Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 160/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 7380

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Gegenstand

Verbraucherdarlehensvertrag im Fernabsatzgeschäft: Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers und Wertersatzanspruch des Darlehensgebers nach altem Recht


Leitsatz

Zur Auslegung von § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung und von § 312d Abs. 6 BGB in der bis zum 3. August 2009 geltenden Fassung (Fortführung von Senatsurteil vom 4. Juli 2023 - XI ZR 77/22, WM 2023, 1463 ff.).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 2. Juni 2022 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung hinsichtlich des von dem Kläger beanspruchten Nutzungsersatzes betreffend die Rückabwicklung der Darlehensverträge zurückgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger schloss mit der [X.] unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zwei jeweils durch eine Grundschuld besicherte [X.] über nominal 122.000 € bzw. 214.800 € mit einer Zinsbindung jeweils bis zum 30. Juni 2022. Es handelte sich um Forward-Darlehen. Über das dem Kläger zukommende Widerrufsrecht belehrte die Beklagte den Kläger bei Abschluss beider Darlehensverträge unzureichend.

2

Die Darlehen wurden nach Abruf durch den Kläger im April und Juni 2007 vollständig zur Ablösung von [X.] ausgezahlt. Der Kläger leistete die vereinbarten Ratenzahlungen. Mit Schreiben vom 14. November 2015 widerrief der Kläger seine auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen.

3

Mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 erklärte der Kläger die Kündigung der Darlehensverträge gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zum Ablauf der Zehnjahresfrist. Die Beklagte rechnete die Darlehen zum 30. November 2017 bzw. zum 31. Oktober 2017 ab. Diese wurden zu den jeweiligen Daten vom Kläger vollständig abgelöst.

4

Der Kläger beansprucht Zahlung von Nutzungsersatz in Höhe von 9.210,80 € bzw. von 17.154,93 € sowie die Rückzahlung der auf die Darlehen gezahlten Zinsen in Höhe von 55.406,13 € und 106.596,47 €. Die Beklagte hat hilfsweise mit [X.] und Ansprüchen auf Rückzahlung der Nettodarlehensvaluta aufgerechnet.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und einer vorsorglich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.] hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

8

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte infolge der Rückabwicklung der wirksam widerrufenen Darlehen kein Anspruch auf Nutzungsersatz in Bezug auf die von ihm erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen zu. Die nationale Regelung der Rechtsfolgen des Widerrufs eines Verbrauchervertrags in § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] [in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (im Folgenden: aF)] i.V.m. § 346 Abs. 1 [X.] sei bei im Fernabsatz geschlossenen [X.]n unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass der Darlehensgeber nur die empfangenen Leistungen, nicht aber die gezogenen Nutzungen herauszugeben habe. Nach dem Wortlaut der nationalen Regelung stehe dem Kläger ein Nutzungsersatzanspruch zwar zu. Die von den Parteien geschlossenen Darlehensverträge fielen aber in den zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/65/[X.] und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der [X.] und 98/27/[X.] (im Folgenden: Richtlinie 2002/65/[X.]). Deren Art. 7 Abs. 4 stehe einem Nutzungsersatzanspruch des Darlehensnehmers entgegen, wie der [X.] mit Urteil vom 4. Juni 2020 ([X.]/18 - [X.], [X.], 1190) entschieden habe. Der Unvereinbarkeit der [X.] Regelung in ihrer an rein nationalen Kriterien ausgerichteten Auslegung mit den europarechtlichen Vorgaben könne und müsse durch eine unionsrechtskonforme Rechtsfortbildung abgeholfen werden. Die Verweisung gemäß § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] und damit die Herausgabe der gezogenen Nutzungen nicht erfasse. Es liege eine unionsrechtskonform zu schließende verdeckte Regelungslücke vor, da nicht zu erkennen sei, dass der Anspruch des Verbrauchers auf Nutzungsersatz, der mit der Verweisung in § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF auf die [X.] verbunden sei, ein "gezielt gesetzter Bestandteil" des damaligen gesetzgeberischen Regelungskonzepts gewesen sei.

9

Die Anforderungen des § 312d Abs. 6 [X.] in der vom 8. Dezember 2004 bis zum 3. August 2009 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) für den Wertersatzanspruch der [X.] aus § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 [X.] seien erfüllt, so dass die Ansprüche des [X.] auf Rückzahlung der auf die beiden Darlehen gezahlten Zinsen durch die Hilfsaufrechnung der [X.] mit ihren [X.] erloschen seien. Die Beklagte habe den Kläger vor Abgabe seiner Vertragserklärungen gemäß § 312d Abs. 6 [X.] aF darauf hingewiesen, dass ihr im Fall eines wirksamen Widerrufs des Darlehensvertrags ein Wertersatzanspruch zustehe. So werde jeweils in den dem Kläger erteilten Widerrufsbelehrungen ausgeführt, dass der Kläger der [X.] gegebenenfalls Wertersatz zu leisten habe. Darüber hinaus werde der Kläger in dem ihm vor Vertragsschluss jeweils ausgehändigten Infoblatt "Information und Merkblatt zum [X.] für den Verbraucher" unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" auf den Wertersatzanspruch hingewiesen und zudem informiert, dies könne dazu führen, dass der Kunde die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müsse.

Auch die weitere Anspruchsvoraussetzung des § 312d Abs. 6 [X.] aF sei erfüllt, da der Abruf der beiden Darlehen durch den Kläger der Erteilung der ausdrücklichen Zustimmung zum Beginn mit der Ausführung der Dienstleistung vor Ende der Widerrufsfrist gleichzusetzen sei. Der - durch den ihm zuvor erteilten Hinweis über die möglichen Rechtsfolgen - informierte Verbraucher mache Gebrauch von seiner Entschließungsfreiheit und nehme eigeninitiativ die Möglichkeit wahr, den Unternehmer zu einem vor Ablauf der Widerrufsfrist liegenden Leistungsbeginn aufzufordern.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Die Revision des [X.] richtet sich gegen die Abweisung der von ihm geltend gemachten Nutzungsersatzansprüche und gegen die Zubilligung von [X.] für die Beklagte. Die Revision ist mit diesem Ziel gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Die Zulassung der Revision ist nicht lediglich auf die Nutzungsersatzansprüche des [X.] beschränkt. Die nur vorsorglich für den Fall der Annahme einer Zulassungsbeschränkung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist deshalb gegenstandslos.

Der Entscheidungssatz des angefochtenen Urteils enthält keinen Zusatz, der die zugelassene Revision in diesem Sinne einschränkt. Eine Eingrenzung des Rechtsmittels kann sich zwar auch aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils ergeben. Aus diesen muss dann aber mit ausreichender Klarheit hervorgehen, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nur wegen eines - tatsächlich und rechtlich selbständigen - abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 14 mwN). Das ist hier - bezogen auf die Nutzungsersatzansprüche des [X.] - nicht der Fall.

Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen zwar nur damit begründet, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage, ob das nationale Recht eine unionsrechtskonforme Auslegung im Lichte der Richtlinie 2002/65/[X.] dahin zulässt, dass ein Nutzungsersatzanspruch des [X.] ausgeschlossen ist, bislang höchstrichterlich nicht geklärt sei. Hiermit hat es aber lediglich den Anlass der Revisionszulassung mitgeteilt, ohne die im Tenor zugelassene revisionsrechtliche Nachprüfung von allen Ansprüchen aus den aufgrund der Widerrufe der Darlehensverträge entstandenen Rückgewährschuldverhältnissen entsprechend beschränken zu wollen (vgl. [X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 15).

2. Entgegen der Ansicht der Revision musste das Berufungsgericht nicht in Betracht ziehen, die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO an das [X.] zurückzuverweisen. Es liegt bereits nicht der von der Revision geltend gemachte wesentliche Mangel - eine willkürliche Rückübertragung des Rechtsstreits von dem Einzelrichter auf die Kammer - vor. Gemäß § 348a Abs. 2 ZPO legt der Einzelrichter den Rechtsstreit der Zivilkammer zur Entscheidung über eine Übernahme vor, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Sache oder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben. Die Beklagte weist in ihrer Revisionserwiderung zutreffend darauf hin, dass diese Voraussetzungen hier deshalb erfüllt sind, weil zum Zeitpunkt der Übertragung der Sache auf den Einzelrichter der Kläger andere - unzulässige - Klageanträge verfolgt hatte und erst die danach erfolgte Änderung der Klageanträge den Einzelrichter und die Kammer veranlasste, von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auszugehen und eine Vorlage an den [X.] zu erwägen.

3. a) Das Berufungsgericht ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Rechtsfolgen nach dem wirksam erklärten Widerruf des [X.] in erster Linie nach § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF richten. Nach dieser Vorschrift finden auf das Widerrufs- und Rückgaberecht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt (§§ 346 ff. [X.]) entsprechende Anwendung. Danach ergibt sich aus § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] für den hier maßgebenden Zeitraum, dass die darlehensgebende Bank dem Darlehensnehmer die mutmaßlich gezogenen Nutzungen aus den erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen erstatten muss (st. Rspr., [X.]surteil vom 12. März 2019 - [X.], [X.], 917 Rn. 19; [X.]sbeschlüsse vom 12. Januar 2016 - [X.], [X.], 454 Rn. 17 ff. und vom 22. September 2015 - [X.], [X.], 109 Rn. 7).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt eine Auslegung des nationalen Rechts im Lichte des Unionsrechts (vgl. [X.], Urteil vom 4. Juni 2020 - [X.]/18 - [X.], [X.], 1190) dahin, dass einem Verbraucher aus einem nach erklärtem Widerruf [X.] im Fernabsatz im Sinne der Richtlinie 2002/65/[X.] geschlossenen Darlehensvertrag kein Anspruch aus § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF i.V.m. § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] auf Nutzungsersatz hinsichtlich erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen zusteht, nicht in Betracht (dazu ausführlich [X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 17 ff.).

Eine Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion setzt wie eine Analogie eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 21). An einer solchen fehlt es hier, wie der [X.] (Beschluss vom 12. Januar 2016 - [X.], [X.], 454 Rn. 19 ff.) bereits ausführlich begründet hat. Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Geltung des neuen Rechts auf die Zukunft zu beschränken, kann der [X.] nicht revidieren ([X.]sbeschluss, aaO Rn. 22; [X.]surteil, aaO).

Das Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 4. Juni 2020 ([X.]/18 - [X.], [X.], 1190), in dem der Gerichtshof entschieden hat, Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2002/65/[X.] sei dahin auszulegen, dass ein Verbraucher, der sein Widerrufsrecht in Bezug auf einen im Fernabsatz mit einem Anbieter geschlossenen Darlehensvertrag ausübt, von dem Anbieter vorbehaltlich der Beträge, die er selbst unter den in Art. 7 Abs. 1 und 3 dieser Richtlinie genannten Bedingungen an ihn zahlen muss, die Erstattung der zur Erfüllung des [X.] verlangen kann, nicht aber Nutzungsersatz auf diese Beträge, ändert daran nichts. Der [X.] kann § 357 Abs. 1 [X.] aF nicht entgegen dem ausdrücklichen Willen des nationalen Gesetzgebers für im Fernabsatz geschlossene [X.] teleologisch reduzieren ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 23 f.).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes nicht unter Hinweis darauf konstruiert werden, der Gesetzgeber habe ausweislich der [X.] jedenfalls den zwingenden Vorgaben der Richtlinie 2002/65/[X.] genügen wollen (vgl. [X.]surteil vom 3. Juli 2018 - [X.], [X.], 1601 Rn. 14). Es ergibt sich nicht nur aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik, sondern auch aus der Gesetzesbegründung, dass eine planwidrige Regelungslücke, die das Berufungsgericht erkennen möchte, tatsächlich nicht vorliegt (vgl. dazu ausführlich [X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 25 f.). Der Gesetzgeber hat in dem hier maßgebenden Zeitraum einen Nutzungsersatzanspruch des Verbrauchers bewusst und ausdrücklich geregelt. Über diesen eindeutigen gesetzgeberischen Willen hat sich das Berufungsgericht hinweggesetzt, indem es einen solchen Anspruch im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung und mit einem angeblichen unionsrechtskonformen Umsetzungswillen des Gesetzgebers verneint hat ([X.]surteil vom 4. Juli 2023, aaO Rn. 26).

4. Keinen Erfolg hat die Revision demgegenüber, soweit sie sich gegen den Wertersatzanspruch der [X.] wendet. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei erkannt, dass sich die Ansprüche der [X.] auf Herausgabe der von dem Kläger erlangten Gebrauchsvorteile für die überlassene Darlehensvaluta nach § 312d Abs. 6 [X.] aF i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 [X.] und nach dem [X.] richten ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 27 mwN).

Nach § 312d Abs. 6 [X.] aF hat der Verbraucher bei Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen abweichend von § 357 Abs. 1 Satz 1 [X.] aF Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt nur zu leisten, wenn er vor Abgabe seiner Vertragserklärung auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist und wenn er ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Das Berufungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass diese Voraussetzungen vorliegend gegeben sind.

a) Es hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger einen Hinweis im Sinne des § 312d Abs. 6 [X.] aF erteilt hat.

aa) In der Widerrufsbelehrung heißt es, dass bei einer form- und fristgerechten Erklärung des Widerrufs die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gegebenenfalls gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben sind. Es wird angegeben, dass - wenn die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht zurückgewährt werden kann - insoweit gegebenenfalls Wertersatz zu leisten ist.

Dieser Hinweis informiert ausreichend über die Rechtsfolge im Sinne des § 312d Abs. 6 [X.] aF. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift besteht die Rechtsfolge darin, Wertersatz für die erbrachte Dienstleistung nach den Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt leisten zu müssen. Auch die Gesetzesbegründung stellt darauf ab, dass sich die in Art. 7 der Richtlinie 2002/65/[X.] enthaltene Pflicht des Verbrauchers, nach Widerruf eine anteilige Vergütung für die tatsächlich erbrachte Dienstleistung zu zahlen, im [X.] Recht aus den gesetzlichen Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt, die § 357 Abs. 1 [X.] für den Widerruf von Verbraucherverträgen für entsprechend anwendbar erklärt, insbesondere aus § 346 Abs. 2 Nr. 1 [X.], ergibt (vgl. BT-Drucks. 15/2946, [X.]). Aus der Widerrufsbelehrung ergibt sich, dass ein Rückgewährverhältnis entsteht und dass der Verbraucher zur Leistung von Wertersatz für die empfangenen Leistungen und für die gezogenen Nutzungen verpflichtet sein kann.

bb) Das Berufungsgericht ist zudem zutreffend davon ausgegangen, dass es ausreichend ist, dass zwar nicht in der Widerrufsbelehrung, aber in dem Infoblatt "Information und Merkblatt zum [X.] für den Verbraucher" angegeben ist, dass die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz dazu führen könne, dass der Kunde die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen für den Zeitraum bis zum Widerruf gleichwohl erfüllen müsse.

Der Wertersatzanspruch muss entgegen der Meinung der Revision in dem nach § 312d Abs. 6 [X.] aF zu erteilenden Hinweis der Höhe nach nicht beziffert werden. Dem Wortlaut nach muss sich dieser Hinweis nur auf die Rechtsfolge und somit auf die Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz beziehen.

Eine umfassendere Informationspflicht hat der Gesetzgeber an anderer Stelle geregelt. In Übereinstimmung mit Art. 7 Abs. 3 Satz 1 und Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a der Richtlinie 2002/65/[X.] hat er vorgesehen, dass "Informationen über den Betrag, den der Verbraucher im Fall des Widerrufs oder der Rückgabe gemäß § 357 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die erbrachte Dienstleistung zu zahlen hat", gemäß § 312c Abs. 1 [X.] in der vom 8. Dezember 2004 bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung zu erteilen sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 10 [X.]-InfoV in der vom 8. Dezember 2004 bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung). Es ist daher ausreichend, wenn Angaben zur Höhe des Anspruchs in den vorvertraglichen Informationen enthalten sind.

Dabei ging der Gesetzgeber davon aus, dass in einer Reihe von Fallkonstellationen (z.B. Zinszahlungen) eine genaue Bezifferung des Betrages nicht möglich sein dürfte (vgl. BT-Drucks. 15/2946, [X.]). Dies ist auch hier der Fall. Der vom Darlehensnehmer geschuldete Wertersatz bemisst sich gemäß § 346 Abs. 2 Satz 2 [X.] nach der im Vertrag vereinbarten Gegenleistung und damit nach dem [X.]. Sowohl die vereinbarte Verzinsung als auch die Dauer der Kapitalüberlassung, die der Darlehensnehmer mit seinen Rückzahlungen selbst bestimmt, sind diesem bekannt und legen die Höhe der Wertersatzpflicht fest. Dem Darlehensgeber ist es danach nicht möglich, zu einem Zeitpunkt vor Vertragsabschluss seinen Wertersatzanspruch für den Fall eines später erklärten Widerrufs konkret zu beziffern. Der Darlehensnehmer ist zudem nicht schutzbedürftig, weil ihm die erforderlichen Informationen zur Berechnung des [X.] zur Verfügung stehen ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 32).

b) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht weiter festgestellt, dass der Kläger gemäß § 312d Abs. 6 [X.] aF ausdrücklich zugestimmt hat, dass die Beklagte vor Ende der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt.

Eine ausdrückliche Zustimmung in diesem Sinne liegt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, in dem Abruf des Darlehens durch den Darlehensnehmer. Der Darlehensnehmer erklärt sich, indem er von dem Darlehensgeber verlangt, das Darlehen auszuzahlen, nicht nur mit der Leistungserbringung des Darlehensgebers einverstanden, sondern fordert diesen aktiv zur Leistung auf. Mit einer solchen Erklärung stimmt er ausdrücklich dem Beginn der Ausführung der Dienstleistung durch den Darlehensgeber vor Ende der Widerrufsfrist zu, wenn diese zum Zeitpunkt der Erklärung, wie hier, noch nicht abgelaufen ist ([X.]surteil vom 4. Juli 2023 - [X.], [X.], 1463 Rn. 34). Die Frage, ob dem Verbraucher bei seiner Zustimmung zur Vertragsdurchführung die Rechtsfolgen seines Handelns vor Augen stehen müssen, stellt sich in der vorliegenden Konstellation daher nicht. Entgegen der Ansicht der Revision muss der Verbraucher auch nicht zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass der Zeitpunkt der Ausführung der Dienstleistung vor dem Ablauf der Widerrufsfrist liegt. § 312d Abs. 6 [X.] verpflichtet nur zu einem Hinweis auf die Wertersatzpflicht (vgl. [X.], [X.], 370, 371).

III.

Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ellenberger     

  

Grüneberg     

  

[X.]

  

Derstadt     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZR 160/22

17.10.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 2. Juni 2022, Az: I-12 U 31/21, Urteil

§ 312d Abs 6 BGB vom 02.12.2004, § 346 Abs 1 Halbs 2 BGB, § 346 Abs 2 S 1 Nr 1 BGB, § 346 Abs 2 S 2 BGB, § 357 Abs 1 S 1 BGB vom 27.07.2011, Art 7 Abs 4 EGRL 65/2002

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.10.2023, Az. XI ZR 160/22 (REWIS RS 2023, 7380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7380


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 12 U 31/21

Oberlandesgericht Köln, 12 U 31/21, 02.06.2022.


Az. 17 O 146/17

Landgericht Bonn, 17 O 146/17, 21.01.2021.


Az. XI ZR 160/22

Bundesgerichtshof, XI ZR 160/22, 17.10.2023.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XI ZR 116/15

XI ZR 366/15

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