138 Abs. 4 ZPO). Hier geht es um Abbuchungen, welche nach dem Vor-trag des [X.] die (durch Organe oder Angestellte handelnde) Beklagte ver-anlasst hat. Diese verfügt ihrer eigenen Darstellung nach über Unterlagen, [X.] derer sie nachvollziehen kann, ob die Abbuchungen erfolgt sind oder nicht. Sie hat es lediglich abgelehnt, ihre Akten, die bereits "archiviert" seien, einzusehen. Damit hat sie der Informationspflicht, die § 138 Abs. 4 ZPO jeder Prozesspartei auferlegt (vgl. hierzu [X.]Z 109, 205, 209 f; [X.], [X.]. v. 10. Oktober 1994 - [X.], [X.], 130, 131; [X.], ZPO 2. Aufl. § 138 Rn. 18), nicht genügt. Die in der mündlichen Verhandlung erhobene [X.], dass ein gerichtlicher Hinweis erforderlich gewesen wäre, ist nicht ordnungsgemäß ausgeführt, weil nicht dargelegt wurde, was auf den Hinweis hin vorgetragen worden wäre. 2. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sind erfüllt. Die Belastungsbuchungen sind gemäß Nr. 7 Abs. 3 AGB-[X.]en (Nr. 7 Abs. 4 AGB-Sparkassen) sechs Wochen nach Zugang der den [X.] vom 13. bzw. 15. Juni 2005 beigefügten [X.] genehmigt worden. Zu diesem Zeitpunkt wusste die Beklagte von dem Eröffnungsantrag. Nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen beider [X.]en in den Tatsacheninstanzen hatte sich der vorläufige Insolvenzverwalter bereits im Juni 2005 mit der [X.] in Verbindung gesetzt, weil er deren Leistungen weiterhin in Anspruch nehmen wollte. 14 - 8 - 3. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 1 Satz 1, § 288 Abs. 1 BGB. 15 Ganter Gehrlein [X.]

[X.] [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 22.03.2007 - 390 C 374/06 - [X.], Entscheidung vom 07.09.2007 - 6 S 76/07 -

Meta

IX ZR 177/07

30.09.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2010, Az. IX ZR 177/07 (REWIS RS 2010, 2778)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2778

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