Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2021, Az. V R 44/20

5. Senat | REWIS RS 2021, 817

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Leistungsempfänger bei der Übertragung von hälftigem Miteigentum


Leitsatz

Bei der Übertragung von hälftigem Miteigentum ist der jeweilige Miteigentümer Leistungsempfänger, sodass für den Fall eines Verzichts gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 UStG auf die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG bestehende Steuerfreiheit keine Steuerschuld einer GbR nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 UStG besteht.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 16.09.2020 - 5 K 1048/17 U, [X.] und der Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 09.10.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine [X.]bR, bestehend aus den Eheleuten [X.], als Steuerschuldner nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes (USt[X.]) in Anspruch nehmen konnte.

2

Die Eheleute [X.] erwarben von der I-[X.]mbH & Co. A K[X.] (K[X.]) mit notariellen Kaufverträgen vom 20.08.2012 zwei noch zu errichtende Wohnungen in einem Seniorenpflege- und Seniorenwohnzentrum jeweils zu hälftigem Miteigentum als Anlageobjekte, wobei eine Vermietungsgarantie über 25 Jahre vereinbart wurde (§ 6 der notariellen Kaufverträge).

3

§ 5 Abs. 3 der notariellen Verträge enthielt zur Umsatzsteuer jeweils folgende Regelung: "Der Verkäufer verzichtet auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 Abs. 2 USt[X.] und weist darauf hin, dass für die Steuerschuld gemäß § 13 Abs. 1 b) USt[X.] der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist."

4

Beabsichtigter Fertigstellungstermin zur Bezugsfertigkeit der Wohnungen war gemäß § 8 Abs. 2 der notariellen Kaufverträge der 01.10.2013. Die I-[X.]mbH war nach § 10 Abs. 2 der Kaufverträge als Verwalterin der Wohnungen tätig und vermietete diese nach der Fertigstellung langfristig an sich selbst.

5

Das [X.] forderte im Mai 2015 die Eheleute [X.] unter Hinweis auf § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] als [X.]rundstückserwerber zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für 2012 auf. Diese teilten dem [X.] mit Schreiben vom 23.06.2015 mit, dass sie die Umsatzsteuer seinerzeit an den Bauträger gezahlt hätten und eine Umsatzsteuererklärung aus ihrer Sicht nicht abzugeben sei, weil sie sich nicht als Unternehmer betrachteten.

6

Mit Schreiben vom 03.07.2015 wies das [X.] darauf hin, dass sich die Steuerschuldnerschaft der Eheleute [X.] aus § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] ergebe und die Umsatzsteuer auf den Verkauf der Immobilie nicht durch die Verkäuferfirma an das [X.] abgeführt worden sei.

7

Mit Schreiben vom 26.08.2015 teilten die Eheleute [X.] mit, dass sie keine Umsatzsteuererklärung einzureichen hätten, da sie weder Unternehmer noch eine juristische Person seien.

8

Am 09.10.2015 erließ das [X.] im Schätzungswege einen Umsatzsteuerbescheid für 2012. Den Bescheid adressierte das [X.] an die Wohnadresse der Eheleute [X.] unter der Bezeichnung [X.]-[X.]bR.

9

[X.]egen diesen Umsatzsteuerbescheid legten die Eheleute [X.] mit Schreiben vom 29.10.2015 Einspruch ein und begründeten diesen damit, dass der Bescheid fehlerhaft an eine [X.]bR adressiert worden sei. Sie hätten keinen für eine grundstückserwerbende [X.]bR in notarieller Form zu beurkundenden [X.]esellschaftsvertrag abgeschlossen. Sie hielten das Eigentum an den beiden Wohnungen lediglich als Bruchteilsgemeinschaft. Auch die [X.] im [X.]rundbuch sei nicht als [X.]bR erfolgt. Zudem sei der Erwerb im Rahmen einer nicht steuerbaren [X.]eschäftsveräußerung erfolgt. Sie hätten von Anfang an eine steuerfreie Vermietung beabsichtigt.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 änderte das [X.] den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zudem zu Ungunsten der Klägerin ab und erhöhte die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der von den Eheleuten [X.] vorgelegten Abrechnungen. Es hielt daran fest, dass die Eheleute [X.] die beiden Eigentumswohnungen als [X.]bR erworben hätten. Die [X.]bR sei durch die Vermietung entstanden. Es liege keine [X.]eschäftsveräußerung vor.

Auch die Klage zum Finanzgericht (F[X.]) hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EF[X.]) 2021, 315 veröffentlichten Urteil erwarben die Eheleute [X.] die beiden Eigentumswohnungen als [X.]bR, ohne dass der Erwerb zu Bruchteilseigentum durch die Eheleute und das Fehlen von [X.]esamthandseigentum der Annahme einer [X.]bR entgegenstehe. Es liege keine [X.]eschäftsveräußerung vor.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision. Die Eheleute hätten nach den Kaufverträgen das Eigentum an den Eigentumseinheiten jeweils zur ideellen Hälfte als Bruchteilseigentümer erworben und seien auch im [X.]rundbuch als Bruchteilseigentümer eingetragen. Die Annahme einer den Eigentumserwerb überlagernden [X.]bR sei nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) unzutreffend. Auch die Bruchteilsgemeinschaft sei kein Umsatzsteuersubjekt. Das Tatbestandsmerkmal der Umsätze, die unter das [X.]runderwerbsteuergesetz ([X.]rESt[X.]) fallen, sei zu beachten. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.]rESt[X.] sei der Kaufvertrag maßgeblich. Steuerschuldner der [X.]runderwerbsteuer seien die am Erwerb beteiligten Personen. Dementsprechend hätte die [X.]runderwerbsteuer hälftig gegenüber den beiden Ehegatten festgesetzt werden müssen. Komme es nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] auf den Eigentumserwerb an, könne nicht auf eine [X.]bR als mittelbarer Eigentümer abgestellt werden. Die Einordnung des Erwerbs als Vorbereitungshandlung für die spätere Vermietung sei für die Steuerschuldnerschaft beim Erwerb unerheblich. Zudem sei der Verzicht auf die Steuerfreiheit nicht wirksam erklärt worden und es liege zumindest eine [X.]eschäftsveräußerung vor.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des F[X.] und den Umsatzsteuerbescheid für 2012 vom 09.10.2015 in [X.]estalt der Einspruchsentscheidung vom 22.03.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Klage und Revision sind von der Klägerin zulässig eingelegt worden, da ihr gegenüber eine Steuerfestsetzung ergangen ist. Zur Beseitigung des Rechtsscheins eines gegen eine angebliche [X.]bR gerichteten Steuerbescheids können nach ständiger Rechtsprechung des [X.] die (angeblichen) [X.]esellschafter im Namen der [X.]bR Klage erheben ([X.]-Beschlüsse vom 30.04.2007 - V B 194/06, [X.]/NV 2007, 1523; vom 13.11.2003 - V B 49/03, [X.]/NV 2004, 360; vom 06.02.1997 - V B 157/96, [X.]/NV 1997, 459, und vom 05.03.2010 - V B 56/09, [X.]/NV 2010, 1111).

III.

Die Revision der Klägerin ist auch begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Bei der Übertragung von hälftigem Miteigentum ist der jeweilige Miteigentümer Leistungsempfänger, sodass für den Fall eines Verzichts gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 USt[X.] auf die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a USt[X.] bestehende Steuerfreiheit keine Steuerschuld einer [X.]bR nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 USt[X.] besteht. Daher ist das [X.] zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine zwischen den Eheleuten [X.] bestehende [X.]bR als Leistungsempfänger Steuerschuldner für den Erwerb der Miteigentumsanteile ist. Eine Umdeutung des angefochtenen Steuerbescheids in einen gegenüber den Eheleuten [X.] als Einzelunternehmer ergangenen Steuerbescheid kommt nicht in Betracht.

1. Die Klägerin ist nicht Steuerschuldner nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 USt[X.].

a) Nach § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] entsteht die Steuer für steuerpflichtige Umsätze, die unter das [X.]rESt[X.] fallen, mit Ausstellung der Rechnung, spätestens jedoch mit Ablauf des der Ausführung der Leistung folgenden Kalendermonats. Steuerschuldner ist nach § 13b Abs. 5 Satz 1 USt[X.] der Leistungsempfänger unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen.

[X.] bestimmt sich entsprechend allgemeinen [X.]rundsätzen, die auch bei Anwendung von § 13b USt[X.] zu beachten sind ([X.]-Urteil vom 10.12.2020 - V R 7/20, [X.]E 272, 177, Rz 28), nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Dies gilt auch für § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 USt[X.]. Die dort als unter das [X.]rESt[X.] fallend bezeichneten Umsätze sind im selben Umfang gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a USt[X.] steuerfrei. Dabei verweisen beide Vorschriften insbesondere auf § 1 Abs. 1 [X.]rESt[X.], der einen Rechtsvorgang voraussetzt, der sich auf ein inländisches [X.]rundstück bezieht, wobei sich dieser Rechtsvorgang im Streitfall nach dessen Nr. 1 aus einem Kaufvertrag ergibt, der einen Anspruch auf Übereignung begründet.

Die Steuerpflicht und damit auch die Steuerschuld des Leistungsempfängers beruhen bei diesem einen Kaufvertrag voraussetzenden Umsatz auf dem Verzicht auf die Steuerfreiheit nach § 9 Abs. 1 und Abs. 3 USt[X.]. Auch hier kommt es auf einen die Steuerbarkeit begründenden Kaufvertrag an, da der Verzicht gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 USt[X.] in dem gemäß § 311b Abs. 1 des Bürgerlichen [X.]esetzbuchs notariell zu [X.] zu erklären ist.

b) Im [X.] von § 4 Nr. 9 Buchst. a i.V.m. § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] ist es entgegen dem Urteil des [X.] nicht möglich, die Person des Steuerschuldners abweichend von dem nach diesen Vorschriften maßgeblichen Kaufvertrag zu bestimmen.

Daher liegen im Streitfall mehrere Leistungen vor, die an den jeweiligen Ehegatten als Leistungsempfänger im Umfang des auf ihn übertragenen Miteigentumsanteils erbracht wurden, sodass in Bezug auf den einzelnen Miteigentumsanteil der jeweilige Ehegatte, nicht aber eine (von den Ehegatten gebildete) [X.]bR als Leistungsempfänger anzusehen ist.

2. Die Steuerfestsetzung ist auch nicht in eine gegenüber den Ehegatten [X.] als [X.]esamtschuldner ergangene Steuerfestsetzung umzudeuten.

a) Zwar kann es nach dem [X.]-Urteil vom 07.05.2020 - V R 1/18 ([X.]E 270, 146) in Betracht kommen, dass es sich bei einer gegenüber Miteigentümern ergangenen Steuerfestsetzung um einen zusammengefassten Steuerbescheid i.S. von § 155 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung handelt.

b) Das hierfür erforderliche [X.]esamtschuldverhältnis liegt aber nicht vor. Dies ergibt sich aus der [X.] geprägten Betrachtungsweise, die § 13b Abs. 2 Nr. 3 USt[X.] zugrunde liegt (s. oben III.1.a).

Danach ist jeder Ehegatte [X.] als Erwerber der Hälfte des [X.]rundstücks anzusehen, wenn beide Ehegatten ein [X.]rundstück zu gemeinschaftlichem Eigentum erwerben. Jeder Ehegatte ist Schuldner nur der auf ihn entfallenden [X.]runderwerbsteuer, ohne dass [X.]esamtschuldnerschaft besteht. Ein [X.]runderwerbsteuerbescheid, der in einem derartigen Fall ohne sonstige Erläuterung an beide Ehegatten gerichtet ist, genügt nicht dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit ([X.]-Urteile vom 12.10.1994 - II R 63/93, [X.]E 176, 1, [X.] 1995, 174, Leitsatz, und vom 31.08.1994 - II R 82/93, [X.]/NV 1995, 437, Leitsatz).

Maßgeblich ist hierfür, dass der Miteigentumsanteil [X.]rundstück im [X.]en Sinne ist und dementsprechend die Miteigentümer jeweils für sich Steuerschuldner in Bezug auf ihren Miteigentumsanteil sind, was auch gilt, wenn der Eigentümer ein [X.]rundstück an mehrere Erwerber veräußert, die das Eigentum als Miteigentümer zu Bruchteilen erwerben, sodass dann so viele Steuerfälle vorliegen, wie Miteigentümer beteiligt sind ([X.] in [X.], [X.]runderwerbsteuergesetz, § 13 Rz 8, und Viskorf in [X.], [X.]runderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 13 Rz 72 und 74).

Ebenso ist es bei § 13b Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 5 Satz 1 USt[X.], die hier für die Bestimmung des Umsatzes wie auch für die des Steuerschuldners an das [X.]rESt[X.] anknüpfen. Der Erwerb jeweils hälftigen Miteigentums führt daher --anders als bei einer gemeinsamen Vermietung durch zwei Miteigentümer ([X.]-Urteil in [X.]E 270, 146)-- nicht zu einer [X.]esamtschuld.

3. Die Sache ist spruchreif. Auf die Frage, ob die K[X.] in den Kaufverträgen einen Verzicht nach § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 USt[X.] überhaupt wirksam erklärt hat, obwohl auf diese Regelungen trotz notarieller Beurkundung nicht verwiesen wird, kommt es nicht an. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Leistungen durch Übertragung der Miteigentumsanteile bereits im Streitjahr (2012) erfolgt sind.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

V R 44/20

25.11.2021

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 16. September 2020, Az: 5 K 1048/17 U, AO, Urteil

§ 4 Nr 9 Buchst a UStG 2005, § 9 Abs 1 UStG 2005, § 9 Abs 3 UStG 2005, § 13b Abs 2 Nr 3 UStG 2005, § 13b Abs 5 S 1 UStG 2005, § 155 Abs 3 S 1 AO, § 40 Abs 2 FGO, UStG VZ 2017

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.11.2021, Az. V R 44/20 (REWIS RS 2021, 817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 817

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V R 7/20 (Bundesfinanzhof)

Steuerschuld des Leistungsempfängers


3 K 1818/18 (FG München)

Steuerschuld des Leistungsempfängers bei Werklieferung durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer


4 K 1791/18 (FG Nürnberg)

Grunderwerbsteuer bei Eigentumswohnung


V B 44/22 (Bundesfinanzhof)

Umsatzsteuer und Bruchteilsgemeinschaft


II R 28/15 (Bundesfinanzhof)

Grundstückskaufvertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschafter


Referenzen
Wird zitiert von

14 K 2328/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.