Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2023, Az. IV R 13/21

4. Senat | REWIS RS 2023, 9637

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

((Teilweise) Aussetzung der Festsetzung oder Feststellung nach § 165 Abs. 1 Satz 4 AO)


Leitsatz

1. NV: Die (teilweise) Aussetzung der Feststellung nach § 165 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) erfolgt durch einen im Ermessen der Finanzbehörde stehenden Verwaltungsakt, der gemäß § 121 Abs. 1 AO zu begründen ist (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. NV: Ist der Bescheid gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b des Einkommensteuergesetzes), kann er bei Beseitigung der (verfassungsrechtlichen) Ungewissheit nicht dergestalt nach § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO geändert werden, dass die Gewerbesteuer erstmals dem Gewinn hinzugerechnet wird.

Tenor

Auf die Revision des [X.] werden das Urteil des [X.] vom 04.03.2021 - 14 K 53/18 F sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 und 2011 vom 13.10.2016 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 06.12.2017 aufgehoben.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ([X.]) noch geändert werden können.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) sowie der Beigeladene waren an der zum 01.01.2010 gegründeten [X.] (GbR) je zur Hälfte beteiligt. Mit dem Austritt des Beigeladenen zum 31.03.2015 wurde die [X.] beendet; das [X.]svermögen wuchs dem Kläger an. Die [X.] erzielte in den Streitjahren 2010 und 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie ermittelte ihren Gewinn nach § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) stellte die laufenden [X.] mit [X.] für 2010 vom 09.08.2012 mit 306.540 € fest. Darin war die Gewerbesteuer in Höhe von 81.866 € --erklärungsgemäß-- als Betriebsausgabe berücksichtigt. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --[X.]--). Er wurde am 24.08.2012 antragsgemäß geändert.

4

Mit [X.] vom 01.03.2013 stellte das [X.] die laufenden [X.] für 2011 mit 395.720,92 € fest. Dabei wurde die Gewerbesteuer in Höhe von 128.018 € wiederum als Betriebsausgabe berücksichtigt. Der Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und war nach § 165 Abs. 1 Satz 2 [X.] teilweise vorläufig. Die Erläuterungen enthielten folgenden Passus:

"Der Bescheid ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] vorläufig hinsichtlich (…) der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b EStG). Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbar sind, als auch den Fall, dass das [X.] oder der [X.] die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet (...). Sollte aufgrund einer diesbezüglichen Entscheidung des (…) [X.]s (…) diese Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern sein, wird die Aufhebung oder Änderung von Amts wegen vorgenommen; ein Einspruch ist daher insoweit nicht erforderlich."

5

Mit Schreiben vom 06.05.2015 teilte die Prozessbevollmächtigte des [X.] dem [X.] namens und im Auftrag der GbR mit, dass der Beigeladene aus der GbR ausgeschieden und sein Anteil dem Kläger angewachsen sei, der das Unternehmen seit dem 01.04.2015 als Einzelunternehmen fortführe.

6

Mit an die Prozessbevollmächtigte des [X.] als Empfangsbevollmächtigte für die GbR ("mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten") gerichteten [X.]n für 2010 und 2011 vom 17.06.2015 hob das [X.] die Nachprüfungsvorbehalte nach § 164 Abs. 3 [X.] auf. In den [X.] für 2010 wurde der Vorläufigkeitsvermerk "Der Bescheid ist nach § 165 Absatz 1 Satz 2 [X.] teilweise vorläufig." aufgenommen. In den Erläuterungen heißt es:

"Der Bescheid ist gem. § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5b EStG)."

7

Der im [X.] für 2011 enthaltene Vorläufigkeitsvermerk blieb unverändert.

8

Nach Ergehen des Urteils des [X.]s ([X.]) vom 16.01.2014 - I R 21/12 ([X.]E 244, 347, [X.], 531) und des nachfolgenden Beschlusses des [X.]s ([X.]) vom 12.07.2016 - 2 BvR 1559/14 ([X.], 812) erließ das [X.] am 13.10.2016 nach § 165 Abs. 2 [X.] geänderte [X.] für 2010 und 2011 und rechnete die bisher als Betriebsausgabe berücksichtigte Gewerbesteuer erstmals dem [X.] nach § 4 Abs. 5b EStG hinzu. Danach wurden die laufenden [X.] für 2010 mit 388.406 € und für 2011 mit 523.772,40 € festgestellt. Zur Begründung führte das [X.] an, die Änderung erfolge, da die Gewerbesteuer [X.] hinzugerechnet werden müsse und der Bescheid diesbezüglich vorläufig sei. Die Bescheide waren an die Prozessbevollmächtigte des [X.] als Empfangsbevollmächtigte für die GbR ("mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten") gerichtet.

9

Hiergegen legte die Prozessbevollmächtigte des [X.] namens und im Auftrag der GbR Einspruch ein und machte geltend, dass sich der Vorläufigkeitsvermerk allein auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 5b EStG bezogen habe, nicht auf die Anwendung und Auslegung der Norm (durch [X.]e Hinzurechnung der Gewerbesteuer). Zudem hätten der GbR die Bescheide vom 17.06.2015 und 13.10.2016 aufgrund ihrer Vollbeendigung nicht mehr bekanntgegeben werden dürfen; eine wirksame Bekanntgabe an den Beigeladenen sei bislang nicht erfolgt. Das [X.] wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 06.12.2017 als unbegründet zurück.

Die nachfolgende Klage, mit der sich der Kläger ergänzend darauf berufen hatte, dass die fehlende Hinzurechnung der Gewerbesteuer eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 [X.] (in Gestalt eines vom [X.] übernommenen Eingabefehlers) darstelle und der Vorläufigkeitsvermerk nichtig sei, wies das Finanzgericht ([X.]) mit Urteil vom 04.03.2021 - 14 K 53/18 F als unbegründet ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von materiellem Bundesrecht (§ 165 [X.]).

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] Düsseldorf vom 04.03.2021 - 14 K 53/18 F sowie die [X.] für 2010 und 2011 vom 13.10.2016 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 06.12.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des [X.] sowie zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zwar hat das [X.] die Klage zu Recht für zulässig gehalten (dazu 1.). Allerdings hat die Vorinstanz zu Unrecht angenommen, dass das [X.] die Feststellungsbescheide nach § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] ändern durfte (dazu 2.). Eine andere Korrekturvorschrift ist ebenso wenig einschlägig (dazu 3.). Das [X.]-Urteil war daher aufzuheben. Der [X.] entscheidet in der Sache selbst und hebt die angefochtenen [X.]e für 2010 und 2011 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung auf (dazu 4.).

1. Soweit das [X.] die Klage als zulässig angesehen hat, ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden.

a) Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung des laufenden Gesamthandsgewinns in den geänderten [X.]en für 2010 und 2011 (zur Anfechtbarkeit selbständiger Feststellungen vgl. nur [X.]-Urteil vom 06.12.2022 - IV R 22/19, Rz 13). Die Frage, ob die von der Gesellschaft getragene Gewerbesteuer als Betriebsausgabe abgezogen werden kann, wirkt sich allein auf den Gesamthandsgewinn aus.

b) Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger die erforderliche Klagebefugnis zukommt.

aa) Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 [X.]O ist eine Personengesellschaft befugt, als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den [X.] zu erheben, der sich inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet. Daneben können einzelne Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 [X.]O klagebefugt sein. Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung ohne Abwicklung, kann nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein [X.] indes nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die [X.] berührt, die der anzufechtende [X.] betrifft. Insoweit lebt die bis zum [X.]punkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Eine Ausnahme gilt nur für Gesellschafter, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können; denn ein solcher Gesellschafter kann nicht geltend machen, im Sinne von § 40 Abs. 2 [X.]O in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die [X.]e einzulegen, ist hingegen mit deren Vollbeendigung erloschen. Die gesetzliche Prozessstandschaft geht auch nicht auf den Rechtsnachfolger der vollbeendeten Personengesellschaft über ([X.]-Urteil vom 06.12.2022 - IV R 22/19, Rz 16).

bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist der Kläger klagebefugt. Nach Vollbeendigung der GbR durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters, des Beigeladenen, und Übergang des Gesellschaftsvermögens im Wege der [X.] (§ 738 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31.12.2023 geltenden Fassung) auf den verbliebenen Gesellschafter, den Kläger (vgl. [X.]-Beschluss vom 17.10.2013 - IV R 25/10, Rz 19), ist dessen Klagebefugnis wiederaufgelebt. Er ist zudem vom Ausgang des Rechtsstreits, der zu einer Änderung des --nach Quote verteilten-- Gesamthandsgewinns führen kann, betroffen.

c) Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Vorinstanz in rechtsschutzgewährender Auslegung des Rechtsbehelfs von einem Einspruch des [X.] als vormaligem Gesellschafter der GbR ausgegangen ist und die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 44 Abs. 1 [X.]O als gegeben angesehen hat. Denn das [X.] hat die fehlerhafte Bezeichnung des [X.] durch die Bekanntgabe der angefochtenen Feststellungsbescheide an die GbR veranlasst (vgl. [X.]-Urteile vom [X.], [X.]/NV 2009, 1650; vom 10.09.2015 - IV R 8/13, [X.]E 251, 25, [X.], 1046, zum vergleichbaren Fall bei Klageerhebung). Ebenso wenig erweist es sich als schädlich, dass der Kläger in der Einspruchsentscheidung nicht ausdrücklich als Einspruchsführer bezeichnet worden ist (vgl. [X.]-Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 47/18, [X.]E 272, 211, [X.] 2021, 696, Rz 22).

2. Allerdings hat die Vorinstanz zu Unrecht angenommen, dass das [X.] die [X.]e nach § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] ändern durfte.

a) Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 [X.], der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sinngemäß gilt, kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben (§ 165 Abs. 1 Satz 3 [X.]). Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] ist § 165 Abs. 1 Satz 1 [X.] unter anderem auch dann anzuwenden, wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem [X.] ([X.]), dem [X.] oder einem obersten [X.] ist.

Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung nach § 165 Abs. 2 Satz 1 [X.] aufheben oder ändern. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären (§ 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.]).

b) Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 4 [X.] kann die Steuerfestsetzung unter den Voraussetzungen der Sätze 1 oder 2 auch gegen oder ohne Sicherheitsleistung ausgesetzt werden. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine ausgesetzte Steuerfestsetzung nachzuholen (§ 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]).

c) Das [X.] hat die Voraussetzungen des § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 [X.] als gegeben angesehen; das [X.] habe die (ausgesetzte) Feststellung, dass der Gewinn nicht um die Gewerbesteuer als Betriebsausgabe zu kürzen sei (§ 4 Abs. 5b EStG), nach Beseitigung der Ungewissheit (Abschluss der Verfahren vor dem [X.] und dem [X.]) nachgeholt. Dies hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Anders als vom [X.] angenommen, fehlt es bereits an einer Aussetzung der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 4 [X.] durch das [X.].

aa) Bei der Prüfung der Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, ist das Revisionsgericht nicht an eine Wertung durch das [X.] gebunden. Es handelt sich nicht um eine Tat-, sondern um eine Rechtsfrage. Dasselbe gilt für die Frage, welchen Inhalt der Verwaltungsakt hat ([X.]-Urteil vom 01.10.2015 - X R 32/13, [X.]E 251, 298, [X.] 2016, 139, Rz 33).

bb) Im Streitfall ist die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2010 und 2011 zwar teilweise vorläufig ergangen, nicht aber teilweise ausgesetzt worden.

aaa) Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die [X.]e für 2010 vom 17.06.2015 und für 2011 vom 01.03.2013 beziehungsweise 17.06.2015 hinsichtlich der Frage, ob die Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 5b EStG) mit höherrangigem Recht vereinbar sei, vorläufig ergangen seien. Dagegen ist angesichts des eindeutigen Wortlauts des Vorläufigkeitsvermerks und der Erläuterungen in den Bescheiden, insbesondere zum Umfang der Vorläufigkeit und zum Rechtsschutz (Aufhebung/Änderung von Amts wegen, keine Notwendigkeit eines Einspruchs) nichts zu erinnern. Bedenken gegen die inhaltliche Bestimmtheit der Vorläufigkeitsvermerke bestehen nicht. Gegen die Annahme entsprechender Vorläufigkeiten spricht auch nicht, dass die Gewerbesteuer dem Gewinn --contra legem (§ 4 Abs. 5b [X.] nicht außerbilanziell wieder hinzugerechnet worden ist. Dies ist ein materieller Fehler, der der Wirksamkeit der Vorläufigkeitsvermerke aber nicht entgegensteht. Im Übrigen kann gegen den nach § 165 Abs. 2 [X.] geänderten Bescheid der Einwand der Rechtswidrigkeit des Vorläufigkeitsvermerks nicht mehr erhoben werden (vgl. nur [X.]-Urteil vom 14.04.1999 - XI R 24/96, [X.]/NV 1999, 1438, unter [X.]; [X.] in Tipke/[X.], § 165 [X.] Rz 49; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 165 [X.] Rz 135).

bbb) Zugleich ist die Vorinstanz jedoch von einer entsprechenden Aussetzung der Feststellungen durch das [X.] ausgegangen. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Vorläufigkeitsvermerke gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] mit einer Aussetzung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 4 [X.] hätten ergehen dürfen (unter [X.] cc der Entscheidungsgründe). Dem kann der erkennende [X.] nicht beipflichten; eine derartige teilweise Aussetzung der Feststellung der laufenden [X.] für 2010 und 2011 ist in tatsächlicher Hinsicht gerade nicht erfolgt. Die (teilweise) Aussetzung der Feststellung erfolgt durch einen im Ermessen der Finanzbehörde stehenden Verwaltungsakt, der gemäß § 121 Abs. 1 [X.] zu begründen ist (vgl. [X.]-Urteil vom 20.09.2016 - VII R 8/15, Rz 16). Aus den [X.]en selbst und aus den sonstigen Umständen des Streitfalls ergeben sich indes keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das [X.] die Feststellung der laufenden [X.] für 2010 und 2011 --entgegen der Weisungslage (Schreiben des [X.] vom 10.12.2012, [X.], 1174: vorläufige [X.] aussetzen wollte, soweit es um die (Nicht)Berücksichtigung der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe ging.

3. Wenngleich das [X.] (und der [X.]) nicht an die von der Finanzbehörde in der Begründung der Änderungsbescheide herangezogene Korrekturnorm gebunden ist (vgl. nur [X.]-Beschluss vom 12.06.2018 - VIII R 38/14, Rz 33), lassen sich die Änderungsbescheide auch nicht auf eine andere Korrekturvorschrift stützen. Die Vorentscheidung stellt sich daher nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 [X.]O).

a) Eine Änderungsbefugnis ergibt sich nicht aus § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.].

aa) Zwar durfte das [X.] die vorläufige Feststellung nach Beseitigung der Ungewissheit (Abschluss der die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 5b EStG betreffenden Verfahren vor dem [X.] und dem [X.]) aufheben, ändern oder für endgültig erklären. Im Anwendungsbereich des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] kommt jedoch in den Fällen, in denen die Vereinbarkeit des Steuergesetzes mit höherrangigem Recht durch den [X.], das [X.] oder ein oberstes [X.] bestätigt wird, allein eine Endgültigerklärung in Betracht.

§ 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] erlaubt es, die Folgen aus der Beseitigung der (rechtlichen) Ungewissheit (Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Steuergesetzes) zu ziehen. Da die die Vorläufigkeit rechtfertigende Ungewissheit aus der Unsicherheit herrührt, ob das Gesetz anzuwenden ist (Oellerich in [X.], [X.] § 165 Rz 72), tritt mit der Bestätigung der Verfassungsmäßigkeit der Norm Gewissheit ein. Das Steuergesetz bleibt angewendet.

Eine erstmalige (Nicht-)Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlage, die Gegenstand des mit verfassungsrechtlichen Zweifeln belegten Steuergesetzes ist, kommt hingegen nicht in Betracht. Insofern bestand keine (verfassungsrechtliche) Ungewissheit. Darauf erstreckte sich auch der Vorläufigkeitsvermerk nicht ("... vorläufig hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer ..."). Zwar ist die Abziehbarkeit der Gewerbesteuer gewissermaßen die Kehrseite der Nichtabziehbarkeit. Ungewiss war aber nicht die Verfassungsmäßigkeit eines Steuergesetzes, das den --tatsächlich erfolgten-- Abzug des betrieblich veranlassten [X.] ([X.]-Urteil vom 10.09.2015 - IV R 8/13, [X.]E 251, 25, [X.], 1046, Rz 17) als Betriebsausgabe (deklaratorisch) regelt, sondern die Verfassungsmäßigkeit des in § 4 Abs. 5b EStG verankerten [X.], das weder die GbR bei der Gewinnermittlung noch das [X.] bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen beachtet haben. Die Beseitigung der (rechtlichen) Ungewissheit "Verfassungsmäßigkeit des [X.]" kann nicht einfachrechtlich durch die erstmalige Anwendung des § 4 Abs. 5b EStG (außerbilanzielle Hinzurechnung der Gewerbesteuer) umgesetzt werden. Insofern fehlt es an einem Zusammenhang zwischen der Korrektur und der Beseitigung der Ungewissheit (vgl. dazu [X.] in Tipke/[X.], § 165 [X.] Rz 44). § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] dient insbesondere nicht der Korrektur von Rechtsfehlern.

Bei der Hinzurechnung der Gewerbesteuer handelt es sich auch nicht um eine der Verfassungsmäßigkeit des § 4 Abs. 5b EStG "nachrangige" Rechts- oder Tatfrage, die in die Vorläufigkeit einbezogen ist (vgl. [X.]-Urteil vom 27.11.1996 - X R 20/95, [X.]E 183, 348, [X.] 1997, 791, unter 4.b; [X.] in Tipke/[X.], § 165 [X.] Rz 43). Vielmehr ist die Hinzurechnung der Gewerbesteuer aufgrund des [X.] die notwendige Vorbedingung, um die Verfassungsmäßigkeit des [X.] als entscheidungserhebliche Rechtsfrage überhaupt prüfen zu können.

bb) Zudem erlaubt § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] im Fall des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.], der der Entlastung sowohl der Finanzverwaltung als auch des Steuerpflichtigen dienen soll (Oellerich in [X.], [X.] § 165 Rz 67), ausschließlich eine Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen ([X.] in [X.], § 165 [X.] Rz 46). Wird die Verfassungsmäßigkeit des von der Verwaltung angewandten Steuergesetzes bestätigt, ergibt sich kein Änderungsbedarf. Hält das [X.] das zu Lasten des Steuerpflichtigen wirkende Steuergesetz für verfassungswidrig, ist der vorläufige Bescheid zu seinen Gunsten zu ändern. Im umgekehrten Fall (Verwerfung eines den Steuerpflichtigen begünstigenden Steuergesetzes) scheidet eine Änderung nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 [X.] aus. Eine Änderung zu Lasten des Steuerpflichtigen sieht § 165 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] im Fall des § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 [X.] daher nicht vor.

cc) Der Hinweis des [X.] in der mündlichen Verhandlung, § 165 [X.] ermögliche auch die vorläufige Nichtfestsetzung der Steuer, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die vorläufige Nichtfestsetzung der Steuer ist die (hier nicht erfolgte) Aussetzung der Festsetzung beziehungsweise Feststellung im Sinne des § 165 Abs. 1 Satz 4 [X.]. Soweit das [X.] auf die Möglichkeit verweist, ungeklärte Einkunftsquellen gänzlich aus der Besteuerung auszuklammern, betrifft dies Fälle, in denen in tatsächlicher Hinsicht Ungewissheit über die Voraussetzungen des gesetzlichen Steuertatbestands besteht (vgl. [X.]-Beschluss vom 13.10.2009 - X B 55/09, [X.]/NV 2010, 168, unter 1. [Rz 8], betreffend Liebhaberei; Frotscher in [X.]/[X.]/[X.], § 165 [X.] Rz 58: "Sachverhalte, bei denen Ungewissheit besteht").

b) Ebenso wenig können die Änderungsbescheide auf § 129 Satz 1 [X.] gestützt werden.

aa) Nach § 129 Satz 1 [X.] kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 [X.]).

aaa) Die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 [X.] setzt grundsätzlich voraus, dass die offenbare Unrichtigkeit in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Da die Unrichtigkeit aber nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn die Behörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (z.B. [X.]-Urteil vom 08.12.2021 - I R 47/18, [X.]E 275, 293, [X.] 2022, 827, Rz 15, m.w.N.).

bbb) [X.] Unrichtigkeiten im Sinne des § 129 [X.] sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 [X.] ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Dagegen ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 [X.] nicht von Verschuldensfragen abhängig (z.B. [X.]-Urteil vom 08.12.2021 - I R 47/18, [X.]E 275, 293, [X.] 2022, 827, Rz 16, m.w.N.).

ccc) Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 [X.] ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls beurteilt werden; es handelt sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterworfen ist (z.B. [X.]-Urteil vom 08.12.2021 - I R 47/18, [X.]E 275, 293, [X.] 2022, 827, Rz 17, m.w.N.).

bb) Im Streitfall fehlt es an einer (ähnlichen) offenbaren Unrichtigkeit im Sinne des § 129 [X.]. Zwar hat der Kläger in der Klagebegründung ausgeführt, es liege eine offenbare Unrichtigkeit in Gestalt eines Eingabefehlers vor. Obwohl in der Feststellungserklärung die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer angegeben worden sei, sei diese dem Gewinn nicht als nicht abzugsfähige Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 5b EStG hinzugerechnet worden. Hingegen sei eine Hinzurechnung in der Gewerbesteuererklärung erfolgt. Die Nichthinzurechnung in der Feststellungserklärung sei auf einen Fehler bei der Anwendung der [X.] "Gesonderte und einheitliche Feststellung" zurückzuführen. Die Gewerbesteuer hätte nicht nur in das Feld "tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer", sondern zusätzlich in das Feld "weitere Erhöhungen/Minderungen der laufenden Einkünfte" eingetragen werden müssen, um eine Hinzurechnung der nicht abzugsfähigen Gewerbesteuer zu erreichen.

Ungeachtet der Frage, ob das [X.] diesen Sachverhalt überhaupt festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 [X.]O), lässt sich daraus nicht auf ein bloßes mechanisches Versehen der Prozessbevollmächtigten des [X.] schließen, das sich das [X.] zu eigen gemacht haben könnte. Vielmehr erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Sachbearbeiter der Prozessbevollmächtigten des [X.] beziehungsweise der Sachbearbeiter des [X.] rechtliche Überlegungen zur Abzugsfähigkeit der Gewerbesteuer angestellt hat. Dies gilt umso mehr, als § 4 Abs. 5b EStG erst kurz vor den Streitjahren (2010 und 2011) eingeführt worden war. Die Norm gilt erstmals für Gewerbesteuer, die für Erhebungszeiträume festgesetzt wird, die nach dem 31.12.2007 enden (§ 52 Abs. 12 EStG i.d.[X.] 2008 vom 14.08.2007, [X.], 1912).

4. [X.] ist spruchreif. Der [X.] kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O). Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Änderungsbescheide verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), da die Voraussetzungen für eine Änderung der [X.]e für 2010 und 2011 nicht vorliegen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 4 [X.]O.

Meta

IV R 13/21

30.11.2023

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 4. März 2021, Az: 14 K 53/18 F, Urteil

§ 165 Abs 1 AO, § 165 Abs 2 AO, § 4 Abs 5b EStG 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, § 48 Abs 1 FGO, § 165 Abs 1 S 4 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2023, Az. IV R 13/21 (REWIS RS 2023, 9637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9637

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 39/08 (Bundesfinanzhof)

(Inhaltliche Bestimmtheit eines Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO - …


IV R 28/14 (Bundesfinanzhof)

Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks - Berücksichtigung gegenläufiger Steuerauswirkungen bei Erlass eines Änderungsbescheids - Ausübung eines Wahlrechts


IV R 8/13 (Bundesfinanzhof)

Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Gewerbesteuer - Bedeutung des einfachrechtlichen objektiven Nettoprinzips - Anrechnung der Gewerbesteuerschuld …


X R 20/10 (Bundesfinanzhof)

(Keine Beseitigung der Ungewissheit einer vorläufigen Steuerfestsetzung bei Umstrukturierungsmaßnahmen im Gewerbebetrieb im Falle fraglicher Einkünfteerzielungsabsicht …


I R 21/12 (Bundesfinanzhof)

Verfassungsmäßigkeit des Abzugsverbots für Gewerbesteuer - Keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen nach …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.