Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. B 6 KA 50/11 R

6. Senat | REWIS RS 2012, 471

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Ausschluss der Verordnung für sogenannte Lifestyle-Arzneimittel kraft Gesetzes - Verordnungsregress setzt eine Bekanntgabe des Ausschlusses in Arzneimittelrichtlinien nicht voraus


Leitsatz

So genannte Lifestyle-Arzneimittel sind kraft Gesetzes von der Verordnung in der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen; die Festsetzung eines Regresses setzt deshalb nicht die Bekanntgabe des Ausschlusses durch die Arzneimittelrichtlinien voraus.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. November 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Tatbestand

1

Der als Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie zur vertragsärztlichen Versorgung in [X.] zugelassene Kläger wendet sich gegen [X.] wegen der Verordnung des Arzneimittels [X.] im III. und [X.] Quartal 2006.

2

Das Fertigarzneimittel [X.] war im streitbefangenen Zeitraum zur Behandlung von Adipositas zugelassen, insbesondere bei Patienten mit einem Body-Mass-Index größer als 30 oder ab einem Body-Mass-Index größer als 27, die darüber hinaus einen oder mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Diabetes mellitus Typ II oder [X.] aufwiesen. Der Gemeinsame Bundesausschuss ([X.]) nahm mit Beschluss vom 17.10.2006 [X.] in die Liste der nach Anlage 8 (seit dem [X.]: [X.]) der Arzneimittel-Richtlinien (idF 16.5.2006, im Folgenden: [X.]) ausgeschlossenen Fertigarzneimittel auf. Die zu 2. beigeladene [X.] beantragte im September 2007 die Feststellung eines sonstigen Schadens wegen der Verordnung von [X.] durch den Kläger. Die Verordnungen datierten vom 12.9.2006, [X.], [X.], 2.11.2006, 10.11.2006, 13.11.2006, 14.11.2006 und 13.12.2006. Nach [X.] [X.] seien [X.] und Appetitzügler nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) verordnungsfähig. Darüber hinaus handele es sich um ein [X.] iS des § 34 Abs 1 Satz 7 [X.]B V. Im Rahmen seiner Anhörung verwies der Kläger auf die Zulassung von [X.] zur Behandlung von Adipositas beim Hinzutreten bestimmter Risikofaktoren. Für diese Indikationen seien auch die Verordnungen erfolgt. Der Beschluss des [X.] vom 17.10.2006 zu [X.] sei erst am 12.1.2007 veröffentlicht worden und damit erst ab dem 13.1.2007 gültig. Bis dahin sei [X.] zu Lasten der Krankenkassen verordnungsfähig gewesen.

3

Die beklagte Prüfungsstelle setzte mit Bescheiden vom [X.] einen Regress in Höhe von 417,56 Euro für das Quartal III/2006 und in Höhe von 1199,30 Euro für das Quartal IV/2006 fest. [X.] sei aufgrund seines Anwendungsgebietes nicht verordnungsfähig, weil es zur Abmagerung oder Zügelung des Appetits oder zur Regulierung des Körpergewichts eingesetzt werde.

4

Mit dem angefochtenen Urteil vom 2.11.2011 hat das [X.] die Bescheide vom [X.] aufgehoben. Die Beklagte habe zu Unrecht einen Regress wegen der Verordnung von [X.] festgesetzt. Dieses Arzneimittel sei vom Zeitpunkt seiner Zulassung ab 19.6.2006 bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses des [X.] vom 17.10.2006 am 12.1.2007 zu Lasten der [X.] verordnungsfähig gewesen. Zur konkreten Entscheidung darüber, welches Arzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]B V von der Versorgung ausgeschlossen sei, bedürfe es einer Beurteilung durch den sachverständigen [X.], dessen Beschluss konstitutive Wirkung habe. Dafür spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 [X.]B V.

5

Die hiergegen eingelegte Sprungrevision begründet die Beklagte damit, dass für [X.] ein gesetzlicher Verordnungsausschluss gelte, der sich unmittelbar aus § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]B V ergebe. Der [X.] habe angesichts des Anwendungsgebietes, für das [X.] arzneimittelrechtlich zugelassen sei, auch keinen Beurteilungsspielraum oder Ermessen hinsichtlich der Aufnahme in die Liste der ausgeschlossenen Arzneimittel gehabt. Es könne deshalb auch nicht auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Beschlusses ankommen. Die Anlage 8 der [X.] diene lediglich der Übersicht.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 2. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Leistungsausschluss könne nicht mit einem simplen Subsumtionsakt nachvollzogen werden. Auch für [X.] sei der Ausschluss umstritten gewesen, weil es zur Behandlung von Diabetes mellitus bei adipösen Patienten eingesetzt worden sei.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] hat die Bescheide vom [X.] zu Unrecht aufgehoben.

1. Das [X.] ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass es keines Verfahrens vor dem Beschwerdeausschuss bedurfte. Nach § 106 Abs 5 Satz 8 [X.]B V findet in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinien nach § 92 [X.]B V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Nach der Rechtsprechung des Senats ist diese Ausnahmevorschrift auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des [X.] ergibt (B[X.]E 108, 175 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]). Ein solcher Fall liegt hier vor. Unabhängig von der Frage, ob der Beschluss des [X.] als deklaratorisch oder konstitutiv anzusehen ist, ergibt sich die Unzulässigkeit der Verordnung materiell entweder aus dem Gesetz oder aus den [X.]. Dabei geht es nicht um medizinische Fragen, sondern um die Umsetzung normativer Vorgaben, sodass eine Vorbefassung des mit Vertretern der Ärzte und Krankenkassen fachkundig besetzten [X.] nach der Intention des Gesetzgebers nicht geboten erscheint (vgl B[X.] aaO, Rd[X.]4 unter Bezugnahme auf den [X.] zum [X.], BT-Drucks 16/3100 S 138).

2. Das [X.] hat aber zu Unrecht entschieden, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig sind. Rechtsgrundlage für die Bescheide ist § 106 Abs 2 [X.]B V (hier zugrunde zu legen idF des [X.]-Modernisierungsgesetzes <[X.]> vom 14.11.2003, [X.] 2190; zur Maßgeblichkeit von § 106 Abs 2 [X.]B V vgl B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]2 und B[X.]E 101, 130 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]4; B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]4; B[X.] SozR aaO [X.] Rd[X.]0; B[X.] SozR aaO [X.] Rd[X.]). Das [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der vorliegenden Streitigkeit über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von [X.] um einen Fall des § 106 [X.]B V und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte handelt (vgl B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]0 f; B[X.] SozR aaO [X.] Rd[X.]0-26; B[X.] SozR aaO [X.] Rd[X.]5 f). Es steht nämlich nicht die Fehlerhaftigkeit der Art und Weise der Verordnung in Frage, sondern die Zulässigkeit ihres Inhalts (vgl zur Unterscheidung B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]6 ff). Nach § 106 Abs 2 [X.]B V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 [X.]B V (§ 106 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B V) und/oder auf der Grundlage von arzt- und versichertenbezogenen Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 [X.] [X.]B V) geprüft. Über diese [X.] hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den [X.] gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 [X.]B V andere arztbezogene [X.] vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]2-14 mwN; B[X.] SozR aaO [X.] Rd[X.]0). Dies war auch in § 20 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vorgesehen, wie das [X.] ausgeführt hat, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht zuständig ist (s § 162 [X.]G und dazu zB B[X.] [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]2 mwN). Danach konnte eine Einzelfallprüfung der Behandlungs- und/oder Verordnungsweise erfolgen. Dem Beschluss der Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass sie eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

Die Beklagte hat zu Recht einen Regress wegen der Verordnungen von Acomplia in den [X.] und [X.]/2006 festgesetzt. Das Arzneimittel war zu dieser [X.] unmittelbar durch Gesetz von der Verordnung in der [X.] ausgeschlossen. Dass seine Aufnahme in die Anlage 8 der [X.], Übersicht der ausgeschlossenen Fertigarzneimittel, erst im Januar 2007 veröffentlicht wurde, hat nicht zu Folge, dass der [X.] erst ab diesem Datum zu beachten wäre. Nach § 34 Abs 1 Satz 7 [X.]B V sind Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine erhöhte Lebensqualität im Vordergrund steht. Satz 8 der Vorschrift enthält eine Konkretisierung dahingehend, dass insbesondere Arzneimittel ausgeschlossen sind, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln nach Satz 9 die Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B V.

Der Ausschluss der in § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]B V genannten Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tritt kraft Gesetzes ein. Trotz des dem [X.] in § 34 Abs 1 Satz 9 [X.]B V erteilten Auftrags zur Regelung des Näheren wirkt die Aufnahme der in den Sätzen 7 und 8 bezeichneten Arzneimittel in die [X.] nicht konstitutiv (aA [X.] Marburg Urteil vom 14.10.2009 - [X.] KA 243/08 - Juris; [X.] Berlin Beschluss vom [X.] - [X.] KA 53/07 - Juris). Die Wendung "sind von der Versorgung ausgeschlossen" in § 34 Abs 1 Satz 6, 7 und 8 [X.]B V zielt auf eine unmittelbare Rechtsfolge und nicht allein auf eine Ermächtigung des [X.], die Rechtsfolge des [X.]es durch entsprechende Regelung in den [X.] zu bewirken. Dass im Einzelfall [X.] bestehen können, begründet keine Zweifel am Vorliegen eines gesetzlichen Ausschlusses. Der Einwand, die lediglich deklaratorische Wirkung der Umsetzung der Verordnungsausschlüsse in den [X.] nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B V sei mit dem Auftrag zur Regelung des "Näheren" an den [X.] in § 34 Abs 1 Satz 9 [X.]B V nicht zu vereinbaren, greift nicht durch.

Die Richtlinien des [X.] sind nach übereinstimmender Auffassung aller damit befassten Senate des B[X.] untergesetzliche Normen (vgl B[X.]E 96, 261 = [X.]-2500 § 92 [X.], Rd[X.]; B[X.]E 110, 183 = [X.]-2500 § 34 [X.], Rd[X.]2). Das impliziert, dass der [X.] mit den Richtlinien auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigungen die Rechtslage gestaltet und nicht nur quasi "notariell" verlautbart, was im Gesetz bereits geregelt ist. Angesichts der sehr unterschiedlichen Regelungstiefe der gesetzlichen Ermächtigungen an den [X.] im [X.]B V wird dieses Normsetzungskonzept aber nicht durch einzelne gesetzliche Bestimmungen in Frage gestellt, die den maßgeblichen Regelungsinhalt bereits in sich tragen. Der Regelungsauftrag des Gesetzgebers an den [X.] hängt ganz von der jeweiligen Ermächtigungsnorm ab und hat keinen gleichsam allgemeingültigen Inhalt. Soweit das Gesetz einen Leistungsausschluss für bestimmte Indikationen selbst enthält, beschränkt sich die Aufgabe des [X.] auf die Umsetzung dieses Ausschlusses etwa durch ausdrückliche Aufführung bestimmter davon erfasster Arzneimittel oder durch Bewertung von Arzneimitteln, die für unterschiedliche Indikationen zugelassen sind. Gerade in Grenzfällen der Zuordnung von Arzneimitteln zu diesen Ausschlussindikationen kann den [X.], soweit sie auf § 34 Abs 1 Satz 9 [X.]B V beruhen, eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen. Das schließt aber nicht aus, dass der Gesetzgeber [X.] der Verordnungsausschlüsse selbst vorgibt und diese unabhängig von und - was hier von Bedeutung ist - auch schon vor dem Inkrafttreten der Ausführungsregelung durch den [X.] für Vertragsärzte und Versicherte verbindlich sind. Anders als in § 34 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.]B V findet sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis verbunden mit einem positiven Regelungsauftrag an den [X.] (vgl dazu B[X.]E 102, 30 = [X.]-2500 § 34 [X.]) in § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 [X.]B V gerade nicht. Dem [X.] kommt vielmehr nur die Aufgabe zu, das "Nähere" zu konkretisieren. Dass § 34 [X.]B V unmittelbar gesetzlich bestimmte Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit in der [X.] ausnimmt, zeigt auch die Vorschrift des § 31 Abs 1 Satz 1 [X.]B V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 [X.]B V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B V ausgeschlossen sind.

Für einen unmittelbaren Ausschluss kraft Gesetzes streitet insbesondere die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Einfügung der Sätze 7 bis 9 in § 34 Abs 1 [X.]B V diente nach der Begründung des Gesetzentwurfs zum [X.] der Rechtssicherheit von Krankenkassen und Vertragsärzten, indem klargestellt werden sollte, dass die Arzneimittel, die nach den [X.] des [X.] von der Verordnung zu Lasten der [X.] ausgeschlossen waren, nicht Gegenstand des Leistungskatalogs der [X.] sind (BT-Drucks 15/1525 [X.]). Es sollten nachträglich die zuvor vom [X.] nach Auffassung des B[X.] ohne Rechtsgrundlage vorgenommenen Leistungsausschlüsse (vgl B[X.]E 85, 36 = [X.]-2500 § 27 [X.]; B[X.]E 94, 302 = [X.]-2500 § 34 [X.]; B[X.] [X.]-2500 § 137c [X.]) legitimiert werden. Das B[X.] hatte zuvor für die Behandlung der erektilen Dysfunktion mittels [X.] entschieden, dass der [X.] nicht befugt war, im Rahmen der [X.] die Behandlung bestimmter Krankheiten oder Krankheitssymptome zu Lasten der [X.] gänzlich auszuschließen (B[X.]E 85, 36 = [X.]-2500 § 27 [X.]), weil eine solche Leistungsbegrenzung dem Gesetzgeber vorbehalten sei. Als Reaktion hierauf hat der Gesetzgeber den Leistungsausschluss in § 34 Abs 1 Satz 7 und 8 [X.]B V in enger Anlehnung an die zuvor in [X.].1 der [X.] aF geregelten Leistungsausschlüsse formuliert. Wenn er damit der Forderung nach einer gesetzlichen Regelung von indikationsbezogenen [X.] nachkam, ist davon auszugehen, dass eine unmittelbare Wirkung der Regelung und nicht nur eine Ermächtigung für Regelungen durch den [X.] intendiert war.

Dementsprechend hat der Senat in seiner Entscheidung vom 11.5.2011 zum Ausschluss des Vorverfahrens bei [X.] die hier betroffene Regelung des § 34 Abs 1 Satz 7 [X.]B V neben derjenigen der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 1 [X.]B V und der Bagatellarzneimittel nach § 34 Abs 1 Satz 6 [X.]B V als Beispiel für einen gesetzlichen Leistungsausschluss genannt (B[X.]E 108, 175 = [X.]-2500 § 106 [X.], Rd[X.]). Die Beklagte hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der 1. Senat des B[X.] in seiner Entscheidung vom 10.5.2005 zu dem Arzneimittel Viagra ausgeführt hat, dass durch Art 1 [X.]2 [X.] mit Wirkung ab dem 1.1.2004 sämtliche Arzneimittel, die der Behandlung der erektilen Dysfunktion dienen, von der Verordnung zu Lasten der [X.] ausgeschlossen worden seien (B[X.]E 94, 302 = [X.]-2500 § 34 [X.], Rd[X.]3 f; vgl auch B[X.] [X.]-1100 Art 3 [X.] 69 Rd[X.]: "Der gesetzliche Leistungsausschluss nach § 34 Abs 1 Satz 7 bis 9 [X.]B V …").

Wenn der Gesetzgeber mit § 34 Abs 1 Satz 9 [X.]B V auf die Richtlinien des [X.] verweist, wird lediglich die Präzisierung der auslegungsbedürftigen Begriffe und die Entscheidung in Zweifelsfällen einem sachverständigen Gremium übertragen, das in einem formalisierten Verfahren nach § 92 Abs 3a [X.]B V die Ausschlussgründe für ein Arzneimittel prüft. Die [X.] nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B V setzen die gesetzlichen Verordnungsausschlüsse im Wesentlichen lediglich um, indem sie die gesetzlichen Ausschlüsse präzisieren (B[X.]E 108, 175 = [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]). Nach den Vorstellungen des Entwurfs zum [X.] ist in den [X.] nach § 92 Abs 1 Satz 2 [X.] 6 [X.]B V die Abgrenzung zu Arzneimitteln vorzunehmen, bei denen eine medizinisch notwendige diagnostische oder therapeutische Wirkung im Vordergrund steht (BT-Drucks 15/1525 [X.]). Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber die Schwierigkeit der Abgrenzung im Einzelfall gesehen hat. Wenn er insoweit feststellt, der Ausschluss gelte grundsätzlich für alle Arzneimittel, die bezogen auf die überwiegende Zahl der Packungen in den genannten [X.] angewandt würden, dokumentiert dies zwar, dass die Entscheidung über den Ausschluss nicht immer ohne Weiteres von dem verordnenden Vertragsarzt anhand der ihm zugänglichen Informationen nachvollzogen werden kann, es möglicherweise vielmehr einer umfassenden medizinischen und statistischen Bewertung bedarf. Das spricht jedoch nicht notwendig gegen einen im Grundsatz bestehenden gesetzlichen Ausschluss. Soweit ein Arzneimittel ausschließlich für eines oder mehrere der in § 34 Abs 1 Satz 8 [X.]B V ausdrücklich genannten Anwendungsgebiete arzneimittelrechtlich zugelassen bzw wirksam ist, ist ein Leistungsausschluss ohne Weiteres erkennbar. Schwierige Abgrenzungsfragen stellen sich in diesen Fällen für den Vertragsarzt nicht. Auch bei Acomplia, das ausschließlich für die Behandlung von Adipositas arzneimittelrechtlich zugelassen war, war für den Arzt anhand seiner Wirkungsweise ersichtlich, dass es der [X.], die überwiegend zur Zügelung des Appetits dienen.

Allerdings ist die Formulierung des § 34 Abs 1 Satz 7 [X.]B V "eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht" in besonderem Maße konkretisierungsbedürftig. Der [X.] hat dementsprechend in § 14 Abs 1 [X.] (2006: [X.]8.1 [X.]) eine Präzisierung vorgenommen. Hinsichtlich der in § 34 Abs 1 Satz 8 [X.]B V genannten konkreten Zweckbestimmungen beschränken sich die [X.] in § 14 Abs 2 - abgesehen von der zusätzlichen Erwähnung der "sexuellen Dysfunktionen" - auf die Wiederholung des Gesetzestextes. Dass auch der [X.] selbst seine Beschlüsse zu den nach § 34 Abs 1 Satz 8 [X.]B V ausgeschlossenen Fertigarzneimitteln nicht als konstitutiv ansieht, verdeutlicht der Wortlaut des § 14 Abs 3 [X.] ([X.]8.3 aF), wonach die nach Absatz 2 ausgeschlossenen Arzneimittel "in einer Übersicht als Anlage II der [X.] zusammengestellt" sind.

Bei dieser Beurteilung kann offenbleiben, ob sich ein Ausschluss der Verordnungsfähigkeit von Acomplia nicht auch aus [X.]0.1. j der im Jahr 2006 geltenden [X.] ergab, wonach [X.] und Appetitzügler nur in Ausnahmefällen verordnet werden durften.

3. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des gesamten Verfahrens. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil sie keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl B[X.]E 96, 257 = [X.]-1300 § 63 [X.] 3, Rd[X.]6).

Meta

B 6 KA 50/11 R

12.12.2012

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Potsdam, 2. November 2011, Az: S 1 KA 28/09, Urteil

§ 31 Abs 1 S 1 SGB 5, § 34 Abs 1 S 6 SGB 5, § 34 Abs 1 S 7 SGB 5, § 34 Abs 1 S 8 SGB 5, § 34 Abs 1 S 9 SGB 5, § 73 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 6 SGB 5, § 92 Abs 3a SGB 5, § 106 Abs 2 SGB 5 vom 14.11.2003, Nr 17.1 aF AMRL, Nr 18.3 aF AMRL, § 14 Abs 3 AMRL

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. B 6 KA 50/11 R (REWIS RS 2012, 471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 471

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