Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2007, Az. 5 StR 505/06

5. Strafsenat | REWIS RS 2007, 4219

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5 [X.][X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 19. April 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges u. a. - 2 - Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 19. [X.] 2007, an der teilgenommen haben: [X.] als Vorsitzender, [X.]in [X.], [X.] Dr. Raum, [X.] Dr. Brause, [X.] Dr. Jäger als beisitzende [X.], [X.]

als Vertreter der [X.]schaft, Rechtsanwalt [X.], So. als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, - 3 - für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2006 aufgehoben, soweit der Angeklagte in den [X.]. 2. und 4. der Urteilsgründe freigesprochen worden ist. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstan-denen notwendigen Auslagen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.
[X.] Von Rechts wegen [X.]
G r ü n d e Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen sowie wegen vorsätzlichen Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens unter Einbeziehung von anderweitig verhäng-ten Geldstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn in weiteren Punkten freigesprochen. Mit [X.] des Freispruchs im [X.]. 1. der Urteilsgründe wendet sich die [X.] mit ihrem Rechtsmittel, das vom [X.] nicht 1 - 4 - vertreten wird, gegen die übrigen Freisprüche. Die Revision der Staatsan-waltschaft hat teilweise Erfolg. [X.] Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet, soweit sie sich ge-gen die Freisprüche in den [X.]. 2. und 4. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 2, 5 und 6 der Anklage vom 5. Oktober 2004) richtet. Im Übrigen [X.] bezüglich der Fälle V[X.] 3. der Urteilsgründe (entspricht Fällen 3 und 4 der Anklage vom 5. Oktober 2004) [X.] ist sie unbegründet. 2 1. Im [X.]. 2. der Urteilsgründe hat das [X.] den Angeklag-ten aus rechtlichen Gründen vom Vorwurf freigesprochen, in Kenntnis der seit dem 1. Dezember 1999 bestehenden Zahlungsunfähigkeit der [X.] ([X.] ), deren Geschäftsführer er war, spätestens bis zum 22. Dezember 1999 keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt zu haben. Das [X.] nimmt an, dass die Zahlungsunfähigkeit der [X.] dadurch entfallen sei, dass ihr ca. 2,2 Mio. DM gutgeschrieben wurden. Mit diesem Betrag sollte nach den Feststellungen des [X.] der Angeklagte für den [X.] Staatsangehörigen B. Aktien einer Bank erwerben. Entgegen der Auffassung des [X.] hat die am 23. Dezember 1999 eingegangene Überweisung über mehr als 2 Mio. DM die Zahlungsunfähigkeit der [X.] nicht ohne weiteres beseitigt. 3 a) Die Zahlungsunfähigkeit ist in § 17 Abs. 2 [X.] legaldefiniert. [X.] tritt Zahlungsunfähigkeit ein, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Hieran knüpfen die Insolvenzantra-gungspflicht des § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG und die einen diesbezüglichen Pflichtverstoß pönalisierende Strafvorschrift des § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG an. Nach der Rechtsprechung des [X.] bedeutet [X.] in diesem Sinne das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde [X.] - 5 - gen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu begleichen (BGHR GmbHG § 64 Abs. 1 Zahlungsunfähig-keit 1). b) Aufgrund der schuldrechtlichen Vereinbarung über den [X.] stand das Bankguthaben von 2,2 Mio. DM für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der [X.] nicht zur Verfügung. Maßgeblich für die Frage der Zahlungsunfähigkeit ist, was dem Schuldner an flüssigen Mit-teln zur freien Verfügung steht (Kirchhof in [X.] [X.] 4. Aufl. § 17 Rdn. 14). Für den Schuldner wäre eine freie Verfügung in diesem Sinne dann nicht mehr gegeben, wenn er die Gelder nur um den Preis einer neuerlichen Straf-tat für die Begleichung fälliger Verbindlichkeiten einsetzen könnte. Jedenfalls aber liegt eine Zahlungsunfähigkeit in den Fällen vor, in denen am [X.], der für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten eingesetzt werden könnte, ein nach §§ 47 ff. [X.] liquides Recht des Gläubigers fortbe-stehen würde, das ihm auch im [X.] den Zugriff sichern würde. Denn dann stünde der Vermögenswert selbst in der Insolvenz nicht mehr den Gläubigern als Verteilungsmasse zur Verfügung. 5 Dass ein solches Aussonderungsrecht im Sinne des § 47 [X.] hier gegeben ist, liegt aufgrund der Feststellungen des [X.] nahe. Den Urteilsgründen ist nämlich zu entnehmen, dass die Gelder auf ein erst kurz zuvor eröffnetes Konto der [X.] überwiesen wurden und aufgrund des [X.] hierfür auch eine eindeutige vertragliche Grundlage bestan-den hat (vgl. [X.], 1465, 1466; Ganter in MüKo [X.] 2001 § 47 Rdn. 354 ff.). 6 c) Nach der Rechtsprechung des [X.] sind allerdings sämtliche Einkünfte bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit heranzu-ziehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie aus Straftaten herrühren ([X.], 1952, 1954 m.w.N.). Der Unterschied zu der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation ist jedoch darin zu sehen, dass die Gelder noch 7 - 6 - nicht in das Betriebsvermögen der [X.] integriert waren. Deshalb standen sie auch für die Erfüllung fremder Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung. [X.] ist die Sachlage zu beurteilen, wenn der Verantwortliche die Gelder [X.] ob im Wege einer strafbaren Handlung oder in nicht strafbarer Weise [X.] dem Un-ternehmen zuführt, indem er ihre Separierung aufhebt. Deshalb würde, wenn der Angeklagte die zweckgebundenen Gelder tatsächlich für die Begleichung der fälligen Verbindlichkeiten der [X.] eingesetzt hätte, dies deren [X.] beseitigen. Solange die [X.] nachkommt, ist nämlich unerheblich, aus welcher Quelle ihre Einnahmen stammen ([X.], 1952, 1954). Die Strafkammer hat nicht festgestellt, dass der Angeklagte die auf dem neu eröffneten Konto gutgeschriebenen Geldbeträge für die [X.] und insbesondere zur Tilgung fälliger Verbindlichkeiten verwandt hat. Sowohl das weitere Schicksal der Verbindlichkeiten als auch des Überweisungsbetrages blieben unaufgeklärt. Ob der Angeklagte die zum Zwecke des [X.] überwiesenen 2,2 Mio. DM veruntreut hat, ist Gegenstand eines Strafverfah-rens, das vorläufig gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist. Für die Frage, ob die [X.] zahlungsunfähig war, ist allerdings eine nähere Aufklä-rung hierzu unumgänglich. 8 d) Entgegen der Auffassung des [X.] bestehen im vorliegen-den Fall hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Überschuldung im Sinne des § 19 [X.]. Besteht für fällige Verbindlichkeiten in erheblicher Größenordung keine Deckung, kann dies auch darauf hindeuten, dass kein Aktivvermögen vorhanden ist, das für deren Ausgleich herangezogen werden oder jedenfalls die Grundlage für eine kurzfristige Kreditgewährung bilden könnte. Die Überschuldung ist der Zahlungsunfähigkeit häufig vorgelagert (Kirchhof in [X.] aaO § 16 Rdn. 6). Bei der Erstellung einer Überschuldungsbi-lanz hätte im Übrigen die zweckgebundene Überweisung außer Betracht zu bleiben, weil solche Gelder kein Aktivvermögen des [X.]. Selbst wenn der Angeklagte sie in das Unternehmen —eingebrachtfi [X.] - 7 - ben sollte, wäre zugleich eine entsprechende Verbindlichkeit entstanden, die auf Ersatz des durch die zweckwidrige Verwendung entstandenen Schadens gerichtet wäre. 2. Hinsichtlich der Fälle V[X.] 4., die den Vorwurf zum Gegenstand ha-ben, der Angeklagte habe als Geschäftsführer der [X.] trotz Kenntnis der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit die Bilanzen für die Jahre 1999 und 2000 nicht erstellt, kann das Urteil ebenfalls keinen Bestand haben. Da die Ausfüh-rungen des [X.] zur Zahlungsunfähigkeit der [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegen, ergreift dieser Begründungsmangel auch die Freisprüche vom Vorwurf des Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 lit. [X.]. Es bedürfen sowohl das Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit nach § 283 Abs. 1 StGB als auch das des Eintritts der Zahlungseinstellung [X.] als objektive Bedingung der Strafbarkeit gemäß § 283 Abs. 6 StGB [X.] umfas-sender tatrichterlicher Prüfung. 10 11 3. Dagegen hat die Revision der Staatsanwaltschaft in den [X.]. 3. der Urteilsgründe keinen Erfolg. Das [X.] hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen insoweit im Ergebnis zu Recht freigesprochen. a) Dem Angeklagten liegt zur Last, es als Geschäftsführer der [X.] trotz Kenntnis der am 1. Dezember 1999 eingetretenen [X.] der Gesellschaft unterlassen zu haben, jeweils eine Bilanz zum 31. Dezember 1999 und zum 31. Dezember 2000 aufzustellen. Das [X.] hat den Freispruch damit begründet, dass das Unternehmen nicht über die erforderlichen Mittel verfügt hätte, die beiden Bilanzen über den [X.] aufstellen zu lassen, und ferner keine Anhaltspunkte dafür [X.], dass der Angeklagte die Bilanzen selbst hätte aufstellen können. 12 b) Diese Begründung des [X.] begegnet allerdings [X.] rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsgründe keine [X.] bei einem sol-chen Begründungsansatz erforderliche [X.] Übersicht über die wirtschaftliche 13 - 8 - Situation und die Geschäftstätigkeit der [X.] enthalten. Indes ist dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch hinreichend deutlich zu [X.], dass jedenfalls keine ausreichenden Mittel mehr vorhanden gewe-sen sein dürften, um den Steuerberater mit der Erstellung einer Bilanz zu betrauen. Angesichts dieser Sachlage kann der Senat dahinstehen lassen, ob eine Strafbarkeit schon dann nicht in Betracht kommt, wenn die [X.] erfolgt (§ 283 Abs. 6 StGB), bevor die Frist zur rechtzeitigen Bilanzerstellung abgelaufen ist (vgl. BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1, Bilanz 2). I[X.] 14 Im Hinblick auf den erheblichen Ermittlungsaufwand in den Fällen, in denen eine Zurückverweisung der Sache an das [X.] erfolgen [X.], könnte eine Sachbehandlung nach § 154 Abs. 2 StPO angezeigt erschei-nen. Die auch im Blick auf die lange zurückliegenden [X.] hier allenfalls zu erwartenden Strafen fallen gegenüber den gegen den Angeklagten bereits rechtskräftig verhängten Strafen nicht wesentlich ins Gewicht. [X.]Raum Brause Jäger

Meta

5 StR 505/06

19.04.2007

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.04.2007, Az. 5 StR 505/06 (REWIS RS 2007, 4219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4219

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