Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.10.2011, Az. III B 202/10

3. Senat | REWIS RS 2011, 2368

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Gegenstand

Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes bei Fortzug mit der Familie wegen Berufstätigkeit im Ausland


Leitsatz

1. NV: Bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt wird ein inländischer Wohnsitz durch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken nicht beibehalten oder begründet. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die als Wohnsitz angegebene inländische Zweizimmerwohnung der Mutter für ein längeres gemeinsames Wohnen nicht eignet .

2. NV: Hält das FG die Angaben des Klägers zu den Aufenthalten in einer inländischen Wohnung für widersprüchlich, so bedarf es keiner Beweisaufnahme, wenn die behaupteten Aufenthalte nicht ausreichen würden, um dort einen Wohnsitz zu begründen .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) verzog mit seiner Ehefrau, einer [X.], und seinen zwei Kindern im Frühjahr 2006 nach [X.]. Aufgrund der Angaben des Klägers über die Nutzung einer ihm zur Verfügung stehenden inländischen Mietwohnung setzte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) weiter Kindergeld fest. Nach weiteren Sachverhaltsermittlungen hob die Familienkasse im September 2009 die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2007 auf, weil der Kläger keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe und in [X.] auch weder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei noch als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werde. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) wies die Klage ab; eine mündliche Verhandlung war mit Einverständnis der Beteiligten unterblieben.

2

Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da eine Vielzahl von Bundesbürgern wie er zeitlich beschränkt im Ausland arbeite, aber für den Arbeitgeber zeitweise in [X.] im Einsatz sei und sich dann im Inland aufhalte, wo sie auch gemeldet blieben. Eine Entscheidung des [X.] ([X.]) sei insoweit auch zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Das [X.]-Urteil beruhe zudem auf einem Verfahrensfehler, da das [X.] wegen der Zweifel am Umfang der Aufenthalte in der von seiner Mutter angemieteten Wohnung diese als Zeugin hätte hören müssen.

Entscheidungsgründe

3

II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit ihre Darlegung überhaupt den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O genügt, nicht vor.

4

1. Die Frage, ob ein [X.] seinen inländischen Wohnsitz beibehält, wenn er mit seiner Familie ins Ausland verzieht, sich aber mitunter im Inland aufhält und hier für seinen Arbeitgeber tätig wird, ist weder grundsätzlich bedeutsam (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) noch bedarf es hierzu einer rechtsfortbildenden Entscheidung des [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 [X.]O). Denn die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung --[X.]--) oder einen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 [X.]) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung geklärt (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2008 [X.], [X.]/NV 2009, 564, betr. Wegzug der [X.] in die [X.]). Danach wird bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein inländischer Wohnsitz durch kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu [X.], [X.] oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit [X.] gleichkommen, nicht beibehalten oder begründet. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die inländische Wohnung für ein längeres Wohnen nicht eignet, was das [X.] angesichts der lediglich 51 qm großen Zweizimmerwohnung der Mutter des [X.] in nachvollziehbarer Weise angenommen hat.

5

Die Beurteilung der Begleitumstände des Innehabens einer Wohnung liegt zudem weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigungen des [X.] sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind jedoch nach § 118 Abs. 2 [X.]O einer Nachprüfung durch den [X.] entzogen, sofern nicht Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze zu beanstanden sind (ständige Rechtsprechung, s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 30).

6

2. Dem [X.] ist auch kein Verfahrensmangel unterlaufen, auf dem seine Entscheidung beruhen könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O).

7

a) [X.], das [X.] habe die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 [X.]O), wurde nicht in der durch § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen Weise vorgebracht. Denn sie hätte einen substantiierten Vortrag erfordert, welche konkreten Tatsachen das [X.] hätte aufklären und aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern sie auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des [X.] zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (z.B. [X.]-Beschlüsse vom 22. Mai 2007 [X.], [X.]/NV 2007, 1692; vom 29. Januar 2010 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 919).

8

b) Das [X.] hat aber im Übrigen seine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung nicht verletzt. Da es die vom Kläger angegebenen Aufenthalte in der Wohnung seiner Mutter nicht für ausreichend erachtet hat, um dort einen Wohnsitz zu begründen (S. 9 des Urteils), hätte auch eine Bestätigung seiner vom [X.] für widersprüchlich gehaltenen Angaben durch Zeugenbeweis nicht zu einer Klagestattgabe geführt. Das [X.] hat mithin die Frage, an welchen Tagen sich der Kläger in der Wohnung seiner Mutter aufgehalten hat, nicht für entscheidungserheblich gehalten und sie ausdrücklich offen gelassen.

Meta

III B 202/10

14.10.2011

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 21. Oktober 2010, Az: 5 K 3492/09, Urteil

§ 62 Abs 1 EStG 2002, § 8 AO, § 76 Abs 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.10.2011, Az. III B 202/10 (REWIS RS 2011, 2368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2368

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L 12 EG 13/16

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