Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2004, Az. IV ZR 169/03

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4181

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL [X.]

Verkündet am:

10. März 2004

Heinekamp

Justizobersekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

[X.] Nr. 1

a) Soweit Nr. 1 der Risikobeschreibungen, Erläuterungen und Besonde-ren Bedingungen ([X.]) für die Privathaftpflichtversicherung die [X.] eines Berufes vom Versicherungsschutz ausnimmt, handelt es sich um einen Ausschlußtatbestand, dessen Voraussetzungen der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat.
b) Der [X.] der ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäfti-gung in Nr. 1 der [X.] setzt voraus, daß die schadenstiftende Handlung im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgt, die ihrerseits unge-wöhnlich und gefährlich ist. Das ist nur dann der Fall, wenn sich das [X.] für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten [X.] erhöht, für den der Versicherungsnehmer haften müßte.

[X.], Urteil vom 10. März 2004 - [X.] - OLG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2004

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 12. Juni 2003 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt wegen eines Tauchunfalls von der [X.] Deckungsschutz aus einer Privathaftpflichtversicherung.

Dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag liegen "Allgemeine Versicherungsbedingungen für die [X.] ([X.])" der [X.] sowie deren "Risikobeschreibungen, [X.] und Besondere Bedingungen zum Versicherungsschein/ Nachtrag" ([X.]) zugrunde. Unter Nr. 1.1 der [X.] ist bestimmt: "Versichert ist im Rahmen der [X.] - die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als

Privatperson - 3 -

aus den Gefahren des täglichen Lebens - mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes, Berufes, Dienstes, Amtes (auch Ehrenamtes), einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art oder einer ungewöhnlichen und ge-fährlichen Beschäftigung -..."

Der Kläger war bis 1997 als Krankenpfleger tätig. Ab Oktober 1998 arbeitete er als Praxishilfe in der Krankengymnastikpraxis seiner Le-bensgefährtin; seit 2001 ist er wieder in einem Krankenhaus beschäftigt.

Er betrieb eine besondere Form des Tauchsports, nämlich das Ap-noe-Tieftauchen (Freitauchen ohne Sauerstoffgerät). Bei den [X.] läßt sich der Taucher von einem an einem sogenannten [X.] geführten, bleibeschwerten Schlitten in die Tiefe ziehen.

Am 14. August 1999 wollte der Kläger im [X.] einen Tiefen-weltrekord über 90 m aufstellen. Als einer von mehreren [X.] nahm auch der spätere Geschädigte an diesem Tauchgang teil. Zusammen mit einem Schiedsrichter des internationalen [X.] sollte er den Kläger an der Rekordmarke in 90 m Wassertiefe erwarten. Als sich der Tauchgang, der einem genauen Zeitplan unterlag, infolge technischer Probleme verzögerte, begann der Geschädigte in der irrigen Annahme, der Versuch sei abgebrochen, mit dem langsamen [X.]. Entgegen den Durchführungsbestimmungen bewegte er sich dabei nahe dem [X.]. Währenddessen ließ sich der Kläger am Schlitten nach unten ziehen. In 28 m Tiefe kam es zur Kollision, wobei der Ge-schädigte am Kopf getroffen wurde und danach benommen und desori-entiert war. Der Kläger zog ihn deshalb in Richtung Wasseroberfläche, bis der Verletzte durch den eigenen Auftrieb nach oben getragen wurde. - 4 -

Durch den zu schnellen Aufstieg erlitt der Geschädigte einen [X.], der zu schweren Nervenschäden im Rückgrat und an den Gliedmaßen und in der Folge zur Berufsunfähigkeit führte. Der [X.] des Geschädigten hat gegenüber dem Kläger Regreßan-sprüche von mehr als 2,6 Millionen • angemeldet.

Der Kläger hält die [X.] in Höhe der vertraglichen Deckungs-summe von 2 Millionen [X.] für eintrittspflichtig. Die [X.] hat eine Leistungspflicht abgelehnt, weil der Kläger gewerbsmäßig, damit beruf-lich und deshalb nicht privat im Sinne der Versicherungsbedingungen gehandelt habe. Außerdem liege eine ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigung vor, für die nach den [X.] kein Versicherungsschutz be-stehe.

Während das [X.] die Klage abgewiesen hat, hat das [X.] ihr in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision be-gehrt die [X.] die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, bei der beruflichen Tätig-keit im Sinne von Nr. 1.1 der [X.] handele es sich um einen Ausnahme-tatbestand vom zugesagten Versicherungsschutz. Berufe sich der [X.] darauf, müsse er beweisen, daß der Versicherungsnehmer einen - 5 -

Schaden in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit verursacht habe. Die [X.] habe diesen Beweis nicht erbracht.

Es sei bereits zweifelhaft, ob das Apnoetauchen auf Dauer ausge-übt werden könne, wie das für einen Beruf kennzeichnend sei. Es [X.] keiner geregelten Zeitplanung. Daß der Kläger mit dem Tauchen Einnahmen erzielt habe, zwinge ebensowenig zur Annahme eines Berufs wie deren steuerliche Deklaration als Einnahmen aus Gewerbebetrieb. Die erzielten Gewinne seien so gering gewesen, daß der Kläger seinen Lebensunterhalt aus ihnen mit Sicherheit nicht habe bestreiten können. Unter Aufgabe seiner früheren Rechtsauffassung habe das Finanzamt dem Kläger inzwischen bescheinigt, daß die durch das Apnoetauchen erzielten Einnahmen weder gewerblich noch sonst Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes seien. Anderes ergebe sich weder aus der Korrespondenz der Parteien noch daraus, daß der Prozeßbevoll-mächtigte des [X.] im Ermittlungsverfahren den Tauchsport als beruf-liche Existenz des [X.] bezeichnet und der Kläger selbst an anderer Stelle von einer Zerstörung seiner Karriere gesprochen habe.

Die [X.] könne den Deckungsschutz auch nicht deshalb ver-weigern, weil der Schaden bei einer ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten sei. Denn dieser Haftungsausschluß greife nach Sinn und Zweck von [X.] nur dort ein, wo eine Gefahr für Dritte drohe. Das sei für das Apnoetauchen im Regelfall zu verneinen. Der streitge-genständliche Vorfall habe sich ereignet, weil der Geschädigte regelwid-rig in der Nähe des [X.]es aufgestiegen sei.
- 6 -

I[X.] Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in allen Punkten stand.

1. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, trifft die [X.] die Beweislast dafür, daß der Kläger beim Unfall in Ausübung seines Be-rufs tätig war, weil es sich insoweit um einen [X.] handelt.

Das ergibt - entgegen einer in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht ([X.], [X.] 8. Aufl. § 1 [X.]. 103; Kuwert/Erdbrügger, Privat-Haftpflichtversicherung 2. Aufl. [X.]. 3017) - die Auslegung der Nr. 1.1 [X.]. Mit der Klausel wird der Umfang der Versicherung durch die [X.] negativer Komponenten des Haftpflichtrisikos beschrieben ([X.]Z 79, 145, 148). Das dient zunächst dem bildhaften Verständnis des [X.], soweit etwa der Bereich des Privaten durch die Aufzählung all derjenigen Bereiche definiert wird, die nicht als "pri-vat" im Sinne der Bedingungen anzusehen sind (Betrieb, Beruf, Dienst, Amt, verantwortliche Betätigung in Vereinen). Auf die gleiche Weise wer-den die "Gefahren des täglichen Lebens" dadurch umschrieben, daß ih-nen "ungewöhnliche und gefährliche Beschäftigungen" entgegengesetzt werden, die nicht vom Versicherungsschutz umfaßt sein sollen ([X.]Z 136, 142, 145), die vielmehr wie die anderen zuvor genannten Gefahren-bereiche vom Versicherungsschutz ausgenommen werden (Senatsurteil vom 17. Januar 1996 - [X.] - [X.], 495 unter II 2 a). Mit anderen Worten: Der Schutzbereich der Haftpflichtversicherung ist durch die Wendung "als Privatperson aus den Gefahren des täglichen Lebens" zunächst erkennbar weit abgesteckt, wird aber durch die genannten Ausnahmetatbestände nicht nur erläutert, sondern zugleich einge-- 7 -

schränkt. Soweit also vom Versicherungsschutz etwa die Gefahren des Berufes ausgenommen werden, handelt es sich um einen [X.], dessen Voraussetzungen der Versicherer darzulegen und zu beweisen hat. Insoweit gilt nichts anderes als vom Senat für den [X.] "verantwortliche Tätigkeit in einem Verein" (Senatsur-teil vom 6. Februar 1991 - [X.] - [X.], 803, 804) oder für die Ausnahme einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung be-reits entschieden worden ist ([X.], Urteil vom 26. März 1956 - [X.] - [X.], 283 unter 3; Senatsurteil vom 17. Januar 1996 aaO; so auch u.a. [X.], 1037, 1038; [X.], 652; [X.] OLGR 1994, 261, 262; [X.] VersR 1994, 1056; Späte, Haftpflichtversicherung PrivH [X.]. 3; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. Nr. 1 Privathaftpfl. [X.]. 7).

2. Daß das Berufungsgericht den Beweis für eine berufliche Tätig-keit des [X.] als nicht erbracht angesehen hat, begegnet [X.] keinen Bedenken.

a) In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß Beruf im Sinne der [X.] zu verstehen ist als eine auf Dauer angelegte, zumeist dem Erwerb des Lebensunterhaltes dienende Tätigkeit, die im Gegen-satz zu Hobby- und Freizeitbeschäftigung steht ([X.]Z 79, 145, 152; Se-natsurteil vom 19. Dezember 1990 - [X.] - [X.], 293 un-ter 1). Weiter trifft es zu, daß dabei der Bezug eines Entgelts für sich ge-nommen kein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung darstellt ([X.]Z 79, 145, 150).
- 8 -

b) Die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage vorgenommene Würdigung der Indizien und Beweise decken keine Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur darauf hin überprüft werden, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen [X.] zuwider läuft, Teile des Beweiser-gebnisses ungewürdigt läßt oder Verfahrensvorschriften verletzt. [X.] Fehler werden von der Revision nicht aufgezeigt; die Möglichkeit [X.] anderen Würdigung macht das Berufungsurteil nicht rechtsfehlerhaft.

3. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch das Vorliegen einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung im Sinne der Nr. 1.1 der [X.] verneint.

a) Wie bereits aus dem Wortlaut der Klausel folgt, müssen beide Merkmale zugleich vorliegen, die Beschäftigung muß also ungewöhnlich und zugleich gefährlich im Sinne der [X.] sein. Das ist nach gefestigter Rechtsprechung nicht bereits dann der Fall, wenn die schadenstiftende Handlung selbst ungewöhnlich und gefährlich ist. Sie muß vielmehr im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgen, die ihrerseits ungewöhn-lich und gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt ([X.], Urteil vom 26. März 1956 Œ [X.] Œ [X.], 283 unter 4; [X.]Z 79, 145, 156; Senatsurteil vom 17. Januar 1996 aaO).

Gefährlich im Sinne der Klausel ist - für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar - eine Beschäftigung aber nur dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der [X.] -

rung allein relevanten Fremdschaden resultiert ([X.], 96). Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung sein Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist deshalb uner-heblich. Seine Beschäftigung muß vielmehr die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzli-chen Haftpflicht in sich [X.].

b) Dies zugrundegelegt hat das Berufungsgericht das Eingreifen des Ausschlußtatbestandes zutreffend verneint. Zwar mögen beim [X.] in große Tiefen aufgrund der Druckverhältnisse, der schlech-ten Sicht und der dadurch im Unglücksfall erschwerten Hilfeleistung [X.] hohe Risiken bestehen. Eine Beweisaufnahme darüber war aber entgegen der Rüge der Revision nicht geboten. Denn diese Risiken tra-fen zunächst vorwiegend den Kläger selbst. Demgegenüber hat die [X.] nicht ausreichend dargelegt, daß mit dem Tauchversuch des [X.] auch eine erhöhte Gefährdung Dritter einherging, für die der Kläger aus Rechtsgründen einzustehen gehabt hätte. Allein mit dem Hinweis auf den konkreten Geschehensablauf, für den ein regelwidriges Verhalten des Geschädigten eine maßgebliche Ursache gesetzt hat, kann dieser Nachweis nicht erbracht werden. Die [X.] hätte vielmehr dartun müssen, ob und inwieweit bei solchen Tauchgängen üblicherweise be-sondere Gefahren für Dritte bestehen, die eine Haftung des [X.] aus-lösen könnten. Eine solche Verantwortlichkeit des [X.] ist nicht auf-gezeigt. Insbesondere hat die [X.] auch nichts dafür vorgebracht, - 10 -

daß er etwa als Veranstalter des Weltrekordversuchs anzusehen wäre und ihn deshalb aus dem Gesichtspunkt eines Organisationsverschul-dens besondere Schutzpflichten gegenüber allen Teilnehmern getroffen hätten.

Terno [X.] [X.]

Dr. [X.]

[X.]

Meta

IV ZR 169/03

10.03.2004

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2004, Az. IV ZR 169/03 (REWIS RS 2004, 4181)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4181

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