Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2024, Az. AnwZ (Brfg) 29/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2024, 2131

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 2. Juni 2023 an [X.] statt zugestellte Urteil des [X.] Senats des Anwaltsgerichtshofs der [X.] in der Fassung des [X.] vom 17. Oktober 2023 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

[X.]

1

Die Parteien streiten um den Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte als [X.] Rechtsanwalt.

2

Der Kläger, ein [X.] und [X.] Staatsbürger, ist seit dem 1. März 1996 als Solicitor im [X.] zugelassen. Am 5. November 2002 erfolgte seine Aufnahme in die Beklagte als [X.] Rechtsanwalt.

3

Nach dem sogenannten "[X.]" am 31. Januar 2020 wurde die Anlage zu § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit [X.] Rechtsanwälte in [X.] ([X.]) mit Wirkung zum 1. Januar 2021 dahingehend geändert, dass ein in [X.] zugelassener Solicitor nicht mehr unter die Berufsbezeichnungen fällt, unter denen eine Tätigkeit als [X.] Rechtsanwalt möglich ist (Art. 1 der Verordnung zur Anpassung des anwaltlichen Berufsrechts an den Austritt des [X.]s aus der [X.] vom 10. Dezember 2020, [X.] I 2020, 2929). Mit Bescheid vom 31. Mai 2021 widerrief die Beklagte die Aufnahme des [X.] als [X.] Rechtsanwalt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.]. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des [X.] wies die Beklagte mit Bescheid vom 4. November 2021 zurück. In der Verhandlung vor dem [X.] vom 16. Januar 2023 über die gegen den Widerruf in Gestalt des Widerspruchsbescheids gerichtete Klage des [X.] hat letzterer bei der [X.] einen Antrag auf Eingliederung gemäß § 11 [X.] gestellt. Der [X.] hat die Klage abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

I[X.]

4

Der Antrag ist nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

5

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

6

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer zu widerrufen, wenn die Person aus sonstigen Gründen den Status eines [X.] Rechtsanwalts verliert. Der [X.] hat festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm vorliegend erfüllt sind, nachdem ein in [X.] zugelassener Solicitor nicht mehr in der Anlage zu § 1 [X.] genannt wird. Dies begegnet keinen Bedenken und wird vom Kläger nicht angegriffen.

7

b) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit der [X.] ausgeführt hat, die Beklagte habe mit dem Widerruf der Kammeraufnahme des [X.] die richtige Rechtsfolge gewählt.

8

Bei der Entscheidung über den Widerruf der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] handelt es sich ausweislich des Wortlauts der Norm um eine gebundene Entscheidung. Danach ist die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen zu widerrufen. Diesem Gesetzesbefehl hatte die Beklagte im Fall des [X.] Folge zu leisten.

9

aa) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des [X.] nicht daraus, dass sich in den Gesetzesmaterialien die Formulierung findet, es sei "grundsätzlich" angezeigt, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus dem [X.] nicht mehr an den Privilegien partizipieren zu lassen, die wie die §§ 2 ff. [X.] auf der [X.] fußten und nicht durch Artikel 27 des [X.] geschützt seien (Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, [X.]. 196/20, S. 73).

Zwar könnte, wie auch der [X.] nicht verkannt hat, die Formulierung "grundsätzlich" in einem streng juristischen Verständnis darauf hindeuten, dass in besonderen Fällen von einem Widerruf abgesehen werden kann. Hierfür spricht jedoch, wie der [X.] ebenfalls zutreffend erkannt hat, angesichts der weiteren Begründung des Gesetzesentwurfs nichts. Danach sollte mit der Änderung des § 4 [X.] eine "klarstellende" Regelung geschaffen werden, nach der eine Aufnahme als [X.] Rechtsanwältin oder [X.] Rechtsanwalt zu widerrufen "ist", wenn die Rechtsanwältin oder der Rechtsanwalt seinen Status als [X.] Rechtsanwältin oder Rechtanwalt verloren hat, wie dies insbesondere beim Austritt eines Mitgliedstaats aus der [X.] der Fall ist. Genau dieser von der Gesetzesbegründung ausdrücklich genannte Fall ist vorliegend gegeben. Dementsprechend lässt sich aus der Gesetzesbegründung kein Anhaltspunkt dafür herleiten, dass in einem solchen Fall in einer Ausnahmekonstellation doch von einem Widerruf der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer abgesehen werden können soll. Das spricht dafür, dass der - in der Gesetzesbegründung auffallend häufig gebrauchte - Begriff "grundsätzlich" nicht im Sinne eines Regel-Ausnahme - Verhältnisses zu verstehen ist.

Ob der Begriff - abweichend von den vorstehenden Ausführungen - dahingehend zu verstehen ist, dass ein Widerruf im Falle seiner Unverhältnismäßigkeit ausnahmsweise nicht erfolgen soll, bedarf keiner Entscheidung. Denn der Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (nachfolgend zu [X.])).

[X.]) Der [X.] hat zu Recht dahinstehen lassen, ob von einer in einem Gesetz vorgesehenen gebundenen Entscheidung (ausnahmsweise) aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgewichen werden kann. Seine sorgfältig und umfassend begründete Auffassung, der Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte sei verhältnismäßig, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.

In diesem Zusammenhang bedarf es ebenfalls keiner Entscheidung, ob im Fall des Widerrufs einer Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und insbesondere der Verhältnismäßigkeit des Widerrufs auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen ist (so für den Widerruf einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]: Senat, Beschlüsse vom 1. Februar 2021 - [X.] ([X.]) 34/20, juris Rn. 6 und vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.], 187 Rn. 9 ff.) oder ob insofern auch nachträgliche Entwicklungen zu berücksichtigen sind. Denn auch im letzten Fall erweist sich der Widerruf als verhältnismäßig, insbesondere - entgegen der Auffassung des [X.] - als angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne; nachfolgend zu (2) (a) ([X.])).

(1) Zutreffend ist der [X.] davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den Kläger kein atypischer Fall gegeben ist, den der Gesetzgeber nicht vor Augen hatte. Der Kläger irrt, wenn er meint, der Beurteilungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit in Grundrechtseingriffe beschränke sich bei [X.] Staatsangehörigen - im Unterschied zu ihm als [X.] Staatsangehörigen - auf Art. 3 GG. Die Unanwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 GG auf Ausländer bedeutet nicht, dass die Verfassung sie in diesem Bereich schutzlos lässt oder ihre Rechte auf den Gleichheitssatz des Art. 3 GG beschränkt. Der systemgerechte Ansatz liegt vielmehr bei dem subsidiären allgemeinen Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG ([X.], NJW 1988, 2290, 2291; [X.]E 104, 337, 345 f.; Senat, Urteil vom 22. Mai 2023 - [X.] ([X.]) 23/22, [X.]. 2023, 313 Rn. 36). Insofern sind erhebliche, eine Atypizität begründende Unterschiede hinsichtlich des einem [X.] Staatsbürger im Unterschied zu einem [X.] Staatsbürger zukommenden grundrechtlichen Schutzniveaus in der konkret vorliegenden Konstellation nicht ersichtlich und werden vom Kläger auch nicht dargelegt.

Soweit der Kläger geltend macht, es habe für die "[X.]-Folgenregelung" keine Übergangsregelungen gegeben, trifft dies nicht zu. Vielmehr enthält Art. 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königsreichs [X.] und [X.] aus der [X.] und der [X.] ([X.]. [X.] [X.] vom 12.11.2019, [X.]) einen Übergangszeitraum bis zum 31. Dezember 2020. Soweit der Kläger darüber hinaus meint, der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebiete für die Exekutive, im Rahmen der Individualprüfung in Ausnahmefällen auf einen Widerruf der Aufnahme zu verzichten, führt er dies nicht näher aus und sind hierfür vorliegend auch keine Gründe ersichtlich.

(2) Der Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte erweist sich nicht im Hinblick auf die Schwere dieses Eingriffs in die Berufsfreiheit des [X.] als unangemessen.

(a) Der [X.] hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Widerruf der Kammeraufnahme einen erheblichen Eingriff in die Berufsfreiheit des [X.] darstellt. Ebenso zutreffend hat er jedoch eine existenzvernichtende Wirkung des Eingriffs verneint.

(aa) Zu Recht und vom Kläger nicht angegriffen hat der [X.] ausgeführt, dass die Eingriffsintensität dadurch verringert wird, dass der Kläger - auf der Grundlage seines Vortrags - mit Aussicht auf Erfolg einen Antrag auf Eingliederung nach §§ 11 ff. [X.] hätte stellen können. Aus dem klägerischen Vortrag folgt, dass er mehr als drei Jahre als niedergelassener [X.] Rechtsanwalt in [X.] und auf dem Gebiet des [X.] und des [X.] Rechts tätig war (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Wenn der Kläger geltend macht, ohne die Berechtigung zur Beratung im [X.] Recht und Gemeinschaftsrecht sei seine wirtschaftliche Existenz ganz erheblich beeinträchtigt, lässt dies den Schluss zu, dass er in den genannten Rechtsgebieten eine "effektive und regelmäßige Tätigkeit" (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]) ausgeübt hat. Zutreffend hat der [X.] in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Einfügung des § 4 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 [X.] für den Kläger absehbar war und ihm daher rechtzeitig - zur Vermeidung der mit dem Widerruf der Aufnahme in die Beklagte verbundenen erheblichen beruflichen und wirtschaftlichen Folgen - ein Antrag auf Eingliederung möglich gewesen wäre.

([X.]) Ähnliches gilt für einen Antrag des [X.] auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation gemäß § 16 ff. [X.]. Auch insofern ist angesichts des Vortrags des [X.] zu seiner Erfahrung und seinen Kenntnissen im [X.] Recht nicht ersichtlich, weshalb ein solcher Antrag, wenn der Kläger ihn rechtzeitig gestellt hätte - gegebenenfalls nach [X.]egung einer Eignungsprüfung (§ 16a Abs. 3 [X.]) -, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Im Falle seines Erfolgs wäre die Intensität des Grundrechtseingriffs in Gestalt des Widerrufs der Aufnahme des [X.] in die Beklagte ebenfalls erheblich gemindert gewesen.

([X.]) Schließlich ist es, wie der [X.] zutreffend ausführt, dem Kläger unbenommen, gemäß § 206 Abs. 1 und 2, § 207 Abs. 1 [X.] die Aufnahme in die Beklagte als sogenannter "WHO-Rechtanwalt" zu beantragen. Zwar wäre in diesem Fall seine Befugnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen gemäß § 206 Abs. 3 Nr. 1 [X.] auf das Recht des [X.]rkunftsstaats und des Völkerrechts beschränkt. Durch eine solche Befugnis würde aber - wenn auch in beschränktem Umfang - ebenfalls die Intensität des Grundrechtseingriffs in Gestalt des Widerrufs der Aufnahme des [X.] in die Beklagte gemindert.

([X.]) Ob in vorliegendem Zusammenhang die - nach der letzten behördlichen Entscheidung und nach der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] eingetretene - Änderung der beruflichen Tätigkeit des [X.] infolge der Insolvenz der [X.]        zu berücksichtigen ist (siehe oben zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage), kann offenbleiben. Denn selbst, wenn dies der Fall sein sollte, folgt daraus nicht, dass der Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte unverhältnismäßig ist.

Der Kläger trägt in der Begründung seines Antrages auf Zulassung der Berufung vor, über das Vermögen der in [X.]ansässigen [X.]         sei ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mitte März 2023 hätten sich die Geschäftsführung und Gesellschafter der [X.]          Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, bei der er tätig gewesen sei, entschieden, die Kooperationsvereinbarungen mit dem [X.]  -Netzwerk zu beenden. Die in H.    ansässige Gesellschaft sei in A.             Rechtsanwaltsgesellschaft mbH umfirmiert worden. Der Kläger trägt - ohne dies näher zu konkretisieren - weiter vor, die Maßnahmen zur Umfirmierung und Umstrukturierung der [X.]           Rechtsanwaltsgesellschaft mbH hätten schließlich dazu geführt, dass er aus der Rechtsanwaltsgesellschaft ausgeschieden sei und nunmehr in [X.] unter [X.].     in [X.]tätig sei. Es bestehe für ihn nicht mehr die - vom [X.] erwogene (Seite 11 f. des angefochtenen Urteils) - Möglichkeit, seine Beratungspraxis zu ändern und gemeinsam mit [X.] Rechtsanwälten die der Rechtsanwaltsgesellschaft übertragenen Mandate im Team zu bearbeiten.

Hieraus ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine existenzvernichtende Wirkung des Widerrufs der Aufnahme des [X.] in die Beklagte.

Aus dem Vortrag des [X.] wird bereits nicht deutlich, aus welchem Grund die von ihm geschilderten Vorgänge um die Umfirmierung und Umstrukturierung der [X.]          Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zu seinem Ausscheiden aus dieser Gesellschaft geführt haben und weshalb auch nach seinem Ausscheiden eine Zusammenarbeit mit den [X.] Rechtsanwälten dieser in A.               Rechtsanwaltsgesellschaft [X.] oder anderen [X.] Rechtsanwälten in dem vom [X.] beschriebenen Sinne (Konzentration der Tätigkeit des [X.] auf die Beratung im [X.] Recht) nicht möglich sein soll. Dies gilt umso mehr, als sowohl die Kanzlei des [X.] als auch diejenige der A.               Rechtsanwaltsgesellschaft mbH unter derselben Geschäftsadresse ansässig sind (G.                in [X.]) und in ihren Internetauftritten auf eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Kanzlei hinweisen (https://he.                / und https://a.                 /).

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn bereits die vorstehend (unter (aa) bis ([X.])) dargestellten Möglichkeiten der Eingliederung nach §§ 11 ff. [X.], der Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation gemäß §§ 16 ff. [X.] und der Aufnahme in die Beklagte als sogenannter "WHO-Rechtanwalt" gemäß § 206 Abs. 1 und 2, § 207 Abs. 1 [X.], die dem Kläger - jedenfalls auf der Grundlage seines Vortrags - offenstanden, lassen den Widerruf der Aufnahme in die Beklagte nicht als unverhältnismäßig erscheinen. Die Eingliederung und die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation hätten zur Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft geführt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 16a Abs. 5 [X.]) und ihn hinsichtlich des Umfangs der ihm erlaubten Rechtsdienstleistungen dem in eine Rechtanwaltskammer aufgenommenen [X.] Rechtsanwalt gleichgestellt.

(b) Die durch den Widerruf der Aufnahme in eine Rechtsanwaltskammer geschützte Funktionsfähigkeit der [X.] Rechtspflege und der ebenfalls hierdurch bewirkte Schutz der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen sind überragende Gemeinschaftsgüter, die die vorliegende - in ihrer grundrechtlichen Einordnung hier unterstellte (ebenso Seite 11 des angefochtenen Urteils) - subjektive Berufswahlregelung zu rechtfertigen vermögen (vgl. Senat, Urteil vom 22. Mai 2023, aaO Rn. 61). Der [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass im Falle von nur im Ausland zugelassenen Rechtsanwälten eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege darin liegt, dass diese Rechtsanwälte über keine mit in [X.] zugelassenen Rechtsanwälten vergleichbare - durch formalisierte Nachweise dokumentierte - Qualifikation verfügen. Sollte der Kläger durch seine langjährige Tätigkeit als Solicitor in [X.] und seine in dieser Zeit erfolgte Befassung mit dem [X.] Recht eine inhaltlich dem [X.] Rechtsanwalt vergleichbare Qualifikation erworben haben, hätte es ihm freigestanden, dies im Rahmen eines Antrages auf Eingliederung (§ 11 Abs. 1 Satz 1 [X.]) oder auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation (§ 16 Abs. 1 Satz 1 [X.]) formell nachzuweisen. Allein seine langjährige beanstandungsfreie Tätigkeit als Solicitor in [X.] genügt zu einem solchen Nachweis nicht. Denn sie bedeutet nicht zwingend eine hinreichende Befassung mit dem [X.] Recht. Der Umstand, dass der Kläger dennoch in [X.] als ([X.]) Rechtsanwalt tätig werden durfte, war - wie der [X.] zutreffend erkannt hat - allein der Bindung an das [X.] Recht geschuldet. Nachdem letzteres auf [X.] Juristen keine Anwendung mehr findet, gelten auch in Bezug auf den Kläger die vorgenannten Grundsätze zum Schutz der Funktionsfähigkeit der [X.] Rechtspflege und der Rechtsuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen als überragenden Gemeinschaftsgütern.

(c) Bei Abwägung der für diese Gemeinschaftsgüter bestehenden Gefahren mit dem grundrechtlich geschützten Interesse des [X.] erweist sich nach alledem der Widerruf der Aufnahme des [X.] in die Beklagte als angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne).

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die Rechtssache wegen einer erheblich über dem Durchschnitt liegenden Komplexität des Verfahrens oder der ihr zu Grunde liegenden Rechtsmaterie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht und sich damit von den üblichen verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen deutlich abhebt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - [X.] ([X.]) 47/18, juris Rn. 15 mwN). Das ist nicht der Fall. Der Sachverhalt ist überschaubar. Die sich ergebenden Rechtsfragen lassen sich weitgehend auf der Grundlage des Gesetzes und einer an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten, ihrerseits keine besonderen Schwierigkeiten aufweisenden Abwägung der betroffenen Rechtsgüter beantworten. Die Frage, auf welchen Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs der Aufnahme in eine Rechtsanwaltskammer abzustellen ist, bedarf - wie ausgeführt - keiner Entscheidung.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. nur Senat, Beschluss vom 6. Februar 2012 - [X.] ([X.]) 42/11, juris Rn. 25 mwN). Das ist nicht der Fall. Die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig. Soweit der Kläger meint, ein weiterer Austritt eines Mitgliedstaates aus der [X.] sei für die Zukunft nicht ausgeschlossen, ist dies nicht absehbar und begründet nicht, dass sich eine - vom Kläger überdies nicht konkret benannte - im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfene Rechtsfrage in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann.

4. Dem [X.] ist kein Verfahrensfehler unterlaufen, auf dem sein Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Ein solcher Verfahrensfehler liegt nicht darin, dass der [X.] nicht - wie vom Kläger beantragt (vgl. Seite 2 des Berichtigungsbeschlusses des [X.]s vom 17. Oktober 2023) - gemäß § 35 [X.], § 112 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 173 Satz 1 VwGO, § 251 Satz 1 ZPO das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung der [X.] über den Antrag des [X.] nach §§ 11 ff. [X.] und bis gegebenenfalls zu einer sich anschließenden rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über den Antrag beziehungsweise den gegen die ablehnende Entscheidung der [X.] gerichteten Rechtsbehelf angeordnet hat (Seite 7 des angefochtenen Urteils).

Nach § 251 Satz 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Zwischen den Parteien schwebten keine Vergleichsverhandlungen. Sonstige Gründe, die zur Annahme einer Zweckmäßigkeit im Sinne von § 251 Satz 1 ZPO führen können, liegen insbesondere vor, wenn das Abwarten des Fortgangs bestimmter Entwicklungen den Ausgang des Rechtsstreits erledigen oder vereinfachen könnte ([X.]/[X.], 6. Aufl., § 251 Rn. 12). Im Allgemeinen lässt sich eine Zweckmäßigkeit bejahen, wenn konkrete Tatsachen den Schluss rechtfertigen, dass das Verfahren durch verfahrensfremde Umstände in überschaubarer Zeit eine Förderung erfährt ([X.] ZPO/[X.], § 251 Rn. 5 (Stand: 1. September 2023)). Dem Gesichtspunkt der Verfahrensförderung in überschaubarer Zeit kommt dabei besondere Bedeutung zu, wenn das Verfahren bereits entscheidungsreif ist. Zwar kann ein Ruhen im Falle schwebender Vergleichsverhandlungen auch bei einer bereits bestehenden Entscheidungsreife angeordnet werden ([X.] in Musielak/[X.], ZPO, 20. Aufl., § 251 Rn. 3; [X.]/[X.], aaO Rn. 11). Das Gericht kann jedoch im Rahmen des ihm im Hinblick auf den Begriff der Zweckmäßigkeit zukommenden Ermessens (vgl. hierzu [X.], [X.] 2021, 1359 Rn. 58; BeckRS 2009, 25015146 (unter I[X.] 1); [X.] in [X.]/[X.], VwGO, 29. Aufl., § 94 Rn. 1; [X.]/[X.], § 94 Rn. 14 (Stand: 1. Juli 2023); Rudisile in [X.]/[X.], Verwaltungsrecht, § 94 VwGO Rn. 124 (Stand: März 2023); aA (gebundene Entscheidung) [X.], NVwZ-RR 2011, 340, 341) von einer Anordnung des [X.] des Verfahrens absehen, wenn bei bestehender Entscheidungsreife noch nicht überschaubar ist, ob und wann das Verfahren durch verfahrensfremde Umstände gegebenenfalls eine Förderung erfahren kann.

So liegt der Fall hier. Der Kläger hat erst in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 16. Januar 2023 bei der [X.] einen Antrag auf Eingliederung gemäß §§ 11 ff. [X.] gestellt. In der Folge hat er gemäß § 12 Abs. 1 [X.] die Anzahl und die Art der von ihm im [X.] Recht bearbeiteten Rechtssachen sowie die Dauer seiner Tätigkeit nachzuweisen. Hierzu hat er gemäß § 12 Abs. 2 [X.] Falllisten und - auf Verlangen der [X.] - anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen. Im [X.] sind die vorgenannten Unterlagen von der [X.] umfassend im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 [X.] zu prüfen und gegebenenfalls auf ihre Aufforderung seitens des [X.] dessen Angaben und Unterlagen zu erläutern. Mithin kann bereits das Verwaltungsverfahren betreffend die Eingliederung des [X.] einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen. Letzteres gilt erst recht in Bezug auf ein sich anschließendes - unter Umständen über zwei Instanzen geführtes - gerichtliches Verfahren betreffend den im Eingliederungsverfahren ergangenen Bescheid der [X.], bis zu dessen Abschluss nach dem Antrag des [X.] die Anordnung des [X.] erstreckt werden sollte. Das durch den Antrag des [X.] erst am 16. Januar 2023 eingeleitete behördliche Verfahren und ein sich anschließendes gerichtliches Verfahren können sich gegebenenfalls über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken. Vor diesem Hintergrund ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn der [X.] angesichts der Entscheidungsreife des bei ihm anhängigen Verfahrens die Anordnung von dessen Ruhen abgelehnt hat.

b) Soweit der Kläger rügt, bei der Unterschrift des Mitglieds des [X.]s [X.] Dr. M.     auf dem Urteil vom 24. Januar 2023 handele es sich nicht um ein Original, sondern um die Kopie seiner Unterschrift, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus dem Original des Urteils ergeben sich keine Hinweise darauf, dass es sich bei der Unterschrift nur um eine Kopie handelt. Der Kläger trägt insofern auch keine Umstände vor, die Anlass zu einer solchen Annahme geben könnten.

c) Schließlich beruht die angefochtene Entscheidung auch nicht darauf, dass der [X.] nicht in vollständiger Besetzung über alle wesentlichen Entscheidungsgründe beraten hat.

Der Kläger rügt insofern, der Berichterstatter des [X.]s Professor Dr. S.   sei am 31. März 2023 aus dem [X.] Senat des [X.]s ausgeschieden. Die von ihm dem Kläger gesetzte [X.] auf den Schriftsatz der [X.] vom 3. Februar 2023 sei am 4. April 2023 abgelaufen. Gleichwohl fänden sich Feststellungen und tragende Gründe für die [X.]ehnung des [X.]antrages des [X.] im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen des Urteils. Eine Beratung des [X.]s in seiner gesetzlichen Besetzung habe aber nach [X.]auf der [X.] des [X.] nicht mehr erfolgen können. Im Sachverhalt sowie in der Urteilsbegründung stelle der [X.] indes darauf ab, dass der Kläger auf den Schriftsatz der [X.] vom 3. Februar 2023 keine Stellungnahme abgegeben und keinen förmlichen [X.]antrag gestellt habe. Damit liege ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor. Das Urteil beruhe auch auf dem dargelegten Verfahrensfehler, da der [X.] in den Entscheidungsgründen insbesondere darauf abstelle, dass der Kläger innerhalb der ihm gesetzten [X.] nicht auf den Schriftsatz der [X.] reagiert habe und keinen förmlichen [X.]antrag gestellt habe.

Dies trifft nicht zu. Nachdem in Ziffer [X.] des angefochtenen Urteils der Halbsatz "weil der Kläger keinen darauf gerichteten Antrag gestellt hat" mit auf Antrag des [X.] ergangenem Berichtigungsbeschluss des [X.]s vom 17. Oktober 2023 gestrichen worden ist, stellt das angefochtene Urteil nicht mehr darauf ab, dass der Kläger keinen förmlichen [X.]antrag gestellt hat. Die [X.]ehnung dieses Antrags durch den [X.] beruht nunmehr allein - und auch vorher bereits selbständig tragend - darauf, dass dieser eine Zweckmäßigkeit im Sinne von § 35 [X.], § 112c Abs. 1 Satz1 [X.], § 173 Satz 1 VwGO, § 251 Satz 1 ZPO verneint hat. Darauf, dass der Kläger innerhalb der ihm gesetzten [X.] nicht auf den Schriftsatz der [X.] reagiert hat, hat der [X.] in den Entscheidungsgründen ebenfalls nicht abgestellt. Diese Feststellung findet sich allein im Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 5). Das Urteil beruht mithin weder darauf, dass der Kläger nicht auf den Schriftsatz der [X.] vom 3. Februar 2023 reagiert hat, noch darauf, dass der Kläger keinen förmlichen [X.]antrag gestellt hat.

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Schoppmeyer     

      

Remmert     

      

Grüneberg

      

Lauer     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 29/23

07.03.2024

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamburg, 2. Juni 2023, Az: AGH I ZU 12/2021 (I-40)

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2024, Az. AnwZ (Brfg) 29/23 (REWIS RS 2024, 2131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2131

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (B) 1/18 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen fehlender Berufshaftpflichtversicherung als wettbewerbswidrige Handlung der Rechtsanwaltskammer


AnwZ (Brfg) 25/23 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 45/21 (Bundesgerichtshof)


1 AGH 20/19 (Oberlandesgericht Hamm)


AnwZ (Brfg) 20/21 (Bundesgerichtshof)

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Umfang der Beratungspflicht der Rechtsanwaltskammer; Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.