Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. I ZB 15/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3536

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[X.] vom 22. April 2004 in der [X.]

betreffend die Geschmacksmusteranmeldung Nr. 401 01 657.9
Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein [X.]R: ja

Abgewandelte Verkehrszeichen

[X.] § 7 Abs. 2

a) Das im [X.] geregelte Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) ist im [X.] nicht zu prüfen.
b) Ein Muster oder Modell, das aus der abgewandelten Abbildung eines Ver-kehrszeichens besteht, ist nicht wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung i.S. von § 7 Abs. 2 [X.] von der Eintragung in das [X.] ausgeschlossen.

[X.], [X.]. v. 22. April 2004 - [X.]/03 - [X.]
- 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 22. April 2004 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uß des 10. Senats ([X.]) des [X.]s vom 12. Dezember 2002 wird auf Kosten des Präsidenten des [X.] zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 • festgesetzt.

Gründe:

[X.] Der Anmelder begehrt mit seiner am 16. Februar 2001 eingereichten Sammelanmeldung mit der Bezeichnung "Verkehrszeichen mit Ergänzungsbal-ken" die Eintragung von zehn Mustern. Gegenstand der Anmeldung sind Abbil-dungen von Verkehrszeichen, wobei diese mit je einem roten Balken oder mit jeweils fünf dünnen schwarzen Strichen diagonal durchgestrichen sind, wie nachfolgend in schwarz-weiß beispielhaft wiedergegeben: - 3 -
Das [X.] ([X.]) hat festgestellt, daß Schutz für die angemeldeten Muster nicht erlangt worden sei, und hat die Eintragung versagt. Es hat angenommen, die Veröffentlichung der Muster und die Verbreitung der Abbildungen würden gegen die öffentliche Ordnung versto-ßen.
Im Beschwerdeverfahren ist der Präsident des [X.] dem Verfahren auf eine entsprechende Anheimgabe des Bundes-patentgerichts beigetreten und hat beantragt, die Beschwerde des Anmelders zurückzuweisen.
Das [X.] hat den [X.]uß des [X.] ([X.]) aufgehoben (B[X.]E 46, 170).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde begehrt der Präsident des [X.] die Aufhebung der angefochtenen Ent-scheidung und die Zurückverweisung der Sache an das [X.]. - 4 -
I[X.] Das [X.] hat die angemeldeten Muster für eintra-gungsfähig gehalten und das Vorliegen eines Schutzhindernisses i.S. des § 7 Abs. 2 [X.] verneint. Dazu hat es ausgeführt:
Weder die Veröffentlichung der Muster im Geschmacksmusterblatt noch die Verbreitung von Nachbildungen verstoße gegen die öffentliche Ordnung.
Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung i.S. des § 7 Abs. 2 [X.] sei nur zu bejahen, wenn tragende Grundsätze der Rechtsordnung verletzt würden. Abzustellen sei auf die Muster in ihrer konkret angemeldeten Form. Nur wenn deren Gestaltung gesetz- oder sittenwidrig sei, komme eine Eintragungsversagung in Betracht. Die Gefahr einer künftigen ungerechtfertig-ten Geltendmachung von Verbietungsrechten aus einzelnen Musterelementen - hier etwa den Abbildungen der Verkehrszeichen ohne die angebrachten Bal-ken - oder gar eine gesetzeswidrige mißbräuchliche Verwendung von Teilen des Musters könne einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nicht begrün-den. Die Gestaltung der angemeldeten Muster in Form von abgewandelten Verkehrszeichen lasse keinen Verstoß gegen Gesetze oder die tragenden Grundsätze der Rechtsordnung erkennen.
Im Streitfall könne dahinstehen, ob im Geschmacksmusterrecht das Ein-tragungshindernis für Hoheitszeichen aus dem [X.] (§ 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.]) anwendbar sei. Denn Verkehrszeichen seien jedenfalls keine staatli-chen Hoheitszeichen. Mit ihnen solle vielmehr durch behördliche Maßnahmen der Straßenverkehr geregelt werden. Der Regelung des § 33 Abs. 2 [X.] lasse sich entnehmen, daß die private Verwendung von abgewandelten Verkehrszei-chen nicht generell untersagt sei. Aus der Vorschrift folge im Umkehrschluß, - 5 - daß die Verwendung von mit Verkehrszeichen [X.] Zeichen nur dann verboten sei, wenn sich die konkrete Verwendung auf den öffentlichen Straßenverkehr auswirken könne.
II[X.] Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das [X.] angenommen, der Eintragung der [X.] Geschmacksmuster stehe ein Schutzhindernis nach § 7 Abs. 2 [X.] nicht entgegen.
1. Nach der Bestimmung des § 7 Abs. 2 [X.] wird der Schutz ge-gen Nachbildung durch die Anmeldung nicht erlangt, wenn die Veröffentlichung des Musters oder Modells oder die Verbreitung einer Nachbildung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde. Das setzt voraus, daß durch das Muster die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder die tragenden Grundsätze der Rechtsordnung in Frage gestellt werden ([X.], [X.]. v. 20.3.2003 - I ZB 27/01, [X.], 707 = [X.], 990 - [X.]; [X.]. v. 20.3.2003 - I ZB 29/01, [X.], 705 f. = [X.], 992 - [X.]; [X.]. v. 20.3.2003 - I ZB 1/02, [X.], 708, 709 - Schlüsselanhän-ger, jeweils m.w.[X.]). Davon ist bei dem Gegenstand der Anmeldung (Abbildung von abgewandelten Verkehrsschildern) nicht auszugehen. Es fehlen besondere Umstände, die einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung begründen.
2. Ein allgemeines Verbot, abgewandelte Verkehrsschilder abzubilden oder zu vertreiben, gibt es nicht.
a) Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 [X.] sind Verkehrszeichen [X.], [X.] und Richtzeichen. Gegenstand der Anmeldung sind Abwand-lungen der die Sonderwege regelnden [X.] 237, 239, 240 und 241 - 6 - des § 41 Abs. 2 Nr. 5 [X.]. Eine Abwandlung dieser Zeichen ist bei den [X.] Mustern dadurch erfolgt, daß ein einzelner roter Balken oder fünf schwarze Balken von rechts oben nach links unten das jeweilige Schild kreu-zen. Die Kombination dieser [X.] mit einem zusätzlichen roten oder mit fünf schwarzen Balken ist in der [X.] nicht vorgesehen.
b) Die Ähnlichkeit der Muster mit geltenden amtlichen Verkehrszeichen führt nicht dazu, daß die Verbreitung von Nachbildungen des Musters gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Zwar dürfen amtliche Verkehrszeichen nach § 45 [X.] nur von den dort bezeichneten Behörden aufgestellt und angebracht wer-den. Verkehrszeichen sind aber frei zu erwerben, und es ist außerhalb des [X.] Straßenverkehrs sogar erwünscht, daß diese zum Beispiel zur [X.] auf privaten Grundstücken verwendet werden (vgl. Begründung zur [X.], [X.]. 1970, 797, 816, zu § 33 Abs. 2 [X.]; vgl. auch [X.], Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 33 [X.] Rdn. 12). Lediglich die mißbräuchli-che Verwendung von Verkehrszeichen ist untersagt. Nach § 33 Abs. 2 [X.] dürfen Einrichtungen, die Verkehrszeichen gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen, dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Ein weiterreichendes Verbot, die Abbildung von abgewandelten Verkehrsschildern zu vertreiben, gibt es dagegen nicht. Sonstige Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung wegen der Verbreitung von Nachbildungen der in Rede stehenden Muster sind nicht ersichtlich.
Der Umstand, daß durch die Verwendung von Nachbildungen der Muster außerhalb des Straßenverkehrs möglicherweise die Fehlvorstellung entsteht, es handele sich um amtliche Verkehrszeichen, genügt für die Annahme eines Schutzhindernisses nach § 7 Abs. 2 [X.] nicht. Eine Möglichkeit des - 7 - Mißbrauchs der Muster oder von Teilen eines Musters durch die Art der Ver-wendung oder die ungerechtfertigte Geltendmachung von Verbietungsrechten steht im Hinblick auf den ebenfalls möglichen unbedenklichen Gebrauch der Muster deren Eintragung als Geschmacksmuster nicht entgegen (vgl. [X.] [X.], 705, 706 - [X.]; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 7 Rdn. 72; vgl. auch [X.], Urt. v. 19.10.1971 - [X.], [X.], 704, 707 - [X.]; zu § 2 Abs. 1 [X.]: Busse/Keukenschrijver, [X.], 6. Aufl., § 2 Rdn. 15).
c) [X.] läßt sich auch nicht mit den Bestimmun-gen des § 8 Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 4 Satz 1 [X.] begründen, wonach Mar-ken mit staatlichen Hoheitszeichen oder mit deren Nachahmungen von der Ein-tragung als Marke ausgenommen sind. Aufgrund der unterschiedlichen Schutz-richtung des [X.]es und des [X.] ist das Verbot des § 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.] nicht auf das Geschmacksmusterrecht übertragbar (vgl. [X.] [X.], 707 f. - [X.]; [X.], 705, 706 - [X.]; [X.], 708, 709 - Schlüsselanhänger).

d) Die Verbreitung einer Nachbildung des Musters verstößt auch nicht aus anderen Gründen gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten.
Für ihre gegenteilige Ansicht macht die Rechtsbeschwerde geltend, der Eintragung der angemeldeten Muster stehe angesichts ihrer Symbolwirkung sowie der mit einem Geschmacksmuster zu erlangenden Ausschließlichkeit ein Eintragungshindernis im Sinne eines Freihaltebedürfnisses entgegen. Im Falle der Eintragung der Muster sei der Verordnungsgeber in der Freiheit beschränkt, den Mustern entsprechende amtliche Verkehrszeichen einzuführen. Dem kann nicht zugestimmt werden. - 8 -
Das Geschmacksmustergesetz kennt - anders als das [X.] - ein im Eintragungsverfahren zu prüfendes Schutzhindernis des [X.] nicht. Im Geschmacksmusterrecht ist die Prüfung des Patent- und Mar-kenamts auf die formellen [X.] und die Prüfung der Voraus-setzungen des § 7 Abs. 2 [X.] beschränkt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 und 3 [X.]). Eine weitergehende Prüfung durch das Amt ist ausgeschlossen. Die Beschränkung der Prüfungskompetenz kann nicht durch eine weite Ausle-gung des § 7 Abs. 2 [X.] umgangen werden. Das im [X.] ge-regelte Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) ist im geschmacksmusterrechtlichen Eintragungsverfahren nicht zu prüfen. Die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens oder die tragenden Grundsätze der Rechtsordnung werden durch die Eintragung der abgewandel-ten Verkehrszeichen entsprechenden Muster jedenfalls nicht in Frage gestellt. Auch gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden wird nicht verstoßen. - 9 - IV. Danach war die Rechtsbeschwerde auf Kosten des Präsidenten des [X.] (§ 10a Abs. 2 Satz 2 [X.] i.V. mit § 109 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.]) zurückzuweisen.

[X.] Büscher

Schaffert Bergmann

Meta

I ZB 15/03

22.04.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.04.2004, Az. I ZB 15/03 (REWIS RS 2004, 3536)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3536

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