Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2017, Az. 1 StR 628/16

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 9864

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:070617U1STR628.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM [X.] [X.]S VOLKES

URTEIL
1
StR
628/16

vom
7. Juni
2017
in dem Sicherungsverfahren
gegen

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Der 1.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7. Juni 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Raum,

[X.] am [X.]
Prof. Dr. Graf,
[X.],
[X.]in am [X.]
Cirener
und [X.] am [X.]
Prof. [X.],

Staatsanwältin beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwältin

in der Verhandlung

als Verteidigerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2016 mit den [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat die Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, welche Erfolg hat.

I.
Die Beschuldigte, welche an einer erstmals 1998 diagnostizierten [X.] Schizophrenie leidet, benutzte am 21. Juni 2015 die [X.] in M.

und ging aufgrund einer wahnhaften Vorstellung davon aus, dass sich in der [X.] nur Personen vom Film befinden würden und sie, welche gerne Schauspielerin wäre, nun eine Rolle spielen müsse, um den in der [X.] vermuteten Regisseur von ihren schauspielerischen Fähigkeiten zu überzeugen und dadurch eine Filmrolle zu erhalten. In dieser Vorstellung entschloss sie sich zur Darstellung einer Bedrohung und begab sich zu der Geschädigten S.

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, welche mit ihren Arbeitskollegen die [X.] ebenfalls benutzte, mit ei-nem Einhandmesser, welches die Beschuldigte in ihrer Handtasche mitgeführt und nun bereits in ihre
Jackentasche gesteckt hatte. Mit dem Messer in der Hand trat sie an die Geschädigte heran und hielt ihr die 8 cm lange Klinge in
versuchte, den Arm mit dem Messer wegzudrücken, während die Beschuldigte das Messer mindestens viermal zum Hals der Geschädigten führte. Erst durch das Eingreifen eines anderen Fahrgastes, welcher allerdings ebenfalls in der Gefahr stand, von der Klinge getroffen zu werden, gelang es, der Beschuldigen das Messer wegzunehmen und diese auf einer Sitzbank so lange zu fixieren, bis die Polizei eintraf.

II.
Das [X.] hat, sachverständig beraten, festgestellt, dass die Be-schuldigte zum Zeitpunkt der Tatbegehung im Zustand der Schuldunfähigkeit gemäß §
20 StGB gehandelt hat.
Von der Anordnung der Unterbringung der Beschuldigten in einem psy-chiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB hat die [X.] abgesehen, t, dass die Beschuldigte infolge ihrer Erkrankung weitere erhebliche Straftaten bege-hen wird und daher für die Allgemeinheit gefährlich ist ([X.] 18).
Demgegenüber kam die von der [X.] beigezogene psychiatri-sche Sachverständige K.

zum Ergebnis, dass von der Beschuldigten im nicht behandelten oder nicht ausreichend behandelten Zustand aus medizinischer 3
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Sicht weitere erhebliche, der [X.] entsprechende Aggressionstaten zu er-warten seien ([X.] 23 f.).
III.

1. Bei den Ausführungen zur Gefährlichkeitsprognose hat sich die [X.] nicht rechtsfehlerfrei mit den Ausführungen der Sachverständigen K.

jedoch hinsichtlich der Gefährlichkeit der Beschuldigten Zweifel nicht überwin-den konnte ([X.] 24 f.).
Zwar ist der Tatrichter nicht gehalten, einem Sachverständigen zu [X.]. Kommt er aber zu einem anderen Ergebnis, muss er sich konkret mit den Ausführungen des Sachverständigen auseinandersetzen. Der Tatrichter muss, sofern er in einer schwierigen Frage den Rat eines Sachverständigen in [X.] genommen hat und diese Frage dann im Widerspruch zu dem Gutach-ten lösen will, die Darlegungen im Einzelnen wiedergeben, insbesondere des-sen Stellungnahme zu den Gesichtspunkten, auf welche der Tatrichter seine abweichende Auffassung stützt ([X.], Urteil vom 12. Juni 2001

1 [X.]/01; Beschlüsse vom 20. Juni 2000

5 [X.], [X.], 550 und vom 19.
Juni 2012

5 [X.], [X.], 55).
2. Vorliegend hat die [X.] ihre Prognose, wonach von der [X.] keine akute Fremdgefährdung ausgehe, auf den derzeitigen [X.] Zustand der Beschuldigten, deren vorbildliche Krankheitseinsicht und den bisher straffreien Lebensweg gestützt, außerdem darauf, dass die Be-schuldigte der Hauptverhandlung stets konzentriert gefolgt sei, Kontakt gehal-

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Insoweit hat sich das [X.] gerade aber nicht mit den Feststellun-gen der Sachverständigen auseinander gesetzt, wonach die Beschuldigte zwar theoretisch wisse, dass sie krank sei, es aber an einer realistischen Einschät-zung fehle und ein konkreter Umgang mit der Erkrankung nicht vorhanden sei ([X.] 23). Zudem könne die aktuelle Medikation der Beschuldigten auf Dauer nicht beibehalten werden, zumal in der Vergangenheit bereits mehrfach zusätz-liche Neuroleptika zur Unterstützung der Medikation erforderlich gewesen [X.]. Dies hätte der Tatrichter aber berücksichtigen müssen, wenn er sich bei seiner Prognose vor allem auch auf das Verhalten der Beschuldigten in der Hauptverhandlung stützt, zu welcher sie noch vorläufig untergebracht und dabei
unter Aufsicht medikamentiert war.
3. Außerdem hat sich das [X.] mit den Aussagen der sachver-ständigen Zeugin und betreuenden Psychologin [X.]

, wonach es schwierig gewesen sei, die Beschuldigte in die [X.] zu integrieren und die Medikation zunächst problematisch und es bis
zum Zeitpunkt der [X.] nicht möglich gewesen sei, die Beschuldigte auf ein Depotpräparat einzustellen ([X.] 19 f.), ebenso wenig auseinandergesetzt wie mit den [X.] des sachverständigen Zeugen und behandelnden Arztes

A.

. Dieser hatte angegeben, dass die Einstellung auf eine Depotmedikation erst erfolgen könne, wenn zuvor eine Umstellung auf ein solches [X.] und die erforderliche Dosis gefunden sei; zudem sei die medikamentöse [X.] noch nicht optimiert (vgl. [X.] 21).
Vor allem aber hat die [X.] bei ihrer Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt, dass es nach dessen Aussage bei der Beschuldigten wäh-rend der Unterbringung zu fremdaggressiven Verhaltensweisen gekommen ist und sie nach den Pflegekräften
auch geschlagen und getreten hat
([X.]
21).
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4. Der neue Tatrichter wird die Gefährlichkeitsprognose auf den Zeit-punkt der neuen Entscheidung unter Berücksichtigung des aktuellen [X.] zu beziehen haben. Sollte danach das [X.] die Voraus-setzungen der Anordnung der Unterbringung bejahen, wird der neue Tatrichter in den Blick zu nehmen haben, dass die Anordnung der Unterbringung, ggfs. mit geeigneten Weisungen, auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, was zu einer ordnungsgemäßen Medikamentierung der Beschuldigten während [X.] beitragen kann.
Raum Graf [X.]

Cirener

Radtke
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Meta

1 StR 628/16

07.06.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.06.2017, Az. 1 StR 628/16 (REWIS RS 2017, 9864)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9864

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