Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. I ZR 65/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 2839

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 65/11
vom

12. September
2013

in dem Rechtsstreit

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2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 12. September
2013 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr.
Dr. h.c. Bornkamm und die [X.] Pokrant, Prof. Dr.
Büscher, Dr.
Koch und Dr.
Löffler

beschlossen:

Die Anhörungsrüge gegen das [X.]surteil vom 24.
Januar 2013 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß §
321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhö-rungsrüge der Klägerin
ist nicht begründet.

[X.] Die Gerichte sind nach Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet, das Vorbringen der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des [X.] in den Gründen der
Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden ([X.] 96, 205, 216
f.). Den von der Klägerin im Einzelnen bezeichneten und als übergangen gerügten Vor-trag hat der [X.] in vollem Umfang berücksichtigt.

I[X.] 1. Zu Unrecht beanstandet die Klägerin, der [X.] hätte den [X.] dazu, ob Werbung in überregionalen Medien beschränkt werden kann, an das Berufungsgericht zurückverweisen müssen, so dass die Klägerin nach ei-nem richterlichen Hinweis Gelegenheit gehabt hätte, zu diesem von den Vor-1
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instanzen nicht für relevant erachteten Gesichtspunkt vorzutragen. Auf einen entsprechenden Hinweis hätte die Klägerin geltend gemacht, bei einer [X.] an das Berufungsgericht vorzutragen und unter Beweis zu stellen, dass in überregionalen Zeitschriften eine Beschränkung der Werbung auf be-stimmte Wirtschaftsräume und die Ausklammerung von bestimmten Wirt-schaftsräumen bei der Beilagenwerbung und der normalen Anzeigenwerbung technisch möglich, keineswegs unüblich und nicht mit einem nennenswerten wirtschaftlichen Mehraufwand für den Werbenden verbunden sei.

Zu einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um der Klägerin nach einem richterlichen Hinweis Gelegenheit zu geben, zur Werbung in bundesweit vertriebenen Medien und deren beschränkter Verbreitung vorzu-tragen, bestand kein Anlass. Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschut-zes und des fairen Verfahrens es gebieten, das Berufungsurteil aufzuheben, um einer [X.] Gelegenheit zu geben, zu einem Gesichtspunkt vorzutragen, wenn ein nach §
139 Abs.
1 ZPO gebotener Hinweis unterblieben ist (vgl. [X.], Urteil vom 18.
März 2010
I
ZR
158/07, [X.]Z 185, 11 Rn.
43
Modulgerüst
II; Urteil vom 4.
November 2010
I
ZR
118/09, [X.], 539 Rn.
18 =
[X.], 742
Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker).
Davon kann im Streitfall aber keine Rede sein.

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass die Beklagte ein Interes-se an der bundesweiten Präsentation ihres Unternehmens hat, weil sie in der Wahl und Ausgestaltung ihres Marketingkonzepts in den durch das Recht ge-zogenen Grenzen frei ist. Diese Annahme des Berufungsgerichts, die auch der [X.] seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, hat die Klägerin nicht mit einer Gegenrüge angegriffen. Das war aber erforderlich, weil die Klägerin damit [X.] musste,
dass der [X.] in der Sache selbst entscheidet.
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Ungeachtet der Frage, ob die Klägerin sich mit einer Gegenrüge gegen die Annahme eines Interesses der Beklagten an einer bundesweiten Werbung wenden musste, bestand schon deshalb kein Anlass für eine Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, weil die Frage, ob die Beklagte ein schüt-zenswertes Interesse an einer bundesweiten Werbung hat, nach den Grundsät-zen des Rechts der Gleichnamigen zu den zentralen Fragen gehörte, zu denen die [X.]en von sich aus
und nicht erst auf einen richterlichen Hinweis
vor-tragen mussten. Entsprechend ist die Beklagte in den Tatsacheninstanzen auch verfahren und hat für sich in Anspruch genommen, unter ihrem Unternehmens-kennzeichen überregional werben zu dürfen. In
Anbetracht dessen bedurfte es keines Hinweises an die Klägerin, zu einem fehlenden Interesse der Beklagten an einer bundesweiten Werbung vorzutragen.

2. Die Klägerin macht geltend, sie habe zur Möglichkeit einer Beschrän-kung überregionaler Werbung nach
Nielsen-Gebieten mehrfach vorgetragen. Der [X.] hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen, das Vorbringen jedoch nicht für entscheidungserheblich erachtet.

Der [X.] hat angenommen, es sei nichts dafür ersichtlich, dass eine Beschränkung der Werbung in
bundesweit vertriebenen Medien auf den Wirt-schaftsraum, in dem die Beklagte tätig sei, mit vertretbarem Aufwand und ohne Einschränkungen der Wirkung der Werbung möglich sei. Dem steht das [X.] der Klägerin nicht entgegen. Aus dem Vortrag, dass die Beklagte so-weit als möglich Werbung im Wirtschaftsraum Nord vermeidet, kann die Kläge-rin nichts für sie Günstiges ableiten. Die Beklagte hat in dem von der Klägerin in ihrer Klageschrift vom 29.
Oktober 2009 in Bezug genommenen Schriftsatz der Beklagten vom
9.
Februar 2009 aus dem Verfahren des Landgerichts
[X.] 6
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mit dem Aktenzeichen 327
O
533/08 nicht eingeräumt, überregionale Werbung sei in der "[X.]" durch Herausnahme des Vertriebsgebiets Niel-sen
I möglich. Aus den Angaben im Schriftsatz der Beklagten und dem in der Anhörungsrüge in Bezug genommenen Vortrag der Klägerin ergibt sich [X.], dass eine Beschränkung in Regionalteilen von Printmedien nicht ausge-schlossen ist.

II[X.] 1. Die Klägerin macht geltend, der [X.] habe sich im [X.] mit dem Ausmaß der Verwechslungsgefahr zwischen den Kennzeichen der [X.]en und der Gefahr einer Irreführung der Verbraucher trotz der [X.] der Beklagten und zu den Auswirkungen ihrer Werbekampagnen mit entscheidungserheblichem Vortrag nicht
befasst. Auf die Gutachten B.

und C.

sei der [X.] nicht eingegangen. Der Werbetext, der dem
Gutachten der [X.]

GmbH von Juli 2007 zugrunde gelegen habe, sei noch
deutlicher gewesen als im vorliegenden Fall.

Aus diesen [X.] folgt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin. Sie stehen im Zusammenhang mit der Frage, ob der in der Werbung der Beklagten angebrachte aufklärende Text den Anforderungen genügt, einem unzutreffenden Verkehrsverständnis in ausreichendem Maße entgegenzuwir-ken. Dazu reicht es nach der [X.]srechtsprechung zum Recht der Gleichna-migen aus, dass die Verwechslungsgefahr auf ein hinnehmbares Maß verrin-gert wird. In diesem Zusammenhang hat der [X.] auch die von der Klägerin angeführten Gutachten berücksichtigt. Er hat sie nur nicht als geeignet angese-hen, um im Sinne der Klägerin zu der Schlussfolgerung zu gelangen, die [X.] Hinweise der Beklagten seien nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen unzureichend. Die dem Gutachten C.

zugrundeliegende
Werbung "Mode für Meilen" enthält
anders als die im vorliegenden Rechts-9
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streit in Rede stehende Werbung
keinen Hinweis darauf, dass es zwei unab-hängige Unternehmen [X.] mit Hauptsitz in [X.] und [X.] gibt. Dieser Unterschied ist für das Verständnis des aufklärenden Textes von entscheidender Bedeutung. Das Gutachten B.

verhält sich
im ersten Abschnitt zur Wirkung der Werbung mit Beiheftern in überregionalen Zeitschriften und regionalen Abonnementzeitungen. Darum geht es in diesem Zusammenhang nicht. Soweit im zweiten Abschnitt des Gutachtens B.

die Störung von Kundenbeziehungen durch eine bundesweite Werbung
untersucht wird, ist dem Gutachten entweder nicht zu entnehmen, dass die dort beschriebene Werbung
mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Werbung vergleichbar ist, oder es wird auf die im Gutachten C.

wiedergegebene
Werbung Bezug genommen, deren Beurteilung für den vorliegenden [X.] ist. Zu dem Gutachten der [X.]

GmbH setzt die
Klägerin in unzulässiger
Weise nur ihre eigene Würdigung der beanstandeten und der dem Gutachten zugrundeliegenden Werbung an die Stelle der Beurteilung durch den [X.].

2. Die Klägerin rügt, der [X.] habe ihren
im Revisionsschriftsatz vom 1.
Oktober 2012 und ihren weiteren durch Antrag auf Einholung eines Sachver-ständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag zur Verbraucherwahrneh-mung unberücksichtigt gelassen.

Das trifft nicht zu. Maßgeblich für die Frage, ob die aufklärenden [X.] ausreichten, ist die Wahrnehmung der fraglichen Anzeigen durch einen nor-mal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnitts-verbraucher (vgl. [X.], Urteil vom 6.
Oktober 2005
120/04, [X.]. 2005, 51 =
[X.], 1042 Rn.
28
THOMSON
LIFE; [X.], Urteil vom 27.
März 2013
I
ZR
100/11, [X.], 631 Rn.
64 = [X.], 778

[X.]/Marulablu). Zur Beurteilung der Sichtweise des Durchschnittsver-11
12
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brauchers bedarf es im Regelfall
so auch vorliegend
keiner Einholung eines Meinungsforschungsgutachtens. Vielmehr kann grundsätzlich der mit der Sache befasste [X.] die Verkehrsauffassung der Anzeige, die sich an das [X.] Publikum richtet, beurteilen. An Anträge zur Einholung eines Sachverständi-gengutachtens ist das Gericht nicht gebunden. Diese Entscheidungspraxis steht in Einklang mit den Urteilen des Gerichtshofs der [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 16.
Juli 1998
210/96, [X.]. 1998, 57 =
GRUR Int. 1998, 795 Rn.
30 bis 35
Gut [X.] und [X.]; Urteil vom 8.
September 2009
478/07, [X.]. 2009, 721 =
[X.], 143 Rn.
89
American Bud
II) und ist durch eine gefestigte Rechtsprechung des [X.]s geklärt (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Oktober 2003
I
ZR
150/01, [X.]Z 156, 250, 255
Markt-führerschaft; Urteil vom 17.
September 2009
I
ZR
103/07, [X.], 365 Rn.
15 =
[X.], 531
Quersubventionierung von Laborgemeinschaften
II; Urteil vom 13.
September 2012
I
ZR
230/11, [X.]Z 194, 314 Rn.
32
[X.]). Dass vorliegend ein Ausnahmefall gegeben ist,
in dem dies [X.] zu beurteilen ist, hat die Klägerin nicht aufgezeigt.

Weiterhin ist die Frage, ob die aufklärenden Hinweise ausreichen, auch mit rechtlichen Erwägungen nach den Grundsätzen des Rechts der Gleichna-migen verknüpft. Durch die kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage der [X.] sind diese nicht nur in ihrer wirtschaftlichen Betätigung, sondern auch in dem Umfang, in dem sie kennzeichenrechtliche Ansprüche gegen den Na-mensgleichen geltend machen können, Beschränkungen unterworfen, die die
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[X.]en im Verhältnis zu [X.] nicht hinnehmen müssen (vgl. [X.], Urteil vom 31.
März 2010
I
ZR
174/07, [X.], 738 Rn.
28 bis 33 =
[X.], 880

Peek &
Cloppenburg
I; Urteil vom 14.
April 2011
I
ZR
41/08, [X.], 623 Rn.
39
ff. =
[X.], 886
Peek &
Cloppenburg
II).

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Koch
Löffler
Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom [X.] -
327 O 569/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 17.03.2011 -
3 [X.] -

Meta

I ZR 65/11

12.09.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2013, Az. I ZR 65/11 (REWIS RS 2013, 2839)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2839

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I ZR 65/11

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