Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2005, Az. II ZR 103/02

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 4767

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02 Verkündet am: 28. Februar 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b; KO § 32 a

a) Der Gesellschafter unterliegt (ebenfalls) den Rechtsfolgen des Eigenkapital-ersatzes, wenn ein von ihm [X.] Unternehmen der [X.] eine Finanzierungshilfe gewährt.
b) Wird der Gesellschaft ein von ihrem Gesellschafter angemietetes Betriebs-grundstück, das ihr nach [X.] zu belassen ist, durch einen Grundpfandrechtsgläubi[X.] entzogen, so kann die Gesellschaft von dem Gesellschafter Ersatz in Höhe des Wertes des verlorenen Nutzungs-rechts verlangen. Bei der Bemessung des Anspruchs kann der zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vereinbarte Mietzins eine Richtschnur bilden.
[X.], Urteil vom 28. Februar 2005 - [X.]/02 - OLG Dresden

LG Dresden - 2 - [X.] Bundes[X.]ichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2005 durch [X.] h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klä[X.]s wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandes[X.]ichts Dresden vom 6. März 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Klä[X.] ist Verwalter in dem am 1. Februar 2000 eröffneten Gesamt-vollstreckungsverfahren über das Vermögen der [X.] (nachfolgend: Gemeinschuldnerin).
Durch notariellen Vertrag vom 10. August 1995 wurde die Gemein-schuldnerin von vier Gesellschaftern mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM gegründet; Mehrheitsgesellschafter war [X.], der eine Stammeinlage von [X.] hielt. Zur Ausübung ihres Geschäftsbetriebs mietete die Gemeinschuldnerin durch Mietvertrag vom 22. September 1995 von - 3 - ihrem Gesellschafter [X.] das in [X.] gelegene Gebäudegrundstück "[X.]" zu einem monatlichen Mietzins von 34.088,00 DM über einen Zeitraum von zehn Jahren an. Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1995 übereignete [X.] das Grund-stück, das er im Jahre 1992 mit einer Hypothek in Höhe von 2 Mio. DM zugun-sten der [X.] belastet hatte, an die von ihm als Mehrheitsgesellschafter be-herrschte [X.] [X.] (nachfolgend: [X.]). Wegen ihrer fort-während angespannten finanziellen Lage entrichtete die Gemeinschuldnerin, die spätestens seit dem 31. Dezember 1996 durchgängig überschuldet war und im Zeitpunkt der Eröffnung des [X.] einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 1.096.907,99 DM aufwies, von Anfang bis Ende des Mietverhältnisses keine Miete an ihren Vermieter.
Mit Beschluß des Amts[X.]ichts [X.] vom 20. Juni 2000 wurde auf Antrag der [X.] die Zwangsverwaltung über das Objekt [X.] angeordnet. Da die vor-handene Masse eine Mietzinszahlung an den Zwangsverwalter nicht gestattete, räumte der Klä[X.] das Anwesen zum 31. Juli 2000. Der Beklagte wurde vom Amts[X.]icht W. am 27. September 2000 zum Insolvenzverwalter über den Nachlaß des am 11. Januar 2000 verstorbenen [X.] (nachfolgend ebenfalls: Beklagter) bestellt.
Wegen des Verlusts der Möglichkeit, das Betriebsgrundstück bis zum Ablauf des [X.] zu nutzen, nimmt der Klä[X.] unter dem Gesichtspunkt einer eigenkapitalersetzenden Nutzungsüberlassung den Beklagten auf [X.] in Anspruch. Land[X.]icht und Oberlandes[X.]icht haben die Klage abgewiesen. Mit der - von dem [X.]at zugelassenen - Revision verfolgt der Klä- - 4 - [X.] seinen im [X.] gestellten Antrag weiter, den Beklagten zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von 1.072.562,90 DM zur Insolvenztabelle anzuerkennen. Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klä[X.]s hat Erfolg und führt zur Aufhebung der [X.] Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungs-[X.]icht.
[X.] Das Berufungs[X.]icht hat ausgeführt: Die mietweise Überlassung des Grundstücks durch den Beklagten an die Gemeinschuldnerin habe wegen de-ren Überschuldung spätestens Ende des Jahres 1997 eigenkapitalersetzenden Charakter angenommen. Da dem Klä[X.] durch die Anordnung der Zwangsver-waltung die weitere Nutzung des Grundstücks entzogen worden sei, stehe ihm gegen den Beklagten zwar grundsätzlich ein durch die Veräußerung des Grundstücks an die [X.] nicht berührter Ersatzanspruch zu. Gehe man aber von einer hypothetischen Eigentümerstellung der Gemeinschuldnerin aus, entfalle ein Rückgriff gegen den Beklagten. Auch die Gemeinschuldnerin hätte, wenn ihr das grundpfandrechtlich belastete Grundstück anstelle der [X.] von dem Beklagten zu Eigentum übertragen worden wäre, durch die Anordnung der Zwangsverwaltung jedes Nutzungsrecht verloren. Die "schwä-chere" unentgeltliche Gebrauchsüberlassung könne die Gemeinschuldnerin nicht besser als einen Eigentümer stellen.
I[X.] Diese Beurteilung hält im entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. - 5 - 1. Das Berufungs[X.]icht hat den Beklagten, der nach den tatrichterlichen Feststellungen das von der Gemeinschuldnerin genutzte Grundstück noch vor Eintritt ihrer Überschuldung an die [X.] übereignet hat, zu Recht den [X.] (§§ 30, 31, 32 a, 32 b GmbHG) unterworfen.
Die Rechtsfolgen des Kapitalersatzes treffen einen Gesellschafter, der eine GmbH nach Ausbruch der Krise durch die Zufuhr von Darlehen oder ande-ren Finanzierungsmitteln, wozu auch eine kapitalersetzende Nutzungsüberlas-sung gehören kann (vgl. nur [X.] 109, 55; 127, 1 ff. und 17 ff.; 140, 147), am Leben erhält. Der Beklagte hatte allerdings das Grundstück [X.] be- reits im September 1995, also vor Eintritt der [X.], an die von ihm beherrschte [X.] übereignet. In der Rechtsprechung des [X.]ats ist für die Anwendung der [X.] wie auch der [X.] seit langem anerkannt, daß mit einem Gesellschafter durch eine Beteiligung von mehr als 50 % verbundene und infolgedessen von ihm beherrschte [X.] einem Gesellschafter gleichstehen ([X.] 81, 311, 315; 81, 365, 368 f.; [X.].Urt. v. 27. November 2001 - [X.], NJW 2001, 1490; [X.].Urt. v. 21. Juni 1999 - [X.], NJW 1999, 2822 m.w.Nachw.). Die zwingenden, streng zu handhabenden [X.] und [X.] dürfen nicht durch Umgehungen aufgeweicht werden ([X.] 81, 365, 368; 51, 157, 162; 31, 258, 266). Diese Gefahr läge greifbar nahe, wenn sich der Gesell-schafter den [X.] durch die Gewährung einer Kredithilfe über ein von ihm [X.] und alsbald nach deren Rückzahlung liquidiertes Unternehmen entledigen könnte (vgl. [X.].Urt. v. 16. Dezember 1991 - [X.], NJW 1992, 1167 f.). Ferner ist die Kredithilfe in Fällen der vorlie-genden Art regelmäßig von dem Gesellschafter durch Einwirken auf das von ihm beherrschte Unternehmen veranlaßt ([X.]/[X.], GmbHG 9. Aufl. § 31 Rdn. 13). - 6 -
2. Die mietweise Überlassung des Betriebsgrundstücks unterliegt den Regeln des Eigenkapitalersatzes, weil das Unternehmen nach Eintritt der Krise nicht liquidiert, sondern ohne den gebotenen Nachschuß von Eigenkapital unter Fortbestand des Nutzungsverhältnisses weitergeführt wurde (vgl. [X.] 109, 55, 58; 127, 1, 7 und 17, 21). Da die Gemeinschuldnerin nach den nicht ange-griffenen Feststellungen des Berufungs[X.]ichts spätestens Ende des Jahres 1997 überschuldet war, hat die Nutzungsüberlassung als funktionales Eigenka-pital zu gelten (vgl. [X.] 121, 31, 35 f., 41; 140, 147, 149 f.). [X.] war es dem Beklagten während der Dauer der Krise verwehrt, den [X.] zu fordern (vgl. [X.] 124, 282, 284 f.; 140, 147, 153). [X.] war der Klä[X.] als Insolvenzverwalter ebenfalls berechtigt, das Grundstück während der vereinbarten oder - im Falle einer im Vergleich zur Branchenübung unangemessen kurzen Vertragslaufzeit - der üblichen Nut-zungsdauer unentgeltlich zu nutzen. Dabei hat er die Wahl, das Nutzungsrecht selbst wahrzunehmen oder auf einen [X.] (entgeltlich) zu übertragen (vgl. [X.] 127, 1 ff. und 17 ff.; 140, 147, 150).
3. Das dem Klä[X.] als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Ge-meinschuldnerin im Verhältnis zu dem Beklagten zustehende unentgeltliche Nutzungsrecht ist allerdings durch die von der [X.] als Hypothekengläubige-rin erwirkte Beschlagnahme des Betriebsgrundstücks erloschen.

Im Konflikt zwischen dem unentgeltlichen Nutzungsrecht der Gesell-schaft aus Eigenkapitalersatzgesichtspunkten und dem vom Zwangsverwalter wahrgenommenen Fruchtziehungsrecht des Grundpfandrechtsgläubi[X.]s kommt letzterem der Vorrang zu ([X.] 140, 147; [X.].Urt. v. 31. Januar 2000 - 7 - - II ZR 309/98 ZIP 2000, 455). Ab dem Zeitpunkt der Beschlagnahme ist der Insolvenzverwalter infolgedessen verpflichtet, entweder das vereinbarte [X.] an den Zwangsverwalter zu entrichten oder das Grundstück an ihn herauszugeben.
4. Dem Klä[X.] steht nach dem Verlust des unentgeltlichen Nutzungs-rechts an dem Betriebsgrundstück (vgl. dazu auch [X.].Urt. v. 31. Januar 2005 - [X.]/02 [z.V. bestimmt]) ein Ersatzanspruch gegen den Beklagten zu.
a) Inhaltlich richtet sich der Ersatzanspruch danach, in welcher Weise sich der Verlust des unentgeltlichen Nutzungsrechts verwirklicht: Im Falle ent-geltlicher Eigennutzung kann der Insolvenzverwalter von dem Gesellschafter Erstattung der an den Zwangsverwalter entrichteten Miete beanspruchen. Gibt er hingegen - wie der Klä[X.] - das Betriebsgrundstück an den Zwangsverwalter heraus, so kann er von dem Gesellschafter Ersatz in Höhe des objektiven Restwerts des Nutzungsrechts verlangen (vgl. [X.] 127, 1, 15). Mangels [X.] wird im allgemeinen der zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter vereinbarte Mietzins dem üblichen Nutzungsentgelt und daher einem objektiven Maßstab entsprechen.
b) Nicht gefolgt werden kann hingegen der rechtlichen Würdigung des Berufungs[X.]ichts, ein Ersatzanspruch des Klä[X.]s scheide aus, weil er die Beschlagnahme und damit den Verlust des Nutzungsrechts auch hätte hinneh-men müssen, wenn das mit der Hypothek belastete Betriebsgrundstück von dem Beklagten an die Gemeinschuldnerin übereignet worden wäre.
Der Gesellschafter ist an der von ihm gewählten Finanzierungshilfe und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen festzuhalten. In [X.] 8 - lationen der vorliegenden Art hat der Beklagte das Betriebsgrundstück sowohl als Finanzierungshilfe für die Gemeinschuldnerin als auch als Sicherungsgut für persönlich benötigte Kredite eingesetzt. Dadurch ist der Beklagte zugleich ein Kredit- und ein Überlassungsrisiko eingegangen. Verwirklichen sich beide Risi-ken, muß der Beklagte folglich doppelt haften. Angesichts der mit dieser Vorge-hensweise verbundenen [X.] kann es nicht angehen, daß durch die Zwangsverwaltung einerseits die Verbindlichkeiten des Beklagten reduziert werden, er aber andererseits von seiner Überlassungsverpflichtung entbunden wird.
4. [X.] gibt dem Berufungs[X.]icht Gelegenheit, Feststellungen über den im vorliegenden Fall umstrittenen Wert des Nutzungs-rechts des Klä[X.]s zu treffen.

[X.]

[X.] Gehrlein

Meta

II ZR 103/02

28.02.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.02.2005, Az. II ZR 103/02 (REWIS RS 2005, 4767)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 4767

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