Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. IV ZR 91/16

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15606

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:150217UIVZR91.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 91/16

Verkündet am:

15. Februar 2017

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Bk; AVB Berufsunfähigkeitsversicherung

Die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete [X.]

"Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen
gilt die vor Eintritt des [X.] zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei aus-geübt wird. Im Falle einer BU-Leistungsprüfung erfolgt die Bemessung der [X.] ausschließlich auf dieser Basis."

ist intransparent.

[X.], Urteil vom 15. Februar 2017 -
IV ZR 91/16 -
KG

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski und Dr.
Götz
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2017

für Recht erkannt:

Die Revision des
[X.]n gegen das Urteil des 6. Zivil-senats des [X.] in Berlin-Schöneberg
vom 1.
März 2016 wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Verbraucherverband, nimmt den
[X.]n, einen
Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, auf Unterlassung der Verwen-dung einer [X.] in Verträgen über Berufsunfähigkeitsversicherungen in Anspruch, die als Leistungsversprechen die Zahlung einer Rente so-wie die Beitragsbefreiung bei Berufsunfähigkeit vorsehen. Die [X.] lautet:

"Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret [X.] Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90
Prozent
als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder [X.] ausgeübt wird. Im Falle
einer BU-Leistungsprüfung [X.] die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis."

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3
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Auf die Bitte eines Versicherungsinteressenten unterbreitete der [X.] diesem zwei verschiedene Vertragsangebote. Im "Angebot Nr.
1" bot er
ihm den Abschluss eines Vertrages über eine Berufsunfä-higkeitsversicherung zu einem Jahresbeitrag von 1.593,58

§
3 Abs.
1 der maßgeblichen
Allgemeinen Bedingungen für die selbstän-dige Berufsunfähigkeitsversicherung (im Folgenden: [X.]) gilt als versi-cherter Beruf die berufliche Tätigkeit, die zuletzt vor Eintritt des Versi-cherungsfalles ausgeübt wurde. Das "Angebot Nr.
2" zu einem Jahres-beitrag von 1.127,16

[X.].
Zum Abschluss des Vertrages kam es in der Folgezeit nicht. Der Kläger forderte den
[X.]n
mit Schreiben vom 31.
August 2011 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was dieser
ab-lehnte. Der Kläger hält die [X.] sowohl wegen fehlender Transparenz als auch wegen inhaltlicher Unangemessenheit für unwirksam.

Das [X.] hat den
[X.]n
antragsgemäß verurteilt, es bei Vermeidung eines festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise [X.], zu unterlassen, die streitgegenständliche oder mit dieser in-haltgleiche Bestimmungen in [X.] mit Verbrauchern einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmun-gen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.
April 1977, zu berufen. Das [X.] hat die Berufung
des
[X.]n zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er
seinen
Klagab-weisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

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3
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-
4
-

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der
[X.] sei nach §
1 UKlaG i.V.m. §
307 Abs.
1 Satz
1 und 2 BGB verpflichtet, die Verwen-dung der gerügten [X.] zu unterlassen. Er
habe diese verwendet, in-dem er
sie im Rahmen der Vertragsanbahnung gegenüber einem mögli-chen Vertragspartner angeboten habe. Bei der [X.] handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von §
305 BGB. Sie sei für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Jedenfalls gegenüber dem Versicherungsinteressenten sei sie "gestellt" im Sinne von §
305 Abs.
1 BGB. Der
[X.] habe die [X.] in die Vertragsverhandlun-gen eingebracht, ohne dass deren Inhalt verhandlungsfähig gewesen sei.
Die [X.] sei unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot des §
307 Abs.
1 Satz
1 und 2 BGB verstoße. Dieses sei von dem Verwender vorformulierter Bedingungen auch im Bereich von [X.] ausnahmslos zu beachten, §
307 Abs.
3 Satz
2 BGB.

Die [X.] halte ferner einer Inhaltskontrolle nach §
307 Abs.
2 BGB nicht stand. Sie unterliege dieser, weil sie nicht zu dem Bereich [X.], der gemäß §
307 Abs.
3 Satz
1 BGB hiervon ausgeschlossen sei. Die [X.] sei inhaltlich unangemessen, weil sie eine Gefährdung des Vertragszwecks darstelle. Das versicherte Risiko werde durch die [X.] auf ein derart geringes Minimum reduziert, dass ein praktisch rele-vanter Bereich für den Versicherungsnehmer, der mit einem Vertrag
der vorliegenden Art für den Fall gesundheitlicher Beeinträchtigungen einen Ausgleich für den damit verbundenen Verdienstausfall anstrebe, nicht verbleibe. Schließlich sei die für einen Unterlassungsanspruch erforderli-che Wiederholungsgefahr gegeben.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

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5
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1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht zunächst angenom-men, dass die von dem [X.]n verwendete [X.] eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs.
1 Satz
1 BGB darstellt. Es handelt sich nach den aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts um eine vorformulierte Vertrags-bedingung, die der [X.] für eine Vielzahl von Verträgen gestellt hat. Ein individuelles Aushandeln der Vertragsklausel im Sinne von § 305 Abs.
1 Satz
3 BGB
liegt nicht vor.

Charakteristisch für Allgemeine Geschäftsbedingungen sind die Einseitigkeit ihrer Auferlegung sowie der Umstand, dass der andere [X.], der mit einer solchen Regelung konfrontiert wird, auf ihre Aus-gestaltung gewöhnlich keinen Einfluss nehmen kann. An dem hierin durch einseitige Ausnutzung der Vertragsgestaltungsfreiheit einer Ver-tragspartei zum Ausdruck kommenden Stellen vorformulierter Vertrags-bedingungen fehlt es dagegen, wenn sich deren Einbeziehung als das Ergebnis einer freien Entscheidung desjenigen darstellt, der vom ande-ren Vertragsteil mit dem [X.] konfrontiert wird ([X.], Urteil vom 17.
Februar 2010 -
VIII ZR 67/09, [X.]Z 184, 259 Rn.
18). Zwar kann eine vorformulierte Vertragsbedingung ausgehandelt sein, wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Vertragspartner die Wahl hat. Dazu genügt es aber
nicht, dass der andere Vertragsteil lediglich die Wahl zwischen bestimm-ten, von der anderen
Seite vorgegebenen Formularalternativen hat. [X.] ist vielmehr, dass er,
wenn er schon auf die inhaltliche Gestal-tung des vorgeschlagenen Formulartextes keinen Einfluss nehmen konn-te,
in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist
und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen ein-8
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6
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zubringen (Senatsurteil vom 7.
Februar 1996 -
IV ZR 16/95, [X.], 485 unter I 2 a; [X.], Urteile vom 17.
Februar 2010 aaO; vom 1.
Dezem-ber 2005 -
I [X.], NJW-RR 2006, 758 Rn.
26; vom 13.
November 1997 -
X [X.], NJW 1998, 1066 unter [X.], c; vom 3. Dezember 1991
XI
ZR 77/91, [X.], 503
unter [X.] a).

Hiervon ausgehend
hat der Senat entschieden, es handele sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, wenn Formulare für den Vertrags-partner des Verwenders zwar Wahlmöglichkeiten vorsehen, diesen aber
ein vorformulierter Vorschlag hinzugefügt ist, der
durch die Gestaltung des Formulars im Vordergrund steht und die anderen Wahlmöglichkeiten überlagert (Senatsurteil vom 7.
Februar 1996 aaO für die Gestaltung von Laufzeitklauseln in Versicherungsverträgen; ferner Senatsurteil vom 13.
Juli 1994 -
IV ZR 219/93, [X.], 363 unter 2
für den vorgedruck-ten Text "Versicherungsdauer 10 Jahre"). Demgegenüber liegt keine All-gemeine Geschäftsbedingung vor, wenn ein Vertragsformular eine offene Stelle hinsichtlich der Vertragslaufzeit enthält, die vom Vertragspartner des Verwenders nach seiner freien Entscheidung als selbständige Er-gänzung auszufüllen ist, ohne dass vom Verwender vorformulierte [X.] hinzugefügt werden ([X.], Urteil vom 13.
Novem-ber 1997 -
X [X.]
aaO
unter [X.], c).

Danach
ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht bei der hier streitigen [X.] von einer einseitig durch
den
[X.]n gestellten Bedingung ausgegangen ist. Er hat dem [X.]en
auf dessen Anfrage hin lediglich zwei verschie-dene Angebote unterbreitet. Während das Angebot Nr.
1 auf der [X.] der Allgemeinen Bedingungen für die selbständige Berufsunfähig-keitsversicherung einen Jahresbeitrag von 1.593,58

das Angebot Nr.
2 bei einem Jahresbeitrag von 1.127,16

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7
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hier streitgegenständliche [X.]. Die bloße Wahlmöglichkeit des [X.]s zwischen zwei vom Versicherer entworfenen [X.]n
mit unterschiedlichem Inhalt und verschiedener Preisgestaltung führt [X.] nicht dazu, dass bei der Auswahl einer dieser [X.]n
durch den Versicherungsnehmer von einem individuellen Aushandeln ausgegangen werden könnte. Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts war der Inhalt der [X.]n nicht verhandlungsfähig. Abweichendes ergibt sich auch aus den vom [X.] vorgelegten Angeboten nicht.
Es ist nicht ersichtlich, dass der [X.] die Möglichkeit gehabt hätte, auf die inhaltliche Ausgestaltung dieser Angebote Einfluss zu nehmen oder weitere Alterna-tivvorschläge vorzulegen und diese effektiv in die Verhandlungen einzu-bringen.

Ein Aushandeln im Einzelnen setzt voraus, dass der Verwender den Kerngehalt seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener
Interessen einräumt (Senatsurteil vom 20.
Juli 2011
-
IV ZR 180/10, [X.], 1173 Rn.
25). Die Darlegungslast für ein in-dividuelles Aushandeln trifft den Verwender ([X.], Urteil vom 20.
März 2014
-
VII [X.], [X.]Z 200, 326 Rn.
27; [X.]/[X.], BGB 76.
Aufl. §
305 Rn.
23). Dem
ist der
[X.] nicht nachgekommen. Der Hinweis der Revision, es sei davon auszugehen, dass der seinerzeitige Versicherungsinteressent auf den Gehalt der [X.] hätte einwirken können, wenn er dies verlangt hätte, genügt hierfür nicht. Insbesondere war
für den Versicherungsinteressenten, als der [X.] ihm die beiden Angebote unterbreitete, in keiner Weise ersichtlich, dass es sich hierbei lediglich -
wie die Revision geltend macht -
um Extrempositionen handel-te
und seitens des [X.]n zwischen diesen beiden noch [X.]
-
8
-

lungsspielraum bestand. Für einen durchschnittlichen Versicherungsinte-ressenten war
nicht erkennbar, dass der [X.] bereit gewesen wäre, einen Vertrag zu einer anderen
Prämie oder einem anderen Prozentsatz einer näher festgelegten Berufsunfähigkeit abzuschließen.

2. Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob die angegriffene [X.]
nicht schon wegen unangemessener Benachteiligung des [X.]s gemäß §
307 Abs.
2 Nr.
2 BGB unwirksam ist. Ihre Unwirksamkeit könnte sich aus einer Gefährdung des Vertragszwecks ergeben. Versichert wird in ihr lediglich eine sitzende Tätigkeit von [X.] 90
%. Die [X.] löst sich damit von einer klassischen Berufs-unfähigkeitsversicherung, sichert vielmehr lediglich das Risiko einer [X.] Erwerbsunfähigkeit ab. Dies ist indessen nicht Sinn und Zweck einer Berufsunfähigkeitsversicherung, die gerade der Absicherung der konkreten beruflich geprägten Lebensstellung dient.

3. Im Ergebnis muss dies jedoch nicht entschieden werden. Die [X.] verstößt nämlich jedenfalls
wie das Berufungsgericht rechtsfeh-lerfrei angenommen hat

gegen das Transparenzgebot des §
307 Abs.
1 Satz
2 BGB.

a) Hierbei
kommt es zunächst
nicht darauf an, ob die [X.] das grundsätzlich der Inhaltskontrolle entzogene Preis-/Leistungsverhältnis betrifft. Aus §
307 Abs.
3 Satz
2 BGB ergibt sich, dass sich die [X.] auch auf das [X.] erstreckt (Se-natsurteil vom 26.
März 2014 -
IV ZR 422/12, [X.], 625 Rn.
35; [X.], Urteil vom 12.
Oktober 2007 -
V [X.], NJW-RR 2008, 251 Rn.
13). Nach dem Transparenzgebot des § 307 Abs.
1 Satz
2 BGB ist der Verwender Allgemeiner Geschäfts-
(hier: Versicherungs-)bedingun-gen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst 13
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9
-

klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die [X.] in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben, dass die [X.] die wirtschaftlichen Nachteile und Belastun-gen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert wer-den kann (Senatsurteil
vom 4.
März 2015 -
IV ZR 128/14, [X.], 571 Rn.
14; Senatsbeschluss vom 11.
Februar 2009 -
IV ZR 28/08, [X.], 533 Rn.
14; [X.], Urteil vom 9.
Dezember 2015 -
VIII ZR 349/14, [X.], 2101 Rn.
29).

b) Rechtsfehlerfrei
hat das Berufungsgericht hiernach eine In-transparenz der streitgegenständlichen [X.] bejaht. Nach der eigenen Auffassung des [X.]n wird für die Berufsunfähigkeit in dieser [X.] auf einen fingierten Beruf abgestellt. Der Versicherungsnehmer soll hiernach
nur dann berufsunfähig sein, wenn er den fingierten Beruf nicht ausüben kann, weil ihm eine Tätigkeit, die zu mindestens 90
% als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei auszuüben ist, nicht mehr möglich ist. Damit löst sich der [X.] in dieser [X.] von dem Berufsbild in § 3 Abs.
1 [X.] sowie in §
172 Abs.
2 [X.], indem nicht mehr -
wie sonst bei Berufsunfähigkeitsversicherungen allgemein üblich
-
auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist, sondern auf ei-nen fingierten Beruf, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des [X.]s nichts zu tun haben muss. Diese Abweichung vom [X.] Verständnis des versicherten Berufs erschließt sich einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten bei der Entscheidung über die Auswahl der beiden ihm unterbreiteten Angebote nicht
hinrei-chend.
Insbesondere wird ihm nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr einer Versicherungslücke verdeutlicht, die entsteht, wenn er eine 16
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nicht sitzende
oder zu weniger als 90
% sitzende Tätigkeit nicht mehr, eine zu mindestens 90
% sitzende Tätigkeit indessen weiter ausüben könnte.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Recht-sprechung des Senats so auszulegen, wie ein durchschnittlicher [X.] sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durch-sicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ver-steht. Dabei kommt es auf die [X.] eines [X.] ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und [X.] auch auf seine Interessen an (st. Rspr., vgl. etwa
Senatsurteile
vom 23.
Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 83, 85; vom 26. Oktober 2016

IV ZR 193/15, [X.], 90 Rn. 17). Ein durchschnittlicher Versiche-rungsnehmer wird die eingetretene Berufsunfähigkeit mit der
von ihm zu-letzt konkret ausgeübten Berufstätigkeit
in Verbindung bringen, so wie sie "in gesunden Tagen"
ausgestaltet war (vgl. Senatsurteil vom 14. De-zember 2016

IV ZR 527/15, [X.], 151 Rn. 23). In diesem [X.] wird er durch § 3 Abs. 1 der hier vereinbarten [X.] bestärkt. Von der bloßen Unfähigkeit der Berufsausübung in einem fiktiven Beruf wird er demgegenüber nicht ausgehen. Die [X.] soll für ihn erkennbar das Risiko abdecken, das für ihn infolge eines Einnahmeverlusts entsteht, wenn
er seinem tatsächlich zuletzt in [X.] ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann
(vgl. [X.] vom 7.
Dezember 2016
IV ZR 434/15, [X.], 147 Rn.
25). [X.] der [X.] dieses für den Versicherungsnehmer essentielle Inte-resse der Absicherung der Berufsunfähigkeit im zuletzt konkret [X.]n Beruf nicht oder nicht vollständig übernehmen, so muss er dies dem Versicherungsinteressenten in unmissverständlicher Weise deutlich ma-chen.
17
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Dies ist durch die hier streitgegenständliche [X.] nicht gesche-hen. In dieser wird in ihrem ersten Satz zunächst entsprechend der [X.] Regelung in § 3 Abs.
1 [X.]
darauf abgestellt, als versicherter Beruf gelte die vor Eintritt des Versicherungsfalles zuletzt ausgeübte Tä-tigkeit. Das
wird durch den zweiten Halbsatz indessen dahin einge-schränkt, dies gelte lediglich mit der Maßgabe, dass die Tätigkeit zu mindestens 90
% als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird. In welchem Verhältnis diese beiden Satzteile zueinander stehen, wird dem Versicherungsnehmer nicht hinreichend verdeutlicht. Dies geschieht auch nicht durch den weiteren Satz, wonach im Falle [X.] die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließ-lich auf dieser Basis erfolgt. Es bleibt gerade unklar,
welches die Basis für die Prüfung von Ansprüchen aus der Versicherung sein soll. So wird sich dem Versicherungsnehmer nicht ohne weiteres erschließen, dass er

wie der [X.] selbst vorbringt

einen Anspruch auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung haben kann, wenn ihm aus [X.] Gründen eine mindestens 90
%ige Schreibtischtätigkeit nicht mehr möglich ist, er eine derartige aber gar nicht ausübt, und infolge-dessen in seinem bisherigen konkret ausgeübten Beruf weder berufsun-fähig ist noch entsprechende Einkommensverluste hinzunehmen hat.

Wollte der
[X.] überhaupt nicht mehr auf die konkret vom Ver-sicherungsnehmer im Zeitpunkt seiner Erkrankung ausgeübte Tätigkeit abstellen, sondern auf einen rein fingierten Beruf einer zu
90
% sitzend ausgeübten Schreibtischtätigkeit, so hätte er dies deutlicher herausstel-len und insbesondere klarstellen müssen, dass durch diese [X.] von der allgemeinen Regelung in §
3 Abs.
1 [X.] abgewichen wird. In der Sache
will der [X.] hier -
worauf auch die
Revision ausdrücklich hinweist -
keinen konkret ausgeübten Beruf mehr versichern, sondern ei-18
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-

ne abstrakte Schreibtischtätigkeit mit einem bestimmten Prozentanteil. Insofern handelt es sich nicht mehr um eine klassische Berufsunfähig-keits-, sondern um eine mit bestimmten Modifikationen ausgestaltete Er-werbsunfähigkeitsversicherung. Dies führt zur Unwirksamkeit der [X.], da es sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer

ungeach-tet der oben angesprochenen Frage, ob eine solche Regelung auch auf inhaltliche Bedenken stößt

jedenfalls
nicht mit der für das Transpa-renzgebot erforderlichen Deutlichkeit
erschließt (vgl. zur Hinweispflicht des Versicherers bei Erwerbsunfähigkeitsklauseln Lücke in [X.]/[X.],
[X.] 29. Aufl. § 172 Rn. 126).

[X.] [X.] [X.]

Dr.
[X.]Dr. Götz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 07.05.2013 -
15 [X.]/12 -

KG Berlin, Entscheidung vom 01.03.2016 -
6 [X.] -

Meta

IV ZR 91/16

15.02.2017

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2017, Az. IV ZR 91/16 (REWIS RS 2017, 15606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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