Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. AnwZ (Brfg) 25/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2023, 9629

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 12. Juni 2023 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit Juli 1994 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 4. Januar 2023 widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Der [X.] hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Zulassungsantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Ein [X.] nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (§ 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

4

Dieser [X.] setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den [X.] dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2022 - [X.] ([X.]) 17/22, [X.], 2682 Rn. 6 mwN).

5

Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Das Urteil des [X.]s steht im Einklang mit der Senatsrechtsprechung.

6

a) Der Kläger wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass der [X.] für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit des Widerrufs nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] auf den Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung am 4. Januar 2023 abgestellt und die vom Kläger vorgetragene nachträgliche Entwicklung seiner finanziellen Verhältnisse und beruflichen Tätigkeit nicht mehr berücksichtigt hat. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das Vorverfahren (wie hier) entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen und die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten ist (vgl. nur Senat, Beschluss vom 14. Oktober 2022 - [X.] ([X.]) 17/22, [X.], 2682 Rn. 10 mwN).

7

Entgegen der Ansicht des [X.] ist ein Hinausschieben des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung im [X.] (auch) aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten.

8

aa) Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen, insbesondere auch einer Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen Ergebnissen und verstößt nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl.

9

Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des [X.] einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit einen entsprechenden Antrag stellen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. Februar 2019- [X.] ([X.]) 65/17, juris Rn. 5 mwN). Dieser setzt nicht voraus, dass der [X.] abgeschlossen ist. Sind die Voraussetzungen für die Wiederzulassung erfüllt, ist die Rechtsanwaltskammer vielmehr unabhängig davon zur Wiederzulassung verpflichtet und kann gegebenenfalls der Rechtsanwalt gegen einen ablehnenden Bescheid gerichtlich vorgehen und dieses Verfahren mit dem [X.] verbunden werden. Auf diese Weise kann bei zweifelsfreiem Wegfall des [X.] eine lückenlose Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sichergestellt werden (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 4. März 2019 - [X.] ([X.]) 47/18, juris Rn. 4 und vom 7. Dezember 2018- [X.] ([X.]) 55/18, juris Rn. 6 und vom 13. Juni 2019 - [X.] ([X.]) 25/19, juris Rn. 6).

bb) Die Verweisung des Rechtsanwalts auf die Geltendmachung nachträglicher Entwicklungen in einem Wiederzulassungsverfahren verstößt entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht gegen das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG.

(1) Soweit der Kläger meint, durch die Rechtsprechung des Senats werde die Möglichkeit einer Klage gegen den Widerruf der Zulassung als grundsätzlich zulässiges Rechtsmittel ausgehöhlt und zur "inhaltsleeren Hülle", weil der Betroffene den Widerruf nicht durch nachträgliche Beseitigung der Widerrufsgründe gegenstandslos machen könne und seine Klage damit effektiv mangels möglicher Begründetheit aufgrund von nachträglichen Vermögensveränderungen immer unbegründet sei, trifft das nicht zu.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist nur die Geltendmachung nachträglicher Entwicklungen im [X.] gegen die Widerrufsverfügung ausgeschlossen. Einwände dagegen, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] im Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens vorlagen, bleiben damit uneingeschränkt möglich. Damit stellt die Anfechtungsklage für den betroffenen Rechtsanwalt - wie bei verwaltungsbehördlichen Rücknahme- und Widerrufsverfügungen in berufs- oder gewerberechtlichen Zulassungsverfahren auch (vgl. dazu Senat, Urteil vom 29. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 11/10, [X.], 187 Rn. 11 mwN) - ein wirkungsvolles Rechtsmittel dar, die Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung im Zeitpunkt ihres Erlasses (auch) darauf gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die [X.] des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] in Form des Vermögensverfalls und der Gefährdung der Interessen Rechtsuchender vorlagen. Ihm darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen, sich noch im Rahmen der Anfechtungsklage mit Erfolg auf eine erst nach Erlass der Widerrufsverfügung erfolgte Beseitigung zuvor bestehender Widerrufsgründe zu berufen und der Widerrufsverfügung damit nachträglich rückwirkend die Grundlage zu entziehen, ist auch zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht geboten. Wie oben ausgeführt kann der betroffene Rechtsanwalt diese Umstände jederzeit in einem Antrag auf Wiederzulassung geltend machen und einen darauf gestützten [X.] bei Ablehnung seines Antrags gegebenenfalls auch im Klagewege durchsetzen.

(2) Entgegen der Ansicht des [X.] war die Beklagte auch nicht gehalten, ihn im Anhörungsverfahren auf die obige Rechtsprechung des Senats hinzuweisen, um damit effektiven Rechtsschutz durch eine Vorverlagerung in das Verwaltungsverfahren zu gewährleisten. Die im Rahmen eines Widerrufsverfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 28 Abs. 1 HVwVfG einzuräumende [X.] dient nicht der Ermöglichung der Ordnung der Vermögensverhältnisse des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Februar 2016 - [X.] ([X.]) 59/15, juris Rn. 9 und [X.] Januar 2018 - [X.] ([X.]) 10/17, juris Rn. 27; [X.] in [X.]/ Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 32 [X.] Rn. 66). Damit ist die Rechtsanwaltskammer erst Recht nicht gehalten, im Rahmen der Anhörung quasi "warnend" darauf hinzuweisen, dass eine Ordnung der Vermögensverhältnisse erst nach Erlass der Widerrufsverfügung auch nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage mit Erfolg gegen den Widerruf geltend gemacht werden kann, um ihn zu einer möglichst raschen Bereinigung seiner Vermögensverhältnisse noch vor der Widerrufsentscheidung anzuhalten.

Im vorliegenden Fall ist auch nicht etwa zu erkennen, dass die Beklagte die [X.] nach § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 28 Abs. 1 HVwVfG zu kurz bemessen hätte. Vielmehr hat sie den Kläger erstmals bereits mit Schreiben vom 8. April 2021, mithin mehr als 20 Monate vor der Widerrufsentscheidung, und in der Folgezeit mehrfach unter Hinweis auf die aus seinen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis folgende, von ihm zu widerlegende Vermutung des Vermögensverfalls gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zu seinen Vermögensverhältnissen angehört und ihn - letztlich ohne Erfolg - aufgefordert, eine vollständige Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit entsprechenden Nachweisen vorzulegen, die offenen Forderungen zu begleichen bzw. diesbezügliche Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen vorzulegen und die Löschung seiner Eintragungen zu bewirken. Schließlich hat sie mit Schreiben vom 26. Juli 2022 ausdrücklich die Einleitung des Widerrufsverfahrens angekündigt und dem Kläger - wiederum erfolglos - eine letztmalige Frist bis zum 15. August 2022 zur Abgabe der geforderten Erklärungen und Einreichung von Belegen gesetzt. Auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen schweren Erkrankung des [X.] hat die Beklagte damit ihrer Anhörungspflicht aus § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 28 Abs. 1 HVwVfG mehr als genügt.

b) Das Vorbringen des [X.] begründet auch keine ernstlichen Zweifel an der Feststellung des [X.]s, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung vom 4. Januar 2023 die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] erfüllt waren.

aa) Der [X.] hat zutreffend ausgeführt, dass der Vermögensverfall des [X.] zu diesem Zeitpunkt gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7Halbsatz 2 [X.] zu vermuten ist, weil zu diesem Zeitpunkt 16 Eintragungen des [X.] im Schuldnerverzeichnis (§ 882b ZPO) bestanden und der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Beklagte und den [X.] weder nachgewiesen hat, dass die diesen Eintragungen zugrunde liegenden Forderungen bei Erlass der Widerrufsverfügung bereits getilgt gewesen seien, noch die aus diesen Eintragungen folgende Vermutung - wie geboten - durch Vorlage eines vollständigen und detaillierten Verzeichnisses seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten sowie konkrete Angaben nebst Belegen dazu, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren, widerlegt hat.

Dagegen bringt der Kläger auch mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung nichts Erhebliches vor. Sein pauschaler Vortrag, dass er seit dem 1. März 2022 bis heute monatlich rund 1.250 € an seine Gläubiger abgeführt und damit einen Großteil seiner ehemaligen Schulden getilgt habe, reicht für eine vollständige und detaillierte Darlegung seiner Vermögensverhältnisse- zumal zum Zeitpunkt der Widerrufsverfügung am 4. Januar 2023 - ersichtlich nicht aus. Überdies hat der Kläger selbst diesen Vortrag nicht belegt, sondern lediglich durch "nachzureichende Kontoauszüge" und das Zeugnis eines "Angestellten [X.]" der kontoführenden Bank unter Beweis gestellt. Nach den eigenen Angaben des [X.] im Zulassungsantrag belaufen sich seine verbleibenden Verbindlichkeiten auch heute noch auf ca. 20.000 €. Selbst wenn der Kläger wie von ihm angegeben seit dem 1. März 2022 durchgehend monatliche Tilgungen geleistet haben sollte, kann danach mangels belegter Angaben zu etwaigen verbindlichen Tilgungs-/Stundungsregelungen und einer umfassenden Darlegung seiner übrigen Vermögensverhältnisse auch zum jetzigen Zeitpunkt, jedenfalls aber zum Zeitpunkt des Erlasses der Widerrufsverfügung nicht von einer hinreichenden Konsolidierung seiner finanziellen Verhältnisse ausgegangen werden.

bb) Zu Recht hat der [X.] auch eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des [X.] bejaht.

(1) Der [X.] hat zutreffend die ständige Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt, nach der aufgrund der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden ist. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern. Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (st. Rspr.; siehe etwa Senat, Beschlüsse vom 31. Januar 2023 - [X.] ([X.]) 29/22, juris Rn. 12 und vom 11. Mai 2023 - [X.] ([X.]) 33/22, juris Rn. 11; jeweils mwN).

(2) Ausgehend davon hat der [X.] zu Recht angenommen, dass eine solche Gefährdung hier im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung trotz der Beschäftigung des [X.] als angestellter Rechtsanwalt bei einer Rechtsanwaltsgesellschaft seit dem 1. März 2022 nicht ausnahmsweise auszuschließen war.

(a) Der [X.] hat zur Begründung zum einen darauf verwiesen, dass der Kläger seine selbstständige Tätigkeit offenbar nicht aufgegeben habe und damit weiter in der Lage sei, Mandate an seinem eigenen Kanzleisitz anzunehmen und damit auch [X.] in Empfang zu nehmen. Soweit er im Klageverfahren behauptet habe, dass er seine selbständige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausübe, über keine eigenen Mandate mehr verfüge und sein Arbeitgeber seine Nebentätigkeitsgenehmigung widerrufen habe, sei dies nicht belegt, zudem handele es sich um nachträglich eingetretene Umstände, die als solche nicht berücksichtigungsfähig seien. Zum anderen hat der [X.] darauf abgestellt, dass der vom Kläger vorgelegte Arbeitsvertrag keine Vorkehrungen im Sinne vertraglicher Beschränkungen betreffend den Zugriff des [X.] auf [X.] enthalte, und allein seine schriftsätzliche Schilderung von (einen solchen Zugriff ausschließenden) tatsächlichen Arbeitsabläufen hierfür nicht ausreiche, zumal auch ein sonstiger Nachweis, wie etwa die angekündigte schriftliche Erklärung des Arbeitgebers, nicht vorgelegt worden sei.

(b) Diese Feststellungen begegnen weder rechtlich noch tatsächlich ernstlichen Zweifeln. Auch der Kläger zeigt mit der Begründung seines Zulassungsantrags keine Umstände auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten.

Das gilt zunächst für den Einwand des [X.], der [X.] habe sein Vorbringen dazu übergangen, dass ihm eine selbständige Tätigkeit neben seiner Tätigkeit als angestellter Rechtsanwalt angesichts seiner arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungspflichten von bis zu 46,5 Wochenstunden und einem durchschnittlichen Arbeitsaufkommen von ca. 50 bis 60 Wochenstunden rein faktisch selbst im geringen Umfang gar nicht mehr möglich sei. Bei der tatsächlichen Arbeitsbelastung des [X.] handelt es sich um einen jederzeit veränderlichen Umstand der überdies nichts daran ändert, dass der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag jedenfalls rechtlich letztlich nicht gehindert ist, seine selbständige Tätigkeit jederzeit zumindest in dem nach § 7 Abs. 2 seines Arbeitsvertrags zulässigen Umfang von bis zu 8 [X.] wieder aufzunehmen, ohne dass die Beklagte dies kontrollieren kann. Den von ihm behaupteten Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung durch seinen Arbeitgeber hat der Kläger auch mit seinem Zulassungsantrag nicht belegt. Selbst wenn der Kläger aber auch nur in einem geringen Umfang selbständig tätig werden sollte, besteht für ihn jedenfalls insoweit weiterhin die Möglichkeit, auf eigene Rechnung tätig zu werden, womit auch der Umgang mit Fremdgeld verbunden sein kann und damit die Gefahr eines Zugriffs von Gläubigern des [X.] darauf besteht.

Auch die erneute Schilderung der Arbeitsabläufe bei seinem Arbeitgeber durch den Kläger gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Auch wenn der Kläger, wie von ihm angegeben, als reiner "Prozessanwalt" keinen Einfluss auf die Rechnungstellung der Anwaltsgesellschaft haben, keine Inkasso-Tätigkeit ausüben und keinen Zugriff auf die Konten seines Arbeitgebers, d.h. keine Kontovollmacht oder sonstige Prokura haben mag, handelt es sich hierbei um rein tatsächliche, rechtlich nicht verbindlich vereinbarte Maßnahmen. So enthält der vom Kläger vorgelegte Arbeitsvertrag nicht einmal den Hinweis, dass der Kläger keine Geldempfangsvollmacht besitze oder zur Entgegennahme von Barzahlungen nicht befugt sei.

c) Ohne Erfolg macht der Kläger schließlich geltend, die angefochtene Entscheidung sei unverhältnismäßig und verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG, weil sie auf der Anwendung einer veralteten Rechtsprechung beruhe, die von einem nicht mehr zeitgemäßen Berufsbild eines allzeit idealen Berufsträgers ausgehe, der stets alle Anforderungen zu beachten und Vorbildcharakter zu erfüllen habe. Mit der [X.] Realität habe dies wenig gemein, in der es jederzeit möglich sei, sich lebenslang zu verschulden und es mittlerweile in allen Bevölkerungsschichten, insbesondere aufgrund [X.] während der zurückliegenden [X.], verschuldete Berufsgruppen gebe.

Auch etwaige wirtschaftliche Einbußen anwaltlich Tätiger aufgrund von [X.] rechtfertigen es nicht, den durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] bezweckten Schutz des rechtsuchenden Publikums vor den mit einem Vermögensverfall des Rechtsanwalts verbundenen Gefahren zu reduzieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Vermögensverfall im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] nicht immer schon dann vorliegt, wenn der Rückgang von Mandaten und die damit verbundenen Zwänge zur Einschränkung führen, sondern erst dann, wenn der Rechtsanwalt seine ggf. auch bescheidenen finanziellen Verhältnisse nicht mehr beherrschen kann. Solange er sich einschränkt und entsprechend seinen Verhältnissen lebt, liegt auch kein Vermögensverfall vor. Selbst ernste finanzielle Engpässe müssen nicht zum Vermögensverfall und damit zum Widerruf der Zulassung führen, wenn der Rechtsanwalt seinen finanziellen Schwierigkeiten rechtzeitig begegnet, indem er seine offene Forderungen einzieht, etwa vorhandenes Vermögen verwertet, sich einschränkt und mit Gläubigern, denen gegenüber er sich nicht mehr einschränken kann, Pfändungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen trifft, deren Bedingungen er einhält und die ihm dann insgesamt ein geordnetes Wirtschaften erlauben (vgl. Schmidt-Räntsch in [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 [X.] Rn. 32). Schließlich verbleibt dem Rechtsanwalt auch bei Vermögensverfall noch die oben dargelegte Möglichkeit, die daraus resultierende Gefahr für die Interessen Rechtsuchender durch Aufnahme einer angestellten anwaltlichen Tätigkeit mit rechtlich verbindlich vereinbarten und tatsächlich kontrollierten Maßnahmen zum Schutz der Mandanteninteressen ausnahmsweise auszuschließen.

2. Dem [X.] ist kein Verfahrensmangel unterlaufen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Die vom Kläger gerügten Verstöße gegen das Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) und die von ihm gerügte "unzureichende tatsächliche Aufklärung gemäß § 520 III 3 ZPO" - womit sinngemäß eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO gemeint sein dürfte - liegen nicht vor. Auf die vom Kläger dargelegte Entwicklung seiner Vermögenssituation nach Erlass der Widerrufsverfügung, insbesondere die von ihm geltend gemachte teilweise Tilgung seiner Verbindlichkeiten, musste der [X.] nicht näher eingehen, weil diese nach der Rechtsprechung des Senats für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs unerheblich waren (s.o.). Den Vortrag des [X.] zum ausnahmsweisen Ausschluss einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender durch seine angestellte anwaltliche Tätigkeit hat der [X.] berücksichtigt und gewürdigt, mit zutreffender Begründung aber für nicht durchgreifend erachtet (s.o.).

3. Soweit der Kläger schließlich eine Zulassung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) der Rechtssache für geboten hält, sind diese Zulassungsgründe in seinem Zulassungsantrag bereits nicht ordnungsgemäß dargelegt, liegen aber auch nicht vor.

Der Rechtsstreit wirft keine überdurchschnittlich komplexen Tatsachen- oder Rechtsfragen auf, die seine Beurteilung erschweren (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 10). Ebenso wenig stellt sich eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen auftreten kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2022 - [X.] ([X.]) 10/22, juris Rn. 46). Wie oben ausgeführt lassen sich die im Rechtsstreit zu beurteilenden Fragen in Anwendung der durch die Rechtsprechung des Senats bereits geklärten, verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsätze zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] auf den vorliegenden Einzelfall beantworten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Schoppmeyer     

      

Remmert     

      

Grüneberg

      

Lauer     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 25/23

07.12.2023

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Frankfurt, 12. Juni 2023, Az: 1 AGH 2/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.12.2023, Az. AnwZ (Brfg) 25/23 (REWIS RS 2023, 9629)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9629

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