Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.11.2015, Az. 28 W (pat) 544/13

28. Senat | REWIS RS 2015, 1797

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "PRIMUS blueline" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2013 030 497.7

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] im schriftlichen Verfahren am 25. November 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.], der Richterin [X.] und des Richters am Landgericht Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des [X.] vom 27. August 2013 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortkombination

2

[X.] [X.]

3

ist am 6. Mai 2013 zur Eintragung als Marke in das bei dem [X.] ([X.]) geführte Register für die folgenden Waren der

4

Klasse 06: Transportable Bauten aus Metall;

5

Klasse 19: Transportable Bauten (nicht aus Metall);

6

Klasse 43: Vermietung von transportablen Bauten

7

angemeldet worden.

8

Mit Beschluss vom 27. August 2013 hat die Markenstelle für Klasse 6 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vollständig zurückgewiesen.

9

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die angemeldete Wortkombination sei eine sprachüblich gebildete beschreibend-anpreisende Begriffskombination in der Gesamtbedeutung „der Beste, Herausragende, Führende oder Marktführer mit blauer Produkt- oder Ausstattungslinie“. Das Wort „[X.]“ werde in den unterschiedlichsten Waren- oder Dienstleistungsbereichen in den Bedeutungen „der Beste, Herausragende, Führende oder Marktführer“ verwendet.

Auch die beanspruchten Waren und Dienstleistungen könnten auf ihrem Gebiet führend oder Marktführer oder die Besten oder Herausragenden sein oder von einem Anbieter kommen, der der Beste, Herausragende, Marktführer oder Führende sei.

Der Begriff stamme aus der [X.] und habe im [X.] die Bedeutung „Klassenbester“. Er werde erweiternd auch zur Beschreibung, Anpreisung oder Hervorhebung im Hinblick auf die jeweils zu vergleichenden Waren, Dienstleistungen, Bereiche, Konkurrenten, Mitbewerber oder sportlichen Gegner verwendet. Der Verkehr, dessen [X.] nicht zu gering eingeschätzt werden dürfe und der sich hier aus dem Handel und dem angesprochenen Durchschnittsverbraucher zusammensetze, werde das [X.] als beschreibende oder werblich-anpreisende Aussage und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen. Der weitere Wortbestandteil „[X.]“ sei der gängige Hinweis auf eine Produkt- oder Ausstattungsserie. Es sei verständlich und nachvollziehbar, dass Produkt- oder Ausstattungslinien wegen ihrer technischen Ausstattung oder Beschaffenheit zur besseren oder sofortigen Unterscheidbarkeit farblich gekennzeichnet seien oder sich durch eine Primär- oder Absolutfarbe auszeichneten. Dies müsse nicht bedeuten, dass die Waren komplett nur in einer Farbe gehalten seien. Die Farbe könne aber an bestimmten kennzeichnenden Stellen optisch hervortreten. Die Zweisprachigkeit der Wortkombination führe zu keiner phantasievollen Mehrdeutigkeit oder Interpretationsfähigkeit, welche die Verkehrskreise zu einer analysierenden Betrachtungsweise veranlassen könne. Wegen der produktbeschreibenden Gesamtaussage hätten die Verkehrskreise keine Veranlassung, die Wortkombination als betrieblichen Herkunftshinweis zu verstehen.

Die von der Anmelderin zitierten Voreintragungen führten zu keiner abweichenden Beurteilung. Entsprechend habe das [X.] in einer Kollisionsentscheidung (27 W (pat) 75/08) dem Begriff allenfalls ein Minimum an Kennzeichnungskraft zugebilligt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 6 des [X.]es vom 27. August 2013 aufzuheben.

Sie trägt vor, schon der [X.] [X.] verfüge über Unterscheidungskraft. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der von den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochene Verkehr über [X.] Sprachkenntnisse verfüge. [X.] habe im Bereich des Transportwesens und auch im internationalen Handelsverkehr keine Relevanz. Der 27. Senat des [X.]s sei in der zitierten Entscheidung davon ausgegangen, dass dem Begriff [X.] ein Minimum an Kennzeichnungskraft zukomme. Dies bestätige auch die Entscheidung 25. W (pat) 12/12 – [X.]. Der weitere [X.] „[X.]“ werde im angemeldeten Waren- und Dienstleistungsbereich ebenfalls nicht in der Bedeutung „blaue Produkt- oder Ausstattungslinie“ verstanden. Diese Bedeutung ergebe hier keinen Sinn, da transportable Bauten nicht in bestimmten Farben angeboten, sondern nach den Wünschen der Kunden individuell hergestellt und lackiert würden. Die Zusammensetzung aus einem [X.]n Begriff und einem englischsprachigen Bestandteil sei schon per se nur durch eine analytische Betrachtungsweise als Sachangabe erkennbar, da zunächst beide Begriffe in die [X.] übersetzt und nachfolgend zu einer Sachaussage zusammengesetzt werden müssten.

Zudem stehe der Beschluss der Markenstelle im Widerspruch zu der ständigen Eintragungspraxis des Amtes sowie der Eintragungspraxis der [X.] und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt zu „[X.]“-Marken. Auch nach der Zurückweisung hätten sowohl das [X.] als auch das [X.] mehrere [X.]-Marken in das Handelsregister eingetragen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung gebiete deshalb die Eintragung des [X.].

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Eintragung des [X.] stehen keine Schutzhindernisse gemäß § 8 [X.] entgegen, insbesondere fehlt ihm nicht das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die dem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.] [X.], 610, Rn. 42 - [X.]; [X.], 608, 611, Rn. 66 f. - [X.]; [X.] 2013, 731, Rn. 11 - [X.]; [X.], 1143, Rn. 7 - [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen.

Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt beimessen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden. Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. [X.] 2014, 569 ff. - [X.] m. w. N.).

[X.] [X.] das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

Zwar kann das [X.] „[X.]“ im Bereich der angemeldeten Waren und Dienstleistungen als Sachhinweis auf eine Produktserie verstanden werden, die entweder in blauem Design gehalten ist oder sich durch nachhaltige ökologisch orientierte Produktionsbedingungen auszeichnet. Die Farbe Blau steht im Bereich der Automobil- und Bauindustrie, die mit der Branche von transportablen Bauten vielfältige Überschneidungen aufweisen, symbolisch für nachhaltige, ökologisch ausgerichtete Produktion (www.baulinks.de: „Blau ist das neue Grün“: Von [X.] zu Blue Buildings).

Die Wortkombination in ihrer Gesamtheit weist jedoch gleichwohl das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft auf, weil dem ersten Bestandteil „[X.]“ kein eindeutiger Sachhinweis zu entnehmen ist.

Der [X.] Begriff „primus“ hat im [X.] die Bedeutungen „der Vorderste, der Erste, der Beginnende, der Vorzüglichste, [X.]“. Allerdings ist die [X.] Sprache keine im Inland geläufige Fremdsprache, deren Kenntnis bei den angesprochenen Verbrauchern vorausgesetzt werden kann. Als [X.] Begriff steht „Primus“ veraltet für den besten Schüler, Klassenbesten, Klassenersten in weiterführenden Schulen (www.duden.de). Daneben ist „Primus“ auch ein männlicher Vorname.

In der Bedeutung „Klassenerster“ wird der Begriff zwar nach den Ergebnissen der Recherchen der Markenstelle und des [X.] gelegentlich übertragend auch auf natürliche Personen und Unternehmen angewendet, um deren herausgehobene Stellung unter ihren Konkurrenten zu umschreiben („Branchenprimus“). Die Verwendung des [X.]n Zahlwortes zur anpreisenden Beschreibung von Waren und Dienstleistungen ist dagegen kaum nachweisbar. Es handelt sich bei dem im [X.] als veraltet empfundenen Wort auch nicht um einen Begriff, den der Verkehr aus der Werbesprache kennt. Dort werden zwar Produkte mit den Begriffen „Prime“ oder „Premium“ beworben, nicht jedoch mit dem [X.]n Wort „Primus“.

Kenntnisse der [X.] können von inländischen Verkehrskreisen  mit Ausnahme besonderer Fachverkehrskreise, bei denen [X.] zur Fachsprache gehört, nicht vorausgesetzt werden. Die von den angemeldeten Waren „transportable Bauten“ und den Vermietungsdienstleistungen von solchen Bauten  angesprochenen Verkehrskreise setzen sich in erster Linie aus gewerblichen Abnehmern im Bereich von Produktion, Handel, Handwerk und Transportwesen zusammen. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese das [X.] Wort [X.] unmittelbar in seiner [X.] Übersetzung verstehen und als Sachaussage einordnen werden, zumal [X.] auch in weiterführenden Schulen seit langem nicht mehr flächendeckend unterrichtet wird. Auch bei Kenntnis der veralteten [X.] Bedeutung „Klassenerster“ benötigt der angesprochene Verkehr mehrere Gedankenschritte, um das Wortzeichen bei seiner Verwendung im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen als anpreisenden Sachhinweis dahingehend auffassen, dass die bezeichneten Produkte eine hervorragende Stellung im Produktvergleich einnehmen (so auch [X.]. v. 01.10.1997, 32 W (pat) 27/97 - Primus).

Gerade in der Verbindung mit dem nachfolgenden [X.] Begriff „[X.]“, der als Hinweis auf eine Produktserie verstanden werden kann, liegt es für den Verkehr nahe, den vorangestellten Begriff [X.] nicht als Sachhinweis, sondern als Namenselement zu verstehen und der Wortkombination in ihrer Gesamtheit einen betrieblichen Herkunftshinweis zu entnehmen.

Deshalb kann dem Anmeldezeichen - wenn es auch einen stark beschreibenden Anklang hat - das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Diese Bewertung spiegelt sich auch einer Vielzahl von nationalen und Gemeinschaftsmarkeneintragungen des [X.]s „[X.]“ wider. Der bloße Umstand, dass der Begriff beliebter Bestandteil vieler Marken- und Firmennamen ist, mag den Schutzumfang des Zeichens schwächen, begründet das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft jedoch nicht. Die zitierte Entscheidung des [X.]s 27 W (pat) 75/08 steht damit nicht in Widerspruch, zumal sie sich auf andere Warengebiete und damit abweichende Verkehrskreise bezieht.

Mangels eines beschreibenden Begriffsinhalts des [X.] steht seiner Eintragung auch kein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Daher war der angegriffene Beschluss aufzuheben.

Meta

28 W (pat) 544/13

25.11.2015

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 25.11.2015, Az. 28 W (pat) 544/13 (REWIS RS 2015, 1797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1797

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Wird zitiert von

29 W (pat) 532/21

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