Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2021, Az. 4 StR 314/20

4. Strafsenat | REWIS RS 2021, 10329

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Gegenstand

Strafverurteilung wegen Raubes u.a.: Anforderungen an eine sukzessive Mittäterschaft und Beihilfe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Februar 2020 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe verurteilt worden ist; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) soweit gegen den Angeklagten die Einziehung eines Geldbetrages von 3.000,00 € gesamtschuldnerisch mit den gesondert Verfolgten [X.], [X.]und [X.]angeordnet worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Raubes und Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung im Fall [X.] der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil die Annahme eines mittäterschaftlichen Handelns des Angeklagten von den Feststellungen nicht getragen wird.

3

a) Das [X.] hat insoweit festgestellt, dass sich der Angeklagte mit vier weiteren Männern auf einer Autofahrt befand, als seine Mitfahrer den Entschluss fassten, gemeinsam den Geschädigten in dessen Wohnung zu überfallen und unter Anwendung von Gewalt und Drohungen Geld und andere Wertgegenstände zu erbeuten. Bei dem Wohnhaus des Geschädigten angekommen, begaben sich die vier Männer zu der Wohnung, während der Angeklagte im Fahrzeug blieb. Nachdem der Geschädigte seine Wohnungstür geöffnet hatte, betraten die Täter die Wohnung und brachten ihn mit Schlägen und Tritten zu Boden. Sie durchsuchten die Wohnung, in der sich auch die Lebensgefährtin des Geschädigten, die Zeugin [X.]  , aufhielt, und nahmen Bargeld und Schmuck an sich. Einer der Täter entnahm aus der Hosentasche des Geschädigten dessen Portemonnaie, welchem er Bargeld und eine ec-Karte entnahm. Auf Verlangen gab der Geschädigte aus Angst vor weiteren körperlichen Übergriffen die zu der Karte gehörende PIN-Nummer preis. Danach wurde auch die Zeugin [X.]  zur Herausgabe ihrer ec-Karte samt PIN-Nummer aufgefordert und kam der Aufforderung aus Angst ebenfalls nach. Der gesondert Verfolgte [X.]begab sich sodann zu dem Angeklagten, der sich noch immer in dem Fahrzeug aufhielt, und übergab ihm die ec-Karte des Geschädigten sowie einen Zettel, auf dem die PIN-Nummer notiert war. Dem Angeklagten war bewusst, dass die ec-Karte und die PIN-Nummer durch Gewalt und Drohungen erlangt worden waren; dies war ihm gleichgültig. Er wollte sich spätestens jetzt den übrigen [X.] bei der Tatausführung anschließen und einen Teil der Beute zueignen. Auf Geheiß [X.] s hob der Angeklagte an einem Geldautomaten 1.000,00 € vom Girokonto des Geschädigten ab. Er gab das Geld dem [X.]und erhielt von diesem nun die ec-Karte samt PIN-Nummer der Geschädigten [X.]  . Damit hob er am Geldautomaten 740,00 € ab. Auch diesen Betrag übergab er [X.]. Die Täter verließen schließlich nach mehr als einer Stunde die Wohnung des Geschädigten. Der Angeklagte erhielt für seinen Tatbeitrag 200,00 €.

4

b) Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als mittäterschaftlich begangenen Raub gemäß § 249, § 25 Abs. 2 StGB bewertet. Der ebenfalls verwirklichte Computerbetrug gemäß § 263a StGB trete als mitbestrafte Nachtat dahinter zurück.

5

2. Die rechtliche Würdigung des [X.]s hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den bisher getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Tatbestand des [X.] in zwei Fällen verwirklicht. Eine Beteiligung des Angeklagten an einem durch die anderen Täter begangenen Raub ist durch die Feststellungen hingegen nicht belegt. Hiernach wurde der gemeinsame [X.] auf der Fahrt zur Wohnung des Geschädigten ohne Beteiligung des Angeklagten durch die anderen vier Insassen des Fahrzeugs gefasst. Der Angeklagte beteiligte sich nicht an der Erlangung der [X.]. Die Feststellungen tragen auch nicht die Annahme einer sukzessiven Beteiligung des Angeklagten an der [X.]. Dies gilt ebenso, soweit die Herausgabeverlangen hinsichtlich der [X.] sowie der ec-Karte der Geschädigten [X.]   - was naheliegt - rechtlich als räuberische Erpressungen gemäß § 253, § 255 StGB bewertet werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. August 2004 - 5 [X.], [X.], 333, 334 f.).

6

a) Sukzessive Mittäterschaft liegt vor, wenn in Kenntnis und mit Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dies von einem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eingetreten wird. Das Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass diese strafrechtlich zugerechnet wird. Ein die Mittäterschaft begründender Eintritt ist auch noch nach der strafrechtlichen Tatvollendung möglich, solange noch keine Beendigung eingetreten ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. September 2020 - 4 StR 14/20; Beschluss vom 18. Juli 2000 ‒ 5 StR 245/00; krit. dazu [X.] in [X.], 5. Aufl., § 25 Rn. 39 f. mwN). Entsprechendes gilt für eine Beteiligung in Form der Beihilfe (§ 27 StGB); auch sie kann nur geleistet werden, solange das [X.] noch nicht vollständig abgeschlossen ist ([X.], Beschluss vom 8. November 2011 - 3 [X.], [X.], 264 mwN).

7

b) Danach konnte sich der Angeklagte durch die Entgegennahme der [X.] weder als Täter noch als Gehilfe an dem Raub bzw. der räuberischen Erpressung beteiligen.

8

aa) [X.] und ebenso eine räuberische Erpressung sind beendet, wenn der Täter ausreichend sichere Verfügungsgewalt über die Beute erlangt hat. Wann dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab ([X.], Beschlüsse vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14, juris Rn. 28 [zum Raub]; vom 12. November 2003 - 2 [X.], juris Rn. 4 [zur räuberischen Erpressung]).

9

bb) Als der gesondert Verfolgte [X.]dem Angeklagten die ec-Karte des Geschädigten außerhalb des Wohnhauses des Geschädigten übergab, war der Raub bzw. die räuberische Erpressung beendet. Die ec-Karte war dem Zugriff des Berechtigten zu diesem Zeitpunkt endgültig entzogen und der durch die Wegnahme erlangte Gewahrsam der Täter bereits gesichert. Entsprechendes gilt für die ec-Karte der Geschädigten [X.]   und die [X.]. Eine Beteiligung des Angeklagten an einer auf die Erlangung der Karte bzw. der [X.] gerichteten Tat nach § 249 StGB bzw. nach § 253, § 255 StGB kam deshalb nicht mehr in Betracht.

c) Der Schuldspruch hat daher keinen Bestand. Die zugrundeliegenden rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der [X.] sieht davon ab, den Schuldspruch selbst zu ändern und auf eine Verurteilung wegen zweier Fälle des [X.] umzustellen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund ergänzender Feststellungen, die im zweiten Rechtsgang getroffen werden können, soweit sie nicht in Widerspruch zu den aufrechterhaltenen bisherigen Feststellungen stehen, auch eine Förderung (§ 27 StGB) einer möglichen Straftat nach § 239a StGB durch den Angeklagten in Betracht kommt.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall [X.] verhängten [X.], was auch der Gesamtstrafe die Grundlage entzieht.

4. Auch die Einziehungsentscheidung betreffend den Wert des im Fall [X.] durch die Tat [X.] hat infolge der Aufhebung des Schuldspruchs keinen Bestand. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird diesbezüglich auch in den Blick zu nehmen haben, dass eine Verfügungsgewalt des Angeklagten durch die bisherigen Feststellungen nur an einem Geldbetrag von insgesamt 1.740,00 € belegt ist.

Sost-Scheible     

        

Bender     

        

Bartel

        

Lutz      

        

Maatsch      

   

Meta

4 StR 314/20

18.02.2021

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Detmold, 28. Februar 2020, Az: 21 KLs 43/19

§ 25 Abs 2 StGB, § 27 StGB, § 249 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.02.2021, Az. 4 StR 314/20 (REWIS RS 2021, 10329)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 10329

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