Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.07.2021, Az. II R 26/19

2. Senat | REWIS RS 2021, 4054

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Gegenstand

Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last


Leitsatz

1. Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten.

2. Der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen wird mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet.

3. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 28.02.2019 - 3 K 3039/17 Erb aufgehoben.

Die Schenkungsteuer wird unter Abänderung des Schenkungsteuerbescheids des Beklagten vom 16.01.2017 und der Einspruchsentscheidung vom 04.09.2017 auf den Betrag festgesetzt, der sich bei Berücksichtigung einer Rentenlast in Höhe von 385.632 € ergibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war die Ehefrau des verstorbenen O ([X.]) und ist dessen Gesamtrechtsnachfolgerin. Der [X.] übertrug seinen [X.] an einer GmbH & Co. KG im Wege der Schenkung durch notariellen Vertrag vom 23.12.2004 auf die gemeinsame Tochter (Beschenkte), behielt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem [X.] bis zu seinem Tod vor. Nach seinem Tod war die Beschenkte verpflichtet, an die Klägerin, geboren im Dezember 1937, zu Lasten des [X.]s einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4.000 € zu zahlen. Der [X.] übernahm die Schenkungsteuer.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die Schenkungsteuer gegenüber dem [X.] zuletzt mit Bescheid vom [X.] fest, in dem die der Klägerin gegenüber bestehende Rentenzahlungsverpflichtung nicht in Ansatz gebracht wurde.

3

Nach dem Tod des [X.]s im Januar 2016 beantragte die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin, die Schenkungsteuerfestsetzung vom [X.] anzupassen und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende [X.] nunmehr steuermindernd zu berücksichtigen. Bei einem Jahreswert in Höhe von 48.000 € und einem am Todestag des [X.]s aufgrund ihres Lebensalters von 78 Jahren anzusetzenden Vervielfältiger von 8,034 bezifferte sie den zu berücksichtigenden Kapitalwert der [X.] mit 385.632 €.

4

Mit Änderungsbescheid vom 16.01.2017 berücksichtigte das [X.] die [X.] jedoch nur mit einem Betrag in Höhe von 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des [X.]s im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) abzuzinsen sei. Dadurch werde der Zinsvorteil abgegolten, den die Beschenkte durch die erst später mit [X.] (Tod des [X.]s im Januar 2016) beginnende Belastung mit der Schuld habe. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 04.09.2017 als unbegründet zurück.

5

Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab. Der Wert der [X.] sei auf den Tag des [X.]s (Tod des [X.]s) zu ermitteln und nach § 12 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes ([X.]) abzuzinsen. Soweit bei der rentenberechtigten Klägerin der schenkungsteuerliche Erwerb mit einem Wert von 385.632 € der Besteuerung unterworfen worden sei, sei ihr Hinweis auf das Korrespondenzprinzip wegen der unterschiedlichen Stichtage nicht zielführend. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2019, 824 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 12 Abs. 3 [X.] geltend, da eine aufschiebend bedingte Last zu einem ungewissen Zeitpunkt entstehe und damit auch zu einem unbestimmten Zeitpunkt fällig sei. Allenfalls hilfsweise sei eine Abzinsung eines dann aber auf den Übertragungsstichtag ermittelten [X.] vorzunehmen und ein Betrag in Höhe von 264.638 € steuermindernd zu berücksichtigen.

7

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 04.09.2017 aufzuheben und den Schenkungsteuerbescheid vom 16.01.2017 dahingehend zu ändern, dass die [X.] mit einem Betrag in Höhe von 385.632 € --hilfsweise in Höhe von 264.638 €-- berücksichtigt wird.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Es führt im Wesentlichen aus, der auf den Tag des [X.]s zu berechnende Kapitalwert der [X.] müsse auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung (23.12.2004) zurückgeführt werden, weil für die Steuerfestsetzung die ([X.] am Besteuerungsstichtag zugrunde zu legen seien. Mit dem Eintritt der Bedingung sei gleichzeitig auch die Fälligkeit auf einen bestimmten Zeitpunkt i.S. des § 12 Abs. 3 [X.] eingetreten.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Der [X.] entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Der Wert der Rentenverbindlichkeit der Beschenkten ist bei der Anpassung der Schenkungsteuerfestsetzung mit dem zum Zeitpunkt des [X.]s geltenden Vervielfältiger zu ermitteln (nachfolgend 1.). Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen (nachfolgend 2.).

1. [X.] Zeitpunkt für die Berechnung des [X.] einer aufschiebend bedingten Belastung ist der [X.].

a) Bei einer Schenkung gilt als steuerpflichtiger Erwerb grundsätzlich die Bereicherung des Bedachten (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 des [X.]). Gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 [X.] werden Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt.

Mit dem Ausdruck "Bedingung" knüpft § 6 Abs. 1 [X.] an das Bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs tritt die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Wirkung eines Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 06.05.2020 - II R 11/19, [X.], 424, [X.], 746, Rz 14, m.w.N.).

b) Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, zu denen auch die Schenkungsteuer gehört, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.

c) Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des [X.] anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des [X.] zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

Eine bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des [X.]s zu bewerten (vgl. [X.] vom 27.06.2006 - II B 162/05, [X.], 1845, unter [X.]). Zugrunde zu legen ist der bei [X.] geltende Vervielfältiger gemäß § 14 Abs. 1 [X.].

Dem steht --wie das [X.] zu Recht annimmt-- die Entscheidung des [X.] vom 06.10.1976 - II R 107/71 ([X.]E 121, 81, [X.] 1977, 211) nicht entgegen, da diese ausdrücklich die Frage offenlässt, ob bei der Bewertung einer aufschiebend bedingten, auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Nutzung der maßgebende Vervielfältiger nach dem Lebensalter des Berechtigten im Zeitpunkt des Erbfalls oder des Eintritts der Bedingung zu bemessen ist ([X.]-Urteil in [X.]E 121, 81, [X.] 1977, 211, unter II.2.a cc).

2. Die bedingte Last ist für den Zeitraum des [X.] zwischen dem Rechtsgeschäft und dem [X.] nicht nach § 12 Abs. 3 [X.] abzuzinsen.

a) Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist der Wert unverzinslicher Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden, mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Die Regelung des § 12 Abs. 3 [X.] beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung ([X.]-Urteil vom 22.08.2018 - II R 51/15, [X.]E 262, 448, [X.], 662, Rz 20). Durch die Abzinsung soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt ([X.]-Urteil vom 17.03.2004 - II R 76/00, [X.]/NV 2004, 1072, unter [X.], m.w.N.).

b) Die Vorschrift ermöglicht keine Abzinsung im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, die auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung führt. §§ 4 ff. [X.] bestimmen für den bedingten Erwerb entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand [X.] unberücksichtigt bleibt ([X.]-Urteil vom 30.04.1971 - III R 89/70, [X.]E 119, 300, [X.] 1971, 670, unter I[X.]b).

aa) Wie sich aus § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 [X.] ergibt, sind noch nicht fällige Forderungen nur dann sofort mit ihrem abgezinsten Wert anzusetzen, wenn die Fälligkeit zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt eintritt. Anders sind diejenigen Forderungen zu behandeln, bei denen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses unbestimmt ist. Für die Anwendung des § 12 Abs. 3 [X.] fehlt es bereits an einem bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit. Dieser ist aber als Berechnungs- oder Schätzungsgrundlage für eine Abzinsung oder den Ansatz eines niedrigeren Werts als des Nennwerts (§ 12 Abs. 1 [X.]) erforderlich.

bb) Während des [X.] zwischen dem Rechtsgeschäft der gemischten Schenkung und dem Eintritt der Bedingung fehlt es an einer Forderung, die abgezinst werden könnte. Mit Eintritt der Bedingung ist die Forderung erstmals zu berücksichtigen, sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet.

Das bedeutet, dass weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des [X.]s (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Tatbestandsvoraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 [X.] erfüllt sind.

cc) Auch der Regelungszweck des § 12 Abs. 3 [X.] erfordert keinen abgezinsten Ansatz der Last. Zwar mag der Nominalbetrag der Last im Bedingungszeitpunkt einen niedrigeren Wert haben, als er ihr im Zeitpunkt der gemischten Schenkung zuzumessen gewesen wäre, jedoch ist die Verminderung der Belastung aufgrund Zeitablaufs bereits durch die Kapitalisierung mit einem geringeren Vervielfältiger berücksichtigt.

c) Soweit sich aus Entscheidungen des [X.]s ([X.] in [X.], 1845, unter [X.]; [X.]-Urteil vom 27.08.2008 - II R 19/07, [X.]/NV 2009, 29, unter [X.]), in denen die Abzinsung bedingter Lasten nicht weiter erörtert wurde, etwas anderes ergibt, hält der [X.] hieran nicht mehr fest.

3. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Vorentscheidung aufzuheben. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Die Sache ist spruchreif.

Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verbindlichkeit der Beschenkten nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung mit dem Tod des [X.] entstanden ist, sodass aufgrund des rechtzeitigen Berichtigungsantrags der Klägerin die Festsetzung der Schenkungsteuer berichtigt werden kann. Auch hat das [X.] im Ansatz zutreffend den Wert der Verbindlichkeit am Todestag des [X.] zugrunde gelegt. Anders als das [X.] meint, ist die [X.] nicht auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung abzuzinsen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 [X.] sind nicht erfüllt. Die Höhe der nicht abgezinsten [X.] ist unstreitig.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung richtet sich nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 26/19

15.07.2021

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 28. Februar 2019, Az: 3 K 3039/17 Erb, Urteil

§ 12 Abs 1 ErbStG 1997, § 5 Abs 2 S 1 BewG 1991, § 6 Abs 1 BewG 1991, § 6 Abs 2 BewG 1991, § 12 Abs 1 BewG 1991, § 12 Abs 3 BewG 1991, § 14 Abs 1 S 1 BewG 1991, § 14 Abs 1 S 2 BewG 1991

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.07.2021, Az. II R 26/19 (REWIS RS 2021, 4054)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4054

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