Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.11.2012, Az. VIII R 15/10

8. Senat | REWIS RS 2012, 1687

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Gegenstand

Sachverhaltsaufklärung bei offenbarer Unrichtigkeit


Leitsatz

1. Ob ein mechanisches Versehen die Ursache für einen unterbliebenen Nachprüfungsvorbehalt war und dieser ggf. wegen offenbarer Unrichtigkeit nachgeholt werden kann, ist anhand der objektiven Umstände beim Erlass des betroffenen Steuerbescheids zu beurteilen.   

2. Indizieren die bekannten objektiven Umstände ein mechanisches Versehen und ist ein Fehler bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung oder -würdigung ausgeschlossen, kann eine offenbare Unrichtigkeit ohne weitere diesbezügliche Sachaufklärung nicht allein deshalb verneint werden, weil die abstrakte Möglichkeit besteht, dass die Indizien erst nach Erlass des Bescheids geschaffen wurden.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die verfahrensrechtliche Frage, ob der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) befugt war, einen Feststellungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) --i.V.m. § 129 [X.]-- zu ändern, obwohl der zugrundeliegende bekanntgegebene Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

2

Materiell-rechtlich geht es um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des [X.] (2002) für die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt.

3

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.

4

Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das [X.] am 9. Mai 2007 einen auf § 164 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 129 [X.] gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt.

5

Den Einspruch, mit dem die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung bestritt, wies das [X.] als unbegründet zurück. Die Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids vom 26. September 2003 sei nach § 129 [X.] zulässig gewesen. Der fehlende Nachprüfungsvorbehalt im ursprünglichen Bescheid sei eine offenbare Unrichtigkeit; aus einer Aktennotiz der Sachbearbeiterin (auf einem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel) und der Speicherung des Steuerfalls als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im "Veranlagungsspiegel" werde deutlich, dass die Sachbearbeiterin den Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung habe erlassen wollen; die Möglichkeit eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen.

6

Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg, da das Finanzgericht ([X.]) in dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2010, 838 veröffentlichten Urteil eine [X.] verneinte. Zu Unrecht stütze sich das [X.] auf § 164 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 129 [X.].

7

Mit seiner Revision rügt das [X.] die Verletzung von Bundesrecht. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) habe im Streitfall die Änderungsmöglichkeit gemäß § 164 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 129 [X.] bestanden.

8

Das [X.] beantragt, das angefochtene Urteil des [X.] Düsseldorf vom 1. Februar 2010  11 K 5113/08 F aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen und den geänderten Feststellungsbescheid vom 10. Juni 2010 aufzuheben.

Zu einer Änderung in der vom [X.] verfolgten Weise sei erforderlich, dass sich der Vorbehaltsvermerk schon im Zeitpunkt des Bescheiderlasses in der Aktenverfügung befunden habe. Es dürfe nicht erkennbar sein, dass die Abweichung zwischen bekanntgegebenem Bescheid und Aktenverfügung auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des seinerzeit handelnden Finanzbeamten beruhte ([X.]-Urteil vom 22. Februar 2006 I R 125/04, [X.]E 211, 424, [X.], 400). Im Streitfall sei für eine außenstehende unbeteiligte Person nicht eindeutig erkennbar gewesen, wann der handschriftliche Vermerk angebracht worden sei. Somit sei auch nicht eindeutig erkennbar, ob die vorliegende Abweichung zwischen bekanntgegebenem Steuerbescheid und Aktenausfertigung nicht doch auf einer tatsächlichen oder rechtlichen Überlegung des zuständigen Sachbearbeiters beruht habe. Aus den Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sei eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids nicht zulässig gewesen.

Während des Revisionsverfahrens ist für das Streitjahr am 10. Juni 2010 ein geänderter Bescheid zur Feststellung der Einkünfte für 2002 ergangen. Die Beteiligten sind sich darin einig, dass dadurch die Grundlagen des Streitstoffs nicht berührt werden.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Das [X.]-Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des zunächst angefochtenen Feststellungsbescheids ist während des Revisionsverfahrens der weitere Änderungsbescheid vom 10. Juni 2010 getreten, der gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Soweit einem [X.]-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrundeliegt, kann es keinen Bestand haben (ständige Rechtsprechung, s. zuletzt Senatsurteile vom 11. April 2012 VIII R 28/09, [X.], 100, [X.], 496, und vom 28. September 2011 VIII R 10/08, [X.], 361, [X.], 315, m.w.N.). Auch wenn die Änderung nicht die Grundlagen des Streitstoffs berührt, kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, sondern muss die Sache zurückverweisen, weil das [X.] den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat.

2. Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (§ 164 Abs. 1 [X.]), kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist (§ 164 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Der Vorbehalt ist eine Nebenbestimmung i.S. von § 120 [X.], die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids [X.]/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 164 Rz 8b, m.w.N.).

Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 [X.] korrigiert werden ([X.]-Urteile vom 22. August 1989 VIII R 110/86, [X.]/NV 1990, 205; vom 27. März 1996 I R 83/94, [X.]E 180, 227, [X.] 1996, 509; vom 17. November 1998 III R 2/97, [X.]E 187, 148, [X.] 1999, 62; vom 1. Juli 2010 IV R 56/07, [X.]/NV 2010, 2004), wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler --ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und [X.] beruht. Die Vorschrift des § 129 [X.] erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht [X.]/ [X.]/[X.], a.a.[X.], § 129 Rz 4) und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann ([X.]-Urteil vom 18. August 1999 I R 93/98, [X.]/NV 2000, 539, m.w.N.; [X.]/[X.]/ [X.], a.a.[X.], § 129 Rz 12). Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (ständige Rechtsprechung, s. etwa [X.]-Urteile vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, [X.]E 168, 6, [X.] 1992, 713; in [X.]E 211, 424, [X.] 2006, 400; vom 4. Juni 2008 [X.], [X.]/NV 2008, 1801; in [X.]/NV 2010, 2004, m.w.N.; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 129 Rz 13, m.w.N.; [X.]/Koenig/[X.], Abgabenordnung, 2. Aufl., § 129 Rz 18 f.; von [X.] in [X.], [X.], § 129 Rz 38; a.[X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 [X.] Rz 6).

Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere --aber nicht [X.] unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an (s. etwa [X.]–Urteile in [X.]E 168, 6, [X.] 1992, 713; in [X.]E 211, 424, [X.] 2006, 400; in [X.]/NV 2010, 2004, m.w.N.; [X.]/[X.]/[X.], a.a.[X.], § 129 Rz 13, m.w.N.; [X.]/Koenig/[X.], a.a.[X.], § 129 Rz 18 f.; von [X.] in [X.], a.a.[X.], § 129 Rz 38; eher unentschlossen Wernsmann in [X.]/[X.]/[X.], § 129 [X.] Rz 70; kritisch [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 129 [X.] Rz 4 ff.).

Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des [X.] eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 [X.] berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 [X.] ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 [X.] erfolgen ([X.]-Urteile in [X.]E 211, 424, [X.] 2006, 400, m.w.N.; in [X.]/NV 2010, 2004).

3. Die angefochtene Entscheidung des [X.] entspricht nicht diesen Maßstäben und hält damit revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Das [X.] hat in seinen Urteilsgründen eine Reihe von Umständen aufgeführt, die auch aus seiner Sicht für eine gewollte Aufnahme des [X.] in den ursprünglichen Feststellungsbescheid sprachen, nämlich dass der Steuerfall in der Vergangenheit durch die Betriebsprüfung geprüft worden war und in Zukunft wieder geprüft werden sollte, dass der Feststellungsbescheid im "Veranlagungsspiegel" mit einem Nachprüfungsvorbehalt gespeichert wurde und dass auf der Feststellungserklärung 2002 ein Notizzettel mit einem entsprechenden Hinweis ("[X.] vorl. wegen hoher Zinsen") klebte. Das [X.] hat zudem festgestellt, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Nichtaufnahme des Vorbehalts der Nachprüfung auf einer bewussten Entscheidung des Sachbearbeiters beruhen könnte.

b) Gleichwohl hat das [X.] eine offenbare Unrichtigkeit verneint mit der Begründung, dass die in der Akte befindliche Durchschrift des Bescheids keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt und damit der eigentliche Wille des [X.] nicht hinreichend zum Ausdruck komme. "Aus Gründen der Rechtssicherheit" sei zu verlangen, dass das Versehen des [X.] zumindest so deutlich zu Tage trete wie im Falle der abgehefteten Durchschrift des Steuerbescheids mit Nachprüfungsvorbehalt in den Steuerakten, da andernfalls die Gefahr bestünde, dass ein angeblich mechanisches Versehen nachgeschoben werde, ohne dass sicher verifizierbar sei, ob es tatsächlich vorlag. Dieser Befund gehe nach Beweislastgrundsätzen zulasten des [X.].

c) In der näheren Begründung geht das [X.] davon aus, dass die Speicherung der streitbefangenen Feststellung im "Veranlagungsspiegel" --als unter Vorbehalt der Nachprüfung stehend-- bei der Prüfung einer offenbaren Unrichtigkeit als nur verwaltungsinterner, nicht nach außen in Erscheinung tretender Umstand unbeachtlich bleiben müsse.

Diese Annahme ist keine den [X.] bindende Tatsachenfeststellung (§ 118 Abs. 2 [X.]O), sondern sie beruht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben. Nach der Rechtsprechung des [X.] sind alle bekannten Umstände --auch außerhalb der eigentlichen [X.] zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein --ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes-- Versehen klar und eindeutig ergibt (vgl. [X.]-Urteile in [X.]E 180, 227, [X.] 1996, 509 zu einem Fehler im [X.]; in [X.]/NV 2000, 539 zur Handakte des Prüfers; in [X.]/NV 2010, 2004 zum unterlassenen Vorbehaltsvermerk bei Stempelung der Feststellungserklärung mit einer den Vorbehalt bedeutenden Ziffer und trotz einer den Vorbehalt nahelegenden allgemeinen Dienstanweisung). Die entscheidende Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten, wie hier die Eintragung im Veranlagungsspiegel, gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende [X.] Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen. Insbesondere gibt es keinen Grund, bei der anhand des bekannten Sachverhalts vorzunehmenden Beurteilung einen vom [X.] festgestellten tatsächlichen und objektiven Umstand auszublenden, nur weil er [X.]r Natur ist. Ebenso wenig ist ersichtlich, warum der im vorliegenden Zusammenhang bemühten gedanklichen Hilfsfigur des unvoreingenommenen Dritten, für den das mechanische Versehen als solches offenbar sein muss, die Kenntnis dieses objektiven Umstands versagt bleiben soll, wenn gerade dieser Umstand geeignet ist, ein mechanisches Versehen zu offenbaren.

d) Der Entscheidung steht nicht das [X.]-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 45/10 ([X.]/NV 2012, 694) entgegen. Dieses Urteil bestätigt im Ergebnis die Vorentscheidung, in der das [X.] eine offenbare Unrichtigkeit verneint hatte. Es stützt sich aber auf die bisherige, dort im Einzelnen zitierte Rechtsprechung des [X.] und enthält keinen abstrakten Rechtssatz, der der hier getroffenen Entscheidung widerspräche. Soweit der [X.] sich im Urteil in [X.]/NV 2012, 694 an die tatsächlichen Feststellungen in der erstinstanzlichen Entscheidung (Urteil des [X.] des Landes Sachsen-Anhalt vom 6. Mai 2010  5 K 98/08, E[X.] 2010, 1757) und die tatsächliche Würdigung der Umstände revisionsrechtlich nach § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden sah, ist auch daraus keine Abweichung im [X.] zu entnehmen. Das [X.] hatte geurteilt, dass in seinem Fall weder aus dem Steuerbescheid noch aus dem übrigen Akteninhalt augenfällig und ohne weitere Informationen erkennbar gewesen sei, dass die gebotene Eingabe von Lohnersatzleistungen versehentlich unterblieben sei. Vielmehr seien weitere --zum Teil rechtliche-- Überlegungen "bzw." ein zusätzlicher (ergänze: rechnerischer) Abgleich mit den in der EDV gespeicherten Daten erforderlich, um auf eine fehlende Erfassung schließen zu können. Damit unterscheidet sich der dort entschiedene Fall wesentlich vom Streitfall, in dem es entscheidend darauf ankommt, ob der Schluss auf ein nur versehentliches Unterlassen aus den vom [X.] festgestellten Tatsachen zu ziehen ist. Ob der Senat im Übrigen der Rechtsauffassung des [X.] des Landes Sachsen-Anhalt in E[X.] 2010, 1757 folgen könnte, kann dahingestellt bleiben.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb zurückzuverweisen.

a) Auch wenn die festgestellte Eintragung im Veranlagungsspiegel geeignet erscheint, eine offenbare Unrichtigkeit bei Erlass des fraglichen Bescheids zu indizieren, ist eine abschließende Beurteilung im Streitfall noch nicht möglich, weil der maßgebliche Sachverhalt noch nicht vollständig aufgeklärt ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das [X.] nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hat und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen ist. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen automatisch (programmgesteuert) erfolgen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im [X.] (noch) persönlich vorgenommen worden sind.

b) Bei verbleibenden Ungewissheiten wird das [X.] bei seiner erneuten Entscheidung ggf. zu klären haben, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde. Diese Frage betrifft nicht unmittelbar den Gesetzestatbestand des § 129 [X.]; Ausgangspunkt der gebotenen Sachverhaltsaufklärung ist in diesem Fall vielmehr ein bereits festgestellter, offenkundiger tatsächlicher Umstand, nämlich ein inhaltlich auf den zu erlassenden Feststellungsbescheid bezogener Aktenvermerk, der als solcher für ein nur versehentliches Abweichen vom tatsächlich Gewollten und damit eine Unrichtigkeit i.S. von § 129 [X.] spricht, dessen Vorliegen bei Erlass des Bescheids aber --ohne im erstinstanzlichen Urteil benannte konkrete Gründe-- in Zweifel gezogen wird. Wird die Frage nach dem Zeitpunkt der Fertigung des Vermerks entscheidungserheblich, muss das [X.] versuchen, den Sachverhalt auch insoweit aufzuklären (§ 76 Abs. 1 [X.]O; vgl. zur Sachverhaltsaufklärung in Fällen des § 129 [X.] [X.]-Urteile vom 29. Januar 2003 I R 20/02, [X.]/NV 2003, 1139; vom 30. November 1989 IV R 76/88, [X.]/NV 1991, 457), bevor es eine Beweislastentscheidung trifft, wie es dies im angefochtenen Urteil getan hat.

Meta

VIII R 15/10

06.11.2012

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 1. Februar 2010, Az: 11 K 5113/08 F, Urteil

§ 129 AO, § 164 Abs 1 AO, § 164 Abs 2 AO, § 76 Abs 1 FGO, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.11.2012, Az. VIII R 15/10 (REWIS RS 2012, 1687)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1687

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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