Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2017, Az. 5 StR 606/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 15157

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:220217B5STR606.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5 StR 606/16

vom
22. Februar 2017
in der Strafsache
gegen

wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2017 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 29. Juli 2016 mit den jeweils zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den [X.] und II.4 der Ur-teilsgründe verurteilt worden ist,
b)
im [X.],
c)
hinsichtlich der [X.],
d)
im Ausspruch über den (erweiterten) Verfall und
e)
soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurück-verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltrei-bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.4 der Urteilsgrün-de), Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge (Fall II.2 der Urteilsgründe) und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen ([X.] und [X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben [X.] und zehn Monaten verurteilt. Außerdem hat es den erweiterten Verfall in t-sprechende Utensilien und Behältnisse eingezogen.
Die Revision des Angeklagten wendet sich mit verfahrens-
und materiell-rechtlichen Beanstandungen gegen die Verurteilung. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg;
im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Das [X.] hat zu den [X.] und II.4 der [X.] festgestellt:
Am Abend des 25. Februar 2015 wurde der Angeklagte bei einer polizei-lichen Kontrolle als Beifahrer in einem Fahrzeug angetroffen, dessen
Fahrer der Konsum von [X.] nachgewiesen werden konnte. Bei der daraufhin er-folgten Durchsuchung des Pkw wurden in der Mittelarmlehne der Rückbank, auf der als weiterer Fahrzeuginsasse der gesondert Verfolgte [X.]

saß, über 73 g Amphetamin sichergestellt. Das Rauschgift, das in einer Handyhülle in Plastiktüten verpackt war, gehörte dem Angeklagten. Er wollte es
gewinnbrin-gend weiterverkaufen und führte auch 300 Euro bei sich. Während der Fahr-1
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zeugkontrolle veranlasste er telefonisch Dritte,
seine Wohnung gewaltsam zu öffnen und dort befindliche Betäubungsmittel zu entfernen. Bei der noch am selben Abend erfolgten
polizeilichen Wohnungsdurchsuchung wurde deshalb dort kein Rauschgift gefunden. Dem gesondert Verfolgten [X.]

, bei dem 2.300 Euro in einer für die [X.] typischen Stückelung gefun-den wurden, gelang es noch während der Fahrzeugkontrolle, Dateien auf sei-nem Laptop zu löschen (Fall II.3).
Bei einer polizeilichen Durchsuchung seiner Einzimmerwohnung am 5.
Januar 2016 wurden knapp 346 g Marihuana sichergestellt, die der Ange-klagte tags zuvor telefonisch bei dem gesondert Verfolgten H.

bestellt hat-te. Außerdem wurden ca. 2,5 g Haschisch, 2,8 g [X.], 62 [X.], 3,9 g Kokain und 5,9 g Amphetamin gefunden. Sämtliche Betäubungsmittel waren für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. Weiterhin bewahrte der Angeklagte 6.430 Euro in seiner Wohnung auf. Über deren Eingangstür lagerte er griffbereit einen Teleskopschlagstock, um die Betäubungsmittel und seine Erlöse aus dem Drogenhandel gegen Angriffe Dritter zu schützen (Fall II.4).
2. Ihre Überzeugung davon, dass dem Angeklagten, der sich zu den Tatvorwürfen nicht eingelassen hat, in beiden Fällen die sichergestellten Be-täubungsmittel und Rauschgiftutensilien sowie im Fall II.4 zudem der Teleskop-schlagstock zuzuordnen seien, hat die Strafkammer maßgeblich auf [X.] des Landeskriminalamts zur Auswertung molekulargenetischer [X.] gestützt.

t-verursacher der an der Handyhülle aufgefundenen [X.] am Aufkleber der [X.], in der das 5
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des [X.] auf der [X.] angetroffene [X.]

habe als Spurenverursacher ausgeschlossen werden können. Unter weiterer Berück-sichtigung von Erkenntnissen aus der Telefonüberwachung, wonach sich aus einer bis zum frühen Morgen des 24. Februar 2015 andauernden Kommunika-tion ergeben habe, dass sich ein Lieferant auf den Weg mache, hat es die dass das Amphetamin dem [X.] gehört habe.
Zu Fall II.4 habe ein [X.] ergeben, dass es der Angeklagte ausschließlich seine [X.] die Aussage des [X.]

, wonach sämtliche Drogen in der Wohnung ihm gehörten, nicht überzeugen können. Ebenso sei an dem Teleskopschlag-stock

einem weiteren Gutachten zufolge

worden; zudem sei an diesem eine Mischspur gesichert worden, bei der der Angeklagte Mitverursacher gewesen sei und der Zeuge H.

als solcher nicht habe ausgeschlossen werden können. Dessen Aussage, dass der Schlagstock ihm gehöre, habe nicht überzeugt. Wäre sie wahrheitsgemäß, hätten von ihm an dem Schlagstock eindeutigere Spuren gefunden werden müssen.
Nähere Ausführungen zu den [X.] enthält das Urteil nicht.
II.
1. Die Verurteilung des Angeklagten in den [X.] und II.4 der Ur-teilsgründe hat keinen Bestand, da ihr keine sie tragende rechtsfehlerfreie Be-weiswürdigung zugrunde liegt.
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Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausfüh-rungen des Gutachters so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage be-ruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfah-rungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekularge-netischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberech-nung ist nach bisheriger Rechtsprechung in der Regel zumindest erforderlich, dass das Tatgericht mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und in-wieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben ha-ben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist ([X.], Beschluss vom 12. April 2016

4 StR 18/16 mwN; zu ggf. geringeren Anforderungen bei einer Reihe weiterer gewichtiger Indizien [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2012

1 [X.], [X.], 179, 180 mwN; vgl. zur Entwicklung des Maßstabs für die sachlich-rechtlichen Anforde-rungen an die Darstellung von [X.] im tatrichterli-chen Urteil auch [X.], Urteile vom 21. März 2013

3 [X.], [X.]St 58, 212, 217, vom 5. Juni 2014

4 [X.], NJW 2014, 2454, 2455 f., und vom 24. März 2016

2 [X.], [X.], 490, 491).
Hier hat das [X.] mit seinen pauschalen Verweisungen auf [X.] des Landeskriminalamts nicht nur davon abgesehen, deren wesentliche Anknüpfungstatsachen im Urteil anzugeben, sondern nicht einmal als [X.] der Analysen die Seltenheitswerte der Spuren mitgeteilt, aus denen sich ableiten ließe, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Angeklagte als Spurenleger an den sichergestellten Betäubungsmitteln
und (im Fall
II.4) an dem Teleskop-schlagstock anzusehen ist.
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Auf dieser Lücke in der Beweiswürdigung beruht das Urteil auch. Das [X.] hat den weiteren von ihm angegebenen Indizien, soweit ihnen überhaupt für die konkreten Tatvorwürfe und nicht nur für eine länger andau-ernde Verstrickung des Angeklagten in den Drogenhandel Beweiswert zu-kommt, ersichtlich nur eine ergänzende Bedeutung beigemessen. [X.] belegen die angeführten Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung aus den Tagen jeweils vor den Durchsuchungen in ihrer nur kursorischen Darstellung durch das [X.] nicht, dass die sichergestellten Betäubungsmittel dem Angeklagten gehörten.
2. Der Rechtsfehler in der Beweiswürdigung führt auch zur Aufhebung der [X.], da diese ebenfalls auf den unzulänglichen Be-weiserwägungen zu den DNA-Spuren beruht. Die Aufhebung der Verurteilung in den [X.]
und II.4 der Urteilsgründe mit den zugehörigen Feststellungen entzieht zudem der Verfallsanordnung nach § 73d StGB ihre Grundlage.
3. Keinen Bestand hat das Urteil zudem, soweit eine Entscheidung zur Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) unterblieben ist.
Nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der 30 Jahre alte Angeklagte seit 2003 regelmäßig zunächst [X.] und später auch Haschisch. Ab 2006 nahm er daneben täglich ein Gramm [X.] zu sich. Seit 2007 handelte er mit Betäubungsmitteln. Ein Strafrest der hierfür 2009 verhängten [X.] und die außerdem angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurden 2012 zur Bewährung ausgesetzt. Auch nach seiner Entlassung bewegte sich der Angeklagte, der über keine abgeschlossene Be-rufsausbildung verfügt und weder einer geregelten Arbeit nachging noch [X.] bezog, weiterhin in der Drogenszene.
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Diese Umstände drängten zu der Prüfung, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gegeben sind, zumal die frühere [X.] bislang nicht nach § 67c Abs. 2 Satz 5 StGB für erledigt erklärt worden ist. Auch die Wendung in den Urteilsgründen, wonach der Ange-klagte
mit seinem Entschluss zum gewerbsmäßigen Drogenhandel eine Ein-e-i-schen Zusammenhangs nicht von vornherein entgegen. Er verfügte ersichtlich über keine legalen Einkünfte, die ihm die Finanzierung eines eigenen Drogen-konsums hätten ermöglichen können (vgl. [X.], Beschlüsse vom 27. Novem-ber 2012

5 StR 545/12, und vom 3. März 2016

4 [X.]). Zu einem Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten in der [X.] unmittelbar vor den [X.] Straftaten hat das [X.] zwar keine Feststel-lungen getroffen; ein solcher lag allerdings schon aufgrund seiner fortdauern-den Verstrickung in die Drogenszene sehr nahe.
Auch über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entzie-hungsanstalt muss deshalb

unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§
246a StPO)

neu verhandelt und entschieden werden.
[X.] Sander Schneider

Berger Mosbacher

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Meta

5 StR 606/16

22.02.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.02.2017, Az. 5 StR 606/16 (REWIS RS 2017, 15157)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15157

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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