Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2003, Az. II ZR 134/02

II. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2858

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[X.] DES VOLKESURTEILII [X.] am:2. Juni 2003VondrasekJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinEuGVÜ Art. 1 Abs. 2 Nr. 2; Art. 5 Nr. 1; Art. 53; Protokoll v. 27. September 1968zum EuGVÜ Art. I Abs. 1; HGB § 171a) Für eine [X.] Kapitalgesellschaft, die ihren [X.] in [X.] hat, dort aber lediglich einen "Briefkasten" unterhält und sämtlicheGeschäfte von [X.] aus führt, gilt die sog. "[X.]"(Protokoll v. 27. September 1968 zum EuGVÜ Art. I Abs. 1) nicht; eine sol-che Gesellschaft kann vielmehr vor den [X.] Gerichten verklagt [X.]) "Wohnsitz" in der "[X.]" (Protokoll v. 27. September 1968 zumEuGVÜ Art. I Abs. 1) bedeutet bei einer juristischen Person - wie in Art. 53EuGVÜ - dasselbe wie "Sitz".[X.], Urteil vom 2. Juni 2003 - [X.]/02 - [X.] -Der II. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] h.c. Röhricht und [X.] Prof. Dr. Goette, [X.], [X.] und Münkefür Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 7. März 2002 aufgehoben.Die Berufung der [X.] gegen das Zwischenurteil der12. Zivilkammer - [X.] für Handelssachen - des [X.] vom 26. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.Zur Fortsetzung des Verfahrens wird der Rechtsstreit an [X.] zurückverwiesen, das auch über die Kosten [X.] in dem Zwischenstreit zu befinden hat.Von Rechts [X.]:Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der [X.]. Die [X.] ist eine juristische Person luxem-burgischen Rechts (S.A.) mit [X.] in [X.]. Sie wird- 4 -- treuhänderisch für [X.]- von der ebenfalls in [X.] ansässigenF. S.A. verwaltet. Herr Mi. , der im Rechtsverkehr auch als "Direk-tor" für die [X.] auftritt, ist Geschäftsführer der in [X.] in[X.] ansässigen [X.], deren sämtliche Geschäftsanteile seit1994 die [X.] hält. Aufgrund rechtsgeschäftlich erteilter Vollmacht hat [X.]. im Juli 1996 für die [X.] eine Kommanditbeteiligung in Höhe von300.000,00 DM an der Gemeinschuldnerin erworben.Wegen angeblich nicht vollständig erfüllter Leistung der Kommanditein-lage nimmt der Kläger die [X.], die nach seiner im ersten Rechtszug nichtbestrittenen Behauptung ihre sämtlichen Geschäfte durch die deutsche[X.] in [X.] ausführen läßt, auf Zahlung von 260.000,00 DM in [X.]. Diese hat die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit der[X.] Gerichte erhoben und in diesem Zusammenhang im zweitenRechtszuge in Abrede gestellt, eine reine "Briefkastenfirma" zu sein und in [X.] keinerlei eigene Geschäftstätigkeit zu entfalten.Durch Zwischenurteil hat das [X.] sich für örtlich und internatio-nal zuständig erklärt; das Berufungsgericht hat die Klage auf das [X.] [X.] als unzulässig abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit [X.] erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet. Das [X.] hat mit Recht seine interna-tionale und örtliche Zuständigkeit [X.] 5 -I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger mache [X.], die nach Art. 5 Nr. 1 des auf den vorliegenden Fall noch [X.] an sich vor [X.] Gerichten verfolgt werden könnten. Die Unzu-ständigkeit des [X.]s Mainz ergebe sich aber daraus, daß sich die [X.], die ihren [X.] in [X.] habe, mit Erfolg auf die im [X.] zwischen [X.] und den anderen Vertragsstaaten geltende [X.] des Art. I Abs. 1 des Protokolls vom 27. September 1968 zum EuGVÜberufen habe, der die Anwendung des Art. 5 Abs. 1 EuGVÜ zu Lasten [X.], die ihren Wohnsitz in [X.] habe, ausschließe. Dies hält den Revi-sionsangriffen im Ergebnis nicht stand.II. 1. Im Ausgangspunkt zutreffend - von dem Kläger in dritter [X.] nicht mehr in Zweifel gezogen - geht das Berufungsgericht allerdings da-von aus, daß der Kläger nicht einen unter Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ fallenden,zur Unanwendbarkeit des EuGVÜ führenden konkursrechtlichen Anspruch ver-folgt, sondern daß die geltend gemachte, auf § 171 HGB gestützte Klageforde-rung ein vertraglicher Erfüllungsanspruch im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist(vgl. [X.]/Schütze, EuGVÜ Art. 5 Rdn. 53; [X.] z. ZPO/[X.], 2. Aufl.Art. 5 EuGVÜ Rdn. 4 mit [X.]. 23).2. Der Senat kann - wie das Berufungsgericht - unterstellen, daß zu [X.] der [X.] nicht die sog. "Sitztheorie" gilt (vgl. dazu zuletzt [X.], Urt. [X.] Januar 2003 - [X.], [X.], 720, 721 [unter [X.]]; Urt. v.13. März 2003 - [X.], [X.], 718, 719 [unter I[X.]]) und die Gesell-schaft nach wie vor ihren [X.] im Sinne der Art. 2 und Art. 5 i.V.m.Art. 53 EuGVÜ in dem Vertragsstaat [X.] hat. Denn auch dann ergibtsich die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen [X.]sMainz daraus, daß - entgegen der dem angefochtenen Urteil zugrundeliegen-- 6 -den Auffassung - die [X.] der Anwendbarkeit des Art. 5 EuGVÜ nicht unterBerufung auf die sog. "[X.]" (Art. I Abs. 1 des Protokolls vom27. September 1968 zum EuGVÜ) entgehen kann.a) "Wohnsitz" in der genannten Klausel bedeutet, anders als der Klägergemeint hat, bei einer juristischen Person dasselbe wie "Sitz". Dieses [X.] der "[X.]" wird nicht nur durch Art. 53 EuGVÜ (vgl. [X.]. 60 und 63 EuGVVO) nahegelegt, weil nach dem Aufbau des Abkommensund seiner Entstehungsgeschichte (vgl. dazu Schlosser EuGVÜ, Einl., Rdn. 5)schwerlich angenommen werden kann, daß dessen für das gesamte EuGVÜgeltende Begriffsbestimmung für den in den Anhang verwiesenen wortgleichenBegriff keine Geltung beanspruchen soll, sondern folgt vor allem aus dem mitder genannten Sonderregelung verfolgten Zweck. Denn die durch die genannteKlausel eingeführte Ausnahme von der Anwendbarkeit des Art. 5 EuGVÜ zieltdarauf ab zu verhindern, daß in einer zu großen Zahl von Fällen Verfahren der[X.]ischen Justiz entzogen werden, obwohl die beklagte [X.] besonde-re Beziehungen zu diesem Vertragsstaat unterhält (vgl. [X.]/Schütze, Euro-päisches Zivilverfahrensrecht Art. I Protokoll Rdn. 1, 3). Dieses Ziel kann ange-sichts der engen und [X.] Handelsbeziehungen [X.]s mit sei-nen Nachbarstaaten nur dann erreicht werden, wenn das genannte Protokollinsbesondere auf Handelsgesellschaften, die die bedeutendsten Träger desgrenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs sind, angewandt wird (vgl. [X.] in [X.][X.]/[X.]/Schütze, Internationaler [X.] a; auch Kropholler, [X.]. Art. 5Rdn. 3 m.w.[X.]) Dem genannten Zweck der "[X.]" widerspräche es [X.] - auch insofern ist dem Berufungsgericht im Ansatz zu folgen -, wenn- 7 -man bei der Frage ihres Anwendungsbereichs allein auf den formalen [X.] abstellen und die [X.], die eine [X.] Gesellschaft ver-klagen will, selbst dann daran hindern wollte, vor den Gerichten ihres eigenenStaates den vertraglichen Anspruch geltend zu machen, wenn die [X.] inihrem Gründungsstaat keinerlei geschäftliche Aktivitäten entfaltet, sondern aus-schließlich über einen "Briefkasten" verfügt. Eine solche Auslegung der "[X.]-Klausel" hätte zur Folge, daß für [X.] aus diesem [X.]. 5 EuGVÜ schlechthin unanwendbar würde.c) Von Rechtsirrtum beeinflußt ist dagegen die dem [X.], das genannte Protokoll greife nach seinem [X.] Zweck nicht ein. Das Berufungsgericht setzt sich darüber hinweg, daß zwi-schen den [X.]en schon in erster Instanz unstreitig war, daß die [X.] in[X.] - neben ihrem satzungsmäßigen Sitz - lediglich über einen von 63weiteren Gesellschaften mitbenutzen Briefkasten verfügt und alle ihre geschäft-lichen Aktivitäten durch die in [X.] ansässige [X.] und derenGeschäftsführer [X.]betreibt. Dieser ist nicht allein als Treugeber einerals Treuhänderin zwischengeschalteten [X.]n Gesellschaft wirt-schaftlicher Eigentümer der Aktien der [X.], er hat in Ausübung seinesumfassenden Weisungsrechts auch veranlaßt, daß die [X.] sämtliche Ge-schäftsanteile der [X.] übernommen hat und sich selbst die Vollmachtder [X.] erteilen lassen, die [X.] an der Gemeinschuldnerinfür die [X.] zu erwerben. Er allein war es, der sämtliche Geschäfte der [X.]n, die im Geschäftsverkehr neben der [X.] als Teil der "[X.]"auftrat, - wie das von dem Kläger beispielhaft vorgelegte [X.] - von dem in [X.] liegenden Büro aus [X.]) Gegenüber diesen im ersten Rechtszug unstreitigen und übereinstim-mend zutreffend gewürdigten Umständen, daß die [X.] ihre sämtlichenGeschäfte in [X.] führt bzw. führen läßt, reichte es - ohne daß der Se-nat zu der von der Revision aufgeworfenen Frage Stellung nehmen müßte, obdas Berufungsgericht die Darlegungs- und Beweislast zu Unrecht dem Klägerauferlegt hat - nicht aus, daß die [X.] im Berufungsverfahren lediglich [X.] stellte, allein in [X.] geschäftlich aktiv zu sein. Es wäre viel-mehr ihre Aufgabe gewesen, substantiiert darzulegen, daß sie über den for-mellen [X.] und einen Briefkasten hinaus eine inhaltliche, die Anwen-dung des genannten Protokolls rechtfertigende Beziehung zu [X.] hat.Dem wird das schlichte Bestreiten der [X.] nicht gerecht; ihr [X.], [X.]als ihren [X.] als Zeugen zu vernehmen, er-setzt einen solchen notwendigen Tatsachenvortrag nicht.[X.] Da eine weitere Entscheidung des Berufungsgerichts in dem Zwi-schenstreit nicht veranlaßt ist, der Senat vielmehr insofern abschließend durchZurückweisung der Berufung der [X.] entscheiden kann, ist die Sache an- 9 -das [X.] zurückzuverweisen, das in seinem Schlußurteil auch über [X.] der Rechtsmittelverfahren des [X.] zu befinden haben wird([X.]/[X.], ZPO 23. Aufl. § 280 Rdn. 8).Röhricht Goette Kurzwelly [X.] Münke

Meta

II ZR 134/02

02.06.2003

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.06.2003, Az. II ZR 134/02 (REWIS RS 2003, 2858)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2858

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