Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. X ZR 19/15

X. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 13747

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:210317UXZ[X.]9.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
IM NAMEN [X.]S VOLKES
URTEIL
X ZR
19/15
Verkündet am:
21.
März 2017
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

[X.]rGr.: III
BE: Rin[X.] Schuster
-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21.
März 2017 durch [X.], [X.]
Grabinski
und
Hoffmann,
die Richterin Schuster und [X.]
Deichfuß
für
Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 6.
[X.]s ([X.]) des [X.] vom 3. Dezember 2014 unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das [X.] Patent 944 937 wird mit Wirkung für das Ho-heitsgebiet der [X.] dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 1 am Ende nach dem Wort "ist"
eingefügt wird "und dass das [X.] (1) als [X.] (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet ist, wobei eine im [X.] wirksame [X.] im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist", [X.] entfällt und sich die Patentansprüche 3 bis 24 unter [X.] auf Patentanspruch 2 auf den so geänder-ten Patentanspruch 1 rückbeziehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
-
3
-

Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des
mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.]n Patents 944
937 (Streitpatents), das am 15.
Oktober 1998 angemeldet wurde und Prioritäten vom 15.
Oktober 1997 und 5.
Juni 1998 in Anspruch nimmt. Es umfasst 24
Ansprüche, von de-nen Patentanspruch
1 wie folgt lautet:
"[X.] (2) mit einem Festteil (26) und einem [X.] (24), wobei das [X.] (24) durch einen [X.] (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurück-bewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von ei-nem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen eines [X.]s (1), dadurch gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende [X.] (1) so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den ge-samten [X.] des [X.]s (9) in der Öffnungs-stellung gehalten ist."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.
Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und den Ansprüchen
die Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags
V der [X.] gegeben.
Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Beklagte ver-teidigt das Streitpatent in der Fassung des ursprünglichen [X.], wo-nach Patentanspruch
1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen):
"[X.] (2) mit einem Festteil (26) und einem [X.] (24), wobei das [X.] (24) durch einen [X.] (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt wird und mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstellung zurück-bewegbar ist, wobei die Rückbewegung in Abhängigkeit von ei-nem vorbestimmten Pressdruck auslösbar ist durch Ansprechen 1
2
3
4
-
4
-

eines [X.]s (1), dadurch gekennzeichnet, dass das selbsttätig ansprechende [X.] (1) so ausgebildet ist, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den ge-samten [X.] des [X.]s (9) in der Öffnungs-stellung gehalten ist, und dass das [X.] (1) als [X.] (3) mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet ist, wobei eine im [X.] wirksame [X.] im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt ist."
Im Übrigen begehrt sie Klageabweisung
und
beantragt
hilfsweise,
die Patentansprüche nach einem der erstinstanzlichen Hilfsanträge
III bis
VIII
zu fassen. Die Klägerin beantragt die vollständige Nichtigerklärung des [X.].
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft ein hydraulisches Pressgerät.
1.
Nach der Patentbeschreibung
werden bei
bestimmten
Fügevorgän-gen, wie beispielsweise dem
Aufpressen von [X.] auf elektrische Lei-ter oder der
Herstellung von
Nietverbindungen, handoder motorbetriebene Hydraulikwerkzeuge eingesetzt. Diese verfügten über ein Überdruckventil, wel-ches den Öldruck und damit die Presskraft des beweglichen Kolbens (Bewe-gungsteils)
auf das zu verpressende Werkstück auf einen Maximalwert begren-ze. Das Überdruckventil
werde erst bei Erreichen einer vorgegebenen Minimal-presskraft ausgelöst, um die volle benötigte Presskraft zu erreichen. Nach dem Auslösen des Überdruckventils und der Durchführung des [X.] der bewegliche Kolben
manuell wieder in eine für den nächsten [X.] geeignete
Ausgangsposition, d.h. in die Offenposition zurückgefahren (Abs.
2).
Im Stand der Technik, beispielsweise
aus den [X.] Pa-tenten
2
254
613 und 5
195
354,
bekannte Pressgeräte wiesen ein
Rücklauf-5
6
7
8
-
5
-

ventil und ein gesondertes Überlastventil auf. Das [X.] werde durch Handbetätigung aktiviert. Lediglich bei einem Überdruck spreche das Über-lastventil selbsttätig an, das jedoch den Druck nur so weit abbaue, dass die [X.] wieder unterschritten werde
und eine Teilmenge der [X.] zurückfließe. Das Überdruckventil
diene bei [X.] nicht zum Zurückfahren des [X.]s. Um dessen Rücklauf zu erreichen, müsse von einem Benutzer der Rücklaufhebel betätigt werden
(Abs.
3).
2.
Vor diesem Hintergrund
betrifft
das Streitpatent das technische Prob-lem, ein funktionssicheres und handhabungstechnisch verbessertes [X.] anzugeben
(Abs. 4).
3.
Zur Lösung schlägt Patentanspruch
1 in der verteidigten Fassung
ein hydraulisches Pressgerät mit folgenden Merkmalen
vor, die im Wesentlichen denen der Gliederung des Patentgerichts entsprechen:
1.
[X.] (2) mit
1.1
einem Festteil (26) und
1.2
einem [X.] (24).
2.
Das [X.] (24) wird
2.1
durch einen [X.] (9) relativ zu dem Festteil (26) bewegt und
2.2
ist mittels einer Rückstellfeder (10) in eine Ausgangsstel-lung zurückbewegbar.
3.
Die Rückbewegung ist
in Abhängigkeit von einem vorbestimm-ten Pressdruck durch selbsttätiges Ansprechen eines Rück-laufventils (1) auslösbar.
4.
Das [X.] (1)
4.1
ist so ausgebildet, dass es
durch den Druck des zurück-laufenden Öls über den gesamten [X.] des [X.]s (9) in der [X.] gehalten ist;
9
10
-
6
-

4.2
ist als Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche (4, 5) ausgebildet,
4.2.1
wobei eine im [X.] wirksame Teil-kolbenfläche im
Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt
ist.
4.
Einige Merkmale des erfindungsgemäßen Pressgeräts, das neben-stehend
in einer Ausfüh-rungsform dargestellt ist,
bedürfen der Erläuterung.
a)
Nach Merkmal 2.1 wird, wenn Öl in den [X.] gepumpt wird, der [X.]
9 durch den Öldruck in Rich-tung auf das Festteil
26 bewegt, um ein zwischen dem beweglichen Teil und dem Festteil befindliches Werkstück zu verpressen. Die Rückbewegung des Kolbens wird mittels der Rückstellfeder 10 bewirkt (Merkmal 2.2).
b)
Die Rückbewegung wird, abhängig von einem bestimmten Press-druck, dadurch ausgelöst, dass das
[X.] selbsttätig anspricht
([X.] 3). Dabei wird die ohnehin vorhandene Rückstellkraft der Rückstellfeder zur Zurückverlagerung des [X.]s genutzt, um das [X.] über den gesamten Rückverlagerungsweg des [X.]es offen zu halten (Merkmal 4.1). Nach Abschluss der Rückbewegung liegt
kein weiterer Hydrau-likdruck an, was automatisch ein Zurückfahren des [X.]s
in die Aus-11
12
13
-
7
-

gangsverschlusslage zur Folge hat. Deshalb
kann auf eine mechanische Arre-tierung des [X.]s verzichtet werden (Abs. 6).
c)
Die Angabe in Merkmal 4.1, wonach
das [X.] über den gesamten
[X.] des [X.]s in der [X.] gehalten
wird, bedeutet, dass der Kolben bzw. das [X.]
vollständig zurück in die Ausgangsstellung fährt (Abs. 6, [X.]. 1,
[X.] 46-49). Der gesamte [X.] ist abgeschlossen, wenn das [X.] wieder
in seine Offenposition [X.], wenn es also das verpresste Werkstück freigibt und in der Lage ist, ein neues zu [X.] aufzunehmen. Das Patentgericht hat zwar wegen der Formulierung
in den Absätzen 8 und 20 der Patentbeschreibung, wonach der [X.] auch nur partiell zurückgefahren werden kann, angenommen, der gesamte [X.] könne auch ein beliebig kurzer sein, wenn er auch sinnvollerweise durch den mechanischen Endanschlag des [X.] vorgegeben sei. Dies rechtfertigt aber
keine einschränkende [X.] "über den gesamten [X.]". Die [X.] eines partiellen Zurückfahrens bedeutet, wovon auch die Parteien ausgehen,
lediglich, dass der [X.] nicht notwendigerweise bis
zu einem An-schlag zurücklaufen muss, sondern die Ausgangsstellung allein durch die Er-schöpfung [X.] der Rückstellfeder erreichen kann. Diese Möglichkeit kann abhängig von der Art des in dem erfindungsgemäßen Pressgerät
verwendeten Werkzeugkopfs
zum
Tragen kommen, der
je nach der Art des beabsichtigten Füge-, Stanz-
oder [X.]
für die hydraulischen Pressgeräte eingesetzt wird.
Abhängig von der Art des Werkzeugkopfs muss der [X.] un-terschiedlich weit zurückfahren, um das Werkzeug wieder in die jeweilige Öff-nungsstellung zu bringen. Zur Art des verwendeten Werkzeugkopfs enthält Pa-tentanspruch 1 keine Angaben.
d)
Das [X.] ist als Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche
ausgebildet (Merkmal 4.2). Dies ist, wovon sowohl das Patentgericht als auch das Schweizerische
[X.] (Urteil vom 7.
Oktober 2015

02013_006, [X.], S.
38) ausgehen, zutreffend nicht im wörtlichen Sinne, 14
15
-
8
-

sondern dahingehend zu verstehen, dass
das [X.] einen Ventilkolben mit einer Ventilkolbenfläche aufweist. Aus der Formulierung des Merkmals folgt zudem, dass nur ein (einziger) Ventilkolben vorgesehen ist. Die im [X.] wirksame [X.], die
im Hinblick auf den gewünschten Ma-ximaldruck ausgelegt ist (Merkmal 4.2.1), ist demzufolge Teil der Oberfläche dieses [X.]. Dieses Verständnis wird gestützt durch die
Ausführungen in der Beschreibung (Abs.
7, [X.].
2, [X.] 26-36), wonach
das [X.] im Falle der Ausbildung nach den Merkmalen 4.2 und 4.2.1
bevorzugt aus einem Ventilkolben mit beispielsweise
einer Nadelspitze besteht, welche eine mit dem [X.] verbundene Bohrung verschließt. Die [X.]

die Nadel-spitze -
wird im Zuge des [X.] von dem Öl beaufschlagt. Wenn der Öldruck eine durch den Bohrungsdurchmesser vordefinierte Höhe überschrei-tet, wird über die [X.] der Ventilkolben des [X.]s aus dem [X.] angehoben, wonach eine wesentlich größere Kolbenfläche in Wirkung tritt.
II.
Das Patentgericht hat seine Entscheidung,
soweit im Berufungsver-fahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung
beruhe
nicht auf erfinderischer
Tätigkeit. Aus der [X.]n Patentanmeldung 636
788 ([X.]) sei
ein hydraulisches Pressgerät mit
den Merkmalen
1 bis 4 [X.]. Der Fachmann, ein Diplomingenieur oder Techniker der Fachrichtung Maschinenbau, der hydraulisch betätigte [X.] konstruiere,
lese bei der Entgegenhaltung
die konstruktiven Details aus der Verwendung des in [X.] vorgestellten Geräts als "pince à
sertir"
(=
Crimpzange) in Verbindung mit der zeichnerischen Darstellung mit. Der Entgegenhaltung
[X.] seien
über die hyd-raulische Auslegung des [X.]s zwar keine Einzelheiten
zu entneh-men. Bei der Überlegung, wie der in dieser Druckschrift angegebene automati-sche Rücklauf zustande komme, gelange der Fachmann
aber
zu dem Ergebnis, dass das [X.] durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten [X.] des [X.]s in der [X.] gehalten 16
17
-
9
-

sei. Eine Auslegung dahingehend, dass die automatische Auslösung nur den Fall einer reinen Überdruckbegrenzung ohne nennenswerte Bewegung betreffe, die Rückbewegung sich dagegen nur auf den Fall der manuellen Betätigung des Hebels
20 beziehe, könne der Entgegenhaltung nicht entnommen werden. Die angestoßene Bewegung beziehe sich offensichtlich auf beide der genann-ten Möglichkeiten. Die konstruktive Ausgestaltung des [X.]s
18 sei deshalb in der Entgegenhaltung
keine andere als beim
Streitpatent. Der Vortrag der Beklagten, die Textstelle [X.]alte
3, Zeilen
45
bis 51 der [X.] müsse anhand des in dieser Druckschrift genannten Standes der Technik nach der [X.] Patentanmeldung 2
563
291 ([X.]) ausgelegt werden, führe zu keinem anderen Ergebnis.
Die Beschreibung des Rückstellvorgangs, wie er in [X.] [X.]gegeben sei (S.
4, [X.]
22-27), stimme nicht mit der Beschreibung der
[X.] überein. In [X.] sei ausschließlich der manuell betätigte [X.].
Selbst wenn sich dem Fachmann deshalb die Frage stelle, wie bei dem in [X.] beschriebenen [X.] auch automatisch [X.] zustande kommen könne, sei
es dem handwerklichen Können des Fachmanns zuzuordnen, die Wirkungsweise der beiden in [X.] dargestellten Steuerkanten des [X.]s
18 zu erkennen
und so auszu-legen, dass das Ventil so lange in der [X.] gehalten werde, bis der [X.] vollständig zurückgelaufen sei.
Auch die Ausbildung des Rück-laufventils als Ventilkolben, wobei eine im [X.] wirksame Teilkol-benfläche im Hinblick auf den gewünschten Maximaldruck ausgelegt sei, sei in [X.] offenbart. Durch die in [X.] genannte austarierte Feder und durch den Querschnitt des [X.], der der genannten [X.] entspreche, sei der Maximaldruck festgelegt, bei dem das Ventil öffne.
III.
Diese
Beurteilung hält
der Überprüfung im Berufungsverfahren
nicht
stand.

Soweit die Beklagte das Streitpatent nicht mehr verteidigt, ist es ohne Sachprüfung für nichtig zu erklären
([X.], Urteil vom 4. Juni 1996

X
ZR
49/94, [X.], 85 Rn.
46 -
Rauchgasklappe; Urteil vom 19. Dezember 2006 18
19
-
10
-

X
ZR 236/01, [X.]Z 170, 215 = GRUR 2007, 404 Rn. 15

[X.]). [X.] der Auffassung des Patentgerichts ist der verteidigte Gegenstand der Erfindung durch die Entgegenhaltung [X.] weder vorweggenommen noch na-hegelegt.
1.
[X.] betrifft eine Kolbenförderpumpe, mithin
ein hydraulisches Pressgerät, bei dem durch Einbringen einer Flüssigkeit Druck auf einen Ar-beitszylinder ausgeübt wird und auf diese Weise ein an einem mobilen Kopf angebrachtes Werkzeug mittels einer linearen hin-
und hergehenden Bewegung betätigt werden kann.
Sie soll insbesondere zum Betätigen von Crimpzangen ([X.]), [X.] ([X.]) und dergleichen bestimmt sein ([X.]. 1,
[X.] 1-7).
Das nachfolgend
anhand eines Ausführungsbeispiels
dargestellte Press-gerät
besteht aus einem Gehäuse 1'
(Festteil)
für einen
Arbeitszylinder, der
mit einem [X.]
4
([X.])
versehen ist. Der Kolben ist in dem Gehäuse verschieb-bar angeordnet und durch eine Druckfe-der
5 beaufschlagt ([X.].
2,
[X.]
34-38). Die Druckfeder entspricht der Rückstellfeder
10 des Streitpatents, mit der der [X.] in eine Aus-gangsstellung zurück-bewegt werden kann.
Die Vorrichtung ist, wie die Beschreibung anmerkt, in bekannter Weise mit einem Entlastungsventil 18 (clapet de décharge), versehen, das durch eine Feder
19 auf seinem Sitz gehalten wird
([X.]. 3,
[X.] 42-44). Dieses Ventil wird 20
21
22
-
11
-

weiterhin dahin erläutert, dass es entweder gegebenenfalls automatisch mit einer austarierten Feder (soit éventuellement de manière automatique (ressort taré)) oder durch Bedienung eines abzugsförmigen Hebels (soit par la ma-) betätigt werde, um den Rücklauf
(rétraction) des [X.] 4 des Zylinders zu steuern
(commander), indem das Gehäuse 1 durch eine Entlastungsleitung 21
geleert werde, wobei die Flüssigkeit in den Vorrats-behälter zurückfließe
([X.]. 3, [X.] 45-51).
2.
Der Gegenstand des Streitpatents ist dieser
Lehre
gegenüber
neu.
a)
Bei der Auslegung von Veröffentlichungen zur Durchführung der [X.] ist nicht der Wortlaut maßgeblich, sondern der Sinngehalt, [X.] diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens unmittelbar und eindeutig [X.] ([X.], Urteil vom 18. März 2014

[X.], [X.], 758

[X.]; Urteil vom 16. Dezember 2008

X
ZR
89/07, [X.]Z 179,
168 = GRUR 2009, 382
Rn. 25, 26

Olanzapin).

b)
Nach diesem Grundsatz kommt es für das Verständnis der [X.] nicht entscheidend darauf an, ob

rein sprachlich gesehen

an der erwähnten Stelle der Beschreibung beide Auslösungsfälle

automatisch oder durch Betätigung eines Hebels -
mit dem Rücklauf des Kolbens in Beziehung gesetzt werden.
Aus der Gesamtoffenbarung der Entgegenhaltung folgt vielmehr, dass mit dem dort
angesprochenen
gegebenenfalls
automatisch auslösenden Entlastungs-ventil das im Stand der Technik unstreitig
bekannte Überdruckventil
angespro-chen ist (so auch die [X.] 3.5.02 des [X.], Entscheidung vom 19. Juni 2007

T 0861/05, [X.], [X.] zu 2.5,
und das [X.],
[X.], [X.]). Dafür spricht zunächst der allgemeine
Hinweis auf die bekannte Vorgehensweise
("manière connue"), der
auf im damaligen Stand der Technik, beispielsweise aus der fran-zösischen Patentanmeldung [X.],
bekannte
Ventilgestaltungen
hindeutet. Auto-matisch im Sinne der Entgegenhaltungen [X.] und [X.] bedeutet danach, dass 23
24
25
-
12
-

bei einem bestimmten Druck, der über die tarierte Feder des Ventils eingestellt ist, das Ventil auslöst. Ob das Ventil unmittelbar nach dem Öffnen nach dem dadurch ausgelösten Druckabfall wieder in den verschlossenen Zustand fällt oder nicht oder unter welchen Bedingungen dies geschehen könnte, wird nicht erwähnt
(vgl. Urteil des Schweizerischen [X.], [X.], [X.], 1.
Abs.). Für diese
Sichtweise
spricht weiter
das zu dem Ausdruck "soit soit"
(entweder-oder) hinzugefügte Wort "éventuellement"
(gegebenenfalls, unter Umständen), dessen Verwendung an dieser Textstelle
dadurch Sinn erhält, dass es sich auf den dem Fachmann geläufigen, gegebenenfalls eintretenden Überdruckfall bezieht.
Zudem ist das Vorhandensein eines Hebels für die ma-nuelle Rückstellung sowohl in der genannten [X.] erwähnt als auch in Figur 1 gezeigt. Schließlich deutet auf die vorgenommene Auslegung die umfassend beschriebene Eignung der Vorrichtung auch für Lochzangen
hin, bei denen, wie die Beklagte einleuchtend dargelegt hat, ein automatisches Aus-lösen nur in diesem Überdruckfall in Betracht kommt.
3.
In Übereinstimmung mit der
[X.] des [X.] ([X.], [X.] f. zu 3.4) und dem Schweizerischen
Bundespatentge-richt ([X.], S.
43) ergibt sich aus der [X.] auch keine Anregung zu einer ent-sprechenden Ausgestaltung des [X.].
Dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend bestimmt hat,
stellte sich, wie ausgeführt, das technische Problem, ein funktionssicheres und hand-habungstechnisch verbessertes hydraulisches Pressgerät anzugeben (Abs. 4). Dass im Wege dieser Verbesserung eine
manuelle Betätigung des
Entlas-tungsventils vermieden werden
sollte,
um
die Bedienung zu vereinfachen und einen Arbeitsschritt einzusparen, kann in die dem Streitpatent zugrunde liegen-de Aufgabe nicht hineingelesen werden; vielmehr handelt es sich hierbei um eine Folge der erfindungsgemäßen Ausgestaltung und damit um ein Lösungs-element. Aus der Entgegenhaltung [X.]
ergab sich lediglich ein Hinweis auf die Möglichkeit, durch einen vorbestimmten Pressdruck das automatische Auslösen eines [X.] zu bewirken. Eine Anregung, das automatische Auslö-26
27
-
13
-

sen des [X.] gleichzeitig zur vollständigen Rückstellung des [X.] zu nutzen, indem das Ventil durch den Druck des zurücklaufen-den Öls über den gesamten [X.] in der [X.] gehalten wird, findet sich in der Entgegenhaltung nicht (so auch die Entscheidung der [X.],
[X.], [X.] zu
3.4).
Dass das
Ventil, wie der Parteigutach-ter der Klägerin Prof. Dr.-Ing. M.

(NK13, [X.] ausführt, zwei Flächen
und zwei Steuerkanten aufweist, bedeutet,
dass es infolgedessen bei einem hohen Druck öffnet und dann konstruktionsbedingt offen bleibt, bis der Druck um ein Vielfaches abgefallen ist.
Über die Funktion, nicht nur als Überdruckven-til zu wirken, sondern über den gesamten [X.] in [X.] ge-halten zu werden, trifft dies für sich genommen jedoch keine Aussage.
IV.
Die Entscheidung des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus ande-ren Gründen als im Ergebnis richtig dar. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung nicht durch die als solche unstreitig gewordene
offenkundige Vorbenutzung des hydraulischen Presswerkzeugs P.

vorweggenommen oder nahegelegt.
Der [X.]
kann hierüber in der Sache selbst entscheiden, da dies sachdienlich ist (§ 119 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 [X.]).
1.
Das vorbenutzte
Presswerkzeug weist ein zweiteiliges [X.] auf, dessen Teile sich unterschiedlich bewegen. Diese Ausgestaltung
ergibt sich aus der als [X.] vorgelegten technischen Zeichnung, die die
Beklagte in der nachfolgend wiedergegebenen
Darstellung des [X.] des [X.]s anhand [X.]err-, Ansprech-
und Rücklaufstellung erläutert hat ([X.]2).
28
29
-
14
-

Der Vorsteuerkegel, der als Überdruckventil wirkt,
spricht auf Druck an und bewirkt, dass der im unteren Bereich der Ventilanordnung befindliche Ven-tilkolben
hochfährt und den [X.] für das [X.] aus dem [X.] freigibt. Der Vorsteuerkegel
hebt kurzfristig ab und fällt dann [X.] in die Ausgangsstellung zurück.
Der
Ventilkolben verbleibt in der angeho-benen
Stellung und lässt das [X.]
ablaufen, bis der [X.] in seine Ausgangsstellung zurückgefahren ist.
2.
Das
vorbenutzte Gerät
in dieser Ausgestaltung mag
den Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung vorwegnehmen. Nach dem
erteilten Patentanspruch 1 ist das [X.] so ausgebildet, dass es durch den Druck des zurücklaufenden Öls über den gesamten [X.] des Hydrau-likkolbens in der [X.] gehalten ist. Weiterführende Angaben über die Ausgestaltung des [X.]s enthält der erteilte Anspruch nicht, ins-besondere ist nicht angegeben, dass das [X.] aus einem einzigen Element bestehen muss (so auch das [X.], [X.], [X.], 35).
Für die verteidigte Fassung des Streitpatents trifft dies jedoch
nicht zu. Im Gegensatz zu der Ventilgestaltung in dem erteilten Anspruch kommt
in dem verteidigten Patentanspruch 1
in den
hinzugefügten
Merkmalen 4.2 und 4.2.1, die den kennzeichnenden Merkmalen des
erteilten Patentanspruchs 2 entspre-chen, die Einteiligkeit der Ventilvorrichtung zum Ausdruck. Wie
bereits
unter 30
31
32
-
15
-

I
4
d ausgeführt, ergibt sich aus der Formulierung dieser
Merkmale,
gestützt auf die Beschreibung, dass nur ein (einziger) Ventilkolben vorgesehen
und die im [X.] wirksame [X.], die im Hinblick auf den ge-wünschten Maximaldruck ausgelegt ist (Merkmal 4.2.1), demzufolge Teil der Oberfläche dieses [X.]
ist.
3.
Der Gegenstand des Streitpatents in der verteidigten Fassung war für den Fachmann
durch
das vorbenutzte Gerät auch nicht in Kombination mit der Entgegenhaltung
[X.] nahegelegt.
Ausgehend von dem vorbenutzten Gerät sah sich der Fachmann vor die Aufgabe
gestellt, ein alternatives Ventil (so das [X.], [X.], [X.]) oder eine Vereinfachung des Ventils im vorbenutzten [X.] zur Kontrolle der automatischen Rückführung des [X.]s vorzu-schlagen.
Selbst wenn der Fachmann den gattungsgemäßen Gegenstand der [X.], bei dem es sich ebenfalls um ein hydraulisches Pressgerät handelt, zu einer möglichen Weiterentwicklung oder Vereinfachung des vorbenutzten [X.]s herangezogen hätte,
hätte er hieraus weder einen
Hinweis noch
eine Anre-gung zur Gestaltung eines Werkzeugs gemäß dem Streitpatent
erhalten.
Die Entgegenhaltung [X.] offenbart, wie unter [X.] bereits dargelegt, ein Überdruckventil, das bei Bestehen eines
bestimmten Drucks, der über die ta-rierte Feder des Ventils eingestellt ist, öffnet. Ob das Ventil unmittelbar nach dem Öffnen nach dem dadurch ausgelösten Druckabfall gleich wieder in den verschlossenen Zustand fällt oder nicht oder unter welchen Bedingungen dies geschehen könnte, wird in der Schrift nicht erwähnt. Aus der Entgegenhaltung
ergibt sich auch kein Hinweis
an den Fachmann, das
Ventil auf diese Weise zu gestalten. Die dortige Lösung besteht darin, dass das Überlastventil bei [X.] auftretendem Überdruck automatisch anspricht, dass aber die Rück-führung des [X.]s
durch Betätigung eines Hebels per Hand erfolgt.
Selbst wenn der Fachmann die Überlegung anstellte, das Ventil des vorbenutz-ten Geräts mit der
Konstruktion der [X.] zu verbinden und damit

entgegen der 33
34
35
-
16
-

vorgenommenen Auslegung -
die [X.] als Ausgangspunkt gewählt hätte, be-stand
keine Veranlassung, das Ventil der [X.] so auszulegen, dass es die Funktion des Geräts P.

bereitstellt (vgl. auch [X.] Bundespatent-
gericht, [X.], S. 44).
Die
unterschiedlichen
Funktionen
-
einerseits die [X.] auf Überdruck und andererseits die Rückführung des [X.]

werden bei dem Gerät P.

und bei der [X.] auf unterschiedliche Weise ausgeführt. Es
handelt sich um getrennte Lösungswege für die Bewältigung einerseits eines auftretenden Überdruckfalles und andererseits der Rückführung des [X.] in die Ausgangsposition. Die Zusammenführung beider getrennten [X.] auf dem Weg des Streitpatents hat sich dem Fachmann weder durch die Ausgestaltung des vorbenutzten Geräts noch die Kombination der [X.] dieses Geräts mit dem Gegenstand der [X.]
angeboten.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.] und §
92 Abs.
1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Hoffmann

Schuster
Deichfuß
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 03.12.2014 -
6 Ni 47/14 (EP) -

36

Meta

X ZR 19/15

21.03.2017

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2017, Az. X ZR 19/15 (REWIS RS 2017, 13747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13747

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 Ni 5/22 (EP)

Zitiert

X ZR 77/12

Zitieren mit Quelle:
x

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