Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2009, Az. IX ZR 201/08

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 1157

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/08 Verkündet am: 15. Oktober 2009 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 17 Abs. 2 Satz 2, § 130 Abs. 2 Zu der Kenntnis eines Bauleiters von der Zahlungseinstellung des Arbeitgebers, der durch die angefochtenen Lohnzahlungen die bestehenden mehr als halb-jährigen Lohnrückstände nur zu einem geringen Teil ausgeglichen hat. [X.], [X.]eil vom 15. Oktober 2009 - [X.]/08 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2009 durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das [X.]eil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 11. September 2008 wird auf Kosten des [X.]n zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger ist Verwalter in dem auf Gläubigerantrag vom 2. August 2004 am 14. Oktober 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.](fortan: Schuldner). Dieser betrieb unter der Firma E.

ein Unternehmen mit zuletzt noch über 40 Arbeit-nehmern. Der [X.] war bei ihm bis Mitte August 2004 als Projekt- und [X.] beschäftigt. Ab [X.] 2003 geriet der Schuldner mit Lohn- und Gehalts-zahlungen an ca. 40 Mitarbeiter zunehmend in Rückstand. Spätestens ab Mai 2004 war er zahlungsunfähig. Der [X.] erhielt in dem [X.]raum vom 1. Februar 2004 bis zum 4. August 2004 keinerlei Lohn. Am 5. August 2004 zahlte der Schuldner den restlichen Lohn für den Monat Dezember 2003 in Höhe von 1.514,63 • sowie den restlichen Lohn für den Monat Januar 2004 in Höhe von 1.556,02 •, insgesamt 3.070,65 •. Für den [X.]raum ab dem 1 - 3 - 1. Februar 2004 hat der [X.] Lohnforderungen in Höhe von 7.356,84 • zur Tabelle angemeldet. Der Rechtsvorgänger des Klägers im Amt des Insolvenzverwalters hat die Zahlung vor dem Arbeitsgericht als kongruente Deckung angefochten. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Amtsgericht verwiesen. Dieses hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses [X.]eil hat der [X.] Berufung einge-legt. Im Berufungsverfahren hat der Kläger seine Klage ergänzend auf die [X.] gestützt. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewie-sen. Gegen dieses [X.]eil wendet sich der [X.] mit der vom Berufungsge-richt zugelassenen Revision. 2 Entscheidungsgründe: Die zulässige Revision ist unbegründet. 3 [X.] In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist der Senat an den von den [X.] angenommenen Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 17a Abs. 5 GVG gebunden (vgl. [X.], [X.]. v. 19. Februar 2009 - [X.] ZR 62/08, [X.], 526, 527 Rn. 4, z.[X.]. in [X.] 180, 63 m.w.N.). Einer weiteren Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. [X.], [X.]. v. 2. April 2009 - [X.] ZB 182/08, [X.], 825) bedarf es deshalb nicht. 4 - 4 - I[X.] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der vom Kläger erhobene in-solvenzrechtliche Rückgewähranspruch (§ 143 [X.]), der auf die Zahlung des Schuldners vom 5. August 2004 gestützt wird. Hierzu meint das Berufungsge-richt: 5 Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] sei eine Rechtshandlung unter an-derem anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewähre, wenn sie nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenom-men worden sei und der Gläubiger zu dieser [X.] die Zahlungsunfähigkeit ge-kannt habe. Nach § 130 Abs. 2 [X.] stehe der Kenntnis der Zahlungsunfähig-keit die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähig-keit schließen ließen. Der [X.] habe zum maßgeblichen [X.]punkt positive Kenntnis von Umständen gehabt, die diesen Schluss als zwingend erscheinen ließen. Positive Kenntnis setze ein für sicher gehaltenes Wissen voraus. Die genaue Kenntnis der rechtlichen Zusammenhänge sei hingegen nicht [X.]; es sei auf die natürliche Betrachtungsweise eines durchschnittlich ge-schäftserfahrenen Gläubigers abzustellen. Wichtiges Indiz für die [X.] sei die Zahlungseinstellung. Diese mache die Zahlungsunfähigkeit nach außen erkennbar. Ihrem Eintritt stehe nicht entgegen, dass der Schuldner noch vereinzelt Zahlungen leiste, selbst wenn diese beträchtlich seien, [X.] im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachten. 6 Zum maßgeblichen [X.]punkt habe sich der Schuldner gegenüber dem [X.]n mit der Lohnzahlung für sieben bzw. acht Monate im Rückstand be-funden. Zwar habe die Kammer bereits mehrfach entschieden, dass ein [X.] - 5 - nehmer allein bei verzögerten Lohnzahlungen nicht zwingend mit [X.] rechnen müsse, weil ihm die für die Beurteilung erforderlichen Insider-informationen regelmäßig fehlten. Deshalb könne bei verzögerten [X.] auch von bloßen Zahlungsschwierigkeiten oder Zahlungsstockungen aus-gegangen werden. Dies gelte gerade in der Baubranche, in der Löhne in Folge der schlechten Zahlungsmoral der Auftraggeber oftmals nur verspätet ausge-zahlt werden könnten (vgl. [X.], [X.]. v. 27. März 2008 - 1 S 181/07 und das dazu ergangene Revisionsurteil [X.], [X.]. v. 19. Februar 2009 - [X.] ZR 62/08, aaO). So liege der Fall hier allerdings nicht. Eine greifbare Grundlage für die Erwartung des [X.]n, der Schuldner werde künftig genügend flüssige Geldmittel erhalten, um alle Lohnrückstände erfüllen zu können, sei Anfang [X.] 2004 nicht ersichtlich gewesen. Er habe die Augen vor dem erheblichen Zahlungsrückstand nicht verschließen können. Die ausstehenden [X.] betrügen nach der Forderungsanmeldung des [X.]n für den [X.]-raum von Februar 2004 bis August 2004 ohne die streitgegenständlichen [X.]. [X.] worden seien lediglich 3.070,65 • Rest-lohn für die Monate Dezember 2003 und Januar 2004. Damit seien lediglich 17 vom Hundert der Rückstände ausgeglichen worden, weshalb der [X.] nicht ernsthaft habe damit rechnen können, dass die Krise des Schuldners nunmehr überwunden sei. Beim [X.]n handele es sich zudem um einen langjährigen Mitarbeiter des Schuldners, der als Bauleiter über die erforderliche Geschäftserfahrenheit und die entsprechende Kenntnis von dem ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergrund des Unternehmens verfügt habe, um die Lage realistisch einschätzen zu können. Jedenfalls hätte der [X.] Anlass gehabt, Erkundigungen über die wirtschaftliche Gesamtsituation einzuholen, weil die offen stehende Gehaltsforderung erheblich und ihm darüber hinaus bekannt gewesen sei, dass auch andere Mitarbeiter von offenen Lohnforderungen be-troffen gewesen seien. - 6 - 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. 8 a) Aus den Gründen des [X.] wird der Gläubiger der [X.] nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] erst ausgesetzt, wenn er die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners (oder den Insolvenzantrag) im maßgeblichen [X.]punkt (§ 140 [X.]) kennt. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei bejaht. Die von der Revision gerügte Verschiebung des [X.] in Richtung auf eine grob fahrlässige Unkenntnis liegt nicht vor. 9 aa) Der Senat hat in seinem [X.]eil vom 19. Februar 2009 (aaO S. 527 Rn. 13 f), welches die Anfechtung von Lohnzahlungen desselben Schuldners an einen anderen seiner Arbeitnehmer zum Gegenstand hat, die Anforderungen konkretisiert, die im Anwendungsbereich des § 130 [X.] an die Kenntnis eines Gläubigers, der über keine "Insiderkenntnisse" verfügt, zu stellen sind und wie die für diesen Anfechtungstatbestand erforderliche positive Kenntnis von der grob fahrlässigen Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist. Hierauf wird verwiesen. Gegenstand der Nachprüfung war eine Entscheidung ebenfalls der 1. Zivilkammer des [X.], die sich im vorliegenden Fall auf ihr damaliges [X.]eil ausdrücklich bezieht. 10 Der Senat hält an den in dem vorausgegangenen Revisionsverfahren entwickelten Grundsätzen, die überwiegend auf Zustimmung gestoßen sind (vgl. [X.] EWiR 2009, 275, 276; Laws Z[X.] 2009, 1465, 1471; [X.] Z[X.] 2009, 1425, 1437; [X.] WuB VI A § 130 [X.] 1.09 S. 558 f; kritisch [X.] NJW 2009, 1928, 1932; [X.] Z[X.] 2009, 702, 707; [X.] NZI 2009, 225, 226) fest. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob der Insolvenzgläubiger die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei [X.] - 7 - der rechtlicher Bewertung die Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt. Dann kann sich der Insolvenzgläubiger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er den an sich zwingenden Schluss von den Tatsachen auf den Rechtsbegriff der [X.] selbst nicht gezogen hat ([X.], [X.]. v. 19. Februar 2009, aaO S. 527 Rn. 13). Diesen Maßstab hat das [X.] - wie schon in der [X.] - auch hier zugrunde gelegt. Soweit in dem angefochtenen [X.]eil ausge-führt wird, dass der [X.] aufgrund der festgestellten Gesamtumstände "hät-te erkennen können", dass der Schuldner zahlungsunfähig gewesen sei, ist dies zwar missverständlich, doch wollte das Berufungsgericht damit von den vo-rausgegangenen Ausführungen, in denen die erforderlichen Anforderungen rechtlich einwandfrei umschrieben werden, ersichtlich nicht abrücken. Gleiches gilt für die von der Revision aufgegriffene, den Subsumtionsteil einleitende Be-merkung des [X.]s, wonach eine greifbare Grundlage für die (in der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts geäußerte) Erwartung des [X.] vermisst werde, der Schuldner werde genügend flüssige Mittel erhalten, um alle Lohnrückstände erfüllen zu können. 12 bb) Auf dieser zutreffenden rechtlichen Grundlage hat das [X.] konkrete Umstände festgestellt, die ein eindeutiges [X.]eil über die Liquiditäts-gesamtlage des Schuldners im Zahlungszeitpunkt ermöglichten. Es hat dazu auf die zeitliche Dauer und die Höhe der eigenen Lohnrückstände, die erhebli-chen Lohnrückstände bei anderen Arbeitnehmern und die Kenntnis des [X.] von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unterneh-mens aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bauleiter verwiesen. Nach mehr als sechs Monaten vollständigen Lohnausfalls hat der Schuldner am 5. August 2004 nicht einmal 1/5 der aufgelaufenen Lohnrückstände ausgeglichen. Die 13 - 8 - festgestellten Gesamtumstände sind geeignete Indiztatsachen, die das [X.] im Rahmen seiner Gesamtwürdigung hat ausreichen lassen, um sich davon zu überzeugen, dass der [X.] Tatsachen positiv kannte, die den Schluss nicht mehr zuließen, der Schuldner habe sich auch Anfang August 2004 noch im Stadium einer Zahlungsstockung befunden. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen einer tatrichterlich vertretbaren Würdigung; sie ist sogar naheliegend. Im Hinblick auf die vom Tatrichter festgestellten Einzelumstände (Indizien) hat die Revision keine Verfahrensrügen erhoben. [X.]) Nach den Feststellungen liegt der Fall im Übrigen anders als der Sachverhalt, über den der Senat durch [X.]eil vom 19. Februar 2009 (aaO) ent-schieden hat. Während der Schuldner gegenüber dem dortigen [X.]n, ei-nem Elektroinstallateur, erstmals im Februar 2004 mit Lohnzahlungen teilweise in Rückstand geriet, Mitte Mai 2004 diesen Rückstand ausglich und einen [X.] für den Monat März 2004 zahlte, hatte der [X.] dieses Verfahrens, der in seiner Funktion als Bauleiter in der Informationshierarchie nicht auf [X.] stand, bereits im Dezember 2003 nicht mehr seinen vollen Lohn erhalten. Auf [X.] ab dem 1. Februar 2004 war an ihn überhaupt nichts mehr gezahlt worden, auch nicht zusammen mit der angefochtenen [X.] vom 5. August 2004. Aus der Höhe dieses Lohnrückstandes durfte der [X.] jedenfalls in Verbindung mit den weiteren Umständen auf die positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit schließen. 14 b) Entgegen der erst nach der angefochtenen Entscheidung ergangenen Rechtsprechung des Senats zu den Erkundigungspflichten eines Insolvenz-gläubigers ([X.], [X.]. v. 19. Februar 2009, aaO S. 528 Rn. 22) hat das [X.] den [X.]n für verpflichtet gehalten, "jedenfalls" Erkundigungen über die wirtschaftliche Situation des Schuldners einzuholen. Darauf beruht die 15 - 9 - angefochtene Entscheidung indes nicht (vgl. § 545 Abs. 1 ZPO). Die maßgebli-chen Umstände, insbesondere die ganz erheblichen Lohnrückstände, waren dem [X.]n bekannt. Ganter [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.04.2008 - 27 C 72/08 - [X.], Entscheidung vom 11.09.2008 - 1 S 103/08 -

Meta

IX ZR 201/08

15.10.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.10.2009, Az. IX ZR 201/08 (REWIS RS 2009, 1157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 1157

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