Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.02.2011, Az. VIII B 51/10

8. Senat | REWIS RS 2011, 9364

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Gegenstand

(Entscheidungsbefugnis über Einspruch gegen die vom beauftragten FA erlassene Prüfungsanordnung - Abhilfebefugnis nach § 130 AO des beauftragten FA)


Leitsatz

1. NV: Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann noch im NZB-Verfahren geltend gemacht werden, wenn die Hauptsachenerledigung durch Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes erst nach dem abweisenden FG-Urteil eintritt .

2. NV: Die gemäß § 195 Satz 2 AO beauftragte Behörde hat über den Einspruch gegen eine von ihr erlassene Prüfungsanordnung zu entscheiden; dabei ist es eine Frage des Informationsstandes im Einzelfall, ob es hierbei noch einer klärenden Rücksprache mit dem beauftragenden Finanzamt bedarf .

3. NV: Die Befugnis zur Beauftragung eines anderen Finanzamts mit der Außenprüfung wird nicht durch Vorschriften zum Datenschutz eingeschränkt und verstößt auch nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung .

Gründe

<[X.]iv class="st-wrapper"><[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">1 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

1. Die Beschwer[X.]e ist zulässig. Dem Rechtsstreit liegt eine Prüfungsanor[X.]nung zugrun[X.]e, [X.]ie nach Ergehen [X.]es abweisen[X.]en Urteils [X.]es Finanzgerichts ([X.]) aufgehoben wur[X.]e. In einem solchen Fall nachträglicher Erle[X.]igung [X.]er Hauptsache kann [X.]as Fortsetzungsfeststellungsinteresse noch im Beschwer[X.]everfahren gelten[X.] gemacht wer[X.]en (Gräber/v. Groll, Finanzgerichtsor[X.]nung, 7. Aufl., § 100 Rz 59, m.w.N.). Ein berechtigtes Interesse an [X.]er Feststellung [X.]er Rechtswi[X.]rigkeit [X.]er erle[X.]igten Prüfungsanor[X.]nung hat [X.]er Kläger un[X.] Beschwer[X.]eführer (Kläger) hinreichen[X.] [X.]argelegt.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">2 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

2. Die Beschwer[X.]e ist aber nicht begrün[X.]et. Grün[X.]e für [X.]ie Zulassung [X.]er Revision (§ 115 Abs. 2 [X.]er Finanzgerichtsor[X.]nung --[X.]O--) liegen nicht vor.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">3 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

a) Die Rechtssache ist nicht von grun[X.]sätzlicher Be[X.]eutung. Wie [X.]er [X.] bereits entschie[X.]en hat, ist bei Erlass [X.]er Prüfungsanor[X.]nung [X.]urch [X.]ie mit [X.]er Prüfung gemäß § 195 Satz 2 [X.]er Abgabenor[X.]nung ([X.]) beauftragte Finanzbehör[X.]e ein Einspruch gegen [X.]ie beauftragte Behör[X.]e zu richten (vgl. § 357 Abs. 2 Satz 1 [X.]), [X.]ie [X.]ann auch [X.]arüber zu befin[X.]en hat (§ 367 Abs. 1 [X.]; siehe Urteil [X.]es [X.] --BFH-- vom 18. November 2008 VIII R 16/07, [X.], 311, [X.], 507).

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">4 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Diese Befugnis [X.]es beauftragten Finanzamts ([X.]) erstreckt sich bei einer Ermessensentschei[X.]ung --wie im [X.] im Einspruchsverfahren insbeson[X.]ere auch auf [X.]ie Prüfung, ob [X.]ie Grenzen [X.]es gesetzlich eingeräumten Ermessens eingehalten sin[X.], ob vom Ermessen in einer [X.]em Gesetzeszweck entsprechen[X.]en Weise Gebrauch gemacht wor[X.]en ist un[X.] ob [X.]ie Ausübung [X.]es Ermessens im konkreten Fall zweckmäßig war.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">5 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Ob für [X.]iese Prüfung nach Erteilung [X.]es [X.] eine weitere Abstimmung zwischen [X.]en beteiligten Ämtern erfor[X.]erlich ist, ist eine Frage [X.]er tatsächlichen Verhältnisse [X.]es Einzelfalls. Sieht sich [X.]as beauftragte [X.] zur rechtlichen Überprüfung [X.]er Prüfungsanor[X.]nung nicht in [X.]er Lage, weil ihm entschei[X.]ungserhebliche Informationen [X.]es beauftragen[X.]en [X.] fehlen, hängt [X.]ie Entschei[X.]ung über [X.]ie Einspruchsentschei[X.]ung [X.]urch [X.]as [X.]azu berufene beauftragte [X.] von einer klären[X.]en Rücksprache unter [X.]en Finanzämtern ab. In [X.]er Entschei[X.]ung in [X.], 311, [X.], 507 ([X.]ort unter II.2.[X.] [X.]er Grün[X.]e) ist [X.]ies [X.]amit zum Aus[X.]ruck gebracht, [X.]ass sich [X.]as Zusammenwirken verschie[X.]ener Ämter "auch im Einspruchsverfahren fortsetzt un[X.] [X.]ie [X.] [X.]em beauftragten Finanzamt übermittelt   o[X.]er erfor[X.]erlichenfalls   vor Erlass [X.]er Einspruchsentschei[X.]ung abgestimmt wer[X.]en". Damit ist nicht entschie[X.]en, [X.]ass [X.]ie Prüfung [X.]er Ermessensentschei[X.]ung im Einspruchsverfahren [X.]urch [X.]as beauftragen[X.]e [X.] zu erfolgen habe un[X.] [X.]as beauftragte [X.] nur als Bote für [X.]ie Weitergabe [X.]er Äußerungen [X.]es an[X.]eren [X.] zu fungieren habe, wovon offenbar [X.]er Kläger ausgeht.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">6 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

b) Aus [X.]er Rüge [X.]es [X.], [X.]as beauftragen[X.]e [X.] habe mit [X.]er Beauftragung gegen [X.]as Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoßen, insbeson[X.]ere gegen [X.]ie Grun[X.]sätze [X.]er Datensparsamkeit un[X.] [X.]er Datenvermei[X.]ung, ergibt sich wegen klarer gesetzlicher Regeln keine klärungsbe[X.]ürftige Rechtsfrage. Durch [X.]ie [X.] ist bun[X.]esgesetzlich [X.]ie Möglichkeit [X.]er Prüfungsbeauftragung ebenso geregelt wie [X.]as Steuergeheimnis, [X.]em [X.]ie prüfen[X.]en Be[X.]iensteten [X.]es beauftragten [X.] unterliegen. Datenschutzbestimmungen können [X.]en Regelungsgehalt [X.]ieser bun[X.]esgesetzlichen Normen nicht einschränken (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 [X.]es Bun[X.]es[X.]atenschutzgesetzes --BDSG--). Der Anwen[X.]ungsbereich [X.]es § 195 Satz 2 [X.] wir[X.] auch nicht [X.]urch allgemeine Prinzipien [X.]es Datenschutzrechts, wie sie in § 3a BDSG zum Aus[X.]ruck kommen ("Datenvermei[X.]ung un[X.] Datensparsamkeit"), suspen[X.]iert. Sollte [X.]er Kläger mit seinem Vorbringen zugleich eine --in [X.]er Anwen[X.]ung [X.]er Vorschriften [X.]er [X.] liegen[X.]e-- verfassungswi[X.]rige Einschränkung [X.]es Rechts auf informationelle Selbstbestimmung rügen wollen, wäre [X.]em nicht zu folgen. An[X.]ers als vom Kläger formuliert, geht es im Streitfall keineswegs [X.]arum, ob Daten von Steuerpflichtigen in [X.]er Finanzverwaltung "unbegrenzt ausgebreitet wer[X.]en [X.]ürfen".

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">7 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

c) Mit [X.]em Vorbringen (unter II.A. [X.]er Beschwer[X.]ebegrün[X.]ung), [X.]as unzustän[X.]ige [X.] habe entschie[X.]en, wir[X.] kein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O gerügt, [X.]a hierunter nur Fehler [X.]es Gerichts fallen, nicht aber Fehler [X.]er Behör[X.]e im Verwaltungsverfahren, [X.]ie revisionsrechtlich [X.]em materiellen Recht zuzuor[X.]nen sin[X.].

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">8 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

[X.]) Entgegen [X.]er Auffassung [X.]es [X.] ist [X.]ie Entschei[X.]ung über [X.]ie Rücknahme eines Verwaltungsakts nach § 130 [X.] nicht untrennbar mit [X.]er Einspruchsentschei[X.]ung verbun[X.]en. Vielmehr erlaubt § 130 [X.] unter [X.]en [X.]ort aufgeführten gesetzlichen Tatbestan[X.]svoraussetzungen eine Rücknahme [X.]es betreffen[X.]en Verwaltungsakts vor o[X.]er nach Eintritt [X.]er Bestan[X.]skraft un[X.] unabhängig von einem Rechtsbehelfsverfahren. Auch im Einspruchsverfahren kommt nicht (o[X.]er nicht nur) [X.]er zustän[X.]igen Behör[X.]e [X.]ie [X.] zu, vielmehr sieht § 367 Abs. 3 Satz 2 [X.] in [X.]en Fällen [X.]es Han[X.]elns einer an[X.]eren Behör[X.]e für [X.]ie zustän[X.]ige Finanzbehör[X.]e auf Grun[X.] gesetzlicher Vorschrift sogar aus[X.]rücklich eine [X.] [X.]es han[X.]eln[X.]en [X.] vor trotz fortbestehen[X.]er Befugnis [X.]er zustän[X.]igen Finanzbehör[X.]e zur Entschei[X.]ung über [X.]en Einspruch (§ 367 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Aus [X.]ieser letztgenannten Regelung lässt sich zu[X.]em [X.]er Schluss ziehen, [X.]ass einem beauftragten [X.] [X.]ie [X.] [X.]ann erst recht zukommen muss, wenn es --nach [X.]er Rechtsprechung [X.]es BFH-- auch über [X.]en Einspruch zu befin[X.]en hat.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">9 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

e) Die Rüge [X.]er Verletzung rechtlichen Gehörs wegen Nichtberücksichtigung wesentlichen Klägervorbringens greift nicht [X.]urch.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">10 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Grun[X.]sätzlich ist [X.]avon auszugehen, [X.]ass [X.]as Gericht [X.]en Klägervortrag zur Kenntnis nimmt un[X.] bei seiner Entschei[X.]ung erwägt. Das [X.] ist je[X.]och nicht gehalten, sich mit je[X.]em einzelnen Argument auseinan[X.]erzusetzen o[X.]er gar [X.]er Rechtsauffassung eines Beteiligten zu folgen.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">11 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

f) Es liegt auch kein Verfahrensfehler in [X.]er versagten Terminsaufhebung. Der Antrag auf Terminsaufhebung wur[X.]e nach [X.]em Akteninhalt [X.]amit begrün[X.]et, [X.]ass [X.]ie Witterungsbe[X.]ingungen extrem seien un[X.] [X.]er Kläger schwerbehin[X.]ert sei. Die Ablehnung [X.]es [X.] lässt angesichts [X.]ieser Begrün[X.]ung keinen Verfahrensfehler erkennen. Das [X.] hat [X.]ie Ablehnung [X.]arauf gestützt, [X.]ass [X.]ie Witterungsverhältnisse am Verhan[X.]lungstag nicht überraschen[X.] gewesen seien un[X.] bei einem terminierten Verhan[X.]lungsbeginn um 11:15 Uhr nach Einschätzung [X.]es Gerichts ausreichen[X.] Zeit für [X.]ie Anreise geblieben sei. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">12 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

g) Die Zulassung [X.]er Revision ist auch nicht aus [X.]em Grun[X.] [X.]es Erfor[X.]ernisses [X.]er Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [X.]O) geboten. Es liegt keine entschei[X.]ungserhebliche Divergenz [X.]es angefochtenen Urteils zu [X.]em vom Kläger zitierten Urteil in [X.], 311, [X.], 507 vor. Der Kläger will [X.]ieses Urteil in [X.]em Sinne verstehen, [X.]ass [X.]ie Ermessensentschei[X.]ungen hinsichtlich [X.]er Prüfungsanor[X.]nung auch im Einspruchsverfahren [X.]em beauftragen[X.]en [X.] vorbehalten bleiben. Ein Rechtssatz [X.]ieses Inhalts liegt [X.]em [X.]surteil in [X.], 311, [X.], 507 aber nicht zugrun[X.]e (vgl. unter II.2.c un[X.] [X.] [X.]er Entschei[X.]ungsgrün[X.]e [X.]ieses Urteils).

<[X.]iv class="st-section"><[X.]iv class="st-sbs-no">13 <[X.]iv class="st-sbs-txt">

Die Revision ist auch nicht wegen [X.]er vom Kläger gelten[X.] gemachten Gefahr künftig [X.]ivergieren[X.]er Rechtsprechung zuzulassen. Er bezieht sich insoweit auf [X.]as Urteil [X.]es Nie[X.]ersächsischen [X.] vom 30. November 2009  1 K 403/07 (nicht veröffentlicht), [X.]as je[X.]och einen an[X.]eren Sachverhalt un[X.] eine an[X.]ere entschei[X.]ungserhebliche ([X.] betraf. Die gegen jenes Urteil gerichtete Beschwer[X.]e auf Zulassung [X.]er Revision (BFH-Verfahren X B 14/10) hat sich mittlerweile [X.]urch übereinstimmen[X.]e Erklärung [X.]er Beteiligten in [X.]er Hauptsache erle[X.]igt.

Meta

VIII B 51/10

17.02.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 11. Februar 2010, Az: 1 K 217/09, Urteil

§ 130 AO, § 195 S 2 AO, § 357 Abs 2 S 1 AO, § 367 Abs 1 AO, § 367 Abs 3 AO, § 1 Abs 3 BDSG, § 3a BDSG, § 115 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.02.2011, Az. VIII B 51/10 (REWIS RS 2011, 9364)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9364

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