Bundessozialgericht, Urteil vom 27.07.2011, Az. B 12 R 19/09 R

12. Senat | REWIS RS 2011, 4355

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Gegenstand

Rentenversicherung - Beitragsforderung für versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit (hier: Lehrtätigkeit im Rahmen der Betreuung von Herzsportgruppen) - Verjährung - Unterbrechung - Hemmung - Vorliegen eines Verwaltungs- bzw Beitragsverfahrens


Leitsatz

Ein die Verjährung von Beitragsforderungen zur gesetzlichen Rentenversicherung unterbrechendes "Beitragsverfahren" liegt bereits vor bei einer darauf bezogenen, in die Sphäre des Betroffenen hineinwirkenden tatsächlichen Tätigkeit der Behörde; einer förmlichen Kenntnisverschaffung des Betroffenen darüber bedarf es nicht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Beitragsforderung der Beklagten für die [X.] vom 1.12.2001 bis [X.]. Sie beruft sich nur noch auf deren Verjährung.

2

Die Klägerin - eine ausgebildete Sporttherapeutin - übte seit 1999 in zwei Vereinen Tätigkeiten in Form der "Betreuung von [X.]" aus; Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung führte sie hierfür nicht ab. Vom [X.] bis zum Beginn des Mutterschutzes und anschließender Elternzeit im September 2003 war sie zusätzlich als Angestellte für Büroarbeiten bei einem der Vereine tätig, wofür Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.

3

Mit Schreiben vom [X.] wandte sich die Klägerin mit der Frage an die Beklagte, ob es möglich sei, wie bisher als angestellte Bürokraft und parallel dazu freiberuflich in der Betreuung von [X.] tätig zu sein. Die Beklagte übersandte ihr daraufhin mit Schreiben vom 26.10.2006 einen Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbstständige und wies darauf hin, dass zu prüfen sei, ob die Klägerin als selbstständig Tätige der Versicherungspflicht unterliege. Nachdem die Klägerin den Fragebogen zurückgereicht hatte, forderte die Beklagte mit Schreiben vom [X.] zusätzliche Unterlagen an, ua Einkommensteuerbescheide für die [X.] ab Beginn der selbstständigen Tätigkeit. Gleichzeitig bat sie um Mitteilung, wann genau die selbstständige Tätigkeit aufgenommen worden sei. Mit zwei Bescheiden vom [X.] stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin als selbstständige Lehrerin ab [X.] und Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit ab 1.1.2004 fest. Für die [X.] vom 1.12.2001 bis 31.12.2003 forderte die Beklagte zudem Beiträge in Höhe von 3665,45 Euro. Der Widerspruch der Klägerin, mit dem diese sich ua auf die Verjährung der Beitragsforderung berief, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Mit Urteil vom 6.5.2008 hat das [X.] "den Bescheid" vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, soweit darin Beiträge für die [X.] bis [X.] nachgefordert werden, da insoweit Verjährung eingetreten sei; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

4

Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] mit Urteil vom [X.] das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen: Die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin als Selbstständige im streitbefangenen [X.]raum stehe bestandskräftig fest, weil die Klägerin selbst das Urteil des [X.] nicht angegriffen habe, und sei zudem inhaltlich richtig. Die - zutreffend errechnete - Beitragsforderung sei auch nicht verjährt, weil spätestens durch das Schreiben der Beklagten vom [X.] ein Verwaltungsverfahren eingeleitet und die Verjährung gemäß § 198 Satz 2 [X.]B VI gehemmt worden sei.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin (nur noch) eine Verletzung der §§ 25 Abs 1 Satz 1, 23 Abs 1 Satz 2 [X.]B IV und des § 198 Satz 2 [X.]B VI. Entgegen der Auffassung des [X.] seien die Beitragsforderungen für den streitbefangenen [X.]raum verjährt. § 198 Satz 2 [X.]B VI idF des [X.] ([X.]) sei vorliegend nicht anwendbar, da anderenfalls eine unzulässige echte Rückwirkung zu ihren Lasten vorläge. Auch habe kein Beitragsverfahren iS des § 198 Satz 2 [X.]B VI vor Ablauf des 31.12.2006 begonnen, da ein solches für sie nicht erkennbar gewesen sei. Das [X.] habe verkannt, dass sie bei der Beklagten nur um die Überprüfung einer zukünftigen Beitragspflicht nachgesucht habe. Der Wille der Beklagten zur Durchführung eines Beitragsverfahrens auch für die Vergangenheit sei weder durch deren Schreiben vom 26.10.2006 noch durch das vom [X.], sondern erst durch den Beitragsbescheid vom [X.] erkennbar geworden. Die Erkennbarkeit der Durchführung eines Beitragsverfahrens für einen Außenstehenden sei jedoch zwingend erforderlich.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 29. April 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Mai 2008 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das Urteil des [X.] für zutreffend. Insbesondere stelle auch ein Verfahren über die Feststellung der Versicherungspflicht ein Beitragsverfahren iS des § 198 [X.]B VI dar.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.]lägerin ist zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat das [X.] das Urteil des [X.] geändert und die [X.]lage insgesamt abgewiesen. Die von der Beklagten mit den angefochtenen Bescheiden von der [X.]lägerin für die [X.] vom 1.12.2001 bis [X.] geforderten Beiträge sind nicht verjährt.

Die [X.]lägerin hat ihre Revision zulässigerweise (vgl allgemein B[X.] SozR 4-2600 § 233a [X.] RdNr 23 mwN) auf die Frage der Verjährung der Beitragsforderung für die [X.] bis [X.] beschränkt. Verjährung ist für die [X.] ab 1.12.2001 jedoch nicht eingetreten, denn die Voraussetzungen des § 25 Abs 1 Satz 1 [X.]B IV sind nicht erfüllt. Nach dieser (seit ihrer Einführung zum 1.7.1977 unveränderten) Vorschrift verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des [X.]alenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Beiträge pflichtversicherter Selbstständiger wie der [X.]lägerin wurden im streitgegenständlichen [X.]raum nach § 23 Abs 1 Satz 2 [X.]B IV (Gesamtnorm idF des [X.] vom [X.], [X.]) spätestens am [X.] fällig, der dem Monat folgt, in dem die Tätigkeit, mit der das Arbeitseinkommen erzielt worden ist, ausgeübt worden ist. Dementsprechend waren die Beiträge für die Monate Dezember 2001 bis November 2002 zwischen dem 15.1. und dem 15.12.2002 fällig, so dass die Verjährungsfrist mit Ablauf des [X.]alenderjahres 2002 begann und [X.] mit Beginn des 1.1.2007 Verjährung eingetreten wäre. Letzteres ist aber nicht der Fall, weil die Verjährung bereits zu unverjährter [X.] durch ein Beitragsverfahren iS von § 198 Satz 2 [X.]B VI (hierzu 1.) und den nachfolgend erlassenen Beitragsbescheid (hierzu 2.) unterbrochen bzw gehemmt worden ist.

1. Der Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit dem 31.12.2006 wurde noch in unverjährter [X.] durch das Verwaltungsverfahren (§ 8 [X.]B X) verhindert, das die Beklagte zur Prüfung der Versicherungs- und Beitragspflicht der [X.]lägerin aufgrund des ihr im Rahmen des Auskunftsersuchens der [X.]lägerin vom [X.] bekannt gewordenen Sachverhalts eingeleitet hatte (§ 18 Satz 2 [X.] [X.]B X). Dabei kann der Senat offenlassen, ob die Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen (§ 25 Abs 1 [X.]B IV) durch das Beitragsverfahren nach § 198 Satz 2 [X.]B VI in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung durch das [X.] ([X.] vom 21.6.2002, [X.]) gehemmt oder nach § 198 Satz 2 [X.]B VI in der zuvor geltenden - wegen Fehlens einer dem § 115a [X.]B IV vergleichbaren Übergangsregelung möglicherweise auf bereits laufende Verjährungsfristen weiterhin anwendbaren - Fassung unterbrochen worden ist. Denn jedenfalls hat die Verjährungsfrist bis zum Erlass des Beitragsbescheids vom 24.1.2007 nicht erneut bzw wieder zu laufen begonnen. Gleichzeitig kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der gesetzlich nicht definierte Begriff des "Beitragsverfahrens" grundsätzlich weit auszulegen ist (so B[X.] <5. Senat> SozR 4-2600 § 233a [X.] Leitsatz 2 und RdNr 26 mwN). Unter diesen Begriff sind nämlich zumindest Verwaltungsverfahren zu fassen, die - wie hier - auf die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht sowie die ordnungsgemäße Beitragserhebung abzielen (so auch die engere Auffassung von [X.] in jurisP[X.]-[X.]B VI , § 198 RdNr 23 ff, der nur "Verfahren über die Versicherungsberechtigung, Beitragszahlung, Beitragstragung und Beitragshöhe" zu den Beitragsverfahren zählt).

a) Rechtsfehlerfrei hat das [X.] das Vorliegen eines auf die Feststellung der Beitragspflicht und die Beitrags(nach)erhebung auch für den streitbefangenen [X.]raum abzielenden Verwaltungsverfahrens spätestens im Zusammenhang mit dem Schreiben der Beklagten vom [X.] angenommen. Mit diesem hat die Beklagte - nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] - ua die Einkommensteuerbescheide der [X.]lägerin ab Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit angefordert, nachdem die [X.]lägerin bereits zuvor einen Fragebogen zur Überprüfung der Versicherungspflicht für Selbstständige in der Rentenversicherung auf Anforderung der Beklagten zurückgesandt hatte. Dabei kommt es - eine zeitliche Trennbarkeit unterstellt - entgegen der Ansicht der [X.]lägerin für das Vorliegen eines Beitragsverfahrens auch bezüglich des streitbefangen [X.]raums nicht darauf an, ob sie bei der Beklagten nur um die Überprüfung einer zukünftigen Beitragspflicht nachgesucht hat; denn ein Beitragsverfahren ist nach § 18 Satz 2 [X.] [X.]B X iVm § 76 Abs 1 [X.]B IV nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen durchzuführen.

Gleichzeitig konnte das [X.] offenlassen ob - wie mit der Revision erneut geltend gemacht wird - die [X.]lägerin tatsächlich nicht erkannt hatte, dass die Beklagte mit der Anforderung dieser Unterlagen ein Beitragsverfahren auch für den hier streitbefangenen, in der Vergangenheit liegenden [X.]raum betrieb. Das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren, auch in der Ausprägung als Beitragsverfahren, wird in § 8 [X.]B X als die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden definiert, die auf Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist. Dabei verdeutlicht das Merkmal "nach außen wirkende Tätigkeit", dass Bestandteil des Verwaltungsverfahrens nur die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde nach außen, insbesondere im Verhältnis zu den Bürgern ist, nicht aber schon die Tätigkeit allein im Zusammenhang mit der inneren Willensbildung der Behörden (vgl entsprechend zu § 9 [X.] BVerwGE 66, 15, 18; 68, 189, 193 f). Die Verwaltungstätigkeit muss nur - im tatsächlichen Sinne - "nach außen wirken", sie muss also nicht schon notwendig eine Regelung enthalten oder eine rechtlich geschützte Position eines Verfahrensbeteiligten oder sonstiger Personen unmittelbar berühren (vgl [X.]/ [X.], [X.], 11. Aufl 2010, § 9 Rd[X.]0; [X.]/[X.], [X.]B X, Stand der Einzelkommentierung Januar 2007, [X.] § 8 Rd[X.]7). Eine Außenwirkung in diesem Sinne ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn im inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Verwaltungsverfahren eine Tätigkeit der Behörde erfolgt, die unmittelbar aus dem Bereich der Verwaltung heraus in die Sphäre des Bürgers hineinwirkt (so [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2008, § 9 Rd[X.]17 mwN), so ua bei konkreter Ermittlungstätigkeit im Einzelfall zB zur Vorbereitung einer Leistungsgewährung oder eines Leistungsentzugs (von [X.] in von [X.], [X.]B X, 7. Aufl 2010, § 8 RdNr 6; Vogelgesang, aaO, Rd[X.]6; [X.]rasney in [X.]asseler[X.]omm, Stand der Einzelkommentierung Dezember 2003, § 8 [X.]B X RdNr 5; ähnlich [X.]/[X.], aaO, § 9 Rd[X.]1; [X.] in [X.]/[X.], aaO, ebenda).

Eine solche Ermittlungsmaßnahme ist die vom [X.] festgestellte Anforderung der Einkommensteuerbescheide der [X.]lägerin ab Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit durch die Beklagte. Die vom [X.] mangels diesbezüglicher Revisionsrügen für den Senat bindend festgestellten Tatsachen tragen auch dessen - von der [X.]lägerin mit der Revision in Zweifel gezogene - Folgerung, dass für die [X.]lägerin insbesondere aus dem Zusammenhang mit dem bereits zuvor von ihr beantworteten Fragebogen zur Überprüfung der Versicherungspflicht für Selbstständige in der Rentenversicherung erkennbar war, dass die Beitragspflicht und Beitragserhebung auch für einen zurückliegenden, nun streitigen [X.]raum geprüft werden sollte. Jedenfalls ist der [X.]lägerin damit in Bezug auf die Prüfung der Beitragspflicht für die Vergangenheit ein Verwaltungshandeln als solches tatsächlich bekannt geworden, sodass es auf die mit der Revision aufgeworfene Frage, ob das Verwaltungshandeln den Bereich der Behörde verlassen muss und insbesondere dem Betroffenen bekannt werden muss (vgl hierzu [X.], aaO, Rd[X.]17 ff; Vogelgesang, aaO, Rd[X.]7; verneinend zB [X.]rasney, aaO, RdNr 6), nicht mehr ankommt.

b) Der [X.]lägerin ist nicht zu folgen, soweit sie vorträgt, sie habe - was das [X.] zu Unrecht offengelassen habe - keine positive Vorstellung von der Durchführung eines Beitragsverfahrens auch für den streitbefangenen [X.]raum entwickelt, und soweit sie unter Hinweis auf in § 25 Abs 2 Satz 1 [X.]B IV in Bezug genommene Vorschriften des [X.] über die Hemmung der Verjährung auch im Rahmen des § 198 Satz 2 [X.]B VI eine der Einleitung des zivilrechtlichen Mahnverfahrens vergleichbare "Förmlichkeit der [X.]enntnisverschaffung" von der Durchführung eines Beitragsverfahrens gegenüber dem Betroffenen fordert. Ein solches Erfordernis lässt sich nicht auf den Wortlaut des § 198 [X.]B VI oder des § 8 [X.]B X stützen. Vielmehr genügt danach zur Herbeiführung der Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung bereits - wie unter a) ausgeführt - schon die bloße "Durchführung" eines Beitragsverfahrens und eine diesbezügliche nach außen wirkende Tätigkeit, die der [X.]lägerin nach den Feststellungen des [X.] vorliegend auch tatsächlich bekannt geworden ist. Auch die Verweisung auf Vorschriften des [X.] in § 25 Abs 2 Satz 1 [X.]B IV lässt einen solchen Schluss nicht zu; denn systematisch stellt § 198 Satz 2 [X.]B VI gerade eine Ausnahme zu den in § 25 Abs 2 [X.]B IV normierten allgemeinen Regelungen über die Hemmung und den Neubeginn von Fristen dar. Schließlich kann die Forderung nach der "förmlichen" Einleitung eines Beitragsverfahrens auch nicht auf ein aus dem Zweck des § 198 [X.]B VI abzuleitendes besonderes Schutzbedürfnis des Betroffenen gegenüber einer Beitragserhebung nach dem Fälligkeitszeitpunkt gestützt werden. So handelt es sich bei § 198 [X.]B VI nicht etwa um eine den Versicherten einseitig belastende, sondern im Grundfall um eine ihn begünstigende Regelung: Abweichend von § 197 [X.]B VI erlaubt sie die Beitragszahlung noch außerhalb der dort bestimmten Fristen und soll dadurch verhindern, dass die zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens benötigte [X.] zu Lasten des Versicherten geht (so die Begründung der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.] zu § 193 des Entwurfs zum [X.] 1992, BT-Drucks 11/4124 S 190). Aber selbst innerhalb des Anwendungsbereichs des § 198 Satz 2 [X.]B VI liegt keine einseitige Belastung des Versicherten vor, weil der Verpflichtung zur Beitragszahlung typischerweise zugleich begünstigend der Erwerb von Rentenanwartschaften gegenübersteht.

c) Der [X.]lägerin kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie § 198 Satz 2 [X.]B VI idF durch das [X.] wegen einer echten Rückwirkung für nicht anwendbar hält, weil die Fälligkeit der streitigen Beiträge zum [X.]punkt dieser Neufassung in der Vergangenheit lag, der maßgebliche Lebenssachverhalt mithin bereits abgewickelt gewesen sei und die Neuregelung die bisher geltende Regelung zur Verjährung in unzulässiger Weise zu ihren (der [X.]lägerin) Lasten verändert habe. Allerdings trat § 198 [X.]B VI idF durch Art 8 [X.]2 [X.] vom 21.6.2002 ([X.]) nach Art 25 Abs 5 [X.] bereits zum 1.1.2002 und somit rückwirkend in [X.] und könnte - eine entsprechende Anwendbarkeit des § 115a [X.]B IV vorausgesetzt - iVm Art 229 § 6 Abs 1 EG[X.] auch Beitragsansprüche, die bereits vor dem 1.1.2002 entstanden, jedoch an diesem Tag noch nicht verjährt waren, erfassen. Hierin läge im Falle der [X.]lägerin aber bereits deshalb keine unzulässige echte Rückwirkung (zu den Voraussetzungen vgl nur [X.], Beschluss vom [X.] - 1 BvL 11/06 ua -, Juris RdNr 71 mwN), weil die Neuregelung für die sich auf die Verjährung der Beitragsforderung berufende [X.]lägerin sogar die potenziell günstigere Regelung darstellt: So blieb § 198 Satz 2 [X.]B VI auf der Tatbestandsseite unverändert. Lediglich auf der Rechtsfolgenseite wurde "Unterbrechung" durch "Hemmung" der Verjährung ersetzt. Durch diese Umgestaltung lief nach einem Ende der Hemmung die Frist im Umfang der zum [X.]punkt des Hemmungseintritts verbleibenden [X.] weiter (§ 209 [X.]: "Der [X.]raum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet"), während demgegenüber die Verjährungsfrist nach einer Unterbrechung in vollem Umfang erneut zu laufen begonnen hätte. Die Verjährung der streitigen Beitragsforderung würde deshalb im Falle der Hemmung der Frist des § 25 Abs 1 [X.]B IV im November 2006 bereits kurze [X.] nach dem Wegfall des die Hemmung begründenden Tatbestandes eintreten und nicht - wie im Falle der Unterbrechung - erst nach Ablauf weiterer vier Jahre.

2. Auch über den (vorläufigen) Abschluss des Beitragsverfahrens durch Erlass der Bescheide vom 24.1.2007 hinaus blieb der Lauf der Verjährungsfrist durchgehend gehemmt. Denn nach § 52 Abs 1 Satz 1 [X.]B X idF durch Art 11 Nr 3 [X.], der nach dem mit demselben Gesetz eingefügten § 120 Abs 5 [X.]B X iVm Art 229 § 6 Abs 1 Satz 1 EG[X.] allein anwendbar ist, hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit der genannten Fassung im vorliegenden Fall bestehen aus den bereits oben zu § 198 Satz 2 [X.]B VI nF erörterten Gründen nicht. Die Hemmung endet erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung (§ 52 Abs 1 Satz 2 [X.]B X). Beides ist bisher nicht eingetreten.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 12 R 19/09 R

27.07.2011

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Dortmund, 6. Mai 2008, Az: S 46 R 193/07, Urteil

§ 23 Abs 1 S 2 SGB 4, § 25 Abs 1 S 1 SGB 4, § 198 S 2 SGB 6, § 8 SGB 10, § 18 S 2 Nr 1 SGB 10, § 52 Abs 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 27.07.2011, Az. B 12 R 19/09 R (REWIS RS 2011, 4355)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4355

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