Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2011, Az. II ZR 18/10

II. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2532

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
II ZR 18/10
Verkündet am:

11.
Oktober 2011

Stoll

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 135 Abs. 1 Nr. 2 aF; GmbHG § 32a aF
a)
[X.] im Sinne der Regeln über den Eigenkapitalersatz kann eine [X.] nur dann sein, wenn sie tatsächlich einen Kredit benötigt.
b)
Ein Kreditbedarf, der nur aufgrund
zu gering kalkulierter Abschlagszahlungen des [X.]ers oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens entstanden ist und der nachträglich bei richtiger Betrachtungsweise entfällt, reicht dafür nicht aus.
[X.], Urteil vom 11. Oktober 2011 -
II ZR 18/10 -
OLG Frankfurt/Main

LG Frankfurt/Main

-
2
-
Der II.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 11.
Oktober 2011 durch
den
Richter Dr.
Strohn, die Richterinnen Caliebe
und
Dr.
Reichart
sowie die Richter [X.] und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17.
Zivilsenats des [X.] vom 16.
Dezember 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1.
November 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.

-S.

GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Deren Schwestergesellschaft B.

B.

GmbH, die Beklagte, vertreibt Fahrräder. Diese ließ sie von der Schuldnerin montieren. Dafür erhielt die Schuldnerin im [X.] eine Vergütung pro [X.] in Höhe von 18

. Die daraus resultierenden monatlichen Vergütungsforderungen stellten die beiden [X.]en in ein Verrechnungskonto ein, ebenso wie diverse Gegenforderungen der Beklagten. Das Verrechnungskonto wies nach der 1
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3
-

Berechnung des Berufungsgerichts von Januar bis Dezember 2006 einen durchschnittlichen Monatssaldo zugunsten der Beklagten in Höhe von 911.290,45

Nachkalkulation der Fahrradfertigung errechnete zusätzliche Vergütungs-forderung in Höhe
von brutto 1.379.423

Guthaben zu ihren Gunsten führte.
Der Kläger hält die Saldierung der gegenseitigen Forderungen in Höhe von 911.290,45

Höhe wegen "Stehenlassens" eigenkapitalersetzend geworden seien. Die [X.] hat dagegen behauptet, es sei von vornherein vereinbart gewesen, dass die Schuldnerin eine Vergütung für die Fahrradmontage in Höhe ihrer Selbstkosten habe erhalten sollen; diese hätten im ersten Quartal des auf den Produktionsbeginn folgenden Jahres berechnet werden sollen; danach hätten die Ist-Kosten der [X.]montage 27,28

,00

128.142 montierten Fahrrädern ergäbe das eine Gesamtvergütungsforderung in Höhe restlicher 1.379.423

Das [X.] hat die auf Zahlung von 911.290,45

vorgerichtliche Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungs-gericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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-
4
-

I.
Dieses hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet ([X.], GmbHR 2010, 646):
Der Kläger habe einen Anspruch auf Zahlung von 911.290,45

§§
143, 135 Abs.
1 Nr.
2 [X.] in Verbindung mit §§
32a, 32b GmbHG in der jeweils bis zum 31.
Oktober 2008 geltenden Fassung. Die Schuldnerin sei jedenfalls Ende 2006 [X.] gewesen. In dieser Situation habe die Beklagte ihre Forderungen aus dem Verrechnungskonto "stehengelassen". Dadurch seien sie in Höhe des [X.] eigenkapitalersetzend geworden. Die Saldierung mit der Gegenforderung der Schuldnerin in Höhe von 1.379.423

vom Kläger somit wirksam nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF angefochten worden.
Auf die vom [X.] durchgeführte Beweisaufnahme zu der Frage, ob die gutgeschriebenen 18

Abschlag hätten sein sollen, komme es nicht an. Denn jedenfalls seien die restlichen Vergütungsforderungen
erst zum Zeitpunkt der Nachkalkulation im März 2007 fällig geworden, während die Zahlungsansprüche der Beklagten aus den Salden des [X.] bereits im Jahre 2006 fällig gewesen seien. Eine sich aufhebende gegenseitige Kreditierung habe

entgegen der Ansicht des [X.]s

nicht stattgefunden. Vielmehr habe allenfalls eine Aufrechungsmöglichkeit bestanden. Eine Aufrechnung sei aber anfechtbar gewesen.
II.
Diese Ausführungen
halten revisionsgerichtlicher Kontrolle nicht in allen Punkten stand.
1.
Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Regeln über den Eigenkapitalersatz hier noch anwendbar sind, weil 5
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5
-

das Insolvenzverfahren vor dem Inkrafttreten des [X.] und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am 1.
November 2008 eröffnet worden ist ([X.], Urteil vom 26.
Januar 2009

II
ZR
260/07, [X.]Z
179, 249 Rn.
15
ff.

Gut Buschow).
2.
Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass ein ständiges Stehenlassen von fälligen Forderungen -
bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen

in Höhe des [X.] eine eigenkapitalersetzende [X.]erhilfe darstellt, die sowohl zur Anwendbarkeit der §§
30, 31 GmbHG aF als auch der §
135 Abs.
1 Nr.
2 [X.] aF, §
32a Abs.
1, Abs.
3 Satz 1 GmbHG aF führt. Denn der [X.]er gibt der [X.] mit diesem fortlaufend bestehen bleibenden Kredit zwar nicht in Höhe der jeweiligen Einzelforderung, wohl aber in Höhe der Gesamtdurchschnittsforderung eine Überlebenshilfe, die es rechtfertigt, die Durchschnittsforderung wie Eigenkapital zu behandeln ([X.], Urteil vom 28.
November 1994

II
ZR
77/93, ZIP
1995, 23, 24
f.; siehe auch Urteil vom 7.
November 1994

II
ZR
270/93, [X.]Z 127, 336, 340
f.).
3.
Ebenfalls zutreffend ist die Annahme, dass die Beklagte, obwohl sie nicht [X.]erin, sondern nur Schwestergesellschaft der Schuldnerin ist, den Regeln über den Eigenkapitalersatz unterliegt. Nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats wird ein mit dem [X.]er verbundenes Unternehmen, auf das der [X.]er kraft der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung seiner Beteiligung einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, gemäß § 32a Abs. 3 Satz
1 GmbHG aF wie ein [X.]er behandelt ([X.], Urteil vom 5.
Mai 2008

II
ZR
108/07, [X.], 1230 Rn.
9
f.; Urteil vom 28.
Februar 2005

II
ZR
103/02, [X.], 660, 661; Urteil vom 28.
September 10
11
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6
-

1981

II
ZR
223/80, [X.]Z 81, 365, 368). So liegt es
hier. Beide [X.]en hatten denselben Alleingesellschafter.
4.
Das Berufungsgericht hat jedoch die Voraussetzungen einer Krise im Sinne des § 32a Abs. 1 GmbHG aF nicht fehlerfrei festgestellt.
Eine Krise in dem genannten Sinn liegt dann vor, wenn die [X.] im Zeitpunkt der Kapitalüberlassung oder des "Stehenlassens" des Kapitals insolvenzreif oder [X.] ist (ständige Rechtsprechung, siehe etwa [X.], Urteil vom 11.
Januar 2011

II
ZR
157/09, [X.], 328 Rn.
21). Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Schuldnerin insolvenzreif war. Für das Revisionsverfahren ist somit davon auszugehen, dass eine Insolvenzreife bis zu der Saldierung der Forderungen aufgrund der Gutschrift der Schuldnerin im März 2007 nicht bestanden hat.
Bei seiner Annahme, die Schuldnerin sei jedenfalls ab Ende 2006 [X.] gewesen, hat das Berufungsgericht zum einen nicht beachtet, dass eine Krise während des gesamten Zeitraums bestanden haben muss, für den die stehen gelassene Durchschnittsforderung geltend gemacht wird. Tritt die Krise erst am Ende dieses Zeitraums ein, ist es nicht gerechtfertigt, die Durchschnittsforderung wie funktionelles Eigenkapital zu behandeln. Diese Funktion kann sie nur haben, wenn sie insgesamt in der Krise stehengelassen worden ist.
Zum anderen hat das Berufungsgericht nicht gesehen, dass von einer [X.]keit im Sinne des [X.] nur dann ausgegangen werden kann, wenn die [X.] tatsächlich einen Kredit benötigt. Denn es geht bei dem Merkmal der [X.]keit darum festzustellen, ob die [X.] einen zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebs 12
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erforderlichen Kreditbedarf nicht aus [X.] decken kann und deshalb liquidiert werden müsste, wenn nicht der [X.]er mit seiner Leistung einspringt oder eingesprungen wäre ([X.], Urteil vom 11.
Januar 2011

II
ZR
157/09, ZIP
2011, 328 Rn.
21; Urteil vom 2.
Dezember 1996

II
ZR
243/95, GmbHR 1997, 501, 503; Urteil vom 13.
Juli 1992

II
ZR
269/91, [X.]Z
119, 201, 206).
Das
Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Schuldnerin im hier entscheidungserheblichen Zeitraum einen solchen Kreditbedarf hatte. Davon wäre zwar ohne weiteres auszugehen, wenn die Schuldnerin tatsächlich im gesamten [X.] einen durchschnittlichen Kredit ihrer Schwestergesellschaft in Höhe von 911.290,45

Die monatlichen Salden des zwischen den beiden [X.]en geführten [X.] reichen für diesen Schluss aber nicht aus.
Nach dem Vortrag der Beklagten, der für das Revisionsverfahren als wahr zu unterstellen ist, hatte sie mit der Schuldnerin vereinbart, dass für die Fahrradmontage eine Vergütung in Höhe der Selbstkosten der Schuldnerin gezahlt werden sollte und dass auf diese Vergütungsforderung

deren genaue Höhe sich erst errechnen ließ, wenn die Gesamtstückzahl der im [X.] montierten Räder bekannt war

ein Abschlag in Höhe von 18,00

fällig werden sollte. Zu Beginn des Jahres 2007 hat sich dann ergeben, dass die Selbstkosten pro Stück nicht 18,00

Damit war klar, dass der Abschlag von 18,00

% zu gering kalkuliert war. Wären sogleich 27,28

Verrechnungskonto nach den vom [X.] festgestellten Kontoständen überwiegend einen Saldo zugunsten der Schuldnerin aufgewiesen.
16
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8
-

Bei dieser Sachlage bestand nur vordergründig ein Kreditbedarf der Schuldnerin. Jedenfalls für die Beklagte, die aufgrund der für sie günstigen Absprache zunächst nur rund 2/3 des vereinbarten Endpreises für die [X.]montage zahlen musste, stand keinesfalls fest, dass der Durchschnittssaldo des [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise endgültig ihr zustand. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Auch im März 2007 wies das Verrechnungskonto nach der Einstellung der restlichen Vergütungsforderung uf.
Ob die Beklagte

wie die Revision meint

gegen Treu und Glauben verstoßen hätte, wenn sie die Saldoforderungen aus dem Verrechnungskonto gegen die Schuldnerin geltend gemacht hätte, kann offen bleiben. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, im Rahmen der [X.] auf einen Kreditbedarf abzustellen, der nur aufgrund zu gering kalkulierter Abschlagszahlungen des [X.]ers oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens entstanden ist und der nachträglich bei richtiger Betrachtungsweise entfällt.
III.
Damit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können. Zwar hat das [X.] zu der Frage, welche Vergütung ursprünglich vereinbart war, eine Beweisaufnahme durchgeführt. Das Berufungsgericht hat sich damit aber

von seinem Standpunkt aus folgerichtig

nicht befasst. Das wird nachzuholen sein. Hätten die [X.]en nämlich erst nachträglich vereinbart, dass die
Beklagte eine18
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-

höhere als die ursprünglich abgesprochene Vergütung zahlen sollte, würde das der Annahme einer [X.]keit im [X.] nicht entgegenstehen.

Strohn

Caliebe

Reichart

[X.]

Sunder
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom [X.] -
2-20 O 92/08 -

OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 16.12.2009 -
17 [X.]/09 -

Meta

II ZR 18/10

11.10.2011

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2011, Az. II ZR 18/10 (REWIS RS 2011, 2532)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2532

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II ZR 18/10

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