Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2013, Az. XI ZR 19/13

11. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1489

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern


Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 7. Dezember 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger nehmen die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem [X.] (im Folgenden: [X.]) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob die Beklagte von ihr berechnete [X.] in Abzug bringen durfte.

2

Die Kläger beteiligten sich gemeinschaftlich im November 1996 und im Juli 1997 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 10.941,64 € einschließlich Agio an dem [X.] (im Folgenden: [X.]), einer von der [X.] (im Folgenden: [X.]) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in "Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften" war.

3

Die [X.] war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des [X.] für den Wertpapierhandel unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die [X.] begonnen, die für den [X.] eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem aktuellen Marktwert, sondern mit "Null" zu bewerten, um eingetretene Verluste zu verschleiern. Ab 1997 legte die [X.] nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schneeballsystems" für Zahlungen an [X.] und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielten auch die Kläger eine Auszahlung über 2.456,66 €. Den Anlegern wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, die den tatsächlichen Handelsverlauf nicht widerspiegelten.

4

Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der [X.] den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den [X.] fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der [X.] das Insolvenzverfahren eröffnet.

5

Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des [X.] für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Für die Konten der Kläger ergab sich so unter Abzug der [X.] jeweils zum 31. März 2005 ein Endbetrag von insgesamt 5.557,30 €.

6

Mit der Klage verlangen die Kläger von der Beklagten die Zahlung von 90% ihrer Anlagesumme ohne Agio nebst Rechtshängigkeitszinsen abzüglich der Auszahlung und der von der Beklagten bereits erbrachten Teilentschädigungen, d.h. insgesamt 4.045,30 €. Sie meinen, dass die [X.] nicht hätten abgezogen werden dürfen.

7

Das [X.] hat der Klage  unter Berücksichtigung eines von der Beklagten abgegebenen Teilanerkenntnisses in Höhe von 1.741,38 €  in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage nur in Höhe von 2.054,61 € nebst Zinsen für begründet erachtet und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet.

I.

9

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] nur in der zuerkannten Höhe zu. Dieser bemesse sich im Ausgangspunkt zwar nach der Höhe des gegen die [X.] bestehenden Anspruchs aus § 675 Abs. 1, § 667 BGB auf Rückzahlung aller für den [X.] eingezahlten Gelder ohne Agio sowie aller tatsächlich erzielten Gewinne; Verluste aus der Anlage seien aber abzuziehen, soweit diese nicht durch Unterschlagung oder Veruntreuung entstanden seien. Der Herausgabeanspruch umfasse nicht die Mittel, die in Ausführung des Auftrags  hier: zur Investition in Termingeschäfte  verbraucht worden und nicht mehr vorhanden seien. Diese Sichtweise stimme mit dem Schutzzweck des [X.] und Anlegerentschädigungsgesetzes überein. Danach würden nur solche Ansprüche geschützt, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren richteten, wozu auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten gehörten, durch die  wie etwa im Fall der Unterschlagung oder Untreue  die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren vereitelt würden. Seien die Kundengelder dagegen vertragsgemäß verwendet worden, könnten derartige Ansprüche nicht beeinträchtigt worden sein, auch wenn die Anlage zu Verlusten geführt habe.

Danach ergebe sich auf der Grundlage der Berechnung der Beklagten für die Kläger ein noch offener Entschädigungsanspruch in Höhe von 2.054,61 €. Soweit die Klägerseite die Berechnung der Beklagten in Frage stelle, sei dies unbeachtlich. Die Klägerseite trage die Darlegungs- und Beweislast für Höhe und Umfang des geltend gemachten [X.]. Hierzu genüge nicht die bloße Darlegung der einzelnen Ein- und Auszahlungen. Vielmehr müsste sie im Falle des Bestreitens durch die Beklagte die Entwicklung der Anlage mit allen Gewinnen und Verlusten darlegen und beweisen. Bei der Bestimmung der [X.] gehe es um die Bestimmung der Höhe der dem Anleger gegenüber dem Institut zustehenden Forderung und nicht etwa um eine Aufrechnungsforderung des Instituts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.], hinsichtlich derer die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig wäre. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung der erhaltenen Einlagen tragen würde. Diese [X.] seien auf den Entschädigungsanspruch nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] nicht anwendbar, weil es sich dabei um einen selbständigen gesetzlichen Anspruch handele, dessen Voraussetzungen und Umfang eigenständig geregelt seien. Des Weiteren komme auch eine Beweislastumkehr nicht in Betracht, weil die Beklagte dem Beweis der tatsächlichen [X.] nicht näher stehe als die Klägerseite. Die Beklagte treffe allenfalls eine sekundäre Darlegungslast, der sie vorliegend mit ihren konkreten Berechnungen nachgekommen sei. Diesem Vorbringen sei die Klägerseite nicht genügend entgegengetreten. Dies gelte insbesondere, soweit die Klägerseite in Abrede stelle, dass [X.] durch eine vereinbarungsgemäße Handelstätigkeit der [X.] mit den Mitteln des [X.] überhaupt entstanden seien. [X.] Vortrag dazu sei die Klägerseite schuldig geblieben. Im Übrigen beschränke sie sich auf die Rechtsmeinung, [X.] seien nicht zu berücksichtigen. Soweit die Klägerseite vorbringe, der Beklagten hätten nicht alle Kontoauszüge und Daten vorgelegen, sei dies mangels Benennung konkreter Unterlagen unsubstantiiert.

II.

Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Prüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat bei der Bemessung des [X.] der Klägerseite aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] zu Recht die von der Beklagten berechneten [X.] anspruchsmindernd berücksichtigt.

1. Die [X.], ein unter anderem mit [X.]n befasstes Kreditinstitut (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG), war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ein der beklagten Entschädigungseinrichtung zugeordnetes Institut (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.]). Den Eintritt des [X.] hat die [X.] gemäß § 1 Abs. 5, § 5 Abs. 1 [X.] festgestellt.

2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei eine Verbindlichkeit der [X.] gegenüber der Klägerseite aus Wertpapiergeschäften bejaht.

a) Zwischen der Klägerseite und der [X.] ist ein Geschäftsbesorgungsvertrag über die Anschaffung und die Veräußerung von Finanzinstrumenten (hier: Derivate, § 1 Abs. 11 Sätze 1 und 4 KWG) im eigenen Namen für fremde Rechnung geschlossen worden. Dabei handelt es sich  wie der Senat mit Urteil vom 20. September 2011 ([X.], [X.], 95 Rn. 15 ff.) im Einzelnen begründet hat  um [X.] im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG und somit um Wertpapiergeschäfte nach § 1 Abs. 3 [X.].

b) Es bestand auch eine Verbindlichkeit der [X.] gegenüber der Klägerseite aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag.

Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] in der hier maßgeblichen Fassung des [X.] ([X.] I S. 2010; vgl. hierzu Senatsurteil vom 23. November 2010  [X.], [X.], 327 Rn. 15) sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von [X.], die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Wie der Senat mit Urteil vom 23. November 2010 ([X.], [X.], 327 Rn. 14 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, wird von dieser Vorschrift auch der von der Klägerseite gegen die [X.] geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von ihr eingezahlten Gelder, der seine Grundlage in § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB hat, erfasst. Denn bei den vertragswidrig verwendeten [X.] handelt es sich um Gelder, die dem Anleger gehören und für dessen Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Das [X.] und Anlegerentschädigungsgesetz bezweckt gerade auch den Schutz des Anlegers vor solchen Vertragsverletzungen eines Instituts, die den Anspruch des Kunden auf Rückzahlung der eingezahlten, aber vertragswidrig verwendeten Gelder vereiteln (Senatsurteil vom 23. November 2010, aaO, Rn. 28).

3. Entgegen der Auffassung der Revision umfasst der Entschädigungsanspruch  wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat  nicht die von der Beklagten berechneten, tatsächlichen [X.].

Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] sind Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften, wie bereits erwähnt, Verpflichtungen eines Instituts auf Rückzahlung von [X.], die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. [X.], die aufgrund einer vertragsgemäßen Anlage der Gelder entstanden sind, werden davon nicht erfasst.

a) Dies ergibt sich allerdings, anders als das Berufungsgericht meint, nicht bereits unmittelbar aus dem  dem Entschädigungsanspruch aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] zugrundeliegenden  Herausgabeanspruch des einzelnen Anlegers gegen die [X.] aus § 675 Abs. 1, § 667 Fall 1 BGB. Danach wird der Beauftragte oder Geschäftsbesorger zwar grundsätzlich von der Verpflichtung, zur Auftragsausführung erhaltene Gelder wieder zurückzuzahlen, frei, wenn er diese auftragsgemäß weitergeleitet oder bestimmungsgemäß verbraucht hat (vgl. [X.], Urteile vom 10. Oktober 1996  [X.], NJW 1997, 47, 49, vom 4. Oktober 2001  III ZR 290/00, [X.]Report 2002, 71 und vom 30. Oktober 2003  III ZR 344/02, [X.], 2382, 2383). Dies ist hier aber nach der Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] ausnahmsweise nicht der Fall, weil die Anleger der [X.] bzw. dem Insolvenzverwalter über deren Vermögen entgegenhalten können, dass wegen des Vorgehens der [X.], in betrügerischer Weise neue Anleger zu werben und ihre vertraglichen Verpflichtungen entsprechend ihrer vorgefassten Absicht grob zu verletzen, ihr Anspruch auf Rückzahlung der Einlage nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht um die Verluste aus den wenigen noch getätigten [X.] vermindert werden darf (vgl. [X.], Urteile vom 9. Dezember 2010  [X.] ZR 60/10, [X.], 364 Rn. 15, vom 10. Februar 2011  [X.] ZR 18/10, [X.], 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011  [X.] ZR 209/10, [X.], 2237 Rn. 19). Dieser Einwand steht der Klägerseite indes gegenüber der Beklagten  entgegen der Auffassung der Revision  im Rahmen des [X.] aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] nicht zu.

b) Nach dem Schutzzweck des [X.] und Anlegerentschädigungsgesetzes sind im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung der Anlegergelder tatsächlich angefallene [X.] bei der Bemessung des [X.] aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] zu berücksichtigen.

Nach der Gesetzesbegründung zur bis zum 30. Juni 2002 geltenden Fassung des § 1 Abs. 4 [X.] sollen in den Schutzbereich der Norm nur solche Verpflichtungen aus Wertpapiergeschäften fallen, die zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten gehören, nicht dagegen beispielsweise Schadensersatzansprüche aus [X.] (BT-Drucks. 13/10188, [X.]). Mit der Neufassung des § 1 Abs. 4 [X.] durch das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juni 2002 ([X.] I S. 2010) sollten nach dem Willen des Gesetzgebers im Wesentlichen redaktionelle Unklarheiten des [X.] beseitigt werden (vgl. BT-Drucks. 14/8017, S. 69 f.), die den Schutzbereich der Vorschrift unberührt gelassen, insbesondere nicht erweitert haben. Wenngleich die Unterscheidung zwischen Hauptleistungspflichten und Schadensersatzansprüchen aus [X.] im Hinblick darauf zweifelhaft ist, dass auch die Beratungsleistung eine vertragliche Hauptleistungspflicht darstellen kann, ist das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel klar. Geschützt werden nur solche Ansprüche des Anlegers, die sich unmittelbar auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren richten. Dazu gehören auch Ansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten, durch die  wie etwa im Falle der Unterschlagung oder Untreue  die Ansprüche des Kunden auf die Verschaffung von Rechten, Besitz oder Eigentum an [X.] oder Wertpapieren vereitelt werden (vgl. [X.], Urteile vom 23. November 2010  [X.], [X.], 327 Rn. 24 mwN und vom 25. Oktober 2011  XI ZR 67/11, [X.], 2219 Rn. 27). Der Ersatz (tatsächlich) entgangenen Gewinns oder der Ausgleich von Verlusten, die aufgrund einer fehlerhaften Anlagestrategie entstanden sind, unterfallen daher nicht dem Schutz des [X.] und Anlegerentschädigungsgesetzes (Senatsurteil vom 23. November 2010  [X.], aaO).

Eine solche Eingrenzung des Schutzbereichs ist auch europarechtskonform. § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] beruht auf Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/9/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger ([X.]. [X.] 1997 Nr. L 84 S. 22). Dieser bestimmt, dass dem Anleger Gelder zurückzuzahlen sind, die ihm geschuldet werden oder gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Weiterhin gewährleistet diese Norm, dass dem Anleger die Finanzinstrumente zurückgegeben werden, die diesem gehören und für seine Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden. Einen Anspruch des Anlegers auf Ausgleich von [X.]n, die im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung der Anlegergelder entstanden sind, will die Richtlinie  was auch ihr Erwägungsgrund 8 unterstreicht - nicht gewähren.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem auch nicht die Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.] entgegen, der im Rahmen eines auf § 134 Abs. 1, § 143 Abs. 1 [X.] gestützten Rückgewähranspruchs des Insolvenzverwalters über das Vermögen der [X.] gegen einen Anleger wegen der an diesen von der [X.] geleisteten Auszahlungen [X.] nicht berücksichtigt (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2010  [X.] ZR 60/10, [X.], 364 Rn. 15, vom 10. Februar 2011  [X.] ZR 18/10, [X.], 659 Rn. 14 und vom 22. September 2011  [X.] ZR 209/10, [X.], 2237 Rn. 19). Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob die [X.] die Geltendmachung etwaiger Gegenpositionen verwirkt hat, weil der Insolvenzverwalter im Grundsatz voll in die  zivilrechtlich geprägte  Rechtsposition des Schuldners einrückt. Dies ist dagegen in dem Verhältnis zwischen Entschädigungseinrichtung und Anleger bei der Bestimmung des Umfangs des [X.] aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.] nicht der Fall. Dieser richtet sich nach dem  oben umrissenen - Schutzzweck der Anlegerentschädigung, der eine Entschädigung für tatsächlich erlittene Handels- oder Kursverluste nicht vorsieht.

c) Das Berufungsgericht hat schließlich  entgegen der Auffassung der Revision  für die Bemessung der [X.] auch zu Recht die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt und das diesbezügliche (einfache) Bestreiten der Klägerseite für nicht ausreichend erachtet.

aa) Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] richtet sich der Entschädigungsanspruch des Anlegers nach Höhe und Umfang der ihm gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften unter Berücksichtigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts. Die Bemessung des [X.] erfolgt danach in zwei Schritten. Zunächst sind Höhe und Umfang der Verbindlichkeiten aus Wertpapiergeschäften festzustellen. Diese umfassen nach § 1 Abs. 4 Satz 1 [X.] die Verpflichtungen des Instituts auf Rückzahlung von [X.], die Anlegern aus Wertpapiergeschäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden. Sodann sind etwaige Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechte des Instituts zu klären und gegebenenfalls nach allgemeinen Grundsätzen dem Entschädigungsanspruch gegenüberzustellen.

Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Darlegungs- und Beweislast hat der Anleger die Höhe des von ihm geltend gemachten [X.] darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, während die Entschädigungseinrichtung zu etwaigen Aufrechnungs- und Zurückbehaltungsrechten des Instituts vortragen muss (vgl. hierzu [X.], Urteile vom 23. November 2010  [X.], [X.], 327 Rn. 32 und vom 25. Oktober 2011  XI ZR 67/11, [X.], 2219 Rn. 22). Dabei kann sich der Anleger zunächst auf die Darstellung der von ihm erbrachten Einzahlungen (ohne Agio) und der an ihn geleisteten Auszahlungen beschränken. Verlangt er darüber hinaus die Auszahlung tatsächlich erzielter Gewinne, muss er auch diese darlegen. Dagegen muss er zu etwaigen Verlusten  soweit deren Entstehung ihm wie hier verschwiegen worden ist  keinen Vortrag halten. Dies ist dann Sache der Entschädigungseinrichtung, zu deren Aufgaben es nach § 5 Abs. 4 Satz 1 [X.] gehört, die angemeldeten Ansprüche zu prüfen; zu diesem Zweck stehen ihr die in § 5 Abs. 2, § 9 Abs. 2 [X.] genannten [X.] zu (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 20. September 2011  [X.], [X.], 95 Rn. 55 ff.). Hat die Entschädigungseinrichtung unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten die dem einzelnen Anleger zustehende Entschädigungssumme detailliert und nachvollziehbar berechnet, ist es dem Anleger zwar unbenommen, diese Berechnung anzugreifen. Ihm kommt insoweit aber gemäß § 138 Abs. 2 ZPO eine gesteigerte Darlegungslast zu, so dass ein bloß einfaches oder nur pauschal auf das gesamte Rechenwerk bezogenes Bestreiten unbeachtlich ist. Denn die Entschädigungseinrichtung steht gleichermaßen wie der Anleger außerhalb des [X.] [X.] und hat zu Beginn des [X.] keine nähere Kenntnis von den maßgebenden Tatsachen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Juli 1989  XI ZR 59/88, juris Rn. 23 f. mwN, in [X.], 343 nicht abgedruckt). Für eine Zurechnung der Kenntnis des Instituts fehlt es an einer Rechtsgrundlage; die Entschädigungseinrichtung steht  aus Sicht der Anleger  auch nicht "in dessen Lager". Bei dieser Sachlage muss der Anleger den nachprüfungsfähigen Vortrag der Entschädigungseinrichtung zur Höhe der [X.] substantiiert bestreiten, wenn er ihm entgegentreten will.

bb) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht das Bestreiten der Klägerseite zu Recht als unerheblich angesehen und deshalb der Ermittlung der Entschädigungshöhe die Berechnung der Beklagten zugrundegelegt.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte die gesamte Handelstätigkeit der [X.] im Zusammenhang mit dem [X.] aufgeklärt und im Einzelnen nachvollzogen. Hierzu hat sie die Unterlagen des Insolvenzverwalters ausgewertet und sachlich wie rechnerisch überprüft. Auf diese Weise hat die Beklagte Gewinne und Verluste des [X.] in den einzelnen [X.] ermittelt und auf dieser Grundlage die Kontenverläufe der einzelnen Anleger nachgezeichnet. Diese konkreten Berechnungen hat die Klägerseite nicht substantiiert bestritten. Sie hat insbesondere nicht aufgezeigt, welche konkreten Positionen in den Berechnungen fehlerhaft sein sollen. Im Übrigen hat sich das Berufungsgericht mit den Einwendungen der Klägerseite auseinandergesetzt, ohne dass die Revision insoweit einen Rechts- oder Verfahrensfehler dartut oder ein solcher aus anderen Gründen erkennbar ist. Die Revision stellt lediglich noch in Frage, dass die vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäfte angelegt worden seien; dieser nur pauschale Vortrag genügt indes den Anforderungen an die der Klägerseite obliegende gesteigerte Darlegungslast nicht.

[X.]                      Joeres                       Grüneberg

            [X.]

Meta

XI ZR 19/13

05.11.2013

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 7. Dezember 2012, Az: 9 U 37/12

§ 1 Abs 4 S 1 EAEG vom 21.06.2002, § 3 Abs 1 EAEG vom 21.06.2002, § 4 Abs 1 EAEG vom 21.06.2002, § 667 BGB, § 675 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.11.2013, Az. XI ZR 19/13 (REWIS RS 2013, 1489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1489

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 34/13 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern


XI ZR 18/13 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern


XI ZR 25/13 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern


XI ZR 13/13 (Bundesgerichtshof)

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern


XI ZR 14/13 (Bundesgerichtshof)


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.