Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2015, Az. IV ZR 54/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 14269

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 54/14

Verkündet am:

11. März 2015

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z:

nein

[X.]R: ja

AVB Krankentagegeldversicherung (hier: § 1 Abs. 3 [X.]/KT 2008)

Geht ein Versicherter im Rahmen einer [X.] gemäß §
74 [X.] seiner beruflichen Tätigkeit an seinem bisherigen Arbeitsplatz in zeitlich beschränktem Umfang nach, so entfällt der Krankentagegeldanspruch auch dann, wenn er während dieser Maßnahme keinen Lohn vom Arbeitgeber, sondern nur Krankengeld erhält.

[X.], Urteil vom 11. März 2015 -
IV ZR 54/14 -
OLG Köln

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter
Dr.
[X.], [X.] und die Richterin
Dr.
Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 11.
März
2015

für Recht erkannt:

Die
Revision gegen
das Urteil des 20.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln
vom 10.
Januar 2014 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Versicherungsleistungen aus einer bei der [X.] unterhaltenen Krankentagegeldversicherung, mit der ein [X.] in Höhe von 120

der die Muster-bedingungen 2008 des [X.] ([X.]/KT 2008, im Folgenden nur [X.]/KT) zugrunde liegen.

In § 1 Teil I dieser Bedingungen heißt es unter anderem:

"(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Er zahlt im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang.

(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heil-behandlung einer versicherten Person wegen Krankheit
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oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärzt-lich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Be-fund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbe-

(3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderwei-tigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Der Kläger war in
der [X.] vom 16.
September 2009
bis zum 30.
April 2010 wegen eines Burn-Out-Syndroms arbeitsunfähig
krankge-schrieben. Bereits ab dem 1.
April 2010 wurde er jedoch nach dem "[X.] Modell" stufenweise wieder in den Arbeitsprozess eingeglie-dert. Dabei arbeitete er in den ersten beiden Wochen drei Stunden, in der dritten und vierten Woche sechs Stunden am Tag. Auch in dieser [X.] bezog er keinen Lohn, sondern ausschließlich Krankengeld.

Mit der Klage hat der Kläger Krankentagegeld für die gesamte [X.] seiner Krankschreibung in Höhe von 24.840

e-richt hat der Klage unter Berücksichtigung einer vereinbarten Karenzzeit von 42 Tagen für die [X.] bis zum 31.
März 2010 in Höhe von 18.600

stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung, mit der der Kläger die Zahlung weiterer 3.600

hat, ist
erfolg-los
geblieben.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter anderem
in VersR 2014, 576 veröffentlicht ist,
hat ausgeführt, dass im Monat April 2010 keine bedingungsgemäße Arbeitsunfähigkeit des [X.] vorgelegen ha-be, weil er seine bisherige berufliche Tätigkeit im Rahmen der Wieder-eingliederungsmaßnahme jedenfalls tatsächlich ausgeübt habe.

Es habe sich nicht um einen bloßen Arbeitsversuch des [X.] gehandelt. Dagegen sprächen Umfang und Regelmäßigkeit der ausgeüb-ten Tätigkeit. Ferner setze die stufenweise Wiedereingliederung nach §
74 [X.] voraus, dass der Versicherte
nach ärztlicher Feststellung
seine bisherige Tätigkeit teilweise verrichten könne
und eine entspre-chende Belastbarkeit vorhanden sei. Unerheblich sei demgegenüber, dass der Kläger kein Arbeitsentgelt erhalten, sondern weiterhin [X.] bezogen habe;
nach den Versicherungsbedingungen komme
es nicht auf den Verlust des Arbeitseinkommens an, sondern vielmehr da-rauf, dass der Versicherungsnehmer seine berufliche Tätigkeit nicht aus-übe. Ebenso stünden der Charakter der Krankentagegeldversicherung und ihr [X.] Schutzzweck einer Einordnung der beruflichen Wieder-eingliederung als Berufsausübung nicht entgegen.

[X.]. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Zu Recht hat das Berufungsgericht
eine Arbeitsunfähigkeit des [X.] [X.] von §
1 (3) [X.]/KT für den Monat April 2010 verneint, weil er in dieser [X.] seine
berufliche
Tätigkeit, wenn auch in eingeschränktem Umfang,
ausgeübt hat.
Damit fehlt es für diesen [X.]raum an bedin-6
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gungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Leistungs-anspruch nach §
1 (1) Satz
2 [X.]/KT.

1. Bereits eine nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit genügt, um den Anspruch auf Krankentagegeld auszuschließen, sofern der [X.] seinem Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung teilweise nach-gehen kann oder tatsächlich nachgeht (Senatsurteile vom 3.
April 2013

IV ZR 239/11, [X.], 615 Rn.
13; vom 25.
November 1992
IV ZR 187/91, [X.], 297 unter [X.] 1).
Soweit es dabei um die Bewer-tung einer vom Versicherten tatsächlich ausgeübten Tätigkeit geht, ist nur entscheidend, ob die fragliche Tätigkeit nach ihrer Art der zuletzt konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist (Senatsurteil vom 18.
Juli 2007
IV ZR 129/06, [X.], 1260 Rn.
19).

2. Zu Recht ist das Berufungsgericht danach zu dem Ergebnis ge-langt, dass der Kläger im Rahmen der [X.] eine berufliche Tätigkeit im Sinne von §
1 (3) [X.]/KT ausgeübt hat, weil es auf den Umfang der Tätigkeit nicht ankommt, wie eine Auslegung der Klausel ergibt (Senatsurteil vom 18.
Juli 2007 aaO Rn.
24
ff.).

a)
Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammen-hangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkei-ten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche [X.] und damit auch seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen (Senatsurteile vom 10.
De-zember 2014 -
IV ZR 281/14, [X.], 182
Rn.
12 f.; vom 23. Juni 10
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1993
[X.], [X.]Z 123, 83, 85; [X.] Rspr.). Der mit dem [X.] verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungs-nehmer erkennbar sind (Senatsurteile vom 8.
Oktober 2014

IV ZR
16/13, VersR 2014,
1367 Rn.
16;
vom 25.
Juli 2012 -
IV ZR 201/10, [X.], 1149 Rn. 21 m.w.N.; [X.] Rspr.).

b)
Dem
Wortlaut der Regelung in §
1 (3) [X.]/KT wird der Versiche-rungsnehmer zunächst
entnehmen, dass
es für die Frage seiner
Arbeits-unfähigkeit allein darauf ankommt, ob er zur
Ausübung
seiner beruflichen Tätigkeit auch nur teilweise in der Lage ist
oder diese jedenfalls in Teil-bereichen ausübt.

Ob hiervon eine Ausnahme bei bloßen Arbeitsversuchen

insbe-sondere solchen zu therapeutischen Zwecken

zu machen ist (so
LG [X.], [X.], 1281; offen gelassen im Senatsurteil vom 3.
Ok-tober 1984 -
IVa [X.], [X.], 54 unter [X.] 3; vgl. auch Senats-urteil vom 18.
Juli 2007 -
IV ZR 129/06, [X.], 1260 Rn.
31
ff.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Anders als die Revision meint, erbrachte der Kläger seine Tätigkeit im Rahmen der Wiedereingliede-rungsmaßnahme nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts nicht im Rahmen eines
solchen Arbeitsversuchs.

Unstreitig ist der Kläger in diesem
Monat an seinem Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber in zeitlich begrenztem Umfang inhaltlich dersel-ben Tätigkeit nachgegangen, die er dort bereits vor seiner Erkrankung ausgeübt hatte.
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Bei der Wiedereingliederung [X.] von §
74 [X.] handelt es sich um eine stufenweise Wiederaufnahme der vorherigen Berufstätigkeit, die die Fähigkeit, diese Tätigkeit teilweise verrichten zu können, voraussetzt und bei der es allein darum geht, den Arbeitnehmer schonend, aber kon-tinuierlich wieder an die Belastungen seines Arbeitsplatzes heranzufüh-ren ([X.] in [X.] Kommentar Sozialversicherungsrecht, §
74 [X.] Rn.
2
Stand Dezember 2014). Eine solche
Tätigkeit des Arbeitnehmers
stellt deshalb
keinen bloßen Arbeitsversuch dar; sie
ist ungeachtet ihrer
zeitlichen Reduzierung und unbeschadet einer im Einzelfall fehlenden Lohnzahlung als Ausübung beruflicher Tätigkeit zu qualifizieren.
Dafür spricht, dass sie auch im Falle zunächst fehlender Lohnzahlung durch das stufenweise Heranführen der Vorbereitung der vollständigen Ar-beitsaufnahme im Beruf gegen Entgeltzahlungen des Arbeitgebers dient.

Soweit § 1 (3) [X.]/KT auch auf eine anderweitige Erwerbstätigkeit des Versicherten abstellt, betrifft dies ersichtlich nur Tätigkeiten außer-halb des zuletzt ausgeübten Berufs. Daraus
kann der Versicherungs-nehmer nicht darauf schließen, dass es selbst bei der Ausübung von Tä-tigkeiten, die zu seinem Berufsfeld gehören, auf ein hierfür gezahltes Entgelt oder dessen Höhe ankommen soll. Vielmehr entfällt der [X.] nach dem Wortlaut der Regelung, wenn er seinem Beruf in der konkreten Ausgestaltung auch nur teilweise nachgeht.

c)
Eine davon abweichende Beurteilung ist nicht aufgrund des
Sinn und Zwecks der Regelung geboten.

aa) Allerdings verfolgt die Krankentagegeldversicherung grund-sätzlich den Zweck, den Versicherungsnehmer vor Verdienstausfall 16
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durch Arbeitsunfähigkeit als Folge von Krankheiten oder Unfällen zu schützen. Dieser Zweck ist in §
1 (1) Satz 1 [X.]/KT ausdrücklich nieder-gelegt.
Insoweit dient die Versicherung auch der
sozialen Absicherung erwerbstätiger Personen (Senatsurteil vom 22.
Januar 1992

IV ZR 59/91, [X.]Z 117, 92, 95).

bb) Auch
der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann jedoch erkennen, dass mit ihr
kein umfassender Schutz gegen
jegliche
Einkom-menseinbußen bezweckt
wird.
Dies ergibt sich schon daraus, dass der Versicherungsschutz erst bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit eingreift, während bereits eine nur zum Teil bestehende Arbeitsfähigkeit typi-scherweise ebenfalls Einkommenseinbußen mit sich bringt. Die Reich-weite des vom Versicherer gebotenen Schutzes ist damit erkennbar nicht unmittelbar am Verdienstausfall ausgerichtet. Der [X.] orientiert sich nicht am tatsächlich erzielten Arbeitseinkommen, sondern ist rein tätigkeitsbezogen.

Hat der Versicherungsnehmer seine Arbeitsfähigkeit im [X.] an eine Erkrankung nach medizinischem Befund auch nur teilweise wie-dererlangt, so entfällt aufgrund des ersten Merkmals
des § 1 (3) [X.]/KT bereits damit der weitere Anspruch.
Versicherungsschutz scheidet in diesen Fällen auch dann aus, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich nicht arbeitet und deshalb kein Geld verdient. Deshalb
erfordern Sinn und Zweck der Versicherung nichts
anderes, wenn der Versicherungs-nehmer im Rahmen einer Maßnahme nach §
74 [X.] bereits teilweise wieder in seinem Beruf arbeitet,
dabei aber noch kein Arbeitseinkommen erzielt.
Der grundsätzlich verfolgte Zweck, dem Versicherungsnehmer, der infolge Erkrankung vorübergehend vollständig arbeitsunfähig gewe-sen ist, einen finanziellen Ausgleich für hierdurch entstandene Einkom-19
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mensverluste zu gewähren, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Leistungspflicht des Versicherers zu einem früheren [X.]punkt endet als die Gehaltszahlungen des Arbeitgebers wieder
einsetzen, weil der [X.] an einer stufenweise Wiedereingliederung ins Arbeitsleben teilnimmt.

d)
Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts
Wiesbaden ([X.], 1270), der auch ein Teil der Kommentarliteratur folgt ([X.] in Bach/[X.], [X.] 4.
Aufl. §
1 [X.]/KT Rn.
22; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. §
192 Rn.
192; [X.]/Tschersich 2.
Aufl.
§
45 Rn.
95), erweist sich da-mit
als unzutreffend.

[X.] [X.] Dr.
[X.]

[X.] Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.06.2013 -
9 O 522/10 -

OLG Köln, Entscheidung vom 10.01.2014 -
20 [X.] -

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Meta

IV ZR 54/14

11.03.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.03.2015, Az. IV ZR 54/14 (REWIS RS 2015, 14269)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14269

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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