Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2018, Az. IX ZR 232/17

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 7820

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:140618U[X.]232.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 232/17

Verkündet am:

14. Juni 2018

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
GmbHG § 9b Abs. 1 Satz 1, § 64 Satz 1
Ein Insolvenzverwalter ist nicht gehindert, Ersatzansprüche des Schuldners wegen verbotener Zahlungen im Rahmen eines Vergleichs an einen [X.] abzutreten.

[X.], Urteil vom 14. Juni 2018 -
IX ZR 232/17 -
OLG Stuttgart

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
14. Juni 2018
durch [X.] [X.], die
Rich-terin [X.] und [X.] [X.], [X.] und Meyberg

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlan-desgerichts Stuttgart vom 19. September 2017, berichtigt durch Beschluss vom 14. November 2017,
wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die [X.]en streiten über die Wirksamkeit einer Abtretung. Die [X.] waren Geschäftsführer der R.

GmbH (fortan Schuldnerin), über deren
Vermögen auf Eigenantrag vom 4.
November 2010 am 31.
Dezember 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt P.

als Insolvenzverwalter bestellt wurde. Die Schuldnerin war Teil einer im Bereich der Herstellung und des Vertriebs von Regalsystemen tätigen [X.]. Über das Vermögen weiterer [X.]en dieser Gruppe wurde im Zeitraum zwischen dem 31.
Dezember 2010 und dem 12.
Juli 2011 ebenfalls das Insolvenzverfahren eröffnet.

Am 15.
Februar 2013 schlossen die beteiligten
Insolvenzverwalter der [X.]en unter anderem mit dem Kläger eine Vereinbarung zur [X.] von zwischen den Vertragsparteien bestehenden vielfälti-1
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-
gen rechtlichen Auseinandersetzungen
über gegenseitige Ansprüche. Diese Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass mögliche vertragliche und außer-vertragliche Ansprüche gegen die Beklagten an den Kläger abgetreten werden und der Kläger vorsorglich zur Geltendmachung der Ansprüche und zur [X.] im eigenen Namen ermächtigt wird. Hierzu heißt es: "

bgetre-ten sind auch die etwaigen Ansprüche der Insolvenzverwalter gegen
die Ge-gemäß §
64 Satz 1 GmbHG auf Erstattung von Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Insolvenzschuldnerinnen."
Unter dem 18.
März 2013 unterzeichneten die Insolvenzverwalter zwei als "Ab-tretung"
bezeichnete Schriftstücke, in denen etwaige vertragliche und außerver-tragliche Ansprüche gegen die Beklagten als ehemalige Geschäftsführer in [X.] einschließlich etwaiger Zinsen an den Kläger abgetreten werden.

Gestützt hierauf nimmt der Kläger die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadenersatz wegen behaupteter Zahlungen betreffend die Schuldnerin im Zeitraum vor Insolvenzeröffnung in Anspruch. Mit einer Zwischenfeststel-lungswiderklage begehren die Beklagten die Feststellung, dass die Abtretung der gegen sie gerichteten Ansprüche an den Kläger und die Einräumung einer Prozessstandschaft unwirksam seien. Das [X.] hat die Widerklage durch Teilurteil abgewiesen. Die Berufung der
Beklagten ist ohne Erfolg geblie-ben.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision
verfolgen die [X.] ihr Feststellungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

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-
4
-
I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin habe die streitgegenständlichen Ansprüche wirksam an den Kläger abgetreten. Der Klä-ger habe die Abtretung schlüssig dargelegt. Mit ihrem
insoweit erhobenen [X.], aus der Vorlage einer teilgeschwärzten Vereinbarung werde nicht darge-legt, die Vereinbarung sei unbedingt erfolgt, könnten die Beklagten nicht durch-dringen; der erst in der Berufung gehaltene Vortrag, hinter den Schwärzungen könnten [X.] versteckt sein, sei neu und nicht mehr [X.]. In der Vereinbarung werde auch die Annahme der Abtretung erklärt.

Den Beweis einer
[X.]widrigkeit der Vereinbarung hätten die Beklagten nicht erbracht. Die Abtretung sei nicht ohne
Gegenleistung erfolgt, sondern als Teil einer Gesamtbereinigung. Dass der Insolvenzverwalter die Ab-tretung ohne Beteiligung am [X.] vereinbart habe, begründe keine Zweckwidrigkeit. Inhalt und Umstände der abgeschlossenen Vereinbarung lie-ßen keinen offensichtlichen Verstoß gegen die Aufgaben des [X.] erkennen. Dieser habe vielmehr unter Berücksichtigung einer anwaltlichen Stellungnahme von der geringen Werthaltigkeit
der abgetretenen Ansprüche ausgehen dürfen. Es könne nicht festgestellt werden, dass diese Einschätzung auf untragbaren Annahmen beruhe. Weder seien die Forderungen als "Lästig-keitsprämie"
abgetreten, noch werde einer der Insolvenzgläubiger einseitig [X.]. Auf das subjektive Element der [X.]widrigkeit komme es deshalb nicht mehr an.

Die Vereinbarung sei schließlich auch nicht wegen eines Verstoßes ge-gen §
9b GmbHG unwirksam. Diese Vorschrift finde zwar grundsätzlich Anwen-5
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5
-
dung auch auf Ansprüche nach §
64 GmbHG. Indes setze §
9b GmbHG dem Insolvenzverwalter für den Abschluss eines Vergleichs oder eines
Verzichts hinsichtlich solcher Ansprüche keine über das Verbot der [X.]wid-rigkeit hinausgehenden
engeren Schranken. Offen bleiben könne daher, ob §
9b GmbHG bereits deswegen ausscheide, weil nicht unmittelbar ein Vergleich oder Verzicht vereinbart worden sei, oder ob die Berufung der Beklagten auf eine Unwirksamkeit nach § 9b GmbHG rechtsmissbräuchlich wäre.

II.

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher
Nachprüfung stand.

1. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung; die bloße Angabe des Grundes für die Zulassung der Revision reicht nicht, um von einer nur beschränkten Zulassung des Rechtsmittels auszugehen (vgl. [X.], Urteil vom 28.
Juli 2016

I
ZR 9/15, [X.]Z 211, 309
Rn. 11 [X.]).

2. [X.] ist gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Die begehrte
Feststellung geht über den der Rechtskraft zugänglichen Gegen-stand der
Klage hinaus. Wie das [X.] zutreffend festgestellt hat, erledigt das Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen zwischen den [X.]en nicht erschöpfend.

3. Die tatrichterlichen Feststellungen tragen die Annahme des [X.], zwischen den [X.]en sei eine Abtretungsvereinbarung [X.] gekommen. Mit ihren hiergegen gerichteten [X.], die sich darauf stützen, 8
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dass der Kläger die Vereinbarung vom 15.
Februar 2013 nicht vollständig, son-dern teilweise geschwärzt vorgelegt hat,
kann die Revision nicht durchdringen. Dabei kann dahinstehen, ob die Behauptung, die Abtretung sei möglicherweise an Bedingungen geknüpft gewesen, im Berufungsverfahren neu im Sinne von §
529 Abs.
1 Nr. 2, §
531 Abs. 2 ZPO war. Denn nach den getroffenen und in-soweit nicht angegriffenen Feststellungen wurden die streitgegenständlichen Ansprüche jedenfalls mit Erklärung vom 18.
März 2013 uneingeschränkt [X.]. Der Kläger hat die Abtretung spätestens mit Geltendmachung der [X.] gegen die Beklagten angenommen, welche nach deren Vorbringen umgehend nach Abschluss der Vereinbarung vom 15.
Februar 2013 erfolgte.

4. Auch die Wertung des Berufungsgerichts, die Abtretungsvereinbarung sei nicht insolvenzzweckwidrig, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 [X.]). [X.] steht bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermes-sensspielraum zu ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013 -
IX [X.], [X.], 347 Rn. 8). Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den [X.] (§
1 [X.]) beschränkt. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.]
sind Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters
unwirksam, welche der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger klar und eindeutig zuwider-laufen;
sie verpflichten die Masse nicht
([X.], Urteil vom 25.
April 2002

IX
ZR 313/99, [X.]Z 150, 353, 360 f; vom 10. Januar 2013, aaO). Dies trifft indes nur dann zu, wenn der Widerspruch zum [X.] unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Beobachter ohne weiteres ersichtlich ist, wenn der Widerspruch zum [X.] also evident war und 12
13
-
7
-
sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls ohne [X.] begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten, ihm somit der Sache nach zumindest grobe
Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (vgl. [X.], Urteil vom 25.
April 2002, aaO; Beschluss vom 20.
März 2008

IX
ZR 68/06, [X.], 365 Rn. 4; vom 14.
April 2011

IX
ZR 114/10, juris Rn. 3; Urteil vom 20.
März
2014

IX
ZR 80/13, [X.], 450, Rn. 14; zur KO
bereits [X.], Urteil vom 13.
Januar 1983

III
ZR 88/81, NJW 1983, 2018, 2019). Um [X.]widrigkeit anzu-nehmen, genügt es nicht, dass die Handlung des Insolvenzverwalters nur [X.] oder unrichtig ist (vgl. [X.], Urteil vom 20.
März 2014,
aaO [X.]; [X.]/[X.], [X.], 14.
Aufl., §
129 Rn. 152).

Das gilt auch für einen vom Insolvenzverwalter geschlossenen Vergleich, der regelmäßig ein teilweises Entgegenkommen beinhaltet und somit

falls er einen oder mehrere Ansprüche zum Gegenstand hat

einen teilweisen Ver-zicht. Nur ein Verzicht, welcher
dem Zweck des Insolvenzverfahrens

der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger

klar und eindeutig zuwi-derläuft, wäre unwirksam;
ist der Vergleich für die Masse nur ungünstig, aber
noch nicht insolvenzzweckwidrig, ist er wirksam ([X.], Urteil vom 17.
De-zember 2015

IX
ZR 143/13, [X.]Z 208, 227 Rn. 24 [X.]). Die Darlegung und gegebenenfalls der Nachweis, dass der geschlossene Vergleich oder die darin erfolgte Forderungsabtretung wegen
[X.]widrigkeit unwirksam ist, obliegt der [X.], die sich auf diesen rechtsvernichtenden Einwand beruft.

b) Hiervon geht das Berufungsgericht zutreffend aus. Es ist auf der Grundlage
der von ihm getroffenen
Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein zur Unwirksamkeit der Abtretung führendes insolvenzzweckwidri-14
15
-
8
-
ges Handeln nicht feststellen lasse. Hiergegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

aa) Der Verweis der Revision auf die an den Insolvenzverwalter zu stel-lenden [X.] vermag keine Aussage zur Unwirksamkeit der gegebenenfalls pflichtwidrig vorgenommenen Rechtshandlung zu geben. Zwar ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers das gesetzliche Leitbild des [X.] und gewissenhaften Insolvenzverwalters an die handels-
und gesell-schaftsrechtlichen [X.] (§
347 Abs. 1 HGB, §
93 Abs.
1 Satz
1 AktG, §
34 Abs. 1 Satz
1 GenG, §
43 Abs. 1 GmbHG) angelehnt (BT-Drucks.
12/2443, [X.]). Jedoch sind insoweit bereits die Besonderheiten zu beachten, die sich aus den Aufgaben des Insolvenzverwalters und aus den Umständen ergeben, unter denen er seine Tätigkeit ausübt ([X.], Urteil vom 16.
März 2017

IX
ZR 253/15, NJW 2017, 1749 Rn. 17,
zVb in [X.]Z). [X.] der dem Insolvenzverwalter eingeräumten umfassenden Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis kann nicht jede pflichtwidrig vorgenommene Rechts-handlung unwirksam
sein, sondern

wie ausgeführt

nur eine solche, die dem [X.] offenbar zuwiderläuft. Der Gläubiger der [X.]er wird insoweit auch nicht völlig schutzlos gestellt, denn er kann, wenn die weiteren haftungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, den Insolvenzverwalter nach §
60 [X.] auf Schadensersatz in Anspruch nehmen ([X.], Urteil vom 17.
De-zember 2015

[X.], [X.]Z 208, 227 Rn. 24).

[X.]) Die Wertung des Berufungsgerichts, die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagten erweise sich nicht als insolvenzzweckwidrig, lässt auch im Übrigen keine Rechtsfehler erkennen. Mit ihrem Vorbringen, für das Revisions-verfahren
sei von der Abtretung einer werthaltigen Forderung ohne gleichwerti-ge
Gegenleistung auszugehen, lässt die Revision außer Betracht, dass das Be-16
17
-
9
-
rufungsgericht dem entgegenstehende Feststellungen getroffen hat. Danach ist die
beanstandete Abtretung Teil eines Gesamtvergleichs, durch den eine [X.] gegeneinander geführter
Rechtsstreitigkeiten abschließend erledigt werden sollte
("Generalbereinigung").
Ohne die Abtretung wäre die Gesamtvereinba-rung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zustande gekommen. Der Ausgang der vergleichsgegenständlichen und mit einem erheblichen Kostenrisiko für die Masse verbundenen Verfahren war ungewiss. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des [X.] hinsichtlich von ihm geltend gemachter Schadener-satzansprüche ein Grundurteil zu seinen Gunsten erwirkt, in einem anderen mit
dem Kläger geführten Rechtsstreit waren die Insolvenzverwalter der [X.] erstinstanzlich unterlegen. Demgegenüber bestand [X.] für die Beklagten lediglich bis zu einer Höhe von 5 MiDie den [X.] der Schuldnerin beratenden Rechtsanwälte kamen in einer Stel-lungnahme zu dem Ergebnis, dass der Gesamtvergleich für die Masse vorteil-haft sei. Die Würdigung des Berufungsgerichts, begründete Zweifel an der Ver-einbarkeit der
Abtretung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens hätten sich nicht aufdrängen müssen, ist vor diesem Hintergrund revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Insolvenzverwalter ist auch nicht stets
gehalten, sich eine Beteili-gung an der abgetretenen Forderung für den Fall von deren Beitreibung ein-räumen zu lassen. Wie die hierzu von der Revision in Bezug genommenen Ent-scheidungen ([X.], Urteil vom 10.
Januar 2013

IX
[X.], [X.], 347 Rn. 10; [X.], [X.], 1765, 1769 f) bereits zeigen, kommt es maßgeblich auf eine Gesamtbetrachtung der sich für die Masse ergebenden Auswirkung des abzuschließenden Vergleichs an. Entscheidend
sind die jewei-ligen Umstände des Einzelfalls. Es kommt dabei
nicht allein
auf die Nennwerte der sich gegenüberstehenden

und bis dahin lediglich behaupteten

Forderun-18
-
10
-
gen an. Vielmehr hat der Insolvenzverwalter deren wirtschaftliche Werthaltigkeit unter Berücksichtigung von Kosten und Aussichten
einer Verwirklichung
zu prü-fen. Beachtung verdienen ferner
die Vorteile, die sich für die Masse aus einer nichtstreitigen Auseinandersetzung ergeben können. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Insolvenzverwalter eine solche Prüfung durchge-führt mit dem Ergebnis, dass er von einer gerichtlichen Geltendmachung zu-gunsten der Masse abgesehen hätte. Ob der Kläger von der Werthaltigkeit der an ihn abgetretenen Ansprüche überzeugt war, ist für die Wirksamkeit der Ab-tretung nicht entscheidungserheblich.

5. Der
Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarung steht es auch nicht ent-gegen, dass gemäß §
64 Satz 4, §
43 Abs.
3 Satz 2, §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG ein Verzicht der [X.] auf Ersatzansprüche nach §
64 Satz 1 und Satz 3 GmbHG oder ein Vergleich der [X.] hierüber, der die Er-satzpflicht des Geschäftsführers einschränkt, unwirksam
ist, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der [X.] erforderlich ist.

a) Für die hier interessierende Abtretung der Ersatzansprüche an einen [X.] kommt nur eine entsprechende Anwendung des §
9b Abs. 1 Satz 1 GmbHG in Betracht, weil
nach
dem Wortlaut dieser Vorschrift unmittelbar nur der Vergleich (im Sinne des §
779 BGB) mit einem
Ersatzverpflichteten ([X.]/
[X.] in [X.]/[X.]/Lö[X.]e, GmbHG, 2. Aufl., § 9b Rn. 10 f; [X.]/
[X.], GmbHG, 12. Aufl., § 9b Rn. 7; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
9b Rn.
15; [X.]/Strohn/[X.], [X.]srecht, 3. Aufl., §
9b GmbHG Rn.
5; [X.] in Gehrlein/[X.], GmbHG, 3. Aufl., §
9b Rn. 8), sowie der wenigstens teilweise Verzicht (etwa durch Erlassvertrag, §
397 Abs. 1 BGB, oder durch negatives Schuldanerkenntnis, § 397 Abs. 2 BGB; vgl. [X.]/
[X.], aaO Rn. 8 f; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 21. Aufl., §
9b 19
20
-
11
-
Rn.
2; Rowe[X.]er/[X.]/[X.], GmbHG, 6. Aufl., §
9b Rn.
5; Te[X.]en in [X.]/[X.]/[X.]/J.Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 9b Rn.
2; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 8. Aufl. § 9b Rn. 2; [X.]/[X.], GmbHG, 3.
Aufl. § 9b Rn. 1; [X.] in Gehrlein/[X.], aaO Rn. 5 ff)
[X.] sind. Ob die für eine solche Analogie erforderlichen Voraussetzungen
im Falle der Abtretung der Ansprüche der [X.] durch einen Insolvenz-verwalter vorliegen, kann hier dahinstehen.

b) Die Vorschrift des §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG gilt nicht für
den [X.].
Zwar enthalten §
64 Satz 4, §
43 Abs.
3 Satz 2, §
9b Abs. 1 Satz
1 GmbHG keine ausdrückliche Einschränkung des persönlichen Anwen-dungsbereichs.
§ 9b Abs. 1 GmbHG, auf dessen entsprechende Anwendung §
64 Satz 4 GmbHG über §
43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG verweist, spricht von "der [X.]".
Eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte Auslegung ergibt jedoch, dass §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG (auch für Ansprüche nach §
64 Satz 1 und Satz 3 GmbHG) nicht für die [X.]
gilt, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Dies hat das Berufungsgericht in Über-einstimmung mit der nahezu einhelligen Auffassung in der Literatur
([X.] in [X.]/[X.]/Lö[X.]e, aaO §
64 Rn. 132; [X.]/[X.] in Rowe[X.]er/[X.], aaO, §
64 Rn. 54; Nerlich in [X.]/[X.]/
[X.]/J.Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., §
64 Rn. 28; [X.]/[X.], 2. Aufl., §
64 Rn. 106, 171; [X.]/Strohn/[X.], aaO Rn.
39 [X.]; [X.]/[X.]/[X.], aaO §
9b Rn. 2; [X.], aaO §
64 Rn. 24; HK-GmbHG/
Kolmann, 3. Aufl., vor
§
64 Rn. 251 f, §
64 Rn. 75; [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 3.
Aufl., §
64 Rn. 33; BeckOK-GmbHG/[X.], Februar 2018, §
64 Rn. 93; [X.]/[X.], [X.], 14. Aufl., §
35 Rn. 338 f; [X.], Z[X.] 2007, 464, 469)
zutreffend gesehen.

21
-
12
-

aa) Der
Wortlaut des §
9b Abs.
1 GmbHG
vermag die These der [X.], §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG sei uneingeschränkt auch auf den Insolvenz-verwalter anwendbar, nicht zu stützen. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus der in §
9b Abs.
1 Satz 2 GmbHG geregelten insolvenzbezogenen Ausnahme von der Unwirksamkeit eines Verzichts oder Vergleichs. Denn diese Ausnahme
betrifft ausschließlich die Insolvenz des [X.] (vgl. [X.]/[X.], aaO §
9b Rn. 17 ff; [X.]/[X.], aaO § 9b Rn. 28; [X.]/
Strohn/[X.], aaO
§ 9b Rn. 10; BeckOK-GmbHG/Ziemons, August 2017, §
9b Rn. 16). Dass der Gesetzgeber
damit auch insolvenzrechtliche
Sachver-halte die [X.] betreffend in den Blick genommen oder geregelt hätte, ist weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 8/1347, [X.]) ersichtlich.
Die Vorschrift des § 9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG adres-siert im Gegenteil die [X.], die aber durch die
Eröffnung des [X.] aufgelöst wird (§
60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG).

[X.]) Anderes kann auch der Gesetzessystematik nicht entnommen wer-den. §
9b GmbHG findet sich in dem die Errichtung einer [X.] Abschnitt 1
des Gesetzes betreffend die [X.]en mit beschränk-ter Haftung (GmbHG), ist also Teil der Gründungvorschriften. Über den
unmit-telbaren Anwendungsbereich betreffend die Kapitalaufbringung bei Gründung der [X.] hinaus findet die Vorschrift entsprechende Anwendung auf die Kapitalerhöhung (§
57 Abs. 4 GmbHG) sowie auf Umwandlungssachverhalte (vgl. §
36 Abs. 2 Satz 1, §
135 Abs. 2 Satz 1, §
197 Satz 1 [X.]). Insoweit bezieht sich
§
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG auf Kapitalaufbringung und erhaltung
bei
Gründung und Betrieb einer werbenden [X.]. Auch §
43 Abs. 3 GmbHG, auf den §
64 Satz 4 GmbHG verweist, dient
als
spezieller Haftungs-tatbestand der Durchsetzung von Kapitalerhaltungsregelungen
in §§
30 und 33 GmbHG. Anders als bei einer werbenden [X.] kann in der Insolvenz 22
23
-
13
-
der [X.] der Insolvenzverwalter masseschädliche Verstöße gegen die [X.] bereits nach den §§
129 ff [X.] korrigieren. Einer [X.] wie derjenigen
des §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG hätte es für den [X.] also nicht bedurft, was zeigt, dass diese Regelung nicht die Be-fugnisse des Verwalters in der Insolvenz der [X.]
im Blick hat.

[X.]) Eine Geltung von §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG für den [X.] ergibt sich auch nicht daraus, dass §
64 GmbHG Zahlungen nach [X.] oder Überschuldung in den Blick nimmt, die Haftung also im Regelfall die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt und es dann Sa-che des Insolvenzverwalters
ist, diese
Ansprüche
geltend zu machen.

Der Zweck des §
64 GmbHG besteht darin, Masseverkürzungen im [X.] des Insolvenzverfahrens zu verhindern und gegebenenfalls sicherzustellen, dass das [X.]svermögen wieder aufgefüllt wird und im nachfolgenden Insolvenzverfahren zur Befriedigung aller [X.]sgläubiger zur Verfügung steht ([X.], Urteil vom 15.

März 2016

II
ZR 119/14, NJW 2016, 2660 Rn. 15 [X.]). Auch die Erweiterung des § 64 GmbHG durch das Gesetz zur Moderni-sierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.
Oktober 2008 ([X.] I, S. 2026) zielt auf den

insoweit bewusst über einen nachträglichen Schutz durch §
129 ff [X.] hinausgehenden

Schutz vor Vermögensverschiebungen zwischen der werbenden [X.] und ihren [X.]ern; es soll der Gefahr vorgebeugt werden, dass bei sich [X.] Zahlungsunfähigkeit von [X.]ern Mittel entnommen werden können (BT-Drucks. 16/6140, [X.] f).
Dieser dem Insolvenzverfahren vorgela-gerte Schutz wird durch das über §
43 Abs.
3 Satz 2 GmbHG entsprechend anwendbare Vergleichs-
und Verzichtsverbot des §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG begleitet, was dafür spricht, dass auch dieses nur insoweit greift, als das Insol-24
25
-
14
-
venzverfahren noch nicht eingeleitet ist. Auch verliert §
64
GmbHG nicht, wie die Revision meint, dadurch jeglichen Anwendungsbereich, dass der Insolvenz-verwalter nicht dem Verzichts-
und Vergleichsverbot unterworfen ist.

[X.]) Die Vorschrift des §
9b GmbHG
soll ausweislich
der Gesetzesbe-gründung ausschließlich dem Gläubigerschutz dienen
(BT-Drucks. 8/1347, S.
36). Sie soll also die Durchsetzbarkeit gläubigerschützender Ersatzansprü-che
sichern; einen weitergehenden Schutz der [X.] oder einer Minder-heit bezweckt §
9b GmbHG nicht
([X.]/[X.], aaO §
9b Rn. 2; Münch-Komm-GmbHG/[X.], aaO §
9b Rn. 2; [X.], aaO
§
9b Rn. 1). Verhindert werden soll, dass einem [X.]sgläubiger, der einen Zahlungstitel gegen die [X.] erwirkt hat, Ansprüche gegen Geschäftsführer oder Gesell-schafter als Haftungsmasse entzogen werden. Mit Eröffnung des [X.] wird der Gläubigerschutz vorrangig durch das Insolvenzrecht realisiert. In Fällen, in denen der Schuldner zur vollen Befriedigung aller Gläubiger nicht mehr in der Lage ist, dient das Insolvenzrecht der Verwirklichung der Vermö-genshaftung (BT-Drucks. 12/2443, [X.]). Das Ziel einer bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung steht im Vordergrund und wird mit den Regelungen der [X.] verwirklicht. Die in §
1 [X.] genannten Ziele des Insolvenzverfahrens begrenzen zugleich die Rechtsmacht des [X.] (MünchKomm-[X.]/Ganter/[X.], 3.
Aufl., §
1 Rn. 7). Die Gläu-biger werden zudem über §§
60, 61 [X.] geschützt. Eines
anders gelagerten
Gläubigerschutzes, wie er bei einer werbenden [X.] erforderlich ist, bedarf es im Insolvenzfall nicht.

ee) Einer Geltung von §
9b Abs.
1 Satz 1 GmbHG für den [X.] stehen vor allem
dessen Aufgaben und dessen Stellung entgegen.

26
27
-
15
-

(1) Mit der Insolvenzeröffnung geht die Verwaltungs-
und Verfügungsbe-fugnis auf den Insolvenzverwalter über (§
80 Abs. 1 [X.]), das [X.]s-vermögen wird zur Insolvenzmasse (§§
35, 36 Abs. 1 und 2 [X.]). Nach [X.] Rechtsprechung des [X.] ist der Verwalter nicht

wie der vormalige Geschäftsführer

Vertreter des Schuldners, sondern [X.] kraft Am-tes ([X.], Urteil vom 26.
Januar 2006

IX
ZR 282/03, Z[X.] 2006, 260 [X.]). Die Organe der [X.] bleiben nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwar bestehen, sie nehmen aber nur solche Kompetenzen wahr, die nicht die Insolvenzmasse betreffen ([X.], aaO). Weder die [X.]erversammlung noch ein Aufsichts-
oder Verwaltungsrat ist berechtigt, dem Insolvenzverwalter Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Abwicklung zu erteilen (HK-[X.]/
[X.], 9.
Aufl.,
§
80
Rn.
30; [X.]/[X.], [X.], 14.
Aufl., §
80 Rn.
53). Dem Insolvenzverwalter steht bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Befugnisse sind bewusst weit gefasst und gehen über den gesellschaftsrechtlichen Handlungsrahmen hinaus ([X.]/[X.]/[X.], aaO §
60 Rn. 42). Gegenstände der Masse können vom In-solvenzverwalter freigegeben werden mit der Folge, dass der [X.] endet und der Schuldner die Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis [X.]. Wird eine Forderung freigegeben, fällt grundsätzlich auch ein mit deren Beitreibung erzieltes Vermögen nicht in die Insolvenzmasse ([X.], [X.] vom 3.
April 2014

IX
ZA 5/14, [X.], 501 Rn. 6 [X.];
Urteil vom 22.
Mai 2014

IX
ZR 136/13, [X.], 614 Rn.
33).

(2) Hiervon ausgehend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Insolvenzverwalter auch im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juris-tischen Person befugt
ist, einzelne Gegenstände aus der Masse freizugeben
([X.], Urteil vom 21.
April 2005

IX
ZR 281/03, [X.]Z 163, 32). Auch kann er auf Insolvenzanfechtung gestützte Herausgabeansprüche abtreten ([X.], Urteil 28
29
-
16
-
vom 17.
Februar 2011

IX
ZR 91/10, [X.], 1080 Rn. 8; vom 10.
Januar 2013

IX
[X.], [X.], 471 Rn.
10). Die hierfür maßgeblichen Ge-sichtspunkte gelten in gleicher Weise
für die Frage, ob der Insolvenzverwalter auf einen Anspruch der Masse aus §
64 Satz 1 und Satz 3 GmbHG verzichten oder sich über einen solchen vergleichen kann. Das Insolvenzverfahren wird geprägt von dessen Ziel der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbe-friedigung. Der Insolvenzverwalter soll
nicht gezwungen sein, einen unter Um-ständen mit einem erheblichen Prozess-
und Kostenrisiko verbundenen Rechtsstreit
führen zu müssen. Ihm ist ein Ermessenspielraum auch insoweit einzuräumen, als er eine gegebenenfalls notwendige Kooperation mit den [X.]

über §§
97, 101 [X.] hinaus

nicht durch eine zwingende Ver-folgung der Ansprüche nach § 64 GmbHG gefährden will (HK-GmbHG/
Kolmann, aaO
§ 64 Rn. 76). Der [X.], der zugleich die Befugnisse des Insolvenzverwalters begrenzt, bietet den Gläubigern zudem ausreichend Schutz, indem dessen Verletzung

wie bereits oben dargelegt

sowohl Fälle

-
17
-
der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts des Insolvenzverwalters als auch dessen Haftung nach §
60 [X.] nach sich ziehen kann.

[X.]
[X.]
Pape

Schoppmeyer
Meyberg

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.12.2016 -
11 O 11/14 KfH -

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 19.09.2017 -
12 U 8/17 -

Meta

IX ZR 232/17

14.06.2018

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2018, Az. IX ZR 232/17 (REWIS RS 2018, 7820)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 7820

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 232/17

IX ZR 172/11

IX ZR 143/13

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