Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2014, Az. XII ZB 406/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2359

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.] 406/13
vom

8. Oktober
2014

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
1629 Abs.
2 Satz
3, 1796, 1909 Abs.
1 Satz
1 BGB; FamFG §
59
Der Staatsanwaltschaft steht im Verfahren über die Einrichtung einer Ergän-zungspflegschaft kein Beschwerderecht nach §
59 Abs.
1 FamFG zu. Ein [X.] Recht ergibt sich auch nicht aus einer möglichen Beeinträchtigung des von der Staatsanwaltschaft wahrgenommenen öffentlichen Strafverfolgungsin-teresses.
[X.], Beschluss vom 8. Oktober 2014 -
XII [X.] 406/13 -
OLG Frankfurt am Main

[X.]

-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 8.
Oktober 2014 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6.
Senats für Familiensachen in [X.] des [X.] vom 2.
Juli 2013
wird auf Kosten der
Antragstellerin
zu-rückgewiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Die Beteiligte zu
5 (nachfolgend: Staatsanwaltschaft)
führt gegen die [X.] zu
3, die
Mutter der drei betroffenen Kinder,
und deren Lebensgefährten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts
der Verletzung
der Fürsorge-
und Erziehungspflicht. Das Sorgerecht für die Betroffenen steht der Beteiligten zu
3 und dem Beteiligten zu
4 (Vater), der nicht mit der Mutter zusammenlebt, gemeinsam zu. Die Staatsanwaltschaft hat beim Amtsgericht für die betroffenen Kinder die Bestellung eines
Ergänzungspflegers
mit dem
Aufgabenkreis Ent-bindung der behandelnden Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht beantragt.
Das Amtsgericht hat der Mutter
für die drei Kinder hinsichtlich der Ent-scheidung
über die Entbindung
von der ärztlichen Schweigepflicht
das Sorge-recht entzogen und es auf eine [X.] übertragen. Einen teilwei-1
2
-
3
-

sen Entzug der elterlichen Sorge
des
Vaters
und die Bestellung eines [X.] insoweit hat das Amtsgericht abgelehnt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] wegen fehlender Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen
Erfolg.
1. Die nach §
70
Abs.
1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig. Die Beschwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft ergibt sich im Rechtsbeschwerdeverfahren bereits daraus, dass deren (Erst-) Beschwerde verworfen worden ist (Senatsbeschluss vom 18.
April 2012

XII
[X.]
624/11

FamRZ
2012, 1131
Rn.
3
mwN).
2. Das Beschwerdegericht hat eine Beschwerdebefugnis der Staatsan-waltschaft verneint und zur Begründung seiner in [X.], 678 veröffent-lichten Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
Zwar sei der Staatsanwaltschaft nach dem bis zum 1.
September 2009 geltenden Recht in Fällen wie dem vorliegenden nach §
57 Abs.
1 Nr.
3 [X.] bzw. §
20 [X.] ein Beschwerderecht zugebilligt worden. Nach §
59 Abs.
1 FamFG
stehe die Beschwerde dagegen nur noch demjenigen zu, der durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt sei. Eine bloße Be-einträchtigung von Interessen genüge hierfür nicht. Dadurch unterscheide sich die Neuregelung der Beschwerdeberechtigung von
dem früheren Recht. [X.] habe §
57 Abs.
1 Nr.
3 [X.]
in die Neuregelung der Beschwerdebe-3
4
5
6
7
-
4
-

rechtigung keinen Eingang gefunden. Über den Fall einer Rechtsbeeinträchti-gung hinaus
räume §
59 Abs.
3 FamFG Behörden nur bei einer entsprechen-den
gesetzlichen Anordnung eine Beschwerdeberechtigung ein.
Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des öffentlichen Strafverfol-gungsinteresses als in Betracht kommendes rechtlich geschütztes Interesse seien
vorliegend nicht erkennbar. Dass aus dem öffentlichen Strafverfolgungs-interesse nicht zwingend ein rechtlich geschütztes Interesse an einer Entschei-dung des Sorgeberechtigten zugunsten der Beweiserhebung folge, bedürfe
kei-ner weiteren Begründung. Rechtlich geschützt sei
nur das Interesse an der Be-stimmung eines Entscheidungsträgers für das Kind, der allein im Interesse des Kindes handele.
Nach der erforderlichen tatrichterlichen Gesamtabwägung vor dem [X.] der Verhältnismäßigkeit sei
eine Beeinträchtigung der [X.] der Staatsanwaltschaft derzeit nicht erkennbar. Es sei
schon zweifelhaft, ob hier ein Interessenwiderstreit mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, denn der sorgeberechtigte Vater sei
nicht Beschul-digter des Strafverfahrens und lebe
mit der Mutter nicht mehr zusammen.
Auch entstehe
hier
kein Interessenwiderstreit dadurch, dass der Vater selbst [X.] an dem erfolgreichen Ausgang des Strafverfahrens habe. Es bestehe
keine hinreichend konkrete Gefahr, dass sich der Vater bei der Entscheidung über die Entbindung der die Kinder behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht nicht von den Interessen der Kinder leiten
lasse.
3. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
Das Beschwerdegericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Staatsanwaltschaft
die Beschwerdeberechtigung im Verfahren der Erstbe-schwerde fehlt.

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9
10
-
5
-

a) Auf eine Sonderregelung für Behörden nach §
59 Abs.
3 FamFG
lässt sich die Beschwerdeberechtigung der
Staatsanwaltschaft
nicht stützen. Über den Fall einer eigenen
Rechtsbeeinträchtigung hinaus
räumt die Vor-
schrift Behörden nur bei entsprechender besonderer gesetzlicher Anord-
nung eine Beschwerdeberechtigung
ein
(Senatsbeschluss vom 18.
April 2012

XII
[X.]
624/11

FamRZ 2012, 1131 Rn.
8). Eine solche Regelung der Be-schwerdeberechtigung der Staatsanwaltschaft in
Verfahren zur Bestellung ei-nes Ergänzungspflegers findet sich weder im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch in anderen Vorschriften.
b) Die Staatsanwaltschaft
kann eine Beschwerdeberechtigung gegen die Ablehnung der [X.] auch nicht aus §
59 Abs.
1 FamFG her-leiten.
aa) Nach dieser Vorschrift, aus der sich für Behörden auch beim Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung i.S.v. §
59 Abs.
3 FamFG eine Beschwerdeberechtigung ergeben kann
(vgl. [X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
59 Rn.
64), steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Be-schluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

Eine Rechtsbeeinträchtigung liegt vor, wenn der Entscheidungssatz
des angefochtenen Beschlusses unmittelbar in ein dem Beschwerdefüh-
rer zustehendes
Recht eingreift
(Senatsbeschluss vom 19.
Januar 2011

XII
[X.]
326/10

FamRZ 2011, 465 Rn.
9 mwN).
Die angefochtene Entschei-dung muss daher ein bestehendes
Recht des Beschwerdeführers aufheben, beschränken, mindern, ungünstig beeinflussen oder gefährden, die Ausübung dieses Rechts stören oder dem Beschwerdeführer die mögliche Verbesserung seiner Rechtsstellung vorenthalten oder erschweren ([X.] Beschluss vom 24.
April 2013

IV
[X.]
42/12
FamRZ 2013, 1035 Rn.
15 mwN). Eine Beein-11
12
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14
-
6
-

trächtigung lediglich wirtschaftlicher, rechtlicher
oder sonstiger berechtigter Inte-ressen genügt dagegen nicht
([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
59 Rn.
6).
§
59 Abs.
1 FamFG entspricht somit inhaltlich dem früheren
§
20 Abs.
1 [X.]. Mit der Reform des familiengerichtlichen Verfahrens und des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit war im Hinblick auf die Beschwerdeberechtigung gegenüber §
20 Abs.
1 [X.] keine inhaltliche Änderung verbunden (Senatsbe-schluss vom 9.
Januar 2013

XII
[X.]
550/11
FamRZ 2013, 612 Rn.
10; vgl. auch BT-Drucks. 16/6308, S.
204).
Daher kann sich für eine Behörde aus §
59 Abs.
1 FamFG eine Be-schwerdeberechtigung nur dann ergeben, wenn sie durch eine gerichtliche Ent-scheidung in gesetzlich eingeräumten eigenen Rechten unmittelbar betroffen ist ([X.]/[X.] FamFG 18.
Aufl. §
59 Rn.
64). Eine bloße Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Erfüllung der einer Behörde
übertragenen öffentlichen Aufgabe
genügt dagegen nicht. Dies ergibt sich auch aus der [X.] des §
59 Abs.
3 FamFG. Aus dieser Vorschrift lässt sich schließen, dass eine Behörde
nur dann zur Wahrung des von ihr vertretenen öffentlichen Inte-resses
eine Beschwerdeberechtigung zustehen soll, wenn ihr eine solche spe-zialgesetzlich eingeräumt ist
(vgl. [X.] 2014, 46).
bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht eine Beschwerdebe-rechtigung der Staatsanwaltschaft zu Recht verneint.
Bereits für die Fälle, in denen der gesetzliche Vertreter nach §
52 Abs.
2 Satz
3 StPO von der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweige-rungsrechts eines Minderjährigen ausgeschlossen ist, ist ein ausdrückliches Recht der Staatsanwaltschaft,
beim Familiengericht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers anzutragen, gesetzlich nicht vorgesehen.
Daher kann die Einleitung des familiengerichtlichen Verfahrens auch vom Gericht ausgehen (vgl. KK-Senge
7.
Aufl. §
52 StPO
Rn.
29). Bei der Entscheidung über die Ent-15
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17
-
7
-

bindung der Ärzte, die ein minderjähriges Kind behandeln, von
der ärztlichen Schweigepflicht
sieht das Gesetz ebenfalls kein Antragsrecht der Staatsanwalt-schaft auf
Bestellung eines Ergänzungspflegers
vor.
Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus einer möglichen Beeinträch-tigung des
von der Staatsanwaltschaft wahrgenommenen öffentlichen Strafver-folgungsinteresses. Dieses Interesse wird durch die Entscheidung des Amtsge-richts, dem Vater das Sorgerecht in diesem Bereich nicht zu entziehen und in-soweit keine [X.] anzuordnen, lediglich mittelbar [X.], weil die Entscheidung über die Entbindung von der ärztlichen Schweige-pflicht
nicht einer neutralen Person übertragen wird.
Wie das [X.] zutreffend ausführt, ist dem Strafverfolgungsinteresse bereits dadurch Ge-nüge getan, dass mit dem Vater ein gesetzlicher Vertreter der betroffenen [X.] vorhanden ist, der über die Schweigepflichtentbindung der behandelnden Ärzte entscheiden kann. Daran ändert auch die Befürchtung der Staatsanwalt-schaft nichts, dass der Vater möglicherweise seine Entscheidung nicht [X.] und im Interesse der Kinder treffen wird. Deshalb könnte
der Staatsanwaltschaft durch die unterbliebene Bestellung eines neutralen [X.] zwar die Ermittlungstätigkeit erschwert
werden. Eine unmittelba-re Beeinträchtigung in einem über das allgemeine öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung hinausgehenden subjektiven Recht erfährt die
Staatsanwaltschaft hierdurch jedoch nicht.
Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt,
unterscheidet sich das seit 1.
September 2009 geltende Recht insoweit von der früheren
gesetzlichen Regelung. Diese enthielt in §
57 Abs.
1 Nr.
3 [X.] eine weitergehende Be-schwerdeberechtigung, indem gegen die Ablehnung der Anordnung einer Pflegschaft auch derjenige beschwerdeberechtigt war, der nur ein rechtliches Interesse an der Änderung der Verfügung hatte (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.]
15.
Aufl. §
57 Rn.
18 mwN). Diese Regelung, aus der in der 18
19
-
8
-

Vergangenheit das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Entschei-dungen über die Bestellung eines Ergänzungspflegers hergeleitet worden ist (vgl. [X.] FamRZ 2000, 243, 244; OLG Düsseldorf FamRZ 1973, 547; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.] 15.
Aufl. §
57 Rn.
18), wurde

[X.] der Auffassung der Rechtsbeschwerde

in das neue Recht nicht über-nommen (Senatsbeschluss vom 18.
April 2012

XII
[X.]
624/11
FamRZ 2012, 1131 Rn.
8).
c) Die nur für Antragsverfahren
geltende Regelung in §
59 Abs.
2 FamFG begründet schließlich keine eigenständige Beschwerdeberechtigung, sondern enthält lediglich die Begrenzung einer grundsätzlich bestehenden Beschwer-deberechtigung auf die Person des Antragstellers (Senatsbeschlüsse
vom 26.
Juni 2013

XII
[X.]
31/13

FamRZ 2013, 1380 Rn.
11 und vom 18.
April 2012

XII
[X.]
624/11
FamRZ 2012, 1131 Rn.
8).

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.05.2013 -
47 F 1/13 PF -

OLG Frankfurt
am Main, Entscheidung vom 02.07.2013 -
6 WF 104/13 -

20

Meta

XII ZB 406/13

08.10.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.10.2014, Az. XII ZB 406/13 (REWIS RS 2014, 2359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2359

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