Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 420/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11104

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR420.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]/15
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen gefährlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai
2017
gemäß §
406a Abs.
2 Satz
2
StPO beschlossen:

1.
Die
Revisionen der Angeklagten S.

und M.

gegen das
Urteil des [X.] vom 28. April 2015 werden verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentschei-dung richten.
2.
Die
Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Neben-
und [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte die Angeklagte S.

wegen gefährlicher Körper-
verletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten und den Angeklagten M.

wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe
von fünf Jahren verurteilt. Darüber hinaus hatte
es die Angeklagten als [X.] zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000

nebst Zinsen,
den Angeklagten

M.

zur Zahlung eines weiteren
Schmerzensgelds in Höhe von 2.500

-
und Adhä-sionskläger

R.

verurteilt
und ihre Verpflichtung ausgespro-
chen, den Adhäsions-
und Nebenkläger von Forderungen, die aus dem Scha-densereignis erwachsen sind, freizustellen. Im Übrigen hatte es von einer Ent-scheidung über den weiteren Adhäsionsantrag abgesehen.
1
-
3
-
Mit Beschluss vom 27.
April 2016 hat der Senat die Revisionen der [X.] verworfen, soweit sie sich gegen die Schuld-
und Strafaussprüche richteten. Zugleich hat er die Entscheidung über die Revisionen
gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung
sowie über die Kos-ten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 14. April 2016

2
StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivilsachen eingeleitete [X.] zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließen-den Entscheidung vorbehalten.
Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des [X.] vom 16.
September 2016

[X.] ([X.], 179), dem der Senat mit dem oben genannten Beschluss vom 14. April 2016

2
StR 137/14 u.a. die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§
253 Abs. 2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichteten
Revisionen
der
Angeklagten zu verwerfen.

I.
1. Die Vereinigten [X.]e des [X.] haben ent-schieden, dass bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädig-ten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], aaO).
2
3
4
-
4
-
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr., grundlegend [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Be-schluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.]Z 18,
149, 154 ff.; [X.], VI.
Zivilsenat, Urteile vom 13. Oktober 1992

[X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; und vom 29.
November 1994

[X.], [X.]Z 128, 117, 120 f.).
Dabei steht der Entschädigungs-
oder Ausgleichsgedanke im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage
bei der Bemessung der billigen [X.] in Geld. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immaterielle Schäden nicht hinwegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den [X.] hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Ge-schädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955

[X.], [X.]Z 18, 149, 157; VI. Zivilsenat, Urteil vom 16. Januar 1996

[X.], [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. Da-5
6
7
8
-
5
-
neben können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinig-te Große Senate,
Beschluss vom 16.
September 2016

[X.],
aaO, Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung [X.] durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], Be-schluss vom 16.
September 2016

[X.], aaO, Rn.
57). Indem der
(Tat-)Richter in einem ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, sodann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei [X.] auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Ver-einigte Große Senate,
Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], aaO, Rn.
56, 70).
2. Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägenden einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein dem Einzelfall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.], aaO, Rn.
72).
9
-
6
-
3. Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
a) Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von [X.] und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Fall ein "besonderes Gepräge" geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
b) Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge
geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben.
Hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes
geführt und sich nachteilig ausgewirkt haben kann.

10
11
12
-
7
-
II.
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das [X.] hat sich ersicht-lich an dem Ausmaß des von den Angeklagten verwirklichten Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert; die wirtschaftlichen Verhältnisse der
Ange-klagten und des Geschädigten
hat es bei der Schmerzensgeldbemessung nicht berücksichtigt. Da sich in den Urteilsgründen zudem keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Tätern
und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt, war die Au-ßerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse

entgegen bisheriger Recht-sprechung

nicht zu beanstanden.
[X.]Krehl Eschelbach

Bartel Grube

13

Meta

2 StR 420/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 420/15 (REWIS RS 2017, 11104)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11104

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 428/14 (Bundesgerichtshof)

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten bei der Bemessung einer billigen Entschädigung …


2 StR 374/14 (Bundesgerichtshof)

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten bei der Bemessung einer billigen Entschädigung …


2 StR 522/14 (Bundesgerichtshof)

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten bei der Bemessung einer billigen Entschädigung …


2 StR 522/14 (Bundesgerichtshof)


2 StR 420/15 (Bundesgerichtshof)

Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten bei der Bemessung einer billigen Entschädigung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 StR 420/15

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.