Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2016, Az. 5 StR 275/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5564

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Gegenstand

Strafverfahren: Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Einziehung


Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 9. Oktober 2015 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Angeklagte [X.]        hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten S.     die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.

2. Auf die Revision des [X.] wird das vorgenannte Urteil im Ausspruch über den in Ziffer 3 des Urteilstenors bezeichneten Pkw [X.] gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 1), den Angeklagten S.     darüber hinaus wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tat 2) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Ferner hat es einen im [X.] näher bezeichneten Pkw, dessen Halter der [X.] ist, eingezogen und angeordnet, dass dem [X.]n keine Entschädigung zusteht. Während die Revisionen der Angeklagten unbegründet sind (§ 349 Abs. 2 StPO), führt die Revision des [X.]n zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung.

2

1. Nach den Feststellungen zu Tat 1 transportierte der Angeklagte [X.]        in einem von ihm gesteuerten Pkw knapp 15 kg Marihuana (Mindestwirkstoffgehalt 1,5 kg THC) von [X.] in die [X.]. Dabei wurde er von dem mit dem eingezogenen Fahrzeug vorausfahrenden Angeklagten S.     „gelotst“. Der Transport wurde von [X.] und [X.] Zollbeamten observiert; die Angeklagten wurden auf [X.] Staatsgebiet festgenommen. Das eingezogene Auto war mit einem – zur Zeit der Durchsuchung leeren – „[X.]“ ausgerüstet (Hohlraum hinter der Rückbank).

3

2. Die vom [X.] auf § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB gestützte Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand.

4

a) Das [X.] hat zwar im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass der Pkw als Einziehungsgegenstand in Betracht kommt. Denn aus dem Urteil sind besondere Umstände der Tat ersichtlich, die die nahe Wahrscheinlichkeit begründen, dass das eingezogene Fahrzeug auch in Zukunft zur [X.] von Straftaten eingesetzt werden wird. Die abgeurteilte Tat wurde innerhalb von Strukturen „organisierter Kriminalität“ begangen ([X.]). Dies begründet die Gefahr, dass der für den Schmuggel größerer Mengen Rauschgifts ausgerüstete Pkw auch weiterhin zur Einfuhr von und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge genutzt werden wird, zumal mit den beiden Angeklagten lediglich zwei Drogenkuriere abgeurteilt wurden.

5

b) Das [X.] hat jedoch die für alle Fälle der obligatorischen oder fakultativen Einziehung geltende Bestimmung des § 74b Abs. 2 StGB (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 28. November 2008 – 2 [X.], [X.]St 53, 69, 70 f.; [X.], Beschluss vom 15. März 1988 – 1 [X.], [X.] 1989, 156) übersehen und daher nicht erkennbar geprüft, ob unter Anordnung des Vorbehalts der Einziehung eine weniger einschneidende Maßnahme zu treffen war, sofern der Zweck der Einziehung auch dadurch erreicht werden konnte. Als Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat die Vorschrift § 74b Abs. 2 StGB zwingenden Charakter ([X.], Beschluss vom 28. August 2012 – 4 [X.], [X.]R StGB § 74b Abs. 2 Einziehung 1 mwN).

6

Das [X.] hätte hier prüfen müssen, ob ein Rückbau des Hohlraums hinter der Rückbank des Fahrzeugs technisch möglich ist. Stünde damit ein milderes geeignetes Mittel als die sonst gebotene (vorbehaltlose) Einziehung zur Verfügung, ist letztere vorzubehalten und eine entsprechende Anordnung zu treffen.

7

3. Für die neue tatgerichtliche Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass auch die Versagung einer Entschädigung des [X.]n, soweit er überhaupt Eigentümer des Fahrzeugs war, rechtsfehlerhaft ist. § 74f Abs. 2 Nr. 1 StGB verlangt, dass der Eigentümer wenigstens leichtfertig dazu beigetragen hat, dass die eingezogene Sache Gegenstand der Tat war. Das [X.] hat zwar festgestellt, dass der [X.] „in Kenntnis des Umbaus sein Fahrzeug aus der Hand gegeben hat“; es hat ausgeschlossen, dass das „[X.]“ ohne Wissen des [X.]n in das Fahrzeug eingebaut wurde ([X.]). Jedoch ist auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, worauf das [X.] diese Überzeugung stützt. Das Urteil trifft keinerlei Feststellungen zu den Umständen der Überlassung des Fahrzeugs an den Angeklagten S.     oder Dritte; es lassen sich ihm auch weder Aussagen über die Person des [X.]n noch über seine Beziehung zu dem Angeklagten S.     oder möglichen Hintermännern der Tat entnehmen, die auf einen wenigstens leichtfertigen Beitrag des [X.]n zur Nutzung des Fahrzeugs bei der Tat schließen lassen könnten. Das neue Tatgericht wird entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

[X.]

                 [X.]

Meta

5 StR 275/16

14.09.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Görlitz, 9. Oktober 2015, Az: 423 Js 6860/15 - 4 KLs

§ 74 Abs 2 Nr 2 StGB, § 74b Abs 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.09.2016, Az. 5 StR 275/16 (REWIS RS 2016, 5564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5564

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4 StR 278/12

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