Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 1 StR 257/12

1. Strafsenat | REWIS RS 2012, 3815

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
1
StR 257/12
vom
21.
August 2012
in der Strafsache
gegen

wegen Steuerhinterziehung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 21. August 2012, an der teilgenommen haben:

[X.] am [X.]
[X.]

und [X.] am [X.]
Dr. Wahl,
[X.],
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,

[X.] beim [X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 3. November 2011 im [X.] aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an
eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.].

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Der Angeklagte war Finanzvorstand der I.

AG

. Ihm wird vorgeworfen, für die I.

AG
keine
Umsatzsteuerjahreserklärung für das [X.] abgegeben und so vom Unter-nehmen geschuldete Umsatzsteuer in Höhe
von 29.728.541,85
[X.] (=

g-ten deshalb zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Sechs Monate der erkannten Freiheitsstrafe hat das [X.] für vollstreckt 1
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erklärt. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestütz-ten und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch -
Strafausspruch und [X.] -
beschränkten Revision insbesondere dagegen, dass die [X.] bei der Strafzumessung nicht von einem besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung
gemäß §
370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der bis zum 31.
Dezember 2007 geltenden Fassung und von dem dann grundsätzlich eröff-neten weiteren Strafrahmen ausgegangen ist. Denn der Angeklagte habe nicht nur Steuern im großen Ausmaß hinterzogen, sondern -
was zur Tatzeit noch weitere tatbestandliche Voraussetzung des [X.] war -
er habe auch aus grobem Eigennutz gehandelt. Dies habe die [X.] zu Unrecht ver-neint. Außerdem liege keine der Justiz [X.] überlange Verfahrensdauer vor, jedenfalls sei die Kompensation, auf die erkannt wurde, überhöht. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

II.
Den Feststellungen des [X.]s ist Folgendes zu entnehmen:
1. Geschäftszweck der Unternehmensgruppe um die I.

AG war ein Steuersparmodell durch die Auflage von Filmfonds. Die Fonds traten als Auftraggeber für ausländische Filmproduktionen und damit formell als Filmher-steller auf. Kapitalanleger konnten sich mit [X.] in Höhe von mindestens 50.000 [X.], von denen allerdings nur 48 % von den [X.] zu erbringen waren, beteiligen. Die Fonds trugen im Namen alle die Firma W.

mit vorangestellter fortlaufen-der Nummerierung. Im vorliegenden Verfahren sind der fünfte und der sechste W.

relevant.
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-
Federführend bei der Produktion der Filme war allerdings die I.

AG auf der Grundlage von mit den Fonds abgeschlossenen [X.]. Danach führte die I.

AG die Geschäfte für die [X.], organisierte die Filmproduktionen im Ausland ([X.]) durch ausländische Unternehmen und deren Bezahlung. Sie stellte dann die Produktionskosten zu-züglich Umsatzsteuer -
damals in Höhe von
16 % -
den Fonds in Rechnung. Die I.

AG nahm auch das Fremdkapital auf zur Abdeckung der restlichen 52 % der [X.] bei den Fonds. Die Erstellung der [X.] erfolgte durch die E.

Steuerberatungsgesellschaft mbH. Für die [X.], die Erstellung der Konzeption der Filmfonds, die Anle-gerbetreuung und die Vertriebskoordination war die E.

AG verantwortlich. Die Fonds stellten sich im Grunde nur als Gelddurchlaufstationen dar.
Der Angeklagte,
ein promovierter Diplom-Volkswirt, war zwar nicht [X.] der I.

AG. Dies waren die Musikproduzenten

M.

und

A.

. Nachdem er aber wegen seiner Fachkompetenz gleich zu Be-ginn der Unternehmensgeschichte im Jahre
1999 angeworben worden war, be-herrschte er -
seiner Stellung entsprechend -
das wirtschaftliche Geschehen der Unternehmensgruppe.
Im September 1999 wurde er als sogenannter Finanzvorstand in den Vorstand der I.

AG berufen, um zunächst den Börsengang des [X.] zu begleiten. Die Stellung als Finanzvorstand hatte er bis August 2006 inne. In den Jahren 2000 bis Mitte 2002 war er mit ca. 10 % an der
I.

AG beteiligt.
Der Angeklagte war Alleinaktionär der oben genannten E.

AG. Weil der Angeklagte nicht gleichzeitig als Vorstand sowohl in dieser [X.] als auch bei der I.

AG in Erscheinung treten wollte, wurden bei 4
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der E.

AG meist formell andere Personen als Vorstand bestellt. An der tatsächlichen
Führung der E.

AG durch den Angeklagten änderte sich dadurch nichts. Aufgrund von [X.] mit den einzelnen Fonds hatten diese eine Vergütung an die E.

AG in der Höhe zwischen 10 und 11 % der [X.] einmalig, sowie eine jährliche Zahlung in Höhe von 0,54 % der Anteile zu entrichten.
Ob der Angeklagte auch an der E.

Steuerberatungsgesellschaft mbH beteiligt war, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Darauf deutet allerdings die Verwendung des Namens E.

auch bei dieser Gesellschaft hin. Diese Bezeichnung verwendete der Angeklagte schon zu Studienzeiten für ein von ihm aufgebautes wirtschaftswissenschaftliches Repetitorium.
Der Angeklagte war auch [X.] jedenfalls des dritten, fünften und sechsten Fonds.
Die I.

AG erlitt einen wirtschaftlichen Niedergang. Wann dies einsetzte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Im Jahre 2006 wurde sie insolvent. In diesem Zusammenhang verlor auch der Angeklagte sein Vermö-gen und musste im Januar 2006 die eidesstattliche Versicherung gemäß §
807 ZPO abgeben. Wegen von ihm als Finanzvorstand zu verantwortender Insol-venzverschleppung wurde der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. Zum steuerstrafrechtlichen Vorwurf:
Die I.

AG stellte -
wie oben bereits gesagt -
den Fonds die Pro-duktionskosten zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Rechnung. Bei den Fonds ging die ausgewiesene Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuer in deren Umsatz-steuererklärungen ein. Dies führte auch zu erheblichen Steuererstattungen sei-8
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an die I.

AG bzw. an die E.

AG weitergeleitet worden.

n-.

AG, der [X.]

, Überlegungen auf, dass Umsatzsteuern nicht oder nicht in voller Höhe angefal-len sein könnten und zwar möglicherweise schon deshalb nicht, weil es sich um [X.] handelte, jedenfalls aber, da die Leistung zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eventuell nicht oder nicht vollständig erbracht war. In diese Überlegungen war auch der Angeklagte einbezogen. Die Buchhaltung informierte er darüber nicht, sodass weiterhin Rechnungen über Produktions-kosten unter Ausweis der Umsatzsteuer an die Fondgesellschaften erstellt [X.], so auch im Jahre 2000.
Dabei handelte es sich um eine Rechnung vom 29. September 2000 und fünf Rechnungen vom 29. Dezember 2000 über einen Nettobetrag von insge-samt 184.905.000 [X.] zuzüglich 29.584.799,97 [X.] Umsatzsteuer. Aus zumin-dest vier dieser Rechnungen machten die Fondgesellschaften zeitnah [X.] über insgesamt 15.924.000 [X.] geltend. 8.142.721,38 -
dann schon -
Euro erkannte das Finanzamt nach einer Umsatzsteuersonderprüfung bei den
Fonds e-teiligten Unternehmen mit Steuerschulden der E.

AG verrechnet. Davon wurden jedenfalls 3.067.751.

AG
weitergeleitet.
Die im Jahre 2000 den Fonds in Rechnung gestellte Umsatzsteuer er-klärte der Angeklagte -
für die I.

AG handelnd -
nicht und führte sie auch nicht ab. Er gab überhaupt keine Umsatzsteuererklärung und auch keine 13
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Vor-anmeldungen für das [X.] ab. Deshalb blieben auch die Umsatzsteu-ern (ermäßigter Steuersatz) aus weiteren 689.783 [X.] unberücksichtigt. [X.] folgt der [X.] in Höhe von 29.728.541,85
[X.] (15.u-ervoranmeldungen für das [X.] hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren mit Verfügung vom 25. Juni 2010 ([X.], Blatt 481) gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Im September 2002 erging auf der Grundlage von Schätzungen ein Steuerbescheid hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000. Die sofortige Vollziehung wurde nach [X.] am 18. Dezember 2002 ausgesetzt. Bereits im August 2002 war gegen den Angeklagten ein steuerstrafrechtliches Ermitt-lungsverfahren eingeleitet worden.
Am 5. August 2005 wurden für die I.

AG bezüglich der Jahre 2000 bis 2002 [X.] eingereicht. Sie enthielten auch die [X.], obgleich im
Juli 2005 die hier maßgeblichen Rechnungen der I.

AG
unter dem Datum 31. Dezember 2002 intern wieder ausgebucht worden waren. An die Fondsgesellschaften wurden diese Korrekturen aber nicht weitergeleitet. Ob für das [X.] noch Umsatzsteuern durch Verrechnung mit Guthaben beglichen wurden, teilen die Urteilsgründe nicht eindeutig mit.
3. Bei der Strafzumessung ist die [X.] vom Strafrahmen des §
370 Abs. 1 ([X.]) [X.] (in der Fassung vom 10. September 1998) ausgegan-gen. Die Voraussetzungen des §
370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 [X.] in der seinerzeit [X.]. Die Tat sei auch auf die Erstattung von Vorsteuern angelegt ge-16
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wesen. Es bestünden jedoch Zweifel, ob der Angeklagte im Sinne der damals geltenden Bestimmung aus grobem Eigennutz gehandelt hat. Das [X.] hat zwar nicht übersehen, dass [X.], sei es durch Überweisung oder Verrechnung, in erheblichem Umfang der I.

AG und insbesondere der E.

AG, deren Alleinaktionär der Angeklagte war, zu [X.] kamen. Nicht feststellen habe sie jedoch können, inwieweit der Angeklagte davon persönlich profitiert hat und ob Zahlungen aufgrund bereits bestehender Forderungen gegenüber den Fonds erfolgten.
Die [X.] ist davon ausgegangen, dass die Produktionskosten im s-halb bei der Strafzumessung nur den Schaden zugrunde gelegt, der aufgrund der Vorsteuererstattung an die Fonds (15.924.000 [X.]) entstanden ist. (Bei der -
UA S. 32 -
handelt es sich um ein offensichtli-ches Schreibversehen. Das folgt aus der eindeutigen Bezugnahme auf die [X.] Beträge, deren Summe den genannten Betrag in [X.] ergibt. Außer-t-

Strafmildernd habe sich auch ausgewirkt, dass das Finanzamt bei der Geltendmachung der Vorsteuer durch die Filmfonds keine weiteren Nachweise zum Leistungszeitpunkt eingefordert habe.
Schließlich hat die [X.] dem Angeklagten die lange Verfahrens-dauer zu [X.] gehalten. Dabei könne jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die erhebliche Verfahrensdauer auch darauf zurückzuführen gewesen sei, dass der Angeklagte immer wieder Stellungnahmen habe ankündigen lassen, die dann nicht oder erheblich verspätet eingegangen seien. Entsprechend habe es sich mit der Wahrnehmung von [X.] verhalten.
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III.
Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand.
Strafzumessung ist Sache des Tatgerichts. Sie ist revisionsrechtlich nur auf Rechtsfehler hin überprüfbar. Solche liegen hier jedoch vor.
1. Die Erwägungen zur Strafrahmenwahl weisen Lücken auf und enthal-ten Bewertungsfehler.
a) Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte -
wie die frühere [X.] des §
370 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 [X.] erforderte -
aus grobem Eigennutz han-delte, kann es bei dem Ausgangspunkt, nämlich inwieweit der Angeklagte über-haupt Nutznießer des durch Hinterziehung im großen Ausmaß entstandenen [X.] war, letztlich keinen maßgeblichen Unterschied machen, ob die entsprechenden Beträge ihm direkt zu
[X.] kamen oder einem Unternehmen, dessen Alleinaktionär er war (E.

AG) oder an dem er jedenfalls nicht völlig unerheblich als Aktionär beteiligt war (I.

AG).
Die [X.] hat dazu weiter ausgeführt, sie habe nicht feststellen können,

n-keine Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Variante genannt hat, stellt sich die Frage, wie sie überhaupt zu entsprechenden Überlegungen gekommen ist. Sollte dies auf Vermutungen oder der Einlassung des Angeklagten beruhen, ist zu bemerken, dass entsprechenden Äußerungen ohne konkrete tatsächliche Hinweise nicht gefolgt werden muss, allein weil eine Behauptung nicht widerlegt werden kann. Der Tatrichter darf Angaben, für deren Richtigkeit er keine [X.] Anhaltspunkte hat, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen und seiner Entscheidung zu Grunde legen, nur weil es für das Gegenteil keine 22
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unmittelbaren Tatsachen gibt ([X.], Beschluss vom 8. November 2006
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2 BvR 1378/06). Außerdem hätten, wenn auf bestehende Forderungen [X.] worden sein sollte, Feststellungen dazu getroffen werden müssen, ob der entsprechende Fonds auch ohne die Steuererstattungsbeträge zur Zahlung in der Lage gewesen wäre. Das Ergebnis hätte in die Gesamtschau zum groben Eigennutz einbezogen werden müssen.
Ebenso hätte es der Erörterung bedurft, ob die E.

AG auch ohne die Verrechnung in der Lage gewesen wäre, die Steuerforderung zu beglei-chen.
Es hätte sich der [X.] zudem der Gedanke aufdrängen und sie hätte sich damit auseinandersetzen müssen, ob nicht sowohl die I.

AG,
als auch die E.

AG möglicherweise nur mit Hilfe der ihnen zugeflossenen [X.] liquide blieben. Die I.

AG wurde 2006 insolvent. Die [X.] hat zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass ihm die Rettung der AG nicht gelang. Der Angeklagte wurde in diesem Zusammenhang wegen Insolvenzverschleppung verurteilt. Wann dieses Unternehmen in die Krise kam, etwa schon 2001/2002, hat das [X.] nicht mitgeteilt. Über das Schicksal der E.

AG ist den Urteilsgründen nichts zu entnehmen. Da der Angeklagte aber 2006 die eidesstattliche Versicherung für sich persönlich abgeben musste, dürfte zu diesem Zeitpunkt auch die E.

AG nicht mehr aktiv und wertlos gewesen sein. Der Angeklagte könnte in den Jahren zuvor ein massives Inte-resse daran gehabt haben, die Unternehmen möglichst lange am Leben zu [X.], da sie seine Existenzgrundlage darstellten. Wenn dies nur -
oder über-wiegend -
mit den [X.] zu bewerkstelligen war, muss auch dieser gewichtige Gesichtspunkt in die Bewertung, ob der Angeklagte aus grobem Eigennutz handelte, mit einbezogen werden.
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b) Die [X.] hätte sich -
bei Nichtfeststellung des groben Eigen-nutzes als der zur Tatzeit neben einer Steuerverkürzung in großem Ausmaß erforderlichen Voraussetzung des [X.] des §
370 Abs. 3
Satz 2 Nr. 1 [X.] in der damals geltenden Fassung -
angesichts der Höhe des [X.] damit auseinandersetzen müssen, ob nicht jedenfalls ein unbe-nannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung zu bejahen ist. Ein Fall ist dann besonders schwer, wenn er sich bei einer
im Rahmen der gebote-nen Gesamtwürdigung aller Zumessungstatsachen nach dem Gewicht von [X.] vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle so weit abhebt, dass die Anwendung des [X.] geboten ist [X.] in [X.], [X.], 11. Aufl., § 370 Rn. 276 mwN). Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorge-gebene Kriterium der "verschuldeten Auswirkungen der Tat" dann besonderes Gewicht. "Auswirkungen der Tat" sind insbesondere die
Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 [X.] geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens. Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. [X.], Urteil vom 2. Dezember 2008 -
1 [X.], Rn. 21, [X.]St 53, 71, 80 mwN). Bei sehr hohen Hinterziehungsbeträgen liegt deshalb ein besonders schwerer Fall jedenfalls nicht fern,
auch wenn ein Regelbeispiel nach der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 370 [X.] nicht gegeben ist (vgl. [X.],
Beschluss vom 22. September 2008 -
1 [X.], Rn.
22, [X.], 159).
c) Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die [X.] bei umfas-sender Würdigung aufgrund der erforderlichen Feststellungen bei der Strafrah-menwahl zu einem anderen Ergebnis, nämlich zur Anwendung des erhöhten Strafrahmens gekommen wäre.
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2. Die [X.] hat ihren Strafzumessungserwägungen im Übrigen einen zu geringen Schadens-
und damit [X.] zugrunde gelegt. Inso-weit verweist sie ausdrücklich -
allein -
auf die [X.] in Höhe von 15,9 Millionen [X.]. Das [X.] übersieht zwar nicht, dass die [X.] auch bei unrichtigem Steuerausweis mit der Rechnungsstellung unter [X.] entsteht (§ 14 Abs. 2 UStG aF, heute § 14c UStG). Wird die Umsatzsteuer dann nicht erklärt, ist das Steuerhinterziehung, wie die [X.] ebenfalls im Grundsatz nicht verkennt. Sie hat die tatbestandliche Steuerhinterziehung auch insoweit festgestellt. Dann ist aber auch der gesamte Hinterziehungsbetrag in die Erwägungen zur Strafzumessung einzubeziehen. Dies sind hier 29,7 Millionen [X.]. Zwar kommt den erstatteten Beträgen (um-gangssprachlich ein -
hier tiefer -

e-wicht zu. Aber die darüber hinaus hinterzogenen Steuern -
hier immerhin in [X.] von weiteren 13,8 Millionen [X.] -
können bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht einfach außer Betracht gelassen werden.
Die Nichtbeachtung der aus § 14 Abs. 2 UStG aF (heute § 14c UStG) erwachsenden Steuerpflicht durch einen Steuerpflichtigen stellt nicht nur einen Formalverstoß dar. Der Hintergrund ist, dass derartige Rechnungen regelmä-ßig, wie auch hier, in die Umsatzsteuervoranmeldungen und -erklärungen der Rechnungsempfänger als Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) eingehen und zur Min-derung von deren Steuerlast oder gar zu Erstattungen führen können. Die [X.] erkannte im vorliegenden Fall nach einer Umsatzsteuersonder-prüfung bei den Fonds die Erstattungsfähigkeit der gesamten geltend gemach-ten Vorsteuern auch an. Weshalb es über die ausbezahlten bzw. verrechneten 15,9 Millionen [X.] hinaus zu keinen weiteren Erstattungen mehr kam, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Mitte des Jahres 2002 setzten allerdings schon die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen ein.
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3. Es ist hier nicht angezeigt, der Finanzbehörde ein Mitverschulden an der Erstattung der geltend gemachten Vorsteuer anzulasten (vgl. hierzu [X.], Beschluss
vom 14.
Dezember 2010 -
1 [X.]/10,
Rn.
29 f, [X.], 186, [X.]. [X.] 2011, 58). Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind durch Belege nachzuweisen ([X.] Abschnitt 202, Aufzeichnung und Bele-ge, Abs. 1 Satz 1). Das Finanzamt hat bei den Fonds geprüft und Rechnungen einer existenten und aktiven inländischen Aktiengesellschaft vorgefunden, die Umsatzsteuer ausweisen. Es ist nicht Sache der Finanzbehörde, die materielle Berechtigung einer Rechnungsstellung zu überprüfen. Das Steuerrecht und die Finanzverwaltung dürfen -
und sind gehalten -, gerade bei [X.]eldungssteuern, wie der Umsatzsteuer, zunächst von zutreffenden Angaben der Steuerpflichti-gen auszugehen. Die Rechnungen wiesen keine formellen Mängel auf und ga-ben auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Leistungen noch nicht oder nicht vollständig erbracht wurden. Soweit Produktionskosten in drei der Rechnungen nur anteilig (z.B. 31
% oder 70
%) in Ansatz gebracht wurden, entsprach dies chneten Filmpro-duktion. Sollten allerdings die Leistungen, deren Bezahlung mit den Rechnun-gen geltend gemacht wurden, tatsächlich nicht erbracht worden sein, könnte sich die Überlegung aufdrängen, dass es sich insoweit sogar nur um Schein-rechnungen handelte, um unberechtigt Vorsteuererstattungen zu erlangen.
Allein schon der bei der Strafzumessung zu berücksichtigende erheblich größere [X.] führt dazu, dass der Strafausspruch keinen Bestand haben kann. Der [X.] vermag nicht auszuschließen, dass die [X.], wenn sie bei der Festsetzung der Rechtsfolge den gesamten [X.] im Blick gehabt hätte, auf eine höhere Strafe erkannt hätte.
4. Zu den [X.] bei der Kompensation verweist der [X.] auf die Antragsschrift des [X.] vom 30. Mai 2012 und zur Beur-33
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teilung der Verfahrensdauer in Wirtschaftsstrafsachen auf den Beschluss des [X.]s vom 20. März 2008 -
1 StR
488/07,
Rn. 23 ff.
([X.]R StPO §
213
Terminierung 1).
5. Der Rechtsfolgenausspruch bedarf nach allem neuer Verhandlung und Entscheidung. Die bisher hierzu getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da insoweit lediglich [X.] vorliegen. Ergänzende Feststel-lungen sind möglich und auch geboten. Sie dürfen nicht im Widerspruch zu den bisherigen stehen.
6. Die nunmehr zur Verhandlung berufene [X.] wird auch er-gänzende Feststellungen zur eventuellen Erledigung der Strafe aus der Verur-teilung des Angeklagten wegen Insolvenzverschleppung zu treffen haben. In den Urteilsgründen wird bislang nur mitgeteilt, dass die Verurteilung nach dem Geschehen, das Gegenstand dieses Verfahrens ist, erfolgte. Dann sind die sei-nerzeit verhängte Freiheitsstrafe von zehn Monaten zur Bewährung und die in diesem Verfahren auszusprechende Strafe aber grundsätzlich gesamtstrafen-fähig. Wahrscheinlich unterblieb die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gemäß § 55 StGB, da die zehnmonatige Freiheitsstrafe nach Ablauf der Bewäh-rungszeit bereits erlassen wurde. Zu überprüfen vermag der [X.] dies jedoch nicht. Ob und ggf. wann die Erledigung der Strafe eintrat, ist den
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Urteilsgründen nicht zu entnehmen. Auch können aus dem Urteilszeitpunkt und der Bewährungszeit keine Rückschlüsse gezogen werden, da auch diese In-formationen fehlen.

[X.]

Wahl

[X.]

Jäger

Sander

Meta

1 StR 257/12

21.08.2012

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2012, Az. 1 StR 257/12 (REWIS RS 2012, 3815)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3815

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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