Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2023, Az. 1 StR 292/23

1. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8682

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Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. Februar 2023 wird als unbegründet verworfen. Jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Herstellens kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie in den anderen zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen ohne Körperkontakt, und der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen schuldig ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt nur zu einer geringen Änderung des Schuldspruchs, bleibt im Wesentlichen aber erfolglos.

2

1. Allein der Schuldspruch bedarf der aus der [X.] ersichtlichen Vereinfachung (keine Angabe der zeitlichen Geltung der angewendeten Strafgesetze erforderlich; vgl. § 260 Abs. 4 Satz 1 [X.]) und übersichtlichen Gliederung sowie in den Fällen [X.] 2. und [X.] 6. der Urteilsgründe aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des [X.] der Korrektur (§ 349 Abs. 4 [X.]): Die [X.] des sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. von Schutzbefohlenen „ohne Körperkontakt“ sind nicht in den Schuldspruch aufzunehmen, wenn der Angeklagte tateinheitlich das Kind berührt hat (§ 176 Abs. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF); dann tritt die mildere Tatbegehung der § 176 Abs. 4 Nr. 2, § 174 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF im Wege der Subsidiarität zurück (vgl. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB aF: „soweit die Tat nicht nach Absatz 1 […] mit Strafe bedroht ist.“ und die gegenüber § 174 Abs. 1 StGB aF mildere Strafandrohung des § 174 Abs. 3 StGB aF). Die Strafzumessung bleibt hiervon unberührt, weil das [X.] rechtsfehlerfrei sämtliche Teilakte des sexuellen Missbrauchs berücksichtigt sowie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat vollständig erfasst hat.

3

2. Zur ersten Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit durch eine fehlerhafte Begründung des Beschlusses zum Ausschluss derselben (§ 338 Nr. 6 [X.], §§ 169, 174 Abs. 1 Satz 3 [X.]) beanstandet, ist in Ergänzung der Antragsschrift des [X.] auszuführen:

4

a) Mit der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/12735, Seite 17, geht der Senat davon aus, dass § 171b Abs. 2 [X.] den Öffentlichkeitsausschluss für die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung regeln soll, aber nicht eine vernehmungsersetzende Inaugenscheinnahme („Vorführung“) einer [X.] einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung (§ 255a Abs. 2, § 168a Abs. 1 Satz 3 [X.]) erfasst. Zwar zitiert das [X.] unter „2.“ seines Beschlusses vom 8. Februar 2023 zur Begründung des Ausschlusses der Öffentlichkeit, den der Vertreter des [X.] beantragt hatte (§ 171b Abs. 3 Satz 1 [X.]), § 171b Abs. 2 [X.]. Im nachfolgenden Satz verhält sich der Beschluss indes zu den Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Sätze 1 und 2 [X.] und lässt eine Abwägung zwischen dem Interesse des (minderjährigen) [X.] am Schutz seiner Intimsphäre und dem [X.], mithin den zutreffenden Maßstab, erkennen. Die Abwägung als solche ist der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen (§ 171b Abs. 5 [X.]); die Revision kann daher nicht damit durchdringen, diese „Ausführungen“ erschienen ‚formelhaft‘ (Revisionsbegründung Seite 110). Nach alledem kann nicht einmal von einem schweren Begründungsmangel die Rede sein, sondern allenfalls von einer durch eine verständige Auslegung unschwer zu [X.] (vgl. im Übrigen [X.], Beschluss vom 22. Juli 2021 – 4 StR 200/20 Rn. 7 mwN).

5

b) Damit kann offenbleiben, ob die Öffentlichkeit auch nach § 172 Nr. 1 [X.] wegen Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen gewesen wäre. Insoweit ist indes bedenklich, ob diese Vorschrift vorrangig anzuwenden ist (vgl. zur Inaugenscheinnahme kinderpornographischer Inhalte und § 184b Abs. 1 StGB: [X.], Beschluss vom 12. September 2023 – 5 [X.]/23 mN) oder nicht vielmehr umgekehrt § 171b [X.] (so [X.]/[X.], [X.], 66. Aufl., § 172 [X.] Rn. 5 mwN).

Jäger     

  

Bellay     

  

Bär

  

Leplow     

  

Allgayer     

  

Meta

1 StR 292/23

28.11.2023

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 15. Februar 2023, Az: 4 J KLs 24 Js 39563/20

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.11.2023, Az. 1 StR 292/23 (REWIS RS 2023, 8682)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8682

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 468/23

Zitiert

5 StR 356/23

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