Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2008, Az. 2 StR 450/08

2. Strafsenat | REWIS RS 2008, 894

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[X.]/08 vom 12. November 2008 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 12. November 2008 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Mai 2008 im Strafausspruch mit den zugehö-rigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.]. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat zum [X.]; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Die Erwägungen, mit denen das [X.] eine erhebliche [X.] der Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat, 2 - 3 - begegnen rechtlichen Bedenken. Die Kammer führt aus, die dem Angeklagten etwa 9,6 Stunden nach der Tat entnommene Blutprobe ergebe bei Rückrech-nung auf die Tatzeit unter Berücksichtigung des vom Angeklagten [X.] von —1 bzw. 2 [X.] eine maximale Blutalkoholkonzentrati-on von 3,0 bzw. 2,74 Promille. Angesichts des langen Rückrechnungszeitraums und der wenig präzisen Angaben zur Verteilung des Alkoholkonsums im Zeitab-lauf sei diese Berechnung jedoch ziemlich ungenau und wenig verlässlich. [X.] spreche unter Berücksichtigung der weiteren Umstände "Vieles" für die Richtigkeit der [X.] auf der Basis der Trink-mengenangaben des Angeklagten. Wenn man die nach —zum Teil [X.] des Angeklagten auf Nachfragen des Gerichts und des rechts-medizinischen Sachverständigen —zuletzt als Maximalwert angegebenen 8 Fla-schen Bier a 0,5 Literfi zugrunde lege, ergebe sich eine maximale Blutalkohol-konzentration von 2,04 Promille zur Tatzeit. Beziehe man ergänzend die [X.], insbesondere das Verhalten des Angeklagten in die Be-trachtung ein, habe zur Tatzeit eine erhebliche Einschränkung der Steuerungs-fähigkeit wegen des Alkoholkonsums nicht vorgelegen. 2. Mit diesen Ausführungen verkennt das [X.] die an seine Über-zeugungsbildung zu stellenden Anforderungen. Zwar ist im Ausgangspunkt die Annahme des [X.]s zutreffend, dass einem aus einer Blutprobe errech-neten Wert, der unter Berücksichtigung der dem Angeklagten günstigsten Ab-bauwerte zustande gekommen ist, lediglich eine beschränkte Aussagekraft zu-kommt (vgl. BGHSt 35, 308, 313 f.). Dies gilt insbesondere bei einem wie hier über viele Stunden zurückgerechneten Maximalwert (BGHSt 36, 286, 289). Mit fortschreitender Rückrechnungszeit gewinnen die sonstigen objektiven und sub-jektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild und das Verhalten des [X.] vor, während und nach der Tat beziehen, an [X.] Bedeutung. 3 - 4 - Kommt der Tatrichter in einem solchen Fall zu der Überzeugung, dass die übri-gen Beweisanzeichen stärker zu bewerten sind als der BAK-Höchstwert, ist er nicht gehindert, trotz hoher errechneter Blutalkoholkonzentration die festgestell-ten psychodiagnostischen Beweisanzeichen dahin zu würdigen, dass eine er-hebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht vorgelegen hat (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 37 - Entkräftung der Indizwirkung (2,92 Promille); [X.], 532; BGHSt 35, 308, 316; 36, 286, 289). Dies setzt jedoch unter Berücksichtigung des [X.] voraus, dass der Tatrichter den aus der Blutprobe errechneten maximalen und damit für den Angeklagten günstigsten [X.] sicher für ausgeschlossen erachtet. Das ist nach den Ausführungen im angefochtenen Urteil nicht der Fall. 4 Das [X.] stellt der Rückrechnung aus der Blutprobe eine Rück-rechnung auf der Grundlage der vom Angeklagten zuletzt angegebenen Trink-mengenangaben gegenüber und kommt unter Bezugnahme auf Ausführungen des Sachverständigen zu dem Schluss, die aus der Blutprobe vorgenommene Berechnung sei —ziemlich ungenau und wenig verlässlichfi und es spreche —[X.] für die Richtigkeit der [X.] auf der Basis der angegebenen Trinkmenge. Daraus ergibt sich, dass der auf den [X.] beru-hende Wert von 2,04 Promille im Vergleich zum für den Angeklagten günstige-ren aus der Blutprobe ermittelten Wert von 3,0 Promille lediglich eine höhere Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen konnte, nicht aber, dass letzterer [X.] ausgeschlossen war. Damit fehlt es für die Bewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten an einer zuverlässigen Tatsachengrundlage. 5 Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zu-gehörigen Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache. Mit Rücksicht 6 - 5 - darauf, dass die [X.] bei ihrer Beurteilung der Steuerungsfähigkeit maßgeblich auf die vom Angeklagten angegebenen - zudem nach den im Urteil dazu mitgeteilten Umständen ihrerseits mit erheblichen Unsicherheiten behafte-ten - Trinkmengen und die daraus errechnete Blutalkoholkonzentration abge-stellt hat, kann der [X.] nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechts-fehler beruht. 3. Der [X.] weist darauf hin, dass die Feststellung des [X.]s, der Angeklagte habe —seine Einsicht in das Unrecht der Tat – zudem durch den Abschluss eines Vergleiches in der Hauptverhandlung über die Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages in Höhe von 13.000 Euro bestätigtfi dem neuen Tatrichter Anlass zu der Prüfung geben könnte, ob die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB erfüllt sind. [X.] Roggenbuck Cierniak [X.]

Meta

2 StR 450/08

12.11.2008

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2008, Az. 2 StR 450/08 (REWIS RS 2008, 894)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 894

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