Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 580/21

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 6923

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Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 34. Zivilsenats des [X.] vom 21. Oktober 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu 1 mit Ausnahme der geltend gemachten Deliktszinsen in Höhe von 9.549,48 € sowie die [X.] zu 2 und zu 3 zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 27. Juli 2016 von einem Händler einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten [X.] 350d [X.], der mit einem Dieselmotor der [X.] (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung. Diese wird bei kühleren Temperaturen reduziert ([X.]). Ob das Fahrzeug zudem über eine sogenannte [X.] ([X.]) verfügt, die durch eine verzögerte Aufwärmung des Motoröls zu niedrigeren Stickoxid-Emissionen führt, steht zwischen den Parteien im Streit. Das [X.] hat für das Fahrzeug einen Rückruf angeordnet.

3

Der Kläger macht geltend, das Fahrzeug verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen. Er hat zuletzt die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Prozesszinsen und die Zahlung von [X.] um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu 1), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu 2) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) begehrt.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Schlussanträge aus der Berufungsinstanz mit Ausnahme der beantragten Deliktszinsen weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt im tenorierten Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

7

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB lägen nicht vor. Es lasse sich nicht feststellen, dass eine der behaupteten Funktionen im Fahrzeug des [X.] sittenwidrig und mit Schädigungsvorsatz durch für die Beklagte handelnde Personen in das Fahrzeug implementiert worden sei. Auch folge ein Schadensersatzanspruch des [X.] weder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV noch aus Art. 4 Abs. 2 [X.]. 2, Art. 5 Abs. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007. Das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, liege weder im Aufgabenbereich der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV noch der Artikel der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007.

II.

8

Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

9

1. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

2. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV wegen der Verwendung des Thermofensters oder der [X.] aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der [X.] nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des [X.] gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der [X.] zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 29 bis 32, zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des [X.] auf die Gewährung sogenannten "großen Schadensersatzes" verneint (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen [X.]s zustehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 26. Juni 2023, aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso [X.], Urteile vom 20. Juli 2023 - [X.], ZIP 2023, 1903 Rn. 21 ff.; - [X.], juris Rn. 16 f.). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

Die Einwände der Revisionserwiderung führen zu keiner anderen Beurteilung. Sie geben dem [X.] weder Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV auf Ersatz eines erlittenen [X.]s abzugehen, noch - wie von der Revisionserwiderung gefordert - ein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] zu richten (vgl. nur [X.], Urteil vom 26. Juni 2023 - [X.], NJW 2023, 2259 Rn. 27 ff.).

III.

Das Berufungsurteil ist in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 ZPO, weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage eine deliktische Haftung der Beklagten wegen einer jedenfalls fahrlässigen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verneint werden könnte. Der [X.] kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Das Berufungsgericht wird dem Kläger die Möglichkeit eröffnen müssen, einen [X.] darzulegen. Es wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des [X.]s vom 26. Juni 2023 ([X.], NJW 2023, 2259 Rn. 49 ff.) die erforderlichen Feststellungen zu der - bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV zu treffen haben.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 580/21

18.09.2023

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 21. Oktober 2021, Az: I-34 U 137/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.09.2023, Az. VIa ZR 580/21 (REWIS RS 2023, 6923)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6923

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