Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. 1 StR 41/09

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2147

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
[X.]

vom
20. Oktober
2011
Nachschlagewerk:
ja
[X.]St:

ja
[X.]R:

ja
Veröffentlichung:
ja
_____________________

AO §
370 Abs.
1; UStG §
4 Nr.
1 Buchstabe
b, §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3, Abs.
3

Zur Versagung der [X.] einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§
6a UStG) von der Umsatzsteuer bei der Verschleierung der Identität des wahren Erwerbers, um diesem die Hinterziehung der im Bestimmungsland für den Er-werb geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen (im [X.] an die Vor-abentscheidung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache R durch Urteil vom 7.
Dezember 2010, [X.]/09).

[X.], Beschluss vom 20.
Oktober 2011 -
1 [X.] -
LG Mannheim

in der Strafsache
gegen

-
2
-

wegen Steuerhinterziehung

-
3
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 20. Oktober
2011 [X.]:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2008 wird als unbegründet [X.].
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung for-mellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg; die Nachprüfung des Urteils aufgrund der [X.] hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Auch die rechtliche Würdigung des [X.]s hält rechtlicher Nachprüfung stand, der Angeklagte habe sich gemäß §
370 Abs.
1 Nr.
1 AO der Steuerhin-terziehung schuldig gemacht, weil er in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der P.

GmbH für die Jahre 2002 und 2003 steuerpflichtige Lieferungen ([X.]) von Gebrauchtwagen an Fahrzeughändler in [X.] vorsätzlich (I[X.]) als steuerfrei behandelt habe.

1
-
4
-
[X.]

Die verfahrensgegenständlichen Fahrzeuglieferungen waren umsatz-steuerpflichtig, weil der Angeklagte nach den vom [X.] rechtsfehlerfrei

8) unter Verwendung unrichtiger Belege, die er auch in die Buchhaltung der P.

GmbH aufnahm, die wirklichen [X.] Erwerber der Fahrzeuge [X.] und diese damit bei der Umgehung der [X.] in [X.] unterstützte.

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen des §
6a UStG steuerfrei (§
4 Nr.
1 Buchstabe
b UStG).

a) Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt ge-mäß §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige [X.]sgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen (abgese-hen von den Fällen der
Lieferung neuer Fahrzeuge) weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unterneh-men erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht [X.] ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat. Der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG
in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mit-gliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

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-
b) Die Steuerfreiheit beruhte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum auf Art.
28c Teil A Buchst. a Unterabs.
1 der [X.] vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaa-ten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]) in der durch die Richtlinie 2000/65/[X.] vom 17. Oktober 2000 geänderten [X.] unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden [X.]en sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel
3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der [X.] versandt oder befördert werden, wenn diese Liefe-rungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Ge-

2. Die Voraussetzungen
einer Steuerbefreiung nach §
6a UStG lagen hier nicht vor, weil der Angeklagte hinsichtlich der nach [X.] gelieferten Gebrauchtwagen die Identität der wahren Erwerber verschleiert hatte, um [X.] dort eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Die Versagung der Steuerbefreiung beruht auf zwei nebeneinander bestehenden Gründen:

Durch die Verschleierung der Abnehmer -
und zwar kollusiv mit diesen -
zum Zwecke der Umsatzsteuerhinterziehung fehlte es für die Steuerbefreiung bereits an den in §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG enthaltenen [X.]svoraus-setzungen. Es lag nämlich eine beiderseitige Täuschung durch Lieferanten und Abnehmer vor (a). Eine [X.] von der [X.] Umsatzsteuer kam dar-5
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-
über hinaus auch deshalb nicht in Betracht, weil der Angeklagte zudem einsei-tig -
unbeschadet der Tatbeiträge der Abnehmer -
gegen die sich aus §
6a Abs.
3 UStG i.V.m. §
17a, §
17c UStDV ergebenden Anforderungen an den Buch-
und [X.] verstoßen hatte, um den wahren Erwerbern in [X.] eine Umsatzsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Wegen der zu diesem Zweck vorgenommenen Verschleierung der Identität der Erwerber war es ihm verwehrt, sich später darauf zu berufen, dass eine innergemeinschaftliche Lie-ferung tatsächlich stattgefunden hatte. In einem solchen Fall reicht bereits eine einseitige Täuschung durch den Lieferanten (b). Dieses Ergebnis steht im Ein-klang mit der Rechtsprechung des [X.], die in Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs der [X.] vom 7.
Dezember 2010 (Rechtssache R, [X.]/09, NJW
2011, 203) ergangen ist (vgl. [X.], Urteile vom 11. August 2011 -
V [X.], [X.], 1901, vom 17.
Februar 2011
-
V [X.]/10 -
[X.]E 233, 311 und vom 17.
Februar 2011 -
V [X.], [X.], 354).

a) Der erste Versagungsgrund -
beiderseitige kollusive Täuschung -
be-ruht darauf, dass die sich aus §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG ergebende Vo-raussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung hier schon deshalb nicht vorliegt, weil der Angeklagte kollusiv mit dem
Abnehmer zusammenwirkte.

aa) Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s stellte die Lieferung von Gegenständen durch einen inländischen Unternehmer an einen Unternehmer im übrigen [X.]sgebiet dann keine steuerfreie innerge-meinschaftliche Lieferung im Sinne des §
6a UStG dar, wenn der inländische Unternehmer in [X.] Zusammenwirken mit dem Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vortäuschte, um dem Abnehmer die Hinterziehung 8
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von Umsatzsteuern zu ermöglichen (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
November 2008 -
1 [X.], [X.]St 53, 45 Rn. 4, vom 19. August 2009 -
1 [X.], [X.]St 54, 133). Der [X.] ist dabei davon ausgegangen, dass es in solchen Fällen an der [X.]svoraussetzung des §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG fehle, weil diese Vorschrift [X.] dahin auszulegen sei, dass der Erwerb des Gegenstands einer Lieferung beim Abnehmer dann nicht den Vorschriften der Umsatzbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne der Vorschrift unterliegt, wenn die im Bestimmungsland vorgesehene [X.] der konkreten Lieferung nach dem übereinstimmenden Willen von Unternehmer und Abnehmer durch Verschleierungsmaßnahmen und falsche Angaben gezielt umgangen werden soll, um dem Unternehmer
oder dem Abnehmer einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen ([X.], Beschluss vom 20. November 2008 -
1 [X.], [X.]St 53, 45 Rn.
13). Anderes gilt, wenn die Verschleierungsmaßnahme anderen Zwecken dient ([X.] aaO Rn. 13).

[X.]) Nachdem das [X.] Zweifel an der Richtigkeit dieser Rechtsprechung geäußert hatte (Beschluss vom 11. März 2009 -
1
V 4305/08, diesem folgend [X.], Beschluss vom 29.
Juli 2009 -
XI B 24/09, [X.]E 226, 449), hat der [X.] gemäß Art. 234 Abs. 3 [X.] (jetzt Art. 267 Abs. 3 AEUV) im vorliegenden Verfahren dem Gerichtshof der Europäischen [X.]en (jetzt: Gerichtshof der [X.]; nachfolgend: [X.]) mit Beschluss vom 7.
Juli 2009 ([X.], 441) folgende Fragen zur Vorabentscheidung über die Auslegung
des Art. 28c Teil A Buchstabe a der [X.]/[X.] des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -
Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage vor-gelegt:
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Sinne auszulegen, dass einer Lieferung von Gegenständen im Sinne dieser Vorschrift die [X.] von der Mehrwertsteuer zu versagen ist, wenn die Lieferung zwar tatsächlich ausgeführt [X.] ist, aber aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer
a)
wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterzie-hen, oder
b)
Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Per-son des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterzie-

cc) Mit Urteil vom 7.
Dezember 2010 (Rechtssache R, [X.]/09, NJW
2011, 203) hat der Gerichtshof auf das Vorabentscheidungsersuchen hin für Recht erkannt:

[X.] eine innergemeinschaftliche Lieferung von Gegenständen tat-sächlich stattgefunden hat, der Lieferer jedoch bei der Lieferung die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen, kann der [X.] der innergemeinschaftlichen Lieferung aufgrund der ihm nach dem ersten Satzteil von Art. 28c Teil A Buchst. a der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern -
Gemeinsames Mehr-wertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungs-grundlage in der durch die Richtlinie 2000/65/[X.] vom 17. Oktober 2000 geänderten Fassung zustehenden Befugnisse

[X.] führt in diesem Urteil weiter aus (Rn.
52), dass dann, wenn ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im [X.] der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, der 11
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[X.] dem Lieferer der Gegenstände die [X.] sogar ver-weigern muss (also nicht
nur verweigern kann), um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgeht ([X.] aaO Rn. 52). Denn nach dem Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems werde [X.] Steuer auf jeden Produktions-
oder Vertriebsvorgang erhoben, abzüglich der Mehrwertsteuer, mit der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belas-tet worden sind ([X.] aaO). Dieser [X.] gebotenen Ausle-gung der [X.]/[X.] stehen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs weder die Grundsätze der Neutralität der Mehrwertsteuer und der Rechtssicherheit noch die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit entgegen. Denn ein Steuerpflichtiger, der sich vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt und das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet, kann sich nicht mit Erfolg auf diese Grund-sätze berufen ([X.] aaO Rn.
53 f.).

dd) Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall ergibt: Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Steuerbe-freiung des §
6a UStG bei den verfahrensgegenständlichen [X.] nicht eingreift. Denn ausgehend von den vom [X.] getroffe-

die Annahme, dass wegen der vom Angeklagten zur Unterstützung der wahren Erwerber -
kollusiv mit diesen -
vorgenommenen Verschleierungs-handlungen der mit den fraglichen Lieferungen zusammenhängende Erwerb im Bestimmungsland der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte. [X.] für die Steuerbefreiung sind
der zwischen innergemeinschaftlicher Liefe-rung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusam-menhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als [X.]
-
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schuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11. August 2011 -
V [X.], [X.], 1901 Rn. 24).

Die vom Gerichtshof vorgenommene [X.]e Auslegung der [X.]/[X.] bestimmt auch die Auslegung des auf dieser Richtlinie beruhenden [X.]statbestandes des §
6a UStG. Danach
besteht unter den Umständen des vorliegenden Sachverhalts auch ausgehend von den Tatbestandsvoraussetzungen des §
6a UStG für die verfahrensgegen-ständlichen Lieferungen keine Steuerbefreiung. Denn die vom Angeklagten vorgenommenen Verschleierungshandlungen führten dazu, dass im [X.] der Lieferungen faktisch keine Besteuerung des Erwerbs der Fahr-zeuge stattfinden konnte (vgl. auch [X.], NStZ 2011, 165, 166), der Erwerb der Fahrzeuge mithin nicht im Sinne von §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG als beim Abnehmer im anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteue-rung unterliegend angesehen werden kann.

ee) Der Wortlaut der [X.] steuerrechtlichen Vorschriften ist ein ausreichender Anknüpfungspunkt für die [X.] gebotene [X.] auch des Steuerstrafrechts. Denn nach §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG liegt eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung nur dann vor, wenn der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer der Lieferung in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unter-liegt. In dieser Vorschrift kommen
der vom Gerichtshof hervorgehobene [X.] zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb ([X.], Urteil vom 7.
Dezember 2010 in der Rechtssache R, [X.]/09, [X.], 203 Rn. 38) und die damit bezweckte 14
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-
Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung zum Ausdruck. Deshalb ist es nicht zulässig, die Steuerfreiheit nach §
6a UStG trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Erwerbers in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 2011 -
V [X.], [X.], 1901). Damit wird die vom [X.] im Beschluss vom 20.
November 2008 (Verfahren 1
[X.], [X.]St 53, 45 Rn. 13) vorgenommene Auslegung des §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG von der [X.] gebotenen Auslegung der [X.]/[X.] getragen.

ff) Diese Auslegung des §
6a UStG durch den [X.] steht nach
der Rechtsprechung des [X.] auch im Einklang mit den An-forderungen des Art.
103 Abs.
2 GG. Denn das -
von systematischen Erwägun-gen getragene -
Verständnis des §
6a Abs.
1 Satz
1 Nr.
3 UStG, dass der Er-werb beim Abnehmer den Vorschriften der Umsatzbesteuerung tatsächlich [X.] wird -
was nicht der Fall wäre, wenn der Abnehmer die Erwerbsbe-steuerung gezielt umgeht -,
ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift möglich ([X.] -
Kammer -
Beschluss vom 16. Juni 2011 -
2 BvR 542/09).

b) Eine [X.] der verfahrensgegenständlichen Fahrzeuglieferungen nach [X.] von der [X.] Umsatzsteuer schied hier -
neben dem ersten Versagungsgrund -
auch deshalb aus, weil der Angeklagte, und zwar schon einseitig, gegen die sich aus §
6a Abs.
3 UStG i.V.m. §
17a, §
17c UStDV er-gebenden Anforderungen an den Buch-
und [X.] verstoßen hatte, um den wahren Erwerbern in [X.] eine Umsatzsteuerhinterziehung zu er-möglichen.

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-
12
-
aa) Die Lieferungen nach [X.], die unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der [X.]/[X.] beruhenden Pflichten zum Beleg-
und Buchnachweis durchgeführt wurden, rechtfertigten [X.] eine Steuerbefreiung nicht, wie sich insbesondere unter Heranziehung der vom Gerichtshof in den Rechtssachen [X.] ([X.], Urteil vom 27.
September 2007 -
C-146/05, [X.], [X.], [X.], 1811) und R (Urteil vom 7.
Dezember 2010 -
[X.]/09, [X.], 203) vorgenommenen Auslegung der [X.]/[X.] ergibt.

(1) Bei
einem Verstoß des Lieferanten gegen die Pflichten zum Buch-
und [X.] gilt nach dieser Rechtsprechung im Grundsatz: Der [X.] kann gemäß Art. 28c Teil A der [X.]/[X.] eine innerge-meinschaftliche Lieferung grundsätzlich dann als steuerfrei erfassen, wenn er die bestehenden gesetzlichen Nachweispflichten erfüllt. Kommt er demgegen-über den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach oder erweisen sich die [X.] bei einer Überprüfung als unzutreffend oder [X.] zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist die Lieferung steuerpflichtig (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2011 -
V [X.], [X.], 354 Rn. 19). Denn dann ist der Nachweis der Steuerfreiheit vom Unternehmer nicht erbracht.

(2) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der Rechtspre-chung des Gerichtshofs in der Rechtssache [X.] (aaO Rn.
31) dann, wenn trotz derartiger Nachweismängel feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (vgl. [X.] aaO Rn.
19 mwN). Diese Ausnahme greift
-
also den zweifelsfrei objektiven Nachweis -
verhinderte, dass die 18
19
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-
13
-
materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (vgl. [X.] aaO Rn.
19). Dann verbleibt es bei dem Grundsatz der Steuerpflicht.

(3) Darüber hinaus verbleibt es auch dann bei der Steuerpflicht, wenn
-
obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit objektiv vorliegen -
der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der [X.]/[X.] beruhenden Pflichten zum Buch-
und [X.] die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im [X.] eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (vgl. [X.], Urteil vom 11.
August 2011 -
V [X.], [X.], 1901 Rn. 22 mwN).

Bei dieser Einschränkung der Steuerbefreiung handelt es sich nicht um eine vom Gerichtshof durch das Urteil in der Rechtssache R nachträglich vor-genommene Korrektur der Rechtsprechung aus dem Verfahren in der Rechts-sache [X.]. Vielmehr kam diese Einschränkung bereits in der Rechtssache [X.] in der Formulierung zum Ausdruck, dass dem nationalen Gericht die die Verschleierung ... Züge einer Mehrwertsteuerhinterzie-hung" habe (Rechtssache [X.] aaO Rn.
38). Allerdings hatte der Gerichtshof in der Rechtssache
R Anlass, in der [X.] Rechtsprechung und Literatur entstandene Zweifel zu beseitigen, die sich daraus ergaben, dass der Rechts-sache [X.] ein Sachverhalt zugrunde lag, der weder eine Steuerhinterzie-hung noch deren Ermöglichung zum Gegenstand hatte. Denn der Unternehmer in der Rechtssache [X.] hatte nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit beansprucht, sondern aus einem vom Steuerrecht gänzlich un-abhängigen Grund Verschleierungshandlungen begangen. Ziel seiner [X.] war allein die Umgehung einer Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes. Nur aus diesem Grund hatte er zunächst eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren 21
22
-
14
-
Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftli-chen Lieferung beansprucht (vgl. [X.], Urteil vom 17.
Februar 2011 -
V [X.],
[X.], 354 Rn. 19).

In der Rechtssache R hat der Gerichtshof die Grenzen, in denen [X.] gegen die Nachweispflichten die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftli-chen Lieferung nicht gefährden, deutlich hervorgehoben. Er hat dabei [X.] darauf hingewiesen, dass die Verweigerung der Steuerbefreiung in einem Fall, in dem eine nach nationalem Recht vorgesehene Verpflichtung nicht eingehalten wurde -
etwa die Verpflichtung der Angabe des Empfängers einer innergemeinschaftlichen Lieferung -
eine abschreckende Wirkung hat, die die Durchsetzung dieser Verpflichtung gewährleisten und Steuerhinterziehun-gen oder umgehungen verhüten soll ([X.], Urteil vom 7.
Dezember 2010, Rechtssache R, [X.]/09, NJW
2011, 203 Rn. 50). Hierbei hat der Gerichtshof
betont, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichti-ger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des gemeinsamen Mehr-wertsteuersystems in Frage stellen könne. Derartige Handlungen
wögen umso schwerer, wenn sie -
wie hier -
im Rahmen der Übergangsregelung für die [X.] innergemeinschaftlicher Umsätze begangen werden, die auf [X.] beruht, die von den Steuerpflichtigen zu erbringen sind ([X.] aaO Rn.
48). Eine solche Vorgehensweise trägt daher -
in der Terminologie des [X.]s -

und steht deshalb wegen missbräuchlichen Verhaltens einer Berufung auf [X.]srecht entgegen (vgl. [X.], Urteil vom 27.
September 2007 in der Rechtssache [X.]
-
C-146/05, [X.], [X.], [X.], 1811 Rn. 38; Urteil vom 6. Juli 2006 in den Rechtssachen [X.]/04 und C-440/04 -
Kittel und [X.] Recycling, Slg
2006, [X.], [X.], 1274 Rn. 54).
23
-
15
-

(4) So verhält es sich auch hier. Der Angeklagte verhinderte zum einen [X.]", dass die materiellen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt waren. Zum anderen verschleierte er deren Identität, um ihnen
im Bestimmungsmit-gliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (vgl. auch [X.], Urteil vom 11. August 2011 -
V [X.], [X.], 1901). Auf die -
hier zu verneinende (s.o.) -
Frage, ob die Voraussetzungen einer innergemeinschaftli-chen Liefereinmal an.

[X.]) Diese [X.] gebotene Auslegung der [X.]/[X.] ist auch bei der Auslegung der nationalen Vorschrift des §
6a UStG zu beachten. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf die Fälle, in de-nen die in §
6a Abs.
1 und Abs.
2 UStG beschriebenen Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung vom Unternehmer nach Maßgabe der [X.] über den Buch-
und [X.] in §
17a, §
17c [X.] sind, ist in §
6a Abs.
3 UStG ausdrücklich gesetzlich bestimmt. Damit sind auch insoweit die sich aus Art.
103 Abs.
2 GG ergebenden [X.] erfüllt.

I[X.]

Das [X.] hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der Angeklagte vorsätzlich gehandelt hat (zu den Anforderungen an den Tatvorsatz bei [X.] vgl. auch [X.], Urteil vom 8.
September 2011 -
1 [X.]). Die Einlassung des Angeklagten, sein Ziel sei ausschließlich die Verhinderung der 24
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[X.] in [X.], nicht aber die Verkürzung in [X.], hat das [X.] rechtsfehlerfrei als widerlegt angesehen.
[X.]Wahl Hebenstreit

Jäger [X.]

Meta

1 StR 41/09

20.10.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.10.2011, Az. 1 StR 41/09 (REWIS RS 2011, 2147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2147

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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