Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2013, Az. IX ZR 172/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9132

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
IX [X.]/11

Verkündet am:

10. Januar 2013

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 80 Abs. 1, § 143;
BGB § 398, 399
Die Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden streitigen [X.] ist nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig, wenn die Masse als Ge-genleistung einen Anspruch auf Auskehrung des hälftigen Erlöses des vom [X.] zu führenden Rechtsstreits erhält.

[X.], Versäumnisurteil vom 10. Januar 2013 -
IX [X.]/11 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2013
durch [X.] [X.], den
Richter
Vill, die Richterin [X.], [X.] Pape und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung -
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens
-
an den 2. Zivilsenat des Berufungsge-richts
zurückverwiesen.

Das Urteil ist
vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Verwalter in dem am 27.
April 2006 eröffneten [X.] über das Vermögen der G.

GmbH
& Co. oHG (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin ist am 12.
Januar 2006 gegründet worden. Sie besteht aus den Gesellschafterinnen G.

GmbH und r.

GmbH; die G.

GmbH (fortan: GmbH) ist ebenfalls insolvent.

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3
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Der Beklagte ist Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, mit wel-cher er im Jahre 1985 eine Pensionsvereinbarung getroffen hatte. Die GmbH hatte zur Sicherung des Anspruchs aus dieser Vereinbarung zunächst einen Vertrag über eine Lebensversicherung geschlossen und den Anspruch hieraus an den Beklagten verpfändet. Im Jahre 2005 kündigte der Beklagte namens der GmbH sowie im eigenen Namen den Versicherungsvertrag und ließ den [X.] auf ein [X.] der GmbH überweisen. Einen Teil des Erlöses legte die GmbH in Wertpapieren an. Am 27.
September 2005 verpfändete die GmbH dem Beklagten zur Sicherung des Pensionsanspruchs das [X.] sowie das [X.].

Der Kläger hat die Verpfändung aus eigenem
Recht, hilfsweise aus ab-getretenem Recht des Verwalters in dem Insolvenzverfahren
über das Vermö-gen der GmbH angefochten. Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, der Aufhebung des zu seinen Gunsten begründeten Pfandrechts zuzustimmen. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus eigenem Recht des [X.] bestehe mangels Vorliegens
der Voraussetzungen nicht; die Abtretung des Anspruchs des Verwalters der GmbH sei unwirksam ([X.], 483). Auf die Revision des [X.], die ausschließlich den Anspruch aus abgetretenem Recht
betraf, hat der [X.]
das Berufungsur-teil aufgehoben und
die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (Urteil vom 17. Februar 2011 -
IX
ZR 91/10, [X.], 486). Dieses hat die Klage er-neut abgewiesen. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch aus abgetretenem Recht des
Verwalters
im Insolvenzverfahren über das Vermögen
der GmbH weiter.

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Entscheidungsgründe:

Da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz ordnungs-gemäßer Ladung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu [X.]. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer umfas-senden Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 82).

Die Revision führt
erneut
zur Aufhebung des
Urteils des Berufungsge-richts und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Abtretung eines insolvenzan-fechtungsrechtlichen Anfechtungsanspruchs sei rechtlich möglich. Im [X.] Fall sei sie jedoch insolvenzzweckwidrig und nichtig, weil sie ohne Ver-einbarung einer Gegenleistung erfolgt sei. Dass der Kläger den Anspruch auf eigene Kosten geltend machen und der Erlös des Rechtsstreits geteilt werden solle, reiche nicht aus. Die Abtretung sei auch nicht wegen einer vermeintlich unklaren Rechtslage zweckmäßig gewesen. Die beiden beteiligten Insolvenz-verwalter seien vielmehr gehalten gewesen, die Rechtslage auf der bekannten und unstreitigen Tatsachengrundlage selbst zu klären.

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II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Abtretung
des Anfechtungsan-spruchs
nicht insolvenzzweckwidrig und nichtig.

1. Nach gefestigter
obergerichtlicher
Rechtsprechung zur Konkursord-nung und zur Insolvenzordnung steht dem Insolvenzverwalter bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den Insolvenzzweck (§
1 [X.]) beschränkt. Deshalb sind solche Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam, welche dem Zweck
des Insolvenzverfahrens -
der gleichmäßigen Befriedigung aller Insol-venzgläubiger
-
klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht ([X.], 195, 199 f; 63, 203, 213; 76, 244, 249 f; [X.], Urteil vom 8.
Dezember 1954 -
VI
ZR 189/53, [X.], 312 f; vom 3.
Februar 1971 -
VIII
ZR 94/69, [X.], 346, 347; vom 13. Januar 1983 -
III
ZR 88/81, [X.] 1983, 589, 590; vom 28. Oktober 1993 -
IX
ZR 21/93, NJW 1994, 323, 326, in-soweit in [X.]Z 124, 27 nicht abgedruckt; vom
25.
April 2002 -
IX
ZR 313/99, [X.]Z 150, 353, 360; Beschluss vom 20.
März 2008 -
IX
ZR 68/06, [X.], 365 Rn. 4 f).

In der zitierten Grundsatzentscheidung vom 25.
April 2002 (aaO) hat der [X.] erwogen, für die Abgrenzung, wann eine Überschreitung der Verwal-tungs-
und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Unwirksamkeit der Rechtshandlung führt, die zum Missbrauch der Vertretungsmacht entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach ist Voraussetzung für die Unwirksamkeit der Handlung des Verwalters außer einer objektiven Evidenz der Insolvenz-zweckwidrigkeit, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des 7
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Einzelfalls ohne weiteres begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen musste. Mit dem grund-sätzlichen Rückgriff auf die Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht könnte den Interessen an einem hinreichenden Schutz der Masse einerseits und an dem gebotenen Vertrauensschutz des redlichen Geschäftspartners [X.] jeweils in angemessener Weise Rechnung getragen werden ([X.], Urteil vom 25. April 2002, aaO). Erste Voraussetzung des [X.] ist jedenfalls
der offensichtliche, ohne [X.] erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters.
Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der [X.] können deshalb nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem [X.] offensichtlich zuwider laufen (HK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
80 Rn.
35).
Beispiele sind Schenkungen aus der Masse ([X.], 190, 193), die Anerkennung nicht bestehender Aus-
und Absonderungsrechte ([X.], 54, 63; 41, 1, 2) oder die entgeltliche
Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld ([X.], Beschluss vom 20.
März 2008 -
IX
ZR 68/08, [X.], 365).
Wirksam sind dagegen Verfügungen des Verwalters, die nur unzweckmä-ßig oder sogar unrichtig sind ([X.], Beschluss vom
20. März 2008, aaO Rn.
4; vom 13.
Januar 1983 -
III
ZR 88/81, [X.] 1983, 589, 590 unter 3a).

2. Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall der Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden Rückgewähranspruchs (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2011 -
IX
ZR 91/10, [X.], 486 Rn. 10). Die Abtre-tung
stand nicht im offensichtlichen Widerspruch zum Zweck des Insolvenzver-fahrens der GmbH, deren Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Der Anspruch wurde dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH vom hiesigen Kläger streitig gemacht; er wurde (und wird) überdies auch vom 10
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hiesigen Beklagten insgesamt bestritten. Die Entscheidung des Verwalters im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH, dem Kläger die Durchset-zung der Forderung zu überlassen und sich nur eine Erlösbeteiligung [X.], statt sich sowohl mit dem Kläger als auch mit dem Beklagten streitig auseinanderzusetzen, entbehrt
angesichts dessen
nicht jeglicher tatsächlicher und rechtlicher Grundlage. Auf mehr kommt es hier nicht an. Sollten dem [X.] im Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH Fehler bei der [X.] der Erfolgsaussichten einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Kläger oder eines von ihm selbst geführten Anfechtungsprozess gegen den [X.] unterlaufen sein, könnte dies -
ein Verschulden vorausgesetzt
-
zu einer Haftung nach § 60 [X.] führen, nicht jedoch zu einer Unwirksamkeit der Abtre-tung wegen Insolvenzzweckwidrigkeit.

III.

Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1

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ZPO), welches sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben wird.
Der [X.] hat Anlass gesehen, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1
Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.

[X.]
Vill
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.07.2009 -
6 [X.]/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 27.10.2011 -
4 [X.] -

Meta

IX ZR 172/11

10.01.2013

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.01.2013, Az. IX ZR 172/11 (REWIS RS 2013, 9132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 172/11

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