Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2003, Az. XI ZR 243/02

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4695

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:28. Januar 2003Herrwerth,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: ja[X.]R: ja_____________________BGB § 768 Abs. 1 Satz 1Der Bürge kann sich auch dann gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB mit [X.] auf die Verjährung der Hauptschuld berufen, wenn die Hauptschuld-nerin nach der Übernahme der Bürgschaft wegen Vermögenslosigkeitund/oder Löschung im Handelsregister als Rechtsperson untergegangenist und aus diesem Grund die gegen sie gerichteten Forderungen [X.] sind.[X.], Urteil vom 28. Januar 2003 - [X.] - [X.] LG Berlin- 2 -Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 28. Januar 2003 durch [X.],[X.] Bungeroth und [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Dr. [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des Beklagten wird das Vorbehalts-urteil der Einzelrichterin des 21. Zivilsenats des [X.] vom 21. Mai 2002 aufgehoben.Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der33. Zivilkammer des [X.] vom2. August 2001 wird zurückgewiesen.Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Klä-gerin auferlegt.Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Bürgschaft für [X.] einer GmbH in Anspruch, deren Geschäftsführer der [X.] [X.] -Die Klägerin betreibt ein Abfall- und Schuttbeseitigungsunterneh-men, das für die Hauptschuldnerin verschiedene Aufträge ausgeführthatte. Nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens überdas Vermögen der Hauptschuldnerin mangels Masse rechtskräftig abge-wiesen und deren Auflösung im Handelsregister im April 1996 eingetra-gen worden war, unterzeichnete der Beklagte am 9. September 1996 ei-ne Bürgschaft. In dieser heißt es, die Hauptschuldnerin schulde der Klä-gerin per 30. Januar 1996 24.741,47 DM, der Beklagte verbürge sichdafür, daß die Hauptschuldnerin ihren Zahlungs- und vertraglichen [X.] nachkomme. Am 31. August 2000wurde die Hauptschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegenim Handelsregister gelöscht.Mit der am 16. Mai 2001 eingereichten Klage hat die Klägerin [X.] im Urkundsprozeß auf Zahlung von 24.741,47 DM nebst Zin-sen in Anspruch genommen. Der Beklagte hat die Einrede der [X.] erhoben.Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.]hat ihr auf die Berufung der Klägerin in der Hauptsache stattgegeben.Mit der - zugelassenen - Revision begehrt der Beklagte die Wiederher-stellung des landgerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet; sie führt zur Abweisung der [X.] -I.Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:Gegenüber der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft könne [X.] Beklagte nicht mit Erfolg nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die [X.] berufen. Die Hauptschuld sei nichtverjährt, weil sie vor dem Eintritt der Verjährung infolge Wegfalls [X.]nerin untergegangen sei. Die Hauptschuldnerin sei mit ihrerLöschung im Handelsregister am 31. August 2000 als Rechtsperson un-tergegangen. Die maßgebliche vierjährige Verjährungsfrist des § 196Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB a.[X.] sei in diesem Zeitpunkt noch nicht [X.] gewesen. Sie sei vielmehr spätestens Ende des Jahres 2000 abge-laufen.Der Beklagte hafte auch ungeachtet der Tatsache, daß die Kläge-rin die [X.] nicht innerhalb der für die (fiktive) [X.] laufenden Frist verjährungsunterbrechend geltend gemacht habe.Der Bürge könne sich nämlich nicht mit Erfolg auf die Verjährung [X.] berufen, wenn eine juristische Person als Hauptschuldnerinvor Ablauf der Verjährungsfrist [X.] geworden, im [X.] gelöscht und deshalb nicht mehr parteifähig sei.- 5 -II.Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand. Die Klägerin hat gegen den [X.] durchsetzbaren Anspruch aus § 765 Abs. 1 BGB. Das gilt, ohne daßes einer Entscheidung der Frage bedarf, ob die Hauptschuldnerin wegenVermögenslosigkeit und/oder Löschung im Handelsregister als Rechts-person untergegangen ist (vgl. dazu [X.]Z 48, 303, 307; 82, 323, 326;Scholz/[X.], [X.]. § 60 [X.]. 56; [X.] in:[X.], GmbHG 7. Aufl. § 60 [X.]. 16).1. Ist die Hauptschuldnerin nicht untergegangen und die [X.] aus diesem Grund auch nicht weggefallen, so ist durch die [X.] vom 9. September 1996 eine wirksame Bürgschaftsverpflich-tung entstanden. Der Beklagte kann in diesem Fall einem Anspruch derKlägerin aus der Bürgschaft gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die [X.] Verjährung der Hauptschuld entgegenhalten.Die spätestens im Jahre 1996 entstandene Hauptforderung, beider es sich nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungs-gerichts um eine Forderung der Klägerin, einer GmbH, aus [X.] den Gewerbebetrieb der Hauptschuldnerin handelte, ist spätestensmit Ablauf des Jahres 2000 verjährt (§ 196 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 201BGB a.[X.]).2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sich der [X.] gemäß § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB aber auch dann mit Erfolg auf [X.] der Hauptschuld berufen, wenn die Hauptschuldnerin im- 6 -Zeitpunkt der Löschung im Handelsregister - oder zu einem anderenZeitpunkt nach Abschluß des [X.] - wegen Vermögens-losigkeit als Rechtsperson untergegangen ist und aus diesem Grund diegegen sie gerichteten Forderungen weggefallen [X.]) In diesem Fall ist - wie das Berufungsgericht zu Recht ausge-führt hat - die [X.] trotz ihrer Akzessorietät mit [X.] der Hauptforderung nicht untergegangen, sondern besteht alsnunmehr selbständige Forderung fort ([X.]Z 82, 323, 327; [X.] 1999, 1206, 1207; jeweils m.w.[X.]) Anders als das Berufungsgericht - in Übereinstimmung mit ei-nem Teil der Instanzrechtsprechung und Literatur ([X.] 1207 f.;OLG Celle OLGR 2001, 87; [X.]/[X.], Bürgschaftsrecht 2. Aufl.[X.]. 264 f.; [X.] WM 2000, 1316, 1321) - meint, steht dem Bürgen [X.] einem solchen Fall weiterhin die Einrede der Verjährung der [X.] zu (so auch [X.], 405, 406; offengelassen in[X.]Z 139, 215, 219 f.).aa) Die Verselbständigung der Bürgschaft bedeutet begrifflichnicht, daß die [X.] jeglichen Bezug zur Hauptforderungverliert. Sie wird lediglich vom Bestand der Hauptforderung unabhängig,richtet sich inhaltlich aber weiterhin nach dieser. Eine Bürgschaftsforde-rung ist nach der gesetzlichen Regelung in mehrfacher Hinsicht akzesso-risch. Nach § 765 BGB hängt sie von dem Entstehen und Erlöschen dergesicherten Forderung ab. Gemäß §§ 767, 768 BGB bestimmen sichaber auch ihr Inhalt und Umfang sowie ihre Durchsetzbarkeit nach [X.]. Fällt die Hauptschuld durch Vermögensverfall des [X.] -schuldners weg, so haftet der Bürge nach der Rechtsprechung des [X.] "weiterhin in vollem Umfang" ([X.]Z 82, 323, 327), d.h.nur die Abhängigkeit vom Bestand der Hauptforderung wird aufgehoben.Eine irgend wie geartete Änderung des Inhalts oder des Umfangs derHaftung des Bürgen oder gar eine Umwandlung der Bürgschaft in [X.] ist mit dem Wegfall der [X.] der Verselbständigung der [X.] nicht verbunden,denn der Sicherungscharakter der Bürgschaft bleibt erhalten ([X.] aaOS. 329).bb) Nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Bürge die dem [X.] zustehenden Einreden geltend machen. Dieser Vorschrift liegt- wie auch § 767 BGB - der Gedanke zugrunde, daß der Gläubiger vondem Bürgen nicht mehr und nichts anderes erhalten soll, als er [X.] hätte fordern können ([X.]Z 76, 222, 226; 139, 214,217; 143, 381, 384 f.; [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 - [X.]/00,WM 2002, 2278, 2279). Das wäre aber der Fall, wenn der Bürge [X.] die für die Hauptschuld geltende kurze Verjährungsfrist nichtentgegenhalten könnte (so auch [X.] NJW 1994, 2337, 2338).Wie der Grundsatz des § 767 Abs. 1 BGB, so erfährt allerdingsauch der Grundsatz des § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB Ausnahmen aufgrunddes Sicherungszwecks der Bürgschaft. Da die Bürgschaft dazu dient,dem Gläubiger Sicherheit bei Vermögensverfall des [X.] zugeben, kann der Bürge sich über § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus ge-genüber dem Gläubiger allgemein nicht auf solche Einreden des [X.]s berufen, die ihren Grund in dessen Vermögenssituation ha-ben ([X.]Z 82, 323, 327; [X.], Urteil vom 1. Oktober 2002 aaO; [X.] 8 -Komm/[X.], [X.]. § 768 [X.]. 7; [X.]/[X.], BGB13. Bearb. § 768 [X.]. 5). Eine solche Einrede ist die Einrede der [X.] jedoch nicht. Die Verjährung beruht nicht auf dem [X.] [X.], sondern tritt unabhängig von diesem ein (so auch[X.]Z 95, 375, 385).cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht einererfolgreichen Berufung des Bürgen auf die Verjährung der [X.] nicht entgegen, daß die Hauptschuld wegen ihres [X.] nicht mehr verjähren kann. Die vom Berufungsgericht aufge-worfene Frage, wer hierfür das Risiko zu tragen hat, stellt sich nicht. [X.] einer Forderung ist nicht Voraussetzung für die erfolgreicheGeltendmachung der [X.]. Die [X.] dientauch dazu, behauptete, in Wirklichkeit aber nicht oder nicht mehr beste-hende Forderungen abzuwehren ([X.]Z 122, 241, 244; Münch-Komm/[X.], [X.]. § 194 [X.]. 6; [X.]/[X.], [X.]. 2001 [X.]. zu §§ 194 ff. [X.]. 5). Diesen Zweck kann die [X.] nur erfüllen, wenn ihre Voraussetzungen unabhän-gig von Bestand und Begründetheit der Forderung bejaht werden [X.]. Dem entspricht auch die Rechtspraxis, die auf eine erhobene [X.]seinrede prüft, ob die Verjährungsfrist für den geltend gemachtenAnspruch abgelaufen wäre, nicht aber, ob der Anspruch tatsächlich [X.] oder noch besteht.dd) Daß der Bürge sich auch nach einem Wegfall der Hauptschuldinfolge Vermögenslosigkeit des [X.] auf die Verjährung [X.] berufen kann, entspricht auch im übrigen den [X.] der Risikoverteilung des Gesetzes, den schutzwürdigen Interessen- 9 -der Beteiligten und praktischen Bedürfnissen. [X.] ist insbe-sondere der Bürge, der die Bürgschaft für eine bestimmte Forderungübernimmt und - wie das Gesetz in § 767 Abs. 1 BGB anerkennt - [X.] daran hat, daß sich seine Haftung nicht in einer Weise erwei-tert, mit der er nicht zu rechnen braucht. Der Bürge, der - wie im vorlie-genden Fall - die Haftung für eine in kurzer Frist verjährende Forderungübernimmt, kann sich darauf einrichten, daß die Forderung, sofern keineHemmungs- oder Unterbrechungstatbestände vorliegen, innerhalb diesesZeitraums gegenüber dem Hauptschuldner geltend gemacht werdenmuß. Er darf darauf vertrauen, daß er nicht mehr erfolgreich in Anspruchgenommen werden kann, wenn die Hauptforderung gegenüber [X.] nicht rechtzeitig geltend gemacht worden ist. [X.] ist auch schutzwürdig, denn die Verjährung dient vor allemdem Interesse des Schuldners, nicht bei einer späten [X.] Forderung in Beweisnot zu kommen ([X.]Z 122, 241, 244; Münch-Komm/[X.], aaO; [X.]/[X.], aaO). Die Beweisposition ist beieinem Bürgen, der für die Schuld eines anderen haftet, noch schwieriger,erst recht dann, wenn der Hauptschuldner wegen Vermögensverfallswegfällt. Der Gläubiger auf der anderen Seite hat es in der Hand, [X.] rechtzeitig zu unterbrechen. Bis zur Vollbeendigung derRechtsperson des [X.] kann er zur Unterbrechung der [X.] Maßnahmen gegen diesen ergreifen. Mit Wegfall des [X.]s und Verselbständigung der Bürgschaft kann und muß [X.] auch seinem schutzwürdigen Interesse an der [X.] Verjährung dadurch Rechnung getragen werden, daß hierfür Unter-brechungsmaßnahmen gegen den Bürgen genügen ([X.] 1989, 405, 406). Dies ist eine Folge des Umstandes, daß der [X.] -schuldner weggefallen ist und nur der Bürge die Einrede der [X.]) Für dieses Ergebnis spricht schließlich, daß andernfalls [X.] des Bürgen in nicht zu rechtfertigender Weise von Zufäl-len des zeitlichen Ablaufs im Einzelfall abhinge: [X.] die Verjährung ei-ner in kurzer Frist verjährenden Hauptschuld einen Tag vor dem Wegfalldes [X.] und der Hauptschuld ein, könnte sich der [X.] Ablauf dieser kurzen Frist mit der Einrede der Verjährung [X.] erfolgreich gegen seine Inanspruchnahme verteidigen. [X.] Hauptschuld einen Tag früher weg, könnte er insgesamt dreißig Jah-re in Anspruch genommen werden.c) Die Hauptschuld ist - wie ausgeführt - spätestens mit Ablauf [X.] 2000 verjährt. Eine Hemmung der Verjährung nach § 203 Abs. 2a.[X.] BGB wegen der Löschung der Hauptschuldnerin kommt nicht in [X.], weil nach Wegfall der Hauptschuldnerin und Erlöschen der [X.] eine Rechtsverfolgung nur noch gegenüber dem Bürgen [X.] und sich Hemmungs- wie Unterbrechungstatbestände nur noch [X.] zu ihm ergeben können. Maßnahmen, die die Verjährung ge-genüber dem Beklagten hätten unterbrechen können, sind nicht erfolgt;im Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2001 war Verjährung bereitseingetreten.3. Ist schließlich die Hauptschuldnerin bereits vor der [X.] wegen Vermögenslosigkeit als Rechtsperson untergegangenund sind gegen sie gerichtete Forderungen dadurch fortgefallen, so istdie [X.] schon mangels bestehender [X.] -rung nicht wirksam entstanden. Eine von Anfang an selbständige Bürg-schaftsforderung gibt es nicht. Sie widerspräche dem Charakter [X.] als akzessorische Sicherung und kann auch nicht durch [X.] gerechtfertigt sein, denn in diesem Zeitpunkt haben [X.] es in der Hand, eine akzessorische oder eine selbständigeSchuld zu vereinbaren.[X.] des Berufungsgerichts war daher aufzuheben (§ 562Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, konnte [X.] in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die land-gerichtliche Entscheidung wiederherstellen.[X.] Bungeroth Joeres [X.] Appl

Meta

XI ZR 243/02

28.01.2003

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.01.2003, Az. XI ZR 243/02 (REWIS RS 2003, 4695)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4695

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