Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2022, Az. AnwZ (Brfg) 21/22

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2022, 8000

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 13. Juni 2022 wird verworfen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit dem [X.] zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 25. November 2021 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft. Mit Urteil vom 13. Juni 2022, dem Kläger zugestellt am 6. Juli 2022, hat der [X.] die hiergegen gerichtete Klage als unbegründet abgewiesen.

2

Mit handschriftlichem, per Telefax am 1. September 2022 an den [X.] übersandtem Schreiben hat der Kläger erklärt, seinen Antrag auf Zulassung der Berufung weiterverfolgen zu wollen. In der Sache nehme er Bezug auf die vorausgegangene Begründung im Zuge des Verfahrens vor dem [X.]. Er weise ergänzend darauf hin, dass der Umstand der Insolvenz keinen Grund zur Entlassung aus dem Richteramt zur Folge habe.

3

Mit Verfügung vom 10. Oktober 2022 hat der Senat den Kläger auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Zulassungsantrags hingewiesen, weil ein Zulassungsantrag bis zum 8. August 2022 beim [X.] hätte gestellt werden müssen, was nicht geschehen sei.

4

Mit [X.] vom 3. November 2022 hat der Kläger behauptet, mit [X.] vom 2. August 2022 beim Hessischen [X.] die Zulassung der Berufung beantragt zu haben. Der [X.] habe folgenden Passus enthalten:

"Ein elektronisches Dokument kann aktuell nicht vorgelegt werden. Dies deswegen, weil der bea-Service das Anliegen des Unterzeichners im Hinblick auf die Freischaltung des Zuganges nicht erledigt hat. Insoweit wird überreicht zur Glaubhaftmachung der [X.] mit der [X.] [….]"

5

Den [X.] habe er am 2. August 2022 beim Fristenbriefkasten des Gerichts eingelegt, was von der mit Adresse benannten Zeugin P.     , die den Unterzeichner mit dem Auto bis vor das Gericht gebracht habe, bestätigt werden könne. Dem [X.] vom 3. November 2022 war weder eine eidesstattliche Versicherung des [X.] noch eine schriftliche Aussage oder eidesstattliche Versicherung der Zeugin noch der Schriftverkehr mit der [X.] beigefügt.

II.

6

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Er war als unzulässig zu verwerfen.

7

1. Zwar ist der Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO statthaft. Es liegt aber kein form- und fristgerechter Zulassungsantrag vor.

8

a) Vom Fehlen eines fristgerechten Antrags muss der Senat jedenfalls ausgehen. Zwar hat der - insoweit feststellungsbelastete (vgl. [X.], NJW-RR 2006, 67; [X.] in [X.], VwGO, 16. Aufl., vor § 124 Rn. 17) - Kläger behauptet, er habe einen den Zulassungsantrag enthaltenden [X.] am 2. August 2022 in den Fristenbriefkasten des [X.]s eingeworfen. Hiervon ist der Senat, der die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittels von Amts wegen mit den Mitteln des Freibeweises prüft (vgl. BVerwG, NJW 2008, 3588 Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 28. Aufl., vor § 124 Rn. 30), aber nicht überzeugt.

9

Der Rechtsanwalt hat seine Behauptung nur allgemein vorgetragen, ohne sie näher zu substantiieren. Eine Glaubhaftmachung ist nicht erfolgt. Soweit er auf das Zeugnis der Zeugin P.    Bezug nimmt, fehlen Angaben dazu, was konkret Inhalt ihrer Wahrnehmung war, insbesondere ob sie Kenntnis vom Inhalt des Schreibens hatte oder beobachten konnte, ob der Kläger das Schreiben eingeworfen hat.

b) Der Zulassungsantrag wäre - bei unterstellt fristgerechtem Eingang beim [X.] - nicht formgerecht eingereicht worden. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO müssen schriftlich einzureichende Anträge - wie hier der Antrag auf Zulassung der Berufung -, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument übermittelt werden. Dem genügt der Einwurf eines [X.]es in den Fristenbriefkasten nicht.

Nach § 55d Satz 3 VwGO bleibt eine Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Diese vorübergehende Unmöglichkeit ist nach Satz 4 bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.

Der Kläger hat bereits nicht hinreichend dargelegt, worin die vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung als elektronisches Dokument bestanden haben soll. Der Wendung "Anliegen […] im Hinblick auf die Freischaltung des Zuganges" ist eine konkrete Störung nicht zu entnehmen.

Sollte der Kläger die Ersteinrichtung des Postfachs noch nicht veranlasst haben, worauf der Begriff "Freischaltung" hindeutet, so liegt bereits keine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne der Vorschrift vor. Vorübergehende Unmöglichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die technischen Gegebenheiten bereits geschaffen waren, für einen gewissen, überschaubaren Zeitraum aber nicht genutzt werden können. Dies wäre nicht der Fall, wenn der Kläger eine Ersteinrichtung noch nicht veranlasst hätte.

Zudem hat der Kläger eine mögliche Störung auch nicht weiter glaubhaft gemacht. Die in Bezug genommene Korrespondenz mit der [X.] hat er nicht vorgelegt.

2. Unabhängig davon ist auch die Begründung des Zulassungsantrags nicht formgerecht erfolgt, was allein schon die Unzulässigkeit des Rechtsmittels begründen würde. Der die Begründung enthaltende [X.] vom 1. September 2022 ist per Telefax und damit entgegen § 112e Satz 2 [X.], § 125 Abs. 1 Satz 1, § 55d Satz 1 VwGO nicht als elektronisches Dokument eingereicht worden.

Die Berufung auf einen "technischen Ausfall" ist schon keine hinreichende Darlegung der vorübergehenden Unmöglichkeit nach § 55d Satz 4 VwGO. Erst recht genügt dies nicht den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung.

3. Das Rechtsmittel hätte, seine Zulässigkeit unterstellt, auch in der Sache keinen Erfolg. Es liegt kein Zulassungsgrund nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2, § 124 Abs. 2 VwGO vor.

a) Soweit der Kläger auf die Begründung im Zuge des Verfahrens vor dem [X.] pauschal Bezug nimmt, liegt hierin keine ordnungsgemäße Darlegung eines Zulassungsgrundes. Eine hinreichende Darlegung setzt voraus, dass sich die Begründung des Zulassungsantrags substantiiert mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt, weswegen die Bezugnahme auf früheren Vortrag nicht ausreicht (vgl. [X.] Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 6. Februar 2014 - 8 ZB 12.2096, juris Rn. 11; Verwaltungsgerichtshof [X.], Beschluss vom 15. November 2019 - 9 S 307/19, juris Rn. 3; [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 28. Aufl., § 124a Rn. 49; jeweils mwN).

b) Soweit der Kläger das Rechtsmittel darauf stützt, dass die Insolvenz bei Richtern anders als bei Rechtsanwälten keinen Grund zur Entlassung aus dem Richteramt zur Folge habe, begründet auch dies keinen Zulassungsgrund, insbesondere keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das richterliche Dienstverhältnis unterliegt vollständig anderer Ordnung als der Beruf des Rechtsanwaltes, sodass eine Vergleichbarkeit bereits im Ansatz nicht besteht. Zudem würde das Fehlen einer Regelung im [X.] keine Folge für die Verfassungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen zum Widerruf der anwaltlichen Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des Senats haben (vgl. zum Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz bereits [X.] 9, 213, 223).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts aus § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Limperg     

  

Remmert     

  

Grüneberg

  

Schmittmann     

  

Niggemeyer-Müller     

  

Meta

AnwZ (Brfg) 21/22

08.12.2022

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Frankfurt, 13. Juni 2022, Az: 1 AGH 1/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2022, Az. AnwZ (Brfg) 21/22 (REWIS RS 2022, 8000)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8000

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9 S 307/19

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