Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2012, Az. IX ZB 31/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5850

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 31/10

vom

5.
Juni
2012

in dem Insolvenzverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, § 148 Abs. 2; ZPO § 850f Abs. 1
Über die Massezugehörigkeit von Lohnbestandteilen hat
das Prozessgericht zu [X.], wenn [X.] Gerichte für die [X.] nicht zuständig sind.
[X.], Beschluss vom 5. Juni 2012 -
IX ZB 31/10 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], den
Richter Raebel, die Richterin [X.], [X.]
Pape und die Richterin Möhring

am 5. Juni
2012
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.] vom 13.
Januar 2010 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf (12
x
1.134,82

13.617,84

Gründe:

I.

Auf Eigenantrag eröffnete das Amtsgericht am 1.
Juli 2008 das Insol-venzverfahren über das Vermögen des Schuldners, der im Oktober 2008 zur Arbeitsaufnahme in die Schweiz
verzog. In den Jahren 2009
und 2010 [X.] er dort monatlich netto 5.338,80 [X.] Franken. Am 6.
Mai 2009 bean-tragte der Schuldner, den [X.] wegen der hohen Lebenshal-tungskosten in der Schweiz auf 5.070
[X.] Franken zu erhöhen.

1
-

3

-

Das Amtsgericht hat den Antrag des Schuldners abgelehnt. Seine Be-schwerde hatte teilweise Erfolg.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde ver-folgt der Schuldner seinen ursprünglichen Antrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, §
793 ZPO statthaft, weil sie vom [X.] zugelassen worden ist (§
574 Abs.
3 Satz
2 ZPO). Das Insolvenzgericht hat bei der Prüfung der §
36 Abs.
1 Satz
2 [X.], §
850f Abs.
1 ZPO als besonderes Vollstreckungsgericht nach §
36 Abs.
4 Satz
1 [X.] entschieden, so dass sich
der
Rechtsmittelzug nach den vollstre-ckungsrechtlichen Vorschriften bestimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Juni 2011 -
IX
ZB 166/11, [X.], 486 Rn.
4). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen (§
575 Abs.
1 bis 3 ZPO) zulässig, sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht
hat zur Bestimmung der Masse nach den §§
35, 36 Abs.
1
Satz
2, §
335 [X.], §§
850c, 850e, 850f Abs.
1 ZPO deut-sches Recht angewendet. Es hat ausgeführt: Ob pfändbares Vermögen zur Masse gehöre und welche Gegenstände gegebenenfalls unpfändbar seien, entscheide sich nach dem Insolvenzrecht des [X.], in dem das Insolvenzver-fahren eröffnet worden sei. Das Insolvenzverfahren erfasse auch den Neuer-werb im Ausland, sofern er nach §
36 Abs.
1 [X.] und den in Bezug genomme-nen Vorschriften der Zivilprozessordnung der Zwangsvollstreckung unterliege. Der Schuldner habe die Voraussetzungen des
§
850f
Abs.
1 Buchstabe
a ZPO nicht dargelegt; nur die ihm entstandenen Beerdigungskosten seien nach §
850f Abs.
1 Buchstabe
b ZPO zu berücksichtigen.

2
3
4
-

4

-

2. Die in den Grenzen seiner Beschwer vom Schuldner angegriffene Ent-scheidung des [X.] ist im Ergebnis richtig;
jedoch ist der Antrag auf Erhöhung des [X.]s vor dem Insolvenzgericht als [X.] bereits unzulässig.

a) Die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach §
36 Abs.
4 [X.] folgt noch nicht aus der Anwendung der in §
36 Abs.
1 Satz
2 [X.] genannten voll-streckungsrechtlichen
Beurteilungsnormen. Der Streit zwischen Insolvenzver-walter und Schuldner über die Massezugehörigkeit von Lohnbestandteilen kann nur im Wege des Rechtsstreits vor dem Prozessgericht entschieden werden, wenn er -
wie vorliegend
-
keine Vollstreckungshandlung und keine Anordnung des Vollstreckungsgerichts
betrifft. Ob das Insolvenzgericht als Vollstreckungs-gericht gemäß §
36 Abs.
4 [X.] oder das Prozessgericht in einem Rechtsstreit entscheidet, hängt davon ab, ob die Auseinandersetzung zwischen Insolvenz-verwalter und Schuldner um die Massezugehörigkeit als solcher geführt wird
-
dann gehört der Rechtsstreit vor das
Prozessgericht
-
oder ob
über die Zuläs-sigkeit der Vollstreckung gestritten wird -
dann entscheidet das Insolvenzgericht im Rahmen des §
36 Abs.
1 Satz
1, Abs.
4 [X.] als Vollstreckungsgericht
(vgl. [X.],
Urteil vom 25.
Oktober 1984 -
IX
ZR 110/83, [X.]Z
92, 339, 340; vom 10.
Januar 2008

IX
ZR 94/06, [X.], 244 Rn.
7; Beschluss vom 11.
Mai 2010 -
IX
ZB 268/09, NZI
2010, 584 Rn.
2; vgl. [X.] in [X.]/[X.]/
Ringstmeier, [X.], §
35 Rn.
169; [X.], [X.], 13.
Aufl., §
35 Rn.
126; §
36 Rn.
54; [X.], NZI
2010, 855; [X.]/[X.], EWiR
2011, 57; vgl. für Vollstreckungshandlungen in [X.] [X.], Beschluss vom 26.
April 2012 -
IX
ZB 273/11, Rn.
5, [X.], 1096).

Allerdings bestimmt vielfach
das als Vollstreckungsgericht handelnde In-solvenzgericht (vgl. [X.] aaO, §
36 Rn.
55)
den [X.]
nach 5
6
7
-

5

-
§
850f Abs.
1 ZPO, §
36 Abs.
1 Satz
2 [X.], wenn der Arbeitgeber des [X.] seinen Sitz in [X.] hat. Dann ergeht die Anordnung des [X.] regelmäßig im Rahmen der Vollstreckung. Anders liegt es
jedoch, wenn die Einzelvollstreckung im Ausland erforderlich wird, weil der Schuldner und sein Arbeitgeber sich im Ausland befinden. Das [X.] Vollstreckungs-gericht ist dann für die im Ausland erforderlich werdende
Einzelzwangsvollstre-ckung aus
der vollstreckbaren Ausfertigung des [X.] nicht zuständig. Durch Gerichte
der Bundesrepublik [X.] ange-ordnete Vollstreckungsmaßnahmen können nicht in die Hoheitsgewalt eines anderen Staats eingreifen ([X.], Beschluss vom 13.
August 2009 -
I
ZB 43/08, WM
2010, 520 Rn.
11 mwN). Für das Insolvenzverfahren gilt nichts anderes, sofern im Ausland belegene Massebestandteile betroffen sind (vgl. etwa
Art.
18 Abs.
3 Satz
2
EuInsVO
für die Mitgliedstaaten der [X.]; vgl. auch [X.], aaO, §
35 Rn.
130; vgl. auch [X.], Urteil vom 10.
Dezember 1976 -
V
ZR 145/74, [X.]Z
68, 16, 17
f; vom 13.
Juli 1983 -
VIII
ZR 246/82, [X.]Z
88, 147, 150
f).

b) Im vorliegenden
Fall
hat der Insolvenzverwalter im Wege der Vollstre-ckungshilfe
[X.] Gerichte Lohnbestandteile zur Masse gezogen.
Mithin streiten die Verfahrensbeteiligten nicht über die Zulässigkeit der Zwangsvoll-streckung
in der Schweiz außerhalb
der internationalen Zuständigkeit [X.]r Gerichte, sondern allein über die Massezugehörigkeit der Lohnbestandteile als solcher.
Der Schuldner hätte deshalb den Insolvenzverwalter vor dem Prozess-gericht (§
19a ZPO)
auf Feststellung verklagen können, dass nur ein über 5.070
[X.] Franken hinausgehender Betrag seines monatlichen Arbeits-lohns als Neuerwerb in die Insolvenzmasse fällt. Das nach §
256 Abs.
1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse wäre gegeben. Das Prozessgericht hätte 8
-

6

-
dann für Insolvenzverwalter und Schuldner verbindlich über die Zugehörigkeit des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse zu befinden gehabt.

3.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Der durch das Insol-venz-
und das Beschwerdegericht
zu Unrecht sachlich beschiedene
Antrag des Schuldners auf Erhöhung des [X.]s ist deswegen in dem [X.] als unzulässig abzulehnen, wie die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und der Antrag des Schuldners als unbegründet abgewiesen worden ist.
Inso-weit steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen
(vgl. [X.], Urteil vom 5.
März 2009 -
IX
ZR 141/07, NJW 2009, 1671 Rn.
15; Hk-ZPO/[X.], 4.
Aufl., §
563 Rn.
17).

[X.]
Raebel
[X.]

Pape
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.06.2009 -
1109
IN 1811/08 -

LG [X.], Entscheidung vom 13.01.2010 -
3 T 494/09 -

9

Meta

IX ZB 31/10

05.06.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.06.2012, Az. IX ZB 31/10 (REWIS RS 2012, 5850)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5850

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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