Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2014, Az. XII ZB 540/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5797

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Gegenstand

Unterbringungssache: Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde des Betreuers eines psychisch kranken Betroffenen gegen die Ablehnung der Unterbringung zu Zwecken der Zwangsmedikation; Gerichtsgebührenfreiheit von Rechtsmittelverfahren


Leitsatz

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die eine Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme ablehnende tatrichterliche Entscheidung ist nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014, XII ZB 519/13, FamRZ 2014, 652).

2. Rechtsmittelverfahren in Unterbringungssachen sind auch unter Geltung des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23. Juli 2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG) gerichtsgebührenfrei. Diese Gebührenfreiheit gilt ebenfalls für unstatthafte Rechtsmittel.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 16. September 2013 wird verworfen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.

Gründe

I.

1

Das Verfahren hat die Genehmigung einer Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung und einer beabsichtigten Zwangsmedikation zum Gegenstand.

2

Der Betroffene ist an einer schizoaffektiven Psychose erkrankt und steht seit Dezember 2010 unter Betreuung. Seit Mitte Februar 2013 ist er aufgrund eines strafrechtlichen Unterbringungsbefehls forensisch untergebracht.

3

Im Mai 2013 beantragte der Beteiligte zu 2 als Betreuer, die Unterbringung des Betroffenen zu einer zwangsweisen Heilbehandlung nach § 1906 BGB zu genehmigen.

4

Das Amtsgericht hat diesen Antrag unter Hinweis auf die strafrechtliche Unterbringung zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betreuers ist erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom Betroffenen und vom Betreuer namens des Betroffenen eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft.

6

1. Das [X.] hat die Rechtsbeschwerde im angefochtenen Beschluss vom 16. September 2013 nicht zugelassen (§ 70 Abs. 1 FamFG). Die vom Beschwerdegericht erteilte - unzutreffende - Rechtsmittelbelehrung stellt keine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde dar (Senatsbeschlüsse vom 27. November 2013 - [X.] 464/13 - juris Rn. 6 und vom 20. Juli 2011 - [X.] 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 16).

7

2. [X.] ohne Zulassung gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG liegt nicht vor, weil die beantragte Maßnahme vom Tatrichter nicht angeordnet, sondern abgelehnt worden ist.

8

Durch § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist ausdrücklich geregelt, dass Rechtsbeschwerden in Unterbringungs- und Freiheitsentziehungssachen nur dann ohne Zulassung statthaft sind, wenn die Unterbringung oder freiheitsentziehende Maßnahme angeordnet wird (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Januar 2014 - [X.] 519/13 - FamRZ 2014, 652 Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.] Familienrecht 5. Aufl. § 70 FamFG Rn. 11). Denn der Gesetzgeber wollte die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur gegen Beschlüsse eröffnen, die unmittelbar freiheitsentziehende Wirkung haben (BT-Drucks. 16/12717 S. 60).

9

Der Senat hat den Rechtsbeschwerdeführer hierauf hingewiesen. Soweit dieser einwendet, die Vorschrift des § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG müsse entsprechend zugunsten des Betroffenen gelten, wenn ausnahmsweise - wie das hier der Fall sei - die Ablehnung der Maßnahme für ihn von Nachteil sei, bleibt das ohne Erfolg. Es fehlt bereits an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Dass die Ablehnung einer Unterbringung oder freiheitsentziehenden Maßnahme aus objektiver Sicht, nämlich mit Blick auf die gesundheitlichen Interessen des Betroffenen, für diesen nachteilig sein kann, liegt auf der Hand. Gleichwohl hat der Gesetzgeber die [X.] der Rechtsbeschwerde insoweit wie dargestellt beschränkt.

3. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei.

Der Gesetzgeber wollte mit Einführung des Gesetzes über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare vom 23. Juli 2013 (Gerichts- und Notarkostengesetz - GNotKG; BGBl. I S. 2586) nichts an dem durch § 128 b Satz 1 [X.] ausdrücklich geregelten Zustand ändern, dass [X.] gerichtsgebührenfrei sind (BT-Drucks. 17/11471 [X.]). Deshalb sieht das Gesetz bereits keinen Gebührentatbestand für [X.] vor (vgl. BeckOK [X.]/[X.] [Stand: 15. Februar 2014] § 128 b Rn. 11; [X.] in Fackelmann/[X.] GNotKG § 26 Rn. 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] GNotKG § 26 Rn. 10). Für die gerichtlichen Auslagen wird durch § 26 Abs. 3 GNotKG - mit dem die Regelung des § 128 b Satz 2 [X.] übernommen werden sollte (BT-Drucks. 17/11471 S. 162) - bestimmt, dass dem Betroffenen nur die an den Verfahrenspfleger zu zahlenden Beträge auferlegt werden können und dies auch nur dann, wenn die Auslagen nicht als Gerichtskosten einem anderen auferlegt sind. Wie schon unter der Geltung der Kostenordnung (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Bengel/[X.] [X.] § 128 b Rn. 5; BeckOK [X.]/[X.] [Stand: 15. Februar 2014] § 128 b Rn. 3) erstreckt sich die Gebührenfreiheit dabei auf die Rechts-mittelinstanzen. Dass der Gesetzgeber insoweit eine Änderung der Rechtslage vornehmen wollte, ist nicht ersichtlich.

Die Gebührenfreiheit gilt auch für unstatthafte Rechtsmittel in [X.]. Denn anders als im Anwendungsbereich der §§ 66 Abs. 8, 68 Abs. 3 GKG (vgl. dazu [X.] Beschlüsse vom 3. März 2014 - [X.] - juris Rn. 2 ff.; vom 7. Dezember 2010 - [X.] - juris und vom 14. Juni 2007 - [X.]/07 - juris), bei denen es sich um spezielle Gebührenbefreiungstatbestände für kostenrechtliche Rechtsmittelverfahren handelt, lässt sich für Rechtsmittel in [X.] weder aus der gesetzlichen Systematik noch aus dem Gesetzeszweck eine Beschränkung der Gebührenbefreiung lediglich auf statthafte Rechtsmittel entnehmen.

[X.]                       Günter

            Botur                              Guhling

Meta

XII ZB 540/13

07.05.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Hamburg, 16. September 2013, Az: 301 T 251/13

§ 70 Abs 3 S 1 Nr 2 FamFG, § 70 Abs 3 S 2 FamFG, § 26 Abs 3 GNotKG, § 1906 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2014, Az. XII ZB 540/13 (REWIS RS 2014, 5797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5797

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