Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 257/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11106

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR257.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 257/15
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.

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2
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Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai 2017
gemäß §
406a Abs.
2 Satz
2 StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24.
Februar 2015 wird verworfen, auch soweit sie sich ge-gen die Adhäsionsentscheidung richtet.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 24.
Februar 2015 wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerer Entziehung Minderjähriger und Menschenraub zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin 35.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.
Februar 2015 zu zahlen. Das [X.] hat schließlich die Verpflichtung des Angeklagten festgestellt, der Nebenklägerin sämtliche weitere immateriellen und sämtliche gegenwärtigen oder zukünftigen materiellen Schäden aufgrund der Tat vom 27.
bis 29.
September 2014 zu ersetzen, soweit diese nicht bereits auf Dritte überge-gangen sind oder noch übergehen werden.
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Mit Beschluss vom 22.
Dezember 2015 hat der [X.] die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Straf-ausspruch richtete, und den Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit das [X.] eine Feststellungsentscheidung zum Ersatz gegenwärtiger materi-eller Schäden getroffen hat. Die Entscheidung über die Revision gegen die im Übrigen getroffene weitere Adhäsionsentscheidung sowie über die
Kosten des Rechtsmittels hat der [X.] im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014 -
2 StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivilsachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zurückgestellt und sie einer abschlie-ßenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des [X.] vom 16. September 2016 -
VGS 1/16 ([X.], 179), bei dem der [X.] mit Beschluss vom 14.
April 2016 -
2
StR 137/14 u.a. die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen [X.] in Geld (§
253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.
Die Vereinigten [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs. 2 BGB (§
847 BGB aF) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein aus-geschlossen werden können ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16).
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Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher
Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr., grundlegend [X.], Großer [X.] für Zivilsachen, Be-schluss vom 6. Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 154 ff.; [X.], Urteile vom 13.
Oktober 1992 -
VI [X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29. November 1994
-
VI
ZR 93/94, [X.]Z 128, 117, 120 f.).
Dabei steht der Entschädigungs-
oder [X.] im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung. Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgeru-fene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Aus-druck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Be-rücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer [X.] für Zivilsachen, Beschluss vom 6. Juli 1955 -
GSZ 1/55, [X.]Z 18, 149, 157; [X.], Urteil vom 16. Januar 1996 -
VI [X.], [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. [X.] können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die 4
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dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung [X.] durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris Rn. 57). Indem der
(Tat-)Richter im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt
und gewichtet, dabei gegebenenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16,
juris Rn.
56, 70).
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein den einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.], [X.], Beschluss vom 16.
September 2016 -
VGS 1/16, juris Rn.
72).
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Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von [X.] und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung
vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

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II.
1. Nach diesen Maßstäben begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils, soweit der Angeklagte zur Zahlung eines [X.] in Höhe von 35.000 Euro nebst Zinsen verurteilt worden ist, keinen durchgreifenden rechtlichen
Bedenken. Das [X.] hat sich bei der [X.] des Schmerzensgeldes entscheidend an dem Ausmaß des von dem Angeklagten verwirklichten Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orientiert. Zwar hat es auch die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl des [X.] als auch der Geschädigten in den Blick genommen. Dem [X.] ist aber zu entnehmen, dass die Berücksichti-gung der beiderseitigen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse im Ergebnis keinen Einfluss auf die Höhe des Schmerzensgeldes genommen hat. Der [X.] kann daher ausschließen, dass das Urteil auf der unter den hier gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft erfolgten Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten beruht.
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2. Die verbleibende Feststellungsentscheidung weist aus den [X.] Gründen der Antragsschrift des [X.] keinen Rechtsfeh-ler auf.

[X.] Eschelbach

Zeng Grube

12

Meta

2 StR 257/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 257/15 (REWIS RS 2017, 11106)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11106

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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