Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.04.2003, Az. VI ZR 251/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3520

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:8. April 2003H o l m e s,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: nein[X.] § 106 Abs. 3 Alt. 3Zur Haftungsprivilegierung gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] (Unfall bei [X.] einer gemeinsamen Betriebsstätte), wenn ein Handwerker ein von einem Drittenerrichtetes Gerüst, das ihn bei der Ausführung seiner Arbeiten behindert, teilweiseabbaut und es anschließend nur unvollständig wieder aufbaut und ein in einem ande-ren Unternehmen tätiger Handwerker am nächsten Tag von diesem unvollständigbefestigten Teil des Gerüsts stürzt.[X.], Urteil vom 8. April 2003 - [X.] - [X.] [X.] -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und [X.][X.], Wellner, Pauge und Stöhrfür Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2002 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzver-pflichtung des Beklagten für materielle und zukünftige immaterielle Schädenaufgrund eines Unfalls vom 21. September 1999. Der Kläger ist [X.] Holzbau GmbH, die als Subunternehmerin beauftragt war, auf dem [X.] in [X.] eine Holzverkleidung anzubrin-gen. Der Beklagte, [X.], hatte - ebenfalls als Subunter-nehmer - den Auftrag, an dem Gebäude Türen einzusetzen und Fenster zu ver-glasen. Der dreistöckige Neubau war von einem 8 m hohen Arbeits- [X.] umstellt, welches ein Drittunternehmer errichtet hatte. Um [X.] einbauen zu können, hatten der Beklagte und seine Hilfskräfte das Ge-rüst am Vortag teilweise abgebaut und anschließend nur unvollständig wiederaufgebaut. So war auf der vierten Gerüstlage eine Laufbohle nur lose aufgelegt.- 3 -Als der Kläger diese Bohle vom Dach aus betrat, rutschte sie von der [X.]. Der Kläger stürzte etwa 8 m tief und zog sich schwere [X.]. Er hat den Beklagten auf Schadensersatz und Zahlung eines [X.] von mindestens 50.000 DM in Anspruch genommen. Das [X.] die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung zurückge-wiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene [X.] des [X.].Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 331 = [X.], 561veröffentlicht ist, meint, die Haftung des Beklagten sei gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3[X.] ausgeschlossen, da sich der Unfall bei Tätigkeiten auf einer [X.] Betriebsstätte ereignet habe. Diese Haftungsfreistellung komme [X.] als selbst mitarbeitendem Unternehmer zugute. Sie sei auch nichtwegen vorsätzlichen Handelns ausgeschlossen, denn der Beklagte habe [X.] nicht vorsätzlich herbeigeführt.I[X.] angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung [X.]. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer [X.] gem. § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] bejaht. Die getroffenenFeststellungen tragen nicht die Entscheidung, daß sich der Unfall auf einer ge-meinsamen Betriebsstätte ereignet [X.] -1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats erfaßt der [X.] gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3 Alt. 3 [X.] überdie Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von Versi-cherten mehrerer Unternehmen, die bewußt und gewollt bei einzelnen [X.] ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder [X.], wobei es ausreicht, daß die gegenseitige Verständigung stillschwei-gend durch [X.] erfolgt (grundlegend: Senatsurteil vom 17. [X.], [X.]Z 145, 331, 336; vgl. auch Senatsurteile [X.]Z 148, 209, 211; 148,214, 216; vom 23. Januar 2001 - [X.]/00 - [X.], 372, 373 und vom25. Juni 2002 - [X.]/01 - [X.], 1107 f.). Die Instanzgerichte (vgl.[X.], [X.], 1108, 1109; [X.], [X.], 328, 329; KG,[X.], 573 f.; [X.], [X.], 197, 198 mit [X.] vom 10. Juli 2001 - [X.]; [X.], [X.], 507) und [X.] (Urteil vom 12. Dezember 2002 - 8 [X.] - zur [X.] in [X.] vorgesehen) haben sich der Auffassung des erkennen-den Senats angeschlossen. An diesem Verständnis des Begriffs der [X.] Betriebsstätte, das auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung [X.] hat (vgl. [X.], [X.] 2001, 208 ff.; [X.]., [X.], 397, 398; [X.], [X.], 2294, 2296; Freyberger, [X.] 2001, 541, 542; Waltermann, NJW 2002,1225, 1229; im wesentlichen auch [X.], [X.], 547, 550; Höher,[X.], 372; kritisch hingegen [X.], [X.], 10 ff.), hält der Senat fest.2. Von dieser Definition der gemeinsamen Betriebsstätte geht im [X.] das Berufungsgericht aus. Es [X.] jedoch die Bedeutung der vomerkennenden Senat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2000 herausgestelltenBegriffsmerkmale, wonach es erforderlich ist, daß die Tätigkeiten der beteiligtenUnternehmen bewußt und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen,miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Das ist nicht- 5 -schon dann der Fall, wenn zwei Unternehmen auf [X.]elben Betriebsstätte [X.] oder dieselbe Baustelleneinrichtung benutzen. Eine "gemein-same" Betriebsstätte ist nach allgemeinem Verständnis mehr als dieselbe Be-triebsstätte, weshalb das bloße Zusammentreffen von [X.] mehrererUnternehmen nicht ausreichend ist (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2000,aaO sowie [X.], aaO unter [X.]). Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslosnebeneinander vollziehen, genügen ebensowenig wie eine bloße Arbeitsberüh-rung. Eine gemeinsame Betriebsstätte erfordert vielmehr eine Arbeitsverknüp-fung ([X.], aaO). Diese ist nur bei solchen betrieblichen Aktivitäten gegeben,die im faktischen Miteinander der Beteiligten aufeinander bezogen oder mitein-ander verknüpft oder auf gegenseitige Ergänzung oder Unterstützung ausge-richtet sind (Senatsurteil vom 17. Oktober 2000, [X.] die Revision mit Recht geltend macht, sind diese Voraussetzungennach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hier nicht erfüllt.a) Die vom Kläger anzubringende Holzverkleidung auf dem Dach hatte [X.] von dem Beklagten einzusetzenden Türen und Fenstern nichts zu tun. [X.], daß beide Tätigkeiten letztlich demselben Ziel, nämlich der Errichtungdesselben Gebäudes dienten, genügt nach der Rechtsprechung des erkennen-den Senats nicht. Für den Begriff der gemeinsamen Betriebstätte ist vielmehrerforderlich, daß bei betrieblichen Aktivitäten einzelne Maßnahmen ineinander-greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. [X.] ist hier auch nicht deshalb erfüllt, weil sich der Unfall auf einemGerüst ereignet hat, welches der Beklagte teilweise demontiert und anschlie-ßend unvollständig wieder aufgebaut hatte. Die von dem Beklagten an demvorhandenen Gerüst vorgenommenen Veränderungen zielten nicht darauf ab,die Tätigkeiten des [X.] (Anbringung der Dachverkleidung) zu ergänzen- 6 -oder zu unterstützen, sondern erfolgten allein deshalb, um die eigenen Arbeiten(Einsetzen von Türen), bei deren Ausführung das Gerüst störte, zu ermögli-chen. Zwar waren die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang ergriffe-nen Maßnahmen in der Weise mit den Aktivitäten des [X.] verknüpft, daßsie rein faktisch in dessen Arbeitsablauf eingriffen, doch geschah dies geradenicht, um dessen Tätigkeiten zu ergänzen, zu fördern oder zu unterstützen. [X.] führten sie zwangsläufig dazu, daß die Ausführung der Arbeiten des[X.] behindert und erschwert und der Kläger selbst gefährdet wurde.b) Allerdings kann eine Arbeitsverknüpfung im Einzelfall auch dann anzu-nehmen sein, wenn die von den Beschäftigten verschiedener Unternehmenvorzunehmenden Maßnahmen sich zwar nicht sachlich ergänzen oder [X.], die gleichzeitige Ausführung der betreffenden Arbeiten wegen derräumlichen Nähe aber eine Verständigung über den Arbeitsablauf erfordert undhierzu konkrete Absprachen getroffen werden. Das kann z.B. der Fall sein,wenn ein zeitliches und örtliches Nebeneinander dieser Tätigkeiten nur bei Ein-haltung von besonderen bei[X.]eitigen Vorsichtsmaßnahmen möglich ist unddie Beteiligten solche vereinbaren (vgl. [X.], aaO mit [X.] Senats). Eine solche Verständigung über ein bewußtes Nebeneinander imArbeitsablauf (vgl. Senatsbeschluß vom 23. Juli 2002 - [X.]/02 - NJW2002, 3334, 3335, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen) hat es im [X.] den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aber gerade nichtgegeben. Der Beklagte hat vielmehr ohne jede Absprache Teile des Gerüstsdemontiert. Mit dieser Vorgehensweise hat er nicht dazu beigetragen, die [X.] Aktivitäten des [X.] in irgendeiner Weise zu ergänzen, zu fördernoder zu unterstützen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine [X.] alledem kann die mit dem angefochtenen Urteil bestätigte Klageab-weisung keinen Bestand haben. Die Sache ist zur anderweiten [X.] Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.Müller [X.] Wellner Pauge Stöhr

Meta

VI ZR 251/02

08.04.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.04.2003, Az. VI ZR 251/02 (REWIS RS 2003, 3520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3520

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